Klettern – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Alex Megos: „Ich lebe meinen Traum“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alex-megos-ich-lebe-meinen-traum/ Fri, 12 Oct 2018 06:27:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42277

Alex Megos beim IMS in Brixen

Es gibt Menschen, die scheinen das Gravitationsgesetz aushebeln zu können. Alex Megos gehört dazu. Der 25 Jahre alte Franke aus der Stadt Erlangen gehört zu den besten Sportkletterern der Welt. Mit 19 meisterte er im spanischen Klettergebiet Siurana als Erster weltweit „onsight“ eine Route im französischen Klettergrad 9a, was nach der klassischen Schwierigkeitsskala dem elften Grad entspricht. Zum Vergleich: Reinhold Messner kletterte in seinen besten Tagen den siebten Grad. Onsight bedeutet, dass Alex einfach drauflos kletterte, ohne sich vorher irgendwelche Informationen über die Route besorgt zu haben. Dieser Coup öffnete ihm das Tor zum Profiklettern. In diesem Frühjahr ließ Megos ein weiteres Glanzlicht folgen: Ihm gelang im Klettergebiet Margalef im Nordosten Spaniens die Erstbegehung der Route „Perfecto Mundo“ (s. Video unten von einem seiner gescheiterten Versuche), seine erste 9b+ (nach alter Lesart im unteren zwölften Grad). Eine einzige Route weltweit wird derzeit überhaupt als noch schwieriger gewertet.

Ich habe Alex Megos beim 10. International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol getroffen, wo sich seit Jahren die Großen der Bergszene die Klinke in die Hand geben.

Alex, du bist einer von erst drei Kletterern weltweit, die eine Route im Schwierigkeitskeitsgrad 9b+ geklettert sind. Du bist also ganz vorne mit dabei. Wie fühlt sich das an?

Es fühlt sich natürlich nicht so schlecht an. Aber eigentlich mache ich es ja nicht, um berühmt zu werden, sondern einfach, weil mir Klettern taugt und weil ich wissen möchte, wie schwer ich klettern kann, wie weit ich mein eigenes Limit nach oben schieben kann.

Erkläre doch bitte einmal einem Laien, was er sich unter einer 9b+-Route vorzustellen hat.

Das sind viele, viele schwere Kletterzüge hintereinander in sehr steilen, teilweise überhängenden Felswänden. Wenn jemand beispielsweise einen ganz normalen Türrahmen von zwei Zentimetern hat, dann kann ich daran ganz gemütlich einarmig hängen. Das ist nicht sonderlich schwer. 9b+ ist aber schwer. (lacht)

Strapazierte Finger

Wie sieht dein Training dafür aus?

Ich trainiere eigentlich täglich. Etwa fünf Tag pro Woche gehe ich an die Kletterwand, den Rest der Zeit mache ich Ausgleichstraining und andere Kräftigungsübungen an den Ringen, der Klimmzugstange, dem Fingerboard usw.

Der Tscheche Adam Ondra, der mit einer 9c die bisher wohl schwierigste Route weltweit geklettert hat, beschäftigt einen eigenen Physiotherapeuten, der ihm auch neue Bewegungen zeigt, die er in seine Kletterzüge einbauen kann. Hast du auch solche Berater?

Ich habe keinen eigenen Physio, aber ich habe zwei Trainer, Patrick Matros und Dicki (Ludwig) Korb, mit denen ich schon seit zwölf Jahren zusammenarbeite. Wir schauen gemeinsam, wo ich noch besser werden kann, feilen am Training, erfinden neue Übungen. Im Vergleich zu Laufen oder Fahrradfahren ist Klettern ja noch ein sehr junger, aber ein, wie ich finde, viel komplexerer Sport. Man hat sehr vielfältige Bewegungen, niemals dieselben. Deshalb gibt es auch so viele unterschiedliche Weltklasse-Kletterer. Der eine ist vielleicht 1,50 Meter groß und wiegt 50 Kilogramm, der andere misst 1,85 Meter und bringt 80 Kilo auf die Waage. Beide sind Weltklasse, aber in unterschiedlichen Kletterstilen. Deshalb ist das Klettern für mich so besonders. Man muss halt für sich herausfinden, wo seine Stärken und Schwächen liegen und dann daran arbeiten, sich ganzheitlich als Kletterer zu verbessern.

Im senkrechten Fels

Wenn du spektakuläre Routen kletterst, tauchen in deinem Umfeld immer dieselben Namen auf: Chris Sharma, Stefano Ghisolfi, Adam Ondra. Ist das eine kleine Clique in diesem High-End-Bereich des Kletterns?

Auf jeden Fall. Sowohl im Felsklettern, als auch im Wettkampfklettern kennt man sich. Nach den zwei Tagen hier beim IMS werde ich nach Arco fahren, um Stefano zu besuchen und mit ihm zu klettern. Man kennt sich, man besucht sich, man klettert gemeinsam, wenn es sich ergibt. Es ist wirklich eine kleine Clique.

Die angesprochene 9b+-Route, die du als Erster gemeistert hast, hatte ja eigentlich Chris Sharma vor Jahren eingebohrt, sie aber selbst nicht geschafft. Fuchst ihn das?

Ich glaube, aus dem Alter ist er heraus. (lacht) Er hat die Route vor neun oder zehn Jahren eingebohrt, es einige Jahre lang probiert und ist immer wieder gescheitert. Dann hat er sich einem anderen Projekt zugewandt, der Route „Dura Dura“, die vor vier Jahren zur ersten 9b+ weltweit wurde. Er hat sie dann auch geklettert. Da war er auch schon 33 Jahre alt. Er ist dann Vater geworden, hat eine Kletterhalle eröffnet und hatte einfach weniger Zeit. Als Stefano (Ghisolfi) und ich die Route in Margalef versucht haben, hat ihn das natürlich mega motiviert, und er hat es auch selbst wieder probiert.

Du bist jetzt 25 Jahre alt. Fühlst du dich schon auf dem Zenit deiner Leistungsfähigkeit?

Ich sehe mich auf jeden Fall noch nicht an meinem Limit. Ich habe noch so viele Schwächen gefunden, an denen ich arbeiten kann, damit ich noch schwerere Sachen klettern kann.

Im Überhang

Apropos schwerer. Es gibt ja eine 9c-Route, die von Adam Ondra 2017 erstbegangene „Silence“ in der Höhle „Hanshallaren“ bei Flatanger in Norwegen. Reizt dich diese extrem stark überhängende Route nicht?

Ich denke, für meinen Kletterstil ist diese Route nicht ideal. Es ist eine Kletterei, die mir nicht sonderlich entgegenkommt. Meine Stärken liegen in anderen Kletterbereichen. Wenn ich wirklich an meinem Limit klettern will, dann muss ich mir etwas suchen, was meine Stärken bedient. Nur dann werde ich es auch schaffen.

Wobei Adam Ondra ja gesagt hat: Wenn er es einem zutraut, dann dir.

Aber dafür müsste man sehr, sehr viel Zeit investieren. Es gibt ja gar nicht so viele Leute, die a) das Level hätten, so etwas zu klettern und b) auch noch den Willen, so viel Zeit zu investieren. Ich würde lieber die Zeit in etwas stecken, das mir mehr liegt.

Du kommst ja ursprünglich aus dem Wettkampfklettern.

Ich habe als Jugendlicher viele, viele Wettkämpfe gemacht, etwa bis ich 18 Jahre alt war. Dann habe ich für sechs Jahre komplett aufgehört. Ende 2017 bin ich dann wieder mit einigen Wettkämpfen eingestiegen und habe auch in Briancon in Frankreich wieder meinen ersten Weltcup-Wettbewerb gewonnen. Ich würde gerne wieder mehr in das Wettkampfgeschehen einsteigen.

Mit dem Fernziel Olympia 2020 in Tokio, wo Klettern erstmals olympische Sportart wird?

Natürlich ist das ein Thema. Allerdings muss ich mir das gut überlegen, weil ich in den letzten Jahren überhaupt keine Wettkämpfe bestritten habe. Dadurch habe ich etwas Rückstand. Das Format, das bei Olympia präsentiert wird – eine Kombination aus den drei Disziplinen Bouldern, Lead- und Speedklettern – kommt mir nicht entgegen, weil ich bis vor kurzem noch nie Speedklettern war. Und auch im Bouldern habe ich noch Defizite, da fehlt mir die Wettkampfpraxis. Ich muss mir also überlegen: Will ich die nächsten beiden Jahre nutzen, um diese Defizite abzubauen und mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren? Oder ist mir das zu aufwendig, und ich verliere zu viel Zeit am Fels?

Der Schwerkraft zum Trotz

Es hat ja in der Kletterszene heftige Diskussionen über die Entscheidung gegeben, für Olympia die drei Kletterdisziplinen zu einem Wettbewerb zusammenzufassen. Wie stehst du dazu?

Ich sehe das Format sehr kritisch. Letztlich werden die 20 besten Kombinierer zu den Olympischen Spielen fahren. Es ist nicht gesagt, dass die besten Speedkletterer, die bester Boulderer und die besten Leadkletterer dabei sein werden. Von den Speedkletter-Assen hat – bis auf den Weltmeister, der automatisch qualifiziert ist – eigentlich keiner eine realistische Chance, in Tokio antreten zu dürfen, weil die Zeit zu kurz ist, um die Defizite in den anderen beiden Disziplinen aufzuholen. Die Besten im Bouldern und Leadklettern werden vielleicht dabei sein, aber dafür keine besonders gute Figur beim Speedklettern machen. Ich weiß nicht, wie das auf die Zuschauer wirkt. Es ist eigentlich nicht die Art, wie wir unsere Sportart präsentieren wollen.

In welcher Hinsicht kann das Wettkampfklettern von den Olympischen Spielen profitieren?

Es werden dann mehr Fördermittel zur Verfügung stehen, um den Klettersport populärer zu machen und mehr Kletterern zu ermöglichen, das Klettern zu ihrem Beruf zu machen. Das wäre natürlich wünschenswert. Heutzutage ist es ja eine Seltenheit, dass jemand sagt, ich bin Profikletterer und kann davon auch wirklich leben.

Körperspannung

Du hast ja schon als Kleinkind angefangen zu klettern. Ist es irgendwann zur Sucht geworden? Könntest du überhaupt noch ohne?

Nein. Ich könnte im Moment nicht ohne Klettern leben. Es hat sich wirklich zu einer Art Sucht entwickelt. Ich habe ja schon mit fünf, sechs Jahren angefangen. Es hat mir Riesenspaß gemacht. Dann wurde es mehr und mehr. Ich konnte einfach nicht genug davon bekommen. Und das ist immer noch so. (lacht)

Wenn du in diesen Felsen hängst und diese für uns unmöglich erscheinenden Stellen bewältigst, was geht da in dir vor?

Ich denke, für mich ist es letztendlich ein Weg, meine Grenzen auszutesten. Jeder hat doch seine Sache, in der er gut ist und gucken will, wie gut er werden kann. Für mich ist das eben das Klettern. Es ist mein Weg, Energie herauszulassen und meinen Traum zu leben.

Bist du eigentlich ein Schönwetterkletterer?

Nein, ich mag es, wenn es kalt und bissig ist. (lacht)

Chris Sharma hat mir mal gesagt, er klettere am liebsten in der Sonne. Deshalb kämen die ganz hohen Berge für ihn nicht in Frage.

Die ganz hohen Berge kommen für mich auch nicht in Frage. Da hat es ja minus 20 Grad und Schnee, da macht es keinen Sinn zu klettern. Aber für mich muss es nicht schön sein. Ich gehe auch bei Regen klettern oder wenn es bewölkt ist.

Die „Huberbuam“, Thomas und Alexander Huber, kamen ja auch aus dem Sportklettern, sind aber dann irgendwann zu den großen Bergen gewechselt. Wäre das für dich auch eine Perspektive für die Zukunft?

Im Moment kann ich mir noch nicht vorstellen, auf Expedition zu gehen und in zehn oder fünfzehn Jahren irgendwelche Sieben- oder Achttausender zu besteigen. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht vielleicht irgendwann doch passiert. Im Augenblick, glaube ich, werde ich es mal beim Sportklettern belassen. (lacht)

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Kletterlegende Jeff Lowe ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/kletterlegende-jeff-lowe-ist-tot/ Sat, 25 Aug 2018 15:27:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41835

Jeff Lowe (1950-2018)

“Die Kletterei wird schon gutgehen. Mach dich vom Seil frei. Es lenkt dich nur ab“, sagte Jeff Lowe einmal. Er war ein kompromissloser Kletterer. Lowe liebte es, alleine oder in kleinen Teams auf extremen Routen unterwegs zu sein. Mehr als 1000 Erstbegehungen gelangen dem US-Amerikaner in seiner Karriere. Jeff erblickte das Licht der (Berg-)Welt 1950 in Ogden im US-Bundesstaat Utah, als viertes von acht Kindern. Als er vier Jahre alt war, nahm ihn sein Vater zum Skifahren mit, zwei Jahre später auch zum Klettern. Die Familie war bergsportbegeistert.  Mit 14 kletterte Jeff seine erste Neuroute am Mount Ogden – solo. Häufig war er mit seinen Brüdern Greg und Mike sowie seinem Cousin George Henry Lowe unterwegs.

Legendärer Versuch am Latok I-Nordgrat

Vor allem zwei Unternehmungen Jeff Lowes sind legendär. 1978 versuchten Jeff und George Henry Lowe gemeinsam mit ihren Landsleuten Jim Donini und Thomas R. Engelbach am 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum in Pakistan, über den extrem schwierigen Nordgrat den Gipfel zu erreichen. 150 Meter unterhalb des höchsten Punkts hatten sie im Sturm umkehren müssen. Nach mehr als drei Wochen in der Wand waren sie entkräftet, aber wohlbehalten vom Berg zurückgekehrt. Mehr als 30 Versuche, exakte diese Route bis zum Gipfel zu vollenden, sind seitdem gescheitert. Immerhin war es – wie berichtet – am 9. August den Slowenen Ales Cesen und Luka Strazar sowie dem Briten Tom Livingstone gelungen, den Latok I erstmals über die Nordseite zu besteigen. Den Nordgrat hatte das Trio im oberen Bereich des Bergs jedoch verlassen.

Spektakuläre Route durch die Eiger-Nordwand

Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“

Nicht weniger spektakulär war Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“ (Buße) durch die Eiger-Nordwand. In einer Lebenskrise war Jeff im Winter 1991 in die Schweiz gekommen und hatte in neun Tagen solo und ohne Einsatz von Bohrhaken die extreme Eiger-Route eröffnet. Erst Ende 2016 war dem Deutschen Thomas Huber und den beiden Schweizern Stephan Siegrist und Roger Schaeli die erste Wiederholung der Route gelungen. „Wir waren zu dritt, Jeff war damals alleine. Ich habe mir bei jeder Seillänge, die ich als Seilerster geführt habe, vorgestellt, wie es sein muss, hier alleine unterwegs zu sein. Mental ist man da total beansprucht. Dass er das durchgezogen hat!“, wunderte sich Thomas hinterher. „Ich bin mit wahnsinnig viel Ehrfurcht aus der Route ausgestiegen.“

Unheilbare Krankheit

R.I.P.

In den letzten Jahren war Jeff Lowe an den Rollstuhl gefesselt und musste gepflegt werden. Er litt an einer seltenen, noch unheilbaren Krankheit, die in ihren Symptomen an Multiple Sklerose oder ALS erinnert. Als Lowe 2017 für sein Kletter-Lebenswerk mit dem Piolet d’Or geehrt wurde, dem „Oscar der Bergsteiger“, konnte er den Preis nicht mehr persönlich gegennehmen. „Ich bin froh, dass er jetzt von seinem physischen Körper und all seinen Schmerzen und dem Leiden, das er viele Jahre lang ausgehalten hat, erlöst wurde“, schreibt Jeffs Partnerin Connie Self, die ihn in den letzten acht Jahren gepflegt hatte, auf Facebook. Jeff Lowe wurde 67 Jahre alt.

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Honnold: „Die größte Inspiration meines Lebens“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/honnold-die-groesste-inspiration-meines-lebens/ Sat, 14 Oct 2017 22:27:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38159

Alex Honnold

Spätestens seit heute weiß Alex Honnold, was das Gegenteil von einem Free Solo ist: der „Press Walk“ des International Mountain Summit. Der 32-Jährige kann sich weder frei bewegen, noch ist er allein. Rund 60 Reporter, Kameraleute und Fotografen wuseln an der Plose, dem Hausberg von Brixen, um den Topkletterer aus den USA herum. „Crazy“, entfährt es dem 32-Jährigen. Spätestens seit dem 3. Juni ist der Name Honnold nicht mehr nur unter Insidern, sondern weltweit in aller Munde. An jenem Tag stieß er in eine neue Dimension vor: Alex kletterte als Erster free solo, also im Alleingang und ohne Seilsicherung, in nur vier Stunden durch die 900 Meter hohe Granitwand des legendären El Capitan im Yosemite-Nationalpark in den USA – auf der Route „Freerider“, die 1995 von Alexander Huber eröffnet und 1998 von ihm und seinem Bruder Thomas erstmals frei geklettert worden war. Zum Vergleich: Die Huberbuam hatten damals – mit Seilsicherung – mehr als 15 Stunden für ihren Aufstieg gebraucht.

Moderner Nomade

Immer für einen Spaß zu haben

Alex Honnold entspricht so gar nicht dem Klischee eines Extremkletterers. Er trägt die Haare kurz, trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und ernährt sich vegetarisch. Seit vielen Jahren lebt er wie ein moderner Nomade, ganz bescheiden in einem Wohnmobil, mit dem er von Felswand zu Felswand fährt. Seit fünf Jahren unterstützt er mit seiner Stiftung Umweltschutzprojekte in aller Welt.

Schon während des Aufstiegs zur Rossalm, wo die Macher des IMS eine Pressekonferenz mit Honnold angesetzt haben, gelingt es mir, Alex ein paar Fragen zu stellen – getreu dem Motto „Walk and talk“. 😉

Alexander und Thomas Huber und auch Tommy Caldwell haben dein Free Solo am El Capitan mit der ersten Mondlandung verglichen. Wie hast du selbst deinen Erfolg empfunden?

Mir erging es ähnlich. Als ich jünger war, träumte ich davon, dass dies das Verrückteste sein würde, was ich jemals tun würde. Aber als ich es dann wirklich gemacht habe, empfand ich es als ziemlich normal, weil ich so viel Zeit in die Vorbereitung investiert hatte, dass es sich fast schon vernünftig anfühlte. Ich meine, es war schon etwas wirklich Besonderes für mich, aber doch irgendwie auch normal. Das ist echt kompliziert. Ich wäre ja gar nicht in der Lage gewesen, etwas derartiges zu tun, wenn ich es nicht geschafft hätte, dass es sich normal anfühlt. Gleichzeitig ist es aber auch ziemlich verrückt, ohne Seil den El Capitan zu klettern.

Alex Honnold: Pretty crazy

Gab es während des Kletterns einen Moment des Zweifels?

Nein, ich war zu 100 Prozent auf das Klettern fixiert. Ich wäre gar nicht erst losgeklettert, wenn ich nicht total darauf konzentriert gewesen wäre. Ich habe so lange daran gearbeitet. Neun Jahre lang habe ich davon geträumt.

Viele fragen sich, ob Free Solos überhaupt verantwortbar sind – besonders dieses in einer 900 Meter hohen, extrem steilen Wand. Was antwortest du ihnen?

Ich hatte das Gefühl, dass es verantwortbar war. Ich würde die richtigen Entscheidungen treffen und mein Bestes geben. Ich denke, ich bin mir der Risiken ziemlich bewusst, die ich eingehe.

Alex Honnold: Intentional about the risks

War es für dich so etwas wie das große Projekt deines Lebens?

Für mich hatte es wirklich viel von einem Lebenstraum, definitiv war es die größte Inspiration meines ganzen Lebens.

Kletterer am El Capitan

Musstest du, nachdem du dir diesen lange gehegten Traum erfüllt hattest, ein mentales Tal durchqueren?

Ich weiß nicht so recht. Sollte es wirklich so sein, bin ich genau jetzt in diesem Tal. Es ist schließlich erst ein paar Monate her, und ich verarbeitete es noch. Gleichzeitig suche ich aber schon nach meiner nächsten Inspiration, nach meinem nächsten Projekt. Im kommenden Jahr wird ein Film über das Ganze herauskommen. Derzeit tue ich nichts anderes, als über den El Cap zu reden. Es fühlt sich noch nicht wie Vergangenheit an.

Vor diesem Free Solo hast du bereits viele andere Aufsehen erregende Klettertouren gemacht. Ich denke zum Beispiel an die Fitz-Traverse mit Tommy Caldwell. Für dieses Projekt in Patagonien im Februar 2014 wurdet ihr später mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. Wie stufst du das Free Solo am El Capitan ein, wenn du es mit der Fitz-Traverse vergleichst?

Die Fitz-Traverse war ein tolles Klettererlebnis, weil ich es mit Tommy geteilt habe. Er ist ein sehr guter Freund und Kletterpartner. Aber die Fitz-Traverse war niemals ein Lebenstraum wie die „Freerider“, an die ich jahrelang gedacht habe. Die „Freerider“ war mein ganz persönlicher Traum, die Fitz-Traverse eher Tommys Idee. Ich war ja vorher auch noch nie in Patagonien gewesen, deshalb hatte ich dort keine Pläne. Tommy sagte, wir sollten das machen. Wir haben es dann getan, und es war ein tolles Erlebnis. Aber ich habe es nicht mit vorbereitet.

Wie genau hast du dich denn auf dein Free Solo am El Capitan vorbereitet?

Viele Jahre im Vorfeld eher mental. Ich habe es mir vorgestellt, davon geträumt, darüber nachgedacht, ob es möglich ist. Im letzten Jahr davor habe ich mich dann körperlich vorbereitet. Ich habe mir die Moves eingeprägt, habe sie ausprobiert und dann mit dem eigentlichen Training begonnen, um fit genug zu werden.

Du hattest also jeden Kletterzug im Kopf, bevor du in die Wand eingestiegen bist?

Ich hatte definitiv die Stellen im Kopf, auf die es ankommt. Nicht die leichten, aber die harten hatte ich mir vollkommen eingeprägt.

Worin lag für dich die Hauptschwierigkeit im mentalen Bereich?

Der wahrscheinlich größte Schritt war, überhaupt daran zu glauben, dass es möglich ist. Jahrelang dachte ich, wie toll es wäre, es zu machen, aber so richtig glaubte ich nicht daran, dass ich es auch könnte. Deshalb war der größte mentale Schritt, wirklich daran zu glauben und dann mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen.

Alex Honnold: The biggest step

Und als du losgelegt hast, konntest du alles hinter dir lassen?

Ich wäre nicht losgeklettert, wenn ich nicht bereit gewesen wäre. In dem Augenblick, als ich in die Wand einstieg, war alles in Ordnung.

„Verglichen mit dem El Cap sehen die Dolomiten wie Müll aus“, sagt Alex

Warum hast du dich für die „Freerider“ und nicht irgendeine andere Route entschieden?

Es ist die leichteste Route am El Cap. (lacht) Na ja, ganz so leicht ist sie dann doch nicht, aber die anderen wären noch härter gewesen.

Thomas Huber sagte mir, er hoffe, dass du rechtzeitig mit dem Free-Solo-Klettern aufhörst, weil du sonst wahrscheinlich stirbst, wenn du deine Grenzen immer weiter hinausschiebst.

Thomas Huber: Wie Everest ohne Sauerstoff oder Mondlandung

Ich stimme in dem Punkt zu, dass es immer gefährlicher wird, wenn du die Latte kontinuierlich höher legst. Aber Alex (Huber) zum Beispiel hat sich auf verschiedene Weise auch immer weiter gesteigert und ist dabei trotzdem sicher geblieben. Ich denke, es ist möglich, die Herausforderung zu erhöhen, ohne zu weit zu gehen.

Honnold: Not going too far

Es war also nicht dein letztes Free Solo?

Nein, ich habe vor ein paar Tagen ein paar in den Dolomiten gemacht (lacht), aber die waren sehr leicht. Für mich war das Free Solo am El Cap das Härteste, was ich jemals gemacht habe, und ich kann mir im Augenblick noch nichts vorstellen, was inspirierender wäre. Aber in der Vergangenheit, etwa in den letzten zehn Jahren, hat es immer zwischen sechs Monaten und einem Jahr gedauert, bis ich nach Projekten, die hart waren und auf die ich stolz war, wieder etwas Neues gefunden habe, was mich gepackt hat. Wir werden sehen.

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Hayden Kennedy ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/hayden-kennedy-ist-tot/ Wed, 11 Oct 2017 09:01:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38105

Hayden Kennedy (1990-2017)

Was für ein tragisches Ende eines der besten Kletterer der Welt. Der US-Amerikaner Hayden Kennedy hat sich im Alter von 27 Jahren das Leben genommen. Hayden war am Samstag mit seiner Lebensgefährtin Inge Perkins, wie Kennedy eine erfahrene Kletterin und Skifahrerin, zu einer Skitour am Imp Peak im US-Bundesstaat Montana aufgebrochen. Dabei gerieten sie in eine Lawine. Perkins wurde von den Schneemassen verschüttet, die 23-Jährige konnte von Rettungskräften nur noch tot geborgen werden. Kennedy, der nur teilweise im Schnee steckte, überlebte. Am Sonntag beging er Selbstmord.

„Unerträglicher Verlust“

„Hayden überlebte die Lawine, aber nicht den unerträglichen Verlust seiner Lebenspartnerin“, schrieb sein Vater Michael Kennedy, über mehrere Jahrzehnte Herausgeber der Zeitschrift „Climbing“, auf  Facebook. „Er entschied sich dafür, sein Leben zu beenden. Ich selbst und seine Mutter Julie respektieren traurig seine Entscheidung.“

Zweimal Piolet d’Or

Im Januar 2012 hatte Hayden Kennedy weltweit für Aufsehen gesorgt, als er am Cerro Torre in Patagonien mit seinem Landsmann Jason Kruk die „Kompressor-Route“ des Italiener Cesare Maestri geklettert waren und anschließend einen Großteil der von Maestri 1970 gesetzten Bohrhaken aus der Wand entfernt hatte. Im selben Jahr eröffnete Kennedy im Karakorum in Pakistan mit Kyle Dempster und Josh Wharton eine neue Route durch die Südwand des 7285 Meter hohen Ogre. Mit Dempster erreichte er den Gipfel, es war erst die dritte Besteigung des Bergs. Für ihre Erstbegehung wurden die drei US-Kletterer mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. 2016 erhielt er die renommierte Auszeichnung zum zweiten Mal, für die erste Durchsteigung der Südwand des 6176 Meter hohen Cerro Kishtwar im indischen Himalaya mit den Slowenen Marko Prezelj und Urban Novak sowie dem Franzosen Manu Pellissier.

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Wenn das Kopftuch einfach nur stört https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-das-kopftuch-einfach-nur-stoert/ Tue, 27 Jun 2017 12:22:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36803

Nasim Eshqi

Donald Trump steht zwischen ihr und dem El Capitan. Zu gerne würde Nasim Eshqi auch einmal an den legendären Granitwänden im Yosemite-Nationalpark klettern, doch der US-Präsident hat bekanntlich ein Einreiseverbot für Iraner verfügt. Die 35-Jährige aus Teheran nimmt es mit Humor. „Ich meine, er ist doch der Unglückliche, wenn ich nicht da bin“, sagt Nasim und lacht. Die Kletterin entspricht schon äußerlich so gar nicht dem westlichen Klischee einer iranischen Frau: Schulterfreies T-Shirt, Sonnenbrille, kein Kopftuch. Und sie sagt, was sie denkt. „Die traditionelle Kultur im Iran akzeptiert mich oder andere Mädchen, die so sind wie ich, nicht als echte Frauen, die man heiraten oder mit denen man zusammen sein möchte“, erzählt Nasim. „Aber das war für mich von Beginn an okay. Ich habe überall auf der Welt Freunde, die mich mental unterstützen.“

Einfach weitergemacht

Die Kletterin ist es gewöhnt, mit Ablehnung umzugehen. Selbst ihre weltoffenen Eltern, ein Universitätsprofessor und eine Lehrerin, taten sich schwer mit den Ambitionen ihrer Tochter, die erst als Kickboxerin Erfolge feierte und dann vor 14 Jahren ihr Herz für das Bergsteigen und Klettern entdeckte. „Du verlässt die Stadt, kommst spät nach Hause und deine Eltern fragen dich: ‚Wo bist du gewesen?‘ Sie hatten Angst vor den Gefahren beim Klettern, vor der Polizei oder schlechten Menschen“, erzählt Nasim. „Aber ich habe einfach weitergemacht. Sie mögen immer noch nicht, was ich mache. Aber ich kann es nicht ändern.“

Nasim Eshqi: I have an open family but they don’t like what I do

Gleichheit am Fels

Nasim in Aktion am Polekhab nahe Teheran (Route „Iran-Swiss“, 8a+)

Eshqi geht konsequent ihren Weg, und der führt über den Fels. „Wenn ich irgendwo auf der Welt klettere, fühle ich mich einfach gleich“, beschreibt Nasim ihre Motivation. „Die Regeln sind überall dieselben. Es geht um Gravitation. Egal, wo wir herkommen, welches Geschlecht oder wie viel Geld wir haben. Es zählt nur der Weg und was wir können.“

Nasim Eshqi: Climbing makes me feeling equal

Nasim klettert Routen bis zum zehnten Grad. Etwa die Hälfte des Jahres verbringt sie in ihrem Heimatland Iran, wo sie auch als Kletter-Trainerin arbeitet. Davon leben kann sie nicht. Die restlichen Monate hält sich Nasim im Ausland auf, wo sie sich mit Vorträgen finanziell über Wasser hält. „Was ich verdiene, gebe ich wieder aus. Manchmal muss ich mir auch Geld leihen, um die Flugtickets zu bezahlen.“

Mit Glück und Willen

Reisen in Länder wie Georgien, Armenien oder Türkei seien kein Problem, erzählt Eshqi. Doch für europäische Staaten, die USA oder auch den größten Teil Afrikas benötige sie Einladungen von dort. Und auch die seien keineswegs die Garantie, dass sie anschließend wirklich einreisen dürfe. Mit ein bisschen Stolz verweist Nasim darauf, dass sie schon in mehr Ländern geklettert sei als viele andere aus Staaten ohne Reisebeschränkungen: „Wenn ich Glück habe und es wirklich will, dann passiert es auch irgendwann.“ So kletterte die Iranerin schon an Felsen im Elbsandstein-Gebirge in Ostdeutschland, den italienischen Dolomiten, im Schweizer Rätikon oder in den Bergen rund um Chamonix.

Mehr als 70 neue Routen

Klettern im Iran (hier am Berg Alamkooh)

Dort gibt es keine strengen Kleidungsvorschriften wie in ihrer Heimat. Im Iran ist Nasim verpflichtet, unter dem Kletterhelm ein Kopftuch zu tragen und die Arme bedeckt zu halten. „Ich kann damit leben. Es ist nicht so hart wie keine Visa zu bekommen“, sagt die Kletterin. „Ich bin auf das Klettern fokussiert und möchte meine Leidenschaft mit möglichst vielen Menschen teilen.“ Eshqi hat bereits mehr als 70 neue Routen in mehreren Ländern eröffnet. Die Kletterszene in ihrer Heimat ist noch überschaubar. „Die meisten Kletterer im Iran sind Picknick-Kletterer, die einfach draußen sein und das gute Wetter nutzen wollen. Es gibt im ganzen Land nicht mehr als zehn Kletterer, die wirklich darauf aus sind, ihre Grenzen voranzutreiben“, sagt Nasim.

Zu ungeduldig für Expeditionen

Deutlich populärer als Klettern ist im Iran das Höhenbergsteigen. Doch in dieser Tradition sieht sich die 35-Jährige eher nicht. „Klar würde ich auch gerne einmal den K 2 besteigen, aber ich habe nicht genug Geduld, um für so eine lange Expedition ausreichend zu trainieren. Das ist einfach nicht mein Weg“, sagt Eshqi. „Ich würde die Strapazen eines langen Anmarschs im Himalaya vielleicht auf mich nehmen, wenn am Ende eine Wand steht, die ich klettern will. Das ist eher mein Ding als nur eine Expedition auf 7000 oder 8000 Meter.“

Nasim Eshqi: Not patient enough for long expeditions

Von Feinden zu Fans

Durch Leistung überzeugt (hier in der Route „Man o to“, 7c+, am Baraghan)

Nasim Eshqi sieht Anzeichen dafür, dass sich die iranische Gesellschaft mehr und mehr öffnet – dank Internetnutzung und vermehrter Reisen. Die Feindseligkeit, die ihr anfangs oft entgegenschlug, habe inzwischen abgenommen, sagt die Kletterin.  Grund seien auch die Berichte westlicher Medien über sie. „Wenn die Leute sehen, dass die Europäer Respekt für eine Frau zeigen, die so viel an Energie investiert, um den eigenen Weg zu gehen, sagen sie irgendwann: ‚Oh, sie ist gut. Wenn die Europäer sie respektieren, respektieren wir sie auch.‘ So sind am Ende aus meinen Feinden meine größten Fans geworden. Ich finde, das kann ich als Erfolg für mich verbuchen.“ Vielleicht bittet ja eines Tages auch Donald Trump um ein Autogramm von Nasim Eshqi – wenn er sie am El Capitan hat klettern sehen.

Nasim Eshqi: Enemies turning into fans

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Sharma: „Ich bin eher ein Strandmensch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/sharma-ich-bin-eher-ein-strandmensch/ Fri, 31 Mar 2017 18:13:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35653

Chris Sharma (© PRana)

Eigentlich empfiehlt es sich, zurückhaltend mit Superlativen umzugehen. Doch dass Chris Sharma seit vielen Jahren zu den besten Felskletterern der Welt gehört, ist unumstritten. Der 35 Jahre alte US-Amerikaner und der 24 Jahre alte Tscheche Adam Ondra sind bisher die einzigen Kletterer, die eine Route im Schwierigkeitsgrad 9 b+ (nach französischer Skala) gemeistert haben – teilweise extrem überhängend, eigentlich unmöglich zu klettern. Derzeit das Maß aller Dinge. Chris lebt mit seiner Frau Jimena Alarcon und der gemeinsamen kleinen Tochter Alana in Barcelona.

Chris, du klettert schon seit so vielen Jahren auf höchstem Niveau. Glaubst du, dass du es eines Tages leid wirst?

Für mich ist Klettern mein Leben, meine Leidenschaft, der Weg, mich selbst zu verwirklichen. Ich glaube nicht, dass ich das Klettern jemals leid werde. Es ist so eng damit verbunden, wer ich bin, und ich bin so dankbar für die Rolle, in der ich mich gerade befinde. Wenn wir durch die verschiedenen Phasen unseres Lebens gehen, wechselt auch unser Verhältnis. Ich bin jetzt ein Vater, ich habe eine Tochter. Selbstverständlich ändert das auch ein bisschen meine Beziehung zum Klettern, aber eigentlich verstärkt es sogar meine Leidenschaft für den Sport. Bei jedem Eintritt in eine neue Lebensphase hatte ich das Gefühl, dass meine Liebe zum Klettern eher noch tiefer wurde. Ich empfinde das Klettern noch leidenschaftlicher als vorher.

Chris Sharma: My love of climbing is deepening

Denkst du, dass du deine Leistungsgrenze schon erreicht hast oder sie noch weiter hinausschieben kannst?

Ich habe das Gefühl, dass ich noch härtere Sachen klettern kann. Es ist interessant, auch nach mehr als 20 Jahren Klettern noch in der Lage zu sein, sich weiter zu steigern. Klettern hat so viel mit Vorwärtskommen zu tun. Es gibt verschiedene Wege, sich als Kletterer weiterzuentwickeln. Klar, ein Weg ist, immer schwierigere Routen zu klettern. Das hat mich sehr inspiriert und angetrieben. Aber es gibt auch noch viele andere Wege, unsere Erfahrungen als Kletterer zu vertiefen. Und sie alle bringen uns weiter. Ich empfinde es zum Beispiel als Fortschritt für mich, dass ich eine Kletterhalle gegründet habe, um dort meine Leidenschaft mit anderen Kletterern zu teilen. Unsere Lebensreise und das Klettern sind total eng miteinander verbunden. So wie wir uns als Menschen auf verschiedene Weisen entwickeln, entwickelt sich auch unsere Beziehung zum Klettern auf verschiedene Weisen weiter.

Du bist inzwischen 35 Jahre alt. Andere Sportkletterer sagen, sie hätten in diesem Alter ihren Zenit überschritten. Hast du das Gefühl, dass auch du deine Prioritäten ändern musst?

Im Augenblick habe ich noch das Gefühl, auf meinem höchsten Niveau zu klettern. Diese Notwendigkeit ergibt also jetzt noch nicht. Aber wie ich eben schon sagte, ist es wichtig, das Ganze in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Das Schöne am Klettern ist, dass es sich nicht um eine typische Sportart handelt, wie Turnen oder Fußball. Es ist eher ein Lebensstil, den du dein ganzen Leben lang beibehalten kannst. Dies nur auf extremes Sportklettern zu reduzieren, ist eine sehr eingeschränkte Sichtweise. Im Augenblick fühle ich noch die Möglichkeit in mir, mich weiter zu steigern. Und selbstverständlich verfolge ich dieses Ziel auch. Aber es ist eben nur eine Seite der Erfahrungen eines Kletterers. Kleine Kinder klettern genauso wie alte Leute über 70. Es gehört wirklich zum Wesen des Kletterns, die eigenen Ziele hinauszuschieben, etwas auszuprobieren, was jenseits deiner Komfortzone liegt und dir vielleicht unmöglich erscheint. Und wenn du dann hart für diese Ziele arbeitest, merkst du plötzlich, dass du viel mehr erreichen kannst, als du vorher gedacht hast. Ganz egal ob du eine 6a- oder 9a-Route kletterst, es ist die gleiche Erfahrung –  für dich, für mich, für irgendwen.

Chris Sharma: The essence of climbing

Du lebst seit langem in Spanien. Bist du ein Sonnenkletterer, der einfach warmes Wetter braucht?

Ich komme aus Santa Cruz in Kalifornien, einer Surfer-Stadt. Als ich mit Klettern angefangen habe, bin ich in eine Kletterhalle gegangen. Ich war wirklich einer der ersten dieser neuen Kletterer-Generation, die aus den Kletterhallen kommt. Ich habe meine ersten Erfahrungen nicht so gemacht wie vielleicht andere Leute in den Alpen. Meine erste Verbindung zum Klettern lief über das Sportklettern. Heute liebe ich „Psicobloc“, Solos über tiefem Wasser [Klettern an Küstenfelsen, solo, ohne Seil und Sicherung. Wenn man abrutscht, fällt man ins Meer.]. Das verbindet meine zwei Welten, die Berge und das Meer. Ich bin eher ein Strandmensch als ein Bergmensch.

Psicobloc, Extremklettern an Küstenfelsen (© PRana)

Viele Sportkletterer, die älter werden, wenden sich dem Himalaya zu und sagen: Wir sind gute Felskletterer, haben jede Menge Erfahrung und versuchen nun, unsere Kletterfähigkeiten in niedrigerer Höhe auf die hohen Wände zu übertragen. Ist das auch für dich eine Option?

Ich weiß es noch nicht. Ganz ehrlich, im Augenblick kann ich es mir noch nicht vorstellen. Ich habe noch eine Menge Dinge abzuarbeiten, die näher vor meiner Haustüre liegen. Aber ganz ausschließen möchte ich es nicht. Mal sehen, was passiert. Eigentlich bin ich offen für alles.

Bist du schon im Himalaya gewesen?

Ich war in Indien und Nepal, aber nur um dort herumzulaufen, nicht um Berge zu besteigen.

Hat es dich nicht gepackt, als du diese Berge gesehen hast? Hast du nicht gedacht: Dort muss ich raufklettern?

Ich empfinde eine große Wertschätzung für Berge und alpines Klettern. Aber ehrlich, die Gefahren des Himalaya-Bergsteigens mit den Lawinen und all dem Kram interessieren mich im Augenblick nicht so sehr.

Chris mag es warm (© PRana)

Spricht da gerade der Vater?

Na klar. Für die Leute, die das machen, ist es ihre Leidenschaft. Aber es nur so nebenher zu machen, ist das Risiko nicht wert. Wenn du es als deine Bestimmung im Leben empfindest, nimmst du das Risiko in Kauf.  Aber ich bin kein Bergkletterer, ich bin eher ein Küstenfels-Kletterer. Ich denke, egal was du machst, du musst fokussiert und entschlossen sein, die Sache durchzuziehen. Zumindest im Augenblick empfinde ich das nicht für das Himalaya-Bergsteigen. Es geht mir nicht nicht durch den Kopf, also macht es auch keinen Sinn, mich damit zu beschäftigen.

Im November 2016 hat Adam Ondra weltweit Schlagzeilen gemacht, als er die „Dawn Wall“ am El Capitan im Yosemite-Nationalpark in acht Tagen frei kletterte. Viele vergleichen Adam und dich. Gibt es so etwas wie einen Wettkampf zwischen euch? Oder würdest du sagen, ich kämpfe nur gegen mich selbst?

Ich würde sagen, ich stehe nur im Wettkampf mit mir selbst. Ehrlich, es ist eine Ehre, mit Adam zu klettern. Ich empfand es oft als ziemlich hart, in der Vergangenheit alle meine Projekte alleine durchzuziehen. Adam und ich sind in Spanien zusammen geklettert. Das macht richtig Spaß und treibt mich auch an. Es gibt so viele verschiedene Weisen, an die Dinge heranzugehen. Stelle dir vor, zwei der besten Musiker der Welt kommen zusammen. Du kannst einen Ego-Trip daraus machen und versuchen herauszufinden, welcher von beiden der bessere ist. Aber das ist eigentlich Verschwendung. Viel interessanter ist es doch, wenn die beiden zusammen musizieren und etwas noch Unglaublicheres hervorbringen. Genau dazu sind Adam und ich in der Lage. Ich finde das richtig cool. Ich schätze Adam, all die Dinge, die er macht. Und ich genieße es, mit ihm zusammen zu klettern. 

Chris Sharma about Adam Ondra

Was empfindest du, wenn du ein Kletterprojekt erfolgreich beendet hast?

Wie ich schon sagte, ist Klettern für mich die Art, mein Potential zu entfalten. Ich widme dem Klettern mein Leben.  Und wenn du dann diese Augenblicke erlebst, in denen alles perfekt zusammenpasst, sind es fast übersinnliche, magische Momente.

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Royal Robbins ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/royal-robbins-ist-tot/ Wed, 15 Mar 2017 11:58:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35427

Royal Robbins (1935-2017)

Einer der großen Fels-Kletterpioniere ist nicht mehr: Royal Robbins starb gestern in Modesto in Kalifornien nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren. „Mein Vater stand vor großen Herausforderungen, bei seinem Klettern, Schreiben, im Beruf, in seiner Rolle als Vater und Ehemann und später im Leben bei seiner schweren Krankheit“, sagte seine Tochter Tamara Robbins. „Egal wobei, er zeigte sich der Situation gewachsen, indem er die Herausforderung mit Würde und Demut annahm. Dafür ist er mein Held.“ Robbins hatte in den späten 1950er und 60er Jahren Maßstäbe im Bigwall-Klettern gesetzt.

Legendäre Routen

Robbins 1961 in der „Salathé“

Robbins erschloss zahlreiche Routen an den Granitwänden im Yosemite-Nationalpark, unter andren 1961 mit Tom Frost und Chuck Pratt die legendäre 1000 Meter hohe „Salathé Wall“ am El Capitan, die damals als die schwierigste Felskletter-Route durch eine große Wand galt. Robbins setzte sich für einen möglichst sauberen Stil ein. 1995 gelang Alexander Huber, dem jüngeren Bruder der „Huberbuam“, die erste Rotpunkt-Begehung der Route, sprich frei kletternd, immer im Vorstieg und in einem Zug. Nur noch Geschichte ist die „American Direct“ an der Westseite des Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet, die Robbins 1962 mit Gary Hemming eröffnete. Nach mehreren Felsstürzen existiert die legendäre Originalroute im oberen Teil nicht mehr.

Hunger nach Abenteuer

In den 1970er Jahren litt Robbins zunehmend an Arthritis. Er verlegte sich nun zunehmend auf extreme Kajakfahrten. Auch hier gelangen ihm zahlreiche Erstbefahrungen. „Ich mag es sehr, ich finde es sehr bereichernd. Aber zuerst, zuletzt und immer bin ich ein Kletterer“, sagte Robbins einmal. „Ich werde klettern, bis ich falle. Und es wäre das Letzte, was ich aufgeben würde.“ Später leitete Robbins auch eine sehr erfolgreiche Firma für Outdoor-Textilien, die seinen Namen trägt. Im Herzen blieb der Unternehmer immer ein Abenteurer: „Wir brauchen Abenteuer. Es liegt in unserem Blut. Es wird nicht verschwinden“, schrieb Robbins. „Die Berge werden uns weiterhin rufen, weil sie auf einzigartige Weise das Bedürfnis nach Einklang mit der Natur erfüllen und unseren Hunger nach Abenteuer stillen.“

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Bubendorfer schwer verunglückt https://blogs.dw.com/abenteuersport/bubendorfer-schwer-verunglueckt/ Fri, 03 Mar 2017 11:52:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35255

Thomas Bubendorfer beim Klettern

Der österreichische Extrembergsteiger Thomas Bubendorfer ist beim Eisklettern in den italienischen Dolomiten zehn Meter tief abgestürzt und dabei lebensgefährlich verletzt worden. Nach italienischen Medienberichten hat sich der Zustand des 54-Jährigen inzwischen leicht gebessert, ist aber immer noch kritisch. Das Unglück hatte sich am Mittwoch ereignet. Bubendorfer war mit einem Partner an einem Wasserfall in der Schlucht Serrai di Sottoguda an der Marmolada unterwegs, einem beliebten Eisklettergebiet. Aus noch ungeklärter Ursache stürzte er ab und landete in einem Bachbett. Dabei soll auch Wasser in seine Lunge eingedrungen sein. Er musste zunächst beatmet werden. Außerdem soll sich Bubenhofer Kopfverletzungen, Rippenbrüche und innere Verletzungen zugezogen haben. Er liegt auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Padua.

Viele Free-Solo-Projekte

Bubendorfer hatte in den 1980er und 90er Jahren mit spektakulären Free-Solo-Anstiegen für Schlagzeilen gesorgt, etwa 1983 in den Nordwänden von Grandes Jorasses, Matterhorn und Eiger. 1986 bestieg er an einem Tag im Alleingang den Granitriesen Fitz Roy in Patagonien. 1991 kletterte Bubendorfer als Erster solo und seilfrei durch die Südwand des Aconcagua, des höchsten Bergs Südamerikas. In den vergangenen 15 Jahren waren ihm viele Erstbegehungen als Eiskletterer gelungen.

Update 4.3.: Auf Wunsch der Familie Bubendorfers wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Solange der Kletterer noch in Lebensgefahr schwebt, will das Krankenhaus in Padua keine weiteren Informationen über seinen Gesundheitszustand herausgeben. Also Daumen drücken!

Update 7.3.: Gute Nachricht! Thomas Bubendorfer ist nach Angaben seiner Familie außer Lebensgefahr und auf dem Weg der Besserung.

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Roter Teppich für Jeff Lowe https://blogs.dw.com/abenteuersport/roter-teppich-fuer-jeff-lowe/ Thu, 09 Feb 2017 14:12:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35037 Thomas Huber auf der ISPO

Thomas Huber auf der ISPO

Thomas Huber strahlt pure Lebensfreude aus. „Es geht mir so gut wie lange nicht mehr“, erzählt mir der 50 Jahre alte deutsche Topkletterer, als wir uns auf der Sportartikelmesse ISPO in München über den Weg laufen. Am 30. Dezember hatte der ältere der beiden Huberbuam für ein weiteres Glanzlicht seiner Karriere gesorgt: Mit den Schweizern Stephan Siegrist und Roger Schaeli gelang Thomas die erste Wiederholung der legendären Route „Metanoia“ mitten durch die Eiger-Nordwand: „Wie kann ein Jahr besser aufhören? Ich habe genau diesen Flow jetzt mitgenommen“, schwärmt Huber.

„Wow, es geht ja doch!“

Jeff Lowes legendäre Route "Metanoia"

Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“

2016 war ein extremes Jahr für ihn. Erst der 16-Meter-Sturz aus einer Felswand im Berchtesgadener Land, den er mit Riesenglück überlebte, bei dem er sich jedoch einen Schädelbruch zuzog. Dann die fast schon wundersame Turbo-Genesung. Die Reise nach Pakistan, um sich an der Nordwand des Siebentausenders Latok I zu versuchen, die erfolglose Rettungsaktion für die US-Kletterer Kyle Dempster und Scott Adamson am nahe gelegenen Ogre II, anschließend das Veto seiner Teampartner gegen einen Versuch am Latok. „Das waren alles schwierige Momente, die ich auch erst mal mental verarbeiten musste“, räumt Thomas ein. „Ich habe meinen Sturz akzeptiert und respektiert, dass ich dort einen Fehler gemacht habe. Ich habe mich auch reflektiert, dass ich einfach bewusster an die Sache herangehen muss. Vielleicht bin auch ich – wie Jeff Lowe – nach der Metanoia ein neuer Mensch geworden, weil ich sagen kann: Wow, es geht ja doch. Ich bin stark. Wir haben so viel Spaß gehabt, obwohl wir ganz schön an der Grenze waren.“

Seltene Krankheit

25 Jahre lang hatten sich Kletterer an der extremen Route, die Jeff Lowe im Winter 1991 solo und ohne Bohrhaken eröffnet hatte, die Zähne ausgebissen. Der US-Amerikaner war in einer Lebenskrise zur Eiger-Nordwand gekommen. „Ich bin mir nicht sicher, ob er noch nach Hause wollte“, sagt Roger Schaeli im Video zur Zweitbegehung.

Nicht umsonst taufte Lowe seine Route „Metanoia“, übersetzt „Buße“. Heute sitzt der Kletterpionier, dem in seiner Karriere mehr als 1000 Erstbegehungen gelangen, im Rollstuhl. Der 66-Jährige leidet an einer seltenen, noch unheilbaren Krankheit, die in ihren Symptomen an Multiple Sklerose oder ALS erinnert. Thomas Huber hatte vor seiner Expedition zum Latok I Jeff Lowe besucht. Lowe hatte 1978 zu einer Viererseilschaft gehört, die über den Nordgrat des Latok I bis knapp unter den 7145 Meter hohen Gipfel gestiegen war, ehe ein Sturm sie zurückgeschlagen hatte. 22 Tage nach dem Aufbruch war das Quartett völlig erschöpft ins Basislager zurückgekehrt.

Ehrfurcht und Dankbarkeit

Huber, Schaeli und Siegrist (v.l.)

Huber, Schaeli und Siegrist (v.l.)

„Ich habe Jeff kennengelernt und gesehen, wie er an seinen Rollstuhl gefesselt ist“, erzählt Thomas. „Da habe ich ganz genau gewusst, ich möchte seine Route Metanoia wiederholen. Ich möchte ihm einen roten Teppich hinlegen können, um ihm sagen zu können: Hej, Junge, was du damals geleistet hast, war der Hammer!“ Lowes Route sei nach den vielen über die Jahre gescheiterten Versuchen, sie zu wiederholen, ein „Mysterium“ geworden, sagt Thomas. „Irgendwann hieß es: Metanoia, verrückt, schräg.“ Neun Tage hatte der US-Amerikaner in der Wand gebracht. Huber, Siegrist und Schaeli benötigten im zweiten Anlauf zwei Tage, um die Route zu wiederholen. „Wir waren zu dritt, Jeff war damals alleine. Ich habe mir bei jeder Seillänge, die ich als Seilerster geführt habe, vorgestellt, wie es sein muss, hier alleine unterwegs zu sein. Mental ist man da total beansprucht. Dass er das durchgezogen hat!“, wundert sich Thomas. „Ich bin mit wahnsinnig viel Ehrfurcht aus der Route ausgestiegen – und auch mit Dankbarkeit: Dass ich nach wie vor leben darf.“

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Glowacz: „Wegducken bedeutet akzeptieren” https://blogs.dw.com/abenteuersport/glowacz-wegducken-bedeutet-akzeptieren/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/glowacz-wegducken-bedeutet-akzeptieren/#comments Wed, 01 Feb 2017 13:48:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34921 Stefan Glowacz

Stefan Glowacz

Bergsteiger und Kletterer reisen. Häufig und wie selbstverständlich. Schließlich kommen die Berge nicht zu ihnen. Gerade deshalb sollte es eigentlich auch selbstverständlich sein, dass Bergsportler ihre Stimme erheben, wenn die Reisefreiheit eingeschränkt oder sogar aufgehoben wird – wie jetzt durch US-Präsident Donald Trump für Menschen aus Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen. Bisher ist der große Aufschrei der Szene noch ausgeblieben. Liegt es vielleicht daran, dass in diesen Ländern – mit Ausnahme Irans – die Zahl der Bergsteiger und Kletterer überschaubar ist? Oder dass jene Staaten (noch) nicht zu den bevorzugten Reisezielen der Bergfreunde zählen? Immerhin hat jetzt der deutsche Spitzenkletterer Stefan Glowacz Klartext geredet.

Für Freiheit, Toleranz und Respekt

„Mit der Einschränkung der Reisefreiheit für bestimmte Nationalitäten, fühle ich mich mittelbar betroffen, weil Freunde und Bekannte unmittelbar betroffen sind“, schreibt der 51-Jährige auf Facebook. „Wie etwa die iranische Kletterin Nasim Eshqi, welche ich persönlich kenne und schätze.“ Die 36-Jährige gehört zu den besten Felskletterinnen ihres Landes.

Nasim Eshqi in Aktion

Nasim Eshqi in Aktion

Kletterer, so Stefan Glowacz weiter, definierten ihren Sport vor allem über Freiheit: „Keine Regeln, keine Schiedsrichter. Wir schätzen und leben die Freiheit, jederzeit (und fast überall hin) aufbrechen zu können. Freiheit ist d e r Bestandteil, warum der Klettersport für viele von uns so faszinierend ist.“ Demokratische Werte seien in Gefahr, sagt Glowacz: „Haben uns die Ereignisse und Kriege der Vergangenheit nicht gezeigt, dass es nur gemeinsam geht? Mit Toleranz und Respekt, wie u.a. wir Kletterer es immer wieder am eigenen Leib erfahren – ganz egal in welches Land wir reisen?“ Glowacz warnt davor, angesichts der Trumpschen Politik einfach nur den Kopf in den Sand zu stecken: „Wegducken oder Schweigen bedeutet akzeptieren. Wir sollten etwas verändern wollen.“

Eine Schande!

Farnaz Esmaeilzadeh ist wütend

Farnaz Esmaeilzadeh ist wütend

Die iranische Wettkampfkletterin Farnaz Esmaeilzadeh versteht nach Trumps Einreiseverbot die Welt nicht mehr. „Ich bin doch nur eine Athletin und habe mir nicht ausgesucht, wo ich geboren wurde“, schreibt die 28-Jährige auf Facebook. „Auch wenn ich meine Kultur und mein Land liebe, versuche ich doch einfach nur, weiterzukommen, ein besseres Leben zu führen, für meine Ziele zu arbeiten, wie es viel anderen erfolgreichen Leute auch tun.“ Trumps Entscheidung sei „rassistisch und inhuman“, findet Farnaz. „Es ist eine Schande! Wenn alle Menschen auf der Welt die gleichen Bedingungen hätten, könnte man sehen, wer wirklich talentiert ist.“

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Ondras „Dawn Wall“-Coup: „Genial“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ondras-dawn-wall-coup-genial/ Wed, 23 Nov 2016 14:38:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34287 Adam Ondra bejubelt seinen Erfolg

Adam Ondra bejubelt seinen Erfolg

Was für ein Teufelskerl! Adam Ondra hat die Route „Dawn Wall“ im Granit des El Capitan in nur acht Tagen frei geklettert, sich also bloß mit Händen und Füßen durch die meist senkrechte, teilweise überhängende Wand bewegt und technische Hilfmittel wie Seile oder Klemmkeile nur genutzt, um sich zu sichern. Dem 23 Jahre alten Tschechen gelang damit die erst zweite freie Begehung der Felsroute, die als die schwierigste der Welt gilt. Anfang 2015 hatten die beiden US-Amerikaner Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson die „Dawn Wall“ nach 19 Tagen in der rund 900 Meter hohen Wand erstmals „befreit“, ein Meilenstein der Klettergeschichte. Mehr als sieben Jahre hatten sie sich darauf vorbereitet. Ondra hielt sich gerade einmal zweieinhalb Wochen am El Capitan im Yosemite-Nationalpark auf. „Total krass“ findet Kevin Jorgeson den Erfolg des jungen Tschechen: „Für Tommy und mich stellte sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist. Wir ließen viel Raum, um den Stil zu verbessern und Adam machte genau das! Super beeindruckend ist, dass er sich so schnell an den einzigartigen Stil der ‚Dawn Wall‘ anpassen und so viele komplexe Passagen so schnell meistern konnte.“ Auch die deutsche Kletterszene ist begeistert.

„Als würde Bolt den Marathon gewinnen“

Auch im Dunkeln unterwegs

Auch im Dunkeln unterwegs

Alexander Huber, mit 47 Jahren der jüngere der „Huberbuam“, bewertet Ondras Leistung „seiner Fähigkeit entsprechend: meisterhaft, genial.“ Alexanders älterer Bruder sieht es ähnlich. „Das ist ‚das‘ Statement der neuen Generation“, schreibt mir Thomas Huber (der übrigens am Freitag vergangener Woche seinen 50. Geburtstag feierte). „Für mich ist es die bisher größte Leistung im Klettern unserer Zeit. Die Latte liegt jetzt hoch!“ Auch Stefan Glowacz ist hin und weg. „Ich klettere nun seit über 40 Jahren, aber diese Leistung ist für mich kaum nachvollziehbar“, schreibt der 51-Jährige auf Facebook. „Es ist großartig zu beobachten, wie die junge Generation den Klettersport in immer neue, kaum für möglich gehaltene Dimensionen katapultiert.“ Die Leistung Ondras sei „eine Art Verschmelzung von Leidenschaft, Besessenheit und außergewöhnlichem Können, vor allem jedoch eine beispiellose mentale Leistung.“ Umso mehr, als es für Adam Ondra seine erste „Big Wall“-Erfahrung gewesen sei. „Irgendwo habe ich folgenden Vergleich gelesen: als würde Usain Bolt jetzt auch noch den Marathon gewinnen.“

„Dawn Wall“ in 24 Stunden?

Experten halten Adam Ondra bereits seit Jahren für den besten Sportkletterer weltweit. In der „Dawn Wall“ am El Capitan war er mit seinem Landsmann Pavel Blazek und dem österreichischen Fotografen Heinz Zak unterwegs. Ondra kletterte alle 32 Seillängen der Route im Vorstieg. „In den ersten beiden Tagen war ich nervös wie eine Katze“, gesteht Adam in einem Interview der tschechischen Website emontana.  Die beiden Schlüsselseillängen 14 und 15 zu klettern, habe sich angefühlt, „als hielte man sich an Rasierklingen fest. Aber von ihnen abgesehen, gibt es dort Seillängen, die ich zu den besten zähle, die ich jemals geklettert bin.“ Gut möglich, dass Ondra schon bald erneut in die Route einsteigen wird. „Ich würde sie gerne viel schneller klettern als diesmal“, sagt Adam und legt die Latte ganz hoch: „Ich denke, die „Dawn Wall“ in 24 Stunden ist eine tolle Herausforderung. Es ist ganz sicher nicht mein Ziel für das nächste Jahr. Ich würde gerne ein paar Saisons lang eine mentale Auszeit nehmen, aber das Projekt wäre schon interessant als ein Lebenstraum.“ So absurd dieser Traum auch klingen mag, diesem Teufelskerl ist wirklich alles zuzutrauen.

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Sportkletterer Halenke: „Olympia als Türöffner“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/sportkletterer-halenke-olympia-als-tueroeffner/ Wed, 24 Aug 2016 13:03:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33523 Sebastian Halenke in Aktion

Sebastian Halenke in Aktion

Die Olympische Flagge ist schon da, die Kletterer kommen in vier Jahren. Heute präsentierte Gouverneurin Yuriko Koiki am Tokioter Flughafen Haneda die Flagge mit den Olympischen Ringen, die ihr der Bürgermeister von Rio bei der Abschlussfeier der dortigen Spiele übergeben hatte. Erstmals werden 2020 in Tokio auch Sportkletterer ganz offiziell um Medaillen wetteifern (eine Woche vor den Winterspielen 1992 in Albertville gab es schon einmal einen Demonstrationswettbewerb, den Stefan Glowacz gewann). „Als Wettkampfkletterer begrüße ich diese Entwicklung natürlich grundsätzlich!“, sagt Sebastian Halenke mit Blick auf die Olympia-Premiere. „Bis jetzt ist das Klettern als Wettkampfsport noch kaum medienpräsent und selbst innerhalb der Kletterszenerie wird über die Wettkämpfe oft nur sehr spartanisch berichtet.“ Der 21-Jährige aus Baden-Württemberg, dessen Markenzeichen sein roter Irokesenschnitt ist, gehört im Weltcup zu den Top Ten in der Disziplin Lead, also im Vorstiegs- oder auch Schwierigkeitsklettern. Dabei müssen die Kletterer nach kurzer Ansicht eine Route innerhalb eines Zeitlimits möglichst weit sturzfrei klettern.

Abhängig von der Familie

climbing-olympicsDie Förderung für Wettkampfkletterer sei „noch sehr unzureichend und es ist nicht einfach als solcher zu (über-)leben“, schreibt mir Sebastian, der noch jung genug ist, um realistische Chancen auf einen Start in Tokio zu haben. „Persönlich hoffe ich, dass Olympia 2020 dabei ein Türöffner sein könnte, um Wettkampfklettern populärer zu machen und perspektivisch die Möglichkeit besteht, als Wettkampfkletterer ein höheres Maß an Unterstützung zu erhalten.“ Bisher seien die Kletterer „praktisch von der familiären Unterstützung abhängig, und nur mit einem soliden finanziellem Hintergrund hat man tatsächlich die Chance, sich als Wettkämpfer auch zu entwickeln.“

Saisonziel Nr. 1: WM in Paris

Halenke kletterte bereits mit zwölf Jahren seinen ersten Jugend-Wettkampf. Heute gehört er zur Weltspitze. Am vergangenen Wochenende belegte er beim Weltcup in Imst in Österreich den fünften Rang, seine bisher beste Platzierung in diesem Jahr. Die Formkurve steigt. Sein Saisonziel Nummer eins in diesem Jahr ist die Weltmeisterschaft vom 14. bis 18. September in Paris, für die er sich viel vorgenommen hat.

Kehrseite der olympischen Medaille

Sebastian-Halenke-IIWie alle Kletterer, mit denen ich bisher gesprochen habe, sieht auch Sebastian die für Tokio geplante Kombination aus den drei Disziplinen Lead, Bouldern und Speed zu einem einzigen Wettbewerb kritisch. Die besten Allrounder sollen also mit Medaillen belohnt werden. „Es wird nicht leicht sein, in solch einem Format das Klettern mit all seinen Disziplinen gut zu präsentieren“, sagt der Lead-Spezialist.
Bisher sind die Sportkletterer eine verschworene Gemeinschaft. Sebastian Halenke fürchtet, dass sich das ändern könnte, wenn die Sportart nun olympisch wird. „Ich hoffe, dass das Klettern im Wettkampfsport von ausufernder Korruption verschont bleiben wird und dass sich das sehr familiäre Verhältnis der internationalen Klettergemeinschaft auch in Zukunft halten wird. Bis jetzt haben alle Topathleten immer ein sehr enges, soziales Verhältnis.“ Ginge es verloren, wäre das die Kehrseite der olympischen Medaille.

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Sportklettern wird olympisch – Freude und Bedenken https://blogs.dw.com/abenteuersport/sportklettern-wird-olympisch-freude-und-bedenken/ Fri, 05 Aug 2016 14:00:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33402 climbing-olympicsNoch habe ich keine olympischen Ringe unter den Augen. Aber das wird sich in den nächsten zwei Wochen wegen der Zeitverschiebung zwischen Rio de Janeiro und hier sicher ändern. Wenn dann in vier Jahren in Tokio die nächsten Sommerspiele in anderer Zeitzone anstehen, gibt es einen zusätzlichen Grund, die täglichen Gewohnheiten zu ändern: Sportklettern wird 2020 olympisch. Das hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) beschlossen. „Ich finde es voll klasse“, sagt mir der deutsche Topkletterer Thomas Huber. „Wir müssen offen dafür sein. Das Sportklettern hat es sich wirklich verdient, ins olympische Programm aufgenommen zu werden, weil sich der Wettkampf positiv weiterentwickelt hat.“ Die Entscheidung des IOC könne für junge Menschen Signalwirkung haben.

Buntes Spektakel

Thomas Huber

Thomas Huber

Sein jüngerer Bruder Alexander und er hätten als junge Kletterer selbst an einigen Wettkämpfen teilgenommen, „eher schlecht als recht“, erzählt der 49-Jährige. Aber damals habe das Wettkampfklettern noch in den Kinderschuhen gesteckt. „Wenn ich mir heute den Boulder-Weltcup angucke, bin ich begeistert: Farbenfroh, spektakulärste Routen, fast schon Artistik. Da geht es richtig rund.“ Klettern sei zwar, wie es die Alpenvereine immer noch propagierten, auch Abenteuer, aber eben nicht nur, findet der ältere der beiden Huberbuam: „Es ist ein attraktiver, ernstzunehmender Sport. Auch ich trainiere wie ein Leistungssportler, um etwa auf Expedition nach Pakistan zu gehen.“

„Das ist Blödsinn!“

Thomas-Huber-klettertDer 23 Jahre alte Tscheche Adam Ondra, einer der weltbesten, wenn nicht der beste Sportkletterer derzeit, lehnt den Plan ab, Kletterer bei Olympia in allen drei Disziplinen – Lead (Vorstieg), Bouldern und Speedklettern – antreten zu lassen und die Ersten der Gesamtwertung mit Medaillen zu belohnen. Thomas Huber pflichtet ihm bei: „Das sind unterschiedlichste Disziplinen. Man kann nicht alles in einen Topf werfen. Das ist Blödsinn! Wenn die Funktionäre das machen, haben sie die Sportart Klettern nicht verstanden. Dann kannst du es gleich wieder vergessen.

Vom Kern entfernt

David Lama

David Lama

Ein eher grundsätzliches Problem mit Klettern bei Olympia hat David Lama. Der 26 Jahre alte Topkletterer aus Österreich war als Jugendlicher selbst ein sehr erfolgreicher Wettkämpfer, gab es dann aber auf, um sich voll auf alpine Ziele zu konzentrieren. Klettern, sagt David, „entwickelte sich aus dem Entdeckungsdrang der Menschen, aus dem Trieb, auf Berge zu steigen und sich auf ein Abenteuer einzulassen. Das ist der Kern des Kletterns, und in dieser Form gibt es auch heute noch keine richtigen Regeln.“ Um einen fairen Wettkampf zu garantieren, bedürfe es aber klarer Regeln. Schon allein deshalb habe sich das Wettklettern vom „richtigen Klettern“ entfernen müssen.

„Äpfel und Ananas“

David in der KletterwandDie Aufnahme des Sports in die Olympischen Spiele werde sicher dazu führen, dass sich der Sport weiter von seinem Kern entferne, glaubt Lama. „Aber ist das nun schlecht? Solange man sich dessen bewusst ist, dass ein Wettkampf noch nie die Grundidee des Kletterns widergespiegelt hat und nie widerspiegeln kann, ist es weder gut noch schlecht. Es ist schlicht und einfach egal.“ Schließlich könne man Äpfel und Birnen nur schwer vergleichen. „Müsste ich persönlich die Entscheidung treffen, würde ich mich aber klar gegen die Olympischen Spiele aussprechen, um die Kletter-DNA im Wettklettern nicht weiter zu verwässern“, sagt David. „Der passende Vergleich wäre sonst bald Äpfel und Ananas.“

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Thomas Huber: „Danke, dass ich leben darf!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/#comments Tue, 19 Jul 2016 20:16:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33246 Thomas Huber (2014)

Thomas Huber (2014)

Rund 1,8 Sekunden. So lange dauerte der 16-Meter-Sturz Thomas Hubers aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land – heute vor zwei Wochen. Wie berichtet, war der 49 Jahre alte deutsche Top-Kletterer, der ältere der beiden „Huberbuam“, auf weichem Waldboden gelandet. Wie sich später herausstellte, hatte sich Thomas einen Schädelbruch zugezogen und musste sofort operiert werden. Die beruhigende Prognose der Ärzte hinterher: keine bleibenden Schäden. Inzwischen hat Thomas das Krankenhaus verlassen und erholt sich zu Hause. Ich habe mit ihm telefoniert.

Thomas, das Wichtigste zuerst: Wie geht es dir?

Es geht mir insgesamt sehr gut. Ich bin mir des unermesslichen Glücks, das ich hatte, sehr bewusst. Ich habe es dankbar angenommen. Ich schaue nicht mehr zurück, was hätte passieren können, sondern ich bin nur happy, dass es so geschehen ist, wie es geschehen ist. Optimal wäre natürlich, wenn ich es vermieden hätte und der Unfall gar nicht erst passiert wäre. Aber das ist beim Bergsteigen immer so. Ich habe mich in meiner Routine total sicher gefühlt, und oft ist dann genau darin der Teufel versteckt.

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Sind deine Verletzungen allesamt kurierbar?

Es ist wie ein Wunder, dass mir nicht mehr passiert ist. Das haben auch die Chirurgen gesagt. Ich bin immerhin aus 16 Metern abgestürzt, das haben wir nachgemessen. Alles ist wieder kurierbar. Und wie es aussieht, werde ich in naher Zukunft wieder zu 100 Prozent fit sein.

16 Meter, das ist so hoch wie anderthalb Einfamilienhäuser. Hast du beim Sturz noch irgendetwas gedacht oder war alles nur noch purer Instinkt?

Alles Instinkt. Da denkst du nicht mehr, sondern handelst nur noch. Ich war zu jeder Sekunde bei vollem Bewusstsein und habe instinktiv anscheinend alles richtig gemacht. Aber lenken konnte ich das nicht mehr. Das ging so schnell und war so überraschend. Du bist dann auch gar nicht mehr in der Realität, sondern es ist wie eine zweite Ebene, wo nur noch der Körper reagiert und dich letztendlich überleben lässt. Ich hatte 1000 Schutzengel. Ich bin sicher, da war irgendetwas, was mich hat überleben lassen. Sonst wäre ich hinterher nicht einfach aufgestanden und wäre selbstständig vom Berg gegangen. Ich habe ja keinen einzigen blauen Fleck. Ich habe lediglich den Schädelbruch, die Fingerluxation (Ausrenkung), und die Dornfortsätze (der Wirbel), die am Fels runtergeschrappt sind, sind abgebrochen.

Thomas nach der Operation

Thomas nach der Operation

Du hast wahrscheinlich in deinem Leben schon zehntausende Male abgeseilt. Da fragt man sich, wie konnte dieses Unglück überhaupt passieren? War es einfach ein kurzer Augenblick mangelnder Konzentration?

Nein, die Routine war schuld. Wenn man das erste Mal an einer Wand ist, wirkt sie furchteinflößend, nicht nur am El Capitan, sondern auch am Brendlberg, auch wenn diese Wand nur 70 Meter hoch ist, aber sehr steil, sehr alpin. Ich war dort in den letzten zwei Monaten ständig unterwegs, habe verschiedene Routen erschlossen. Die Wand ist für mich wie ein Wohnzimmer geworden, ich habe mich dort total wohl gefühlt. Es war mein zweites Zuhause, meine Sommerbeschäftigung vor der Expedition. Wir haben in der Route „Watzmannflimmern“ gefilmt, die ist (Schwierigkeitsgrad) 9+. Dort wollte ich ein Fixseil reinhängen für die Kameramänner. Ich hatte in den Monaten vorher, als ich in der Route trainiert habe, bevor ich sie schließlich durchstieg, immer ein 60-Meter-Seil benutzt. Das reichte allemal bis zu dem Felsband und dann waren immer noch fünf Meter übrig. Dieses Seil, das ich jetzt benutzte, gehörte aber einem Freund. Ich habe nicht gewusst, dass es abgeschnitten war. Ich seile ab, räume in der Nachbarroute noch drei Expressen (Sicherungsmittel beim Klettern) aus der ersten Seillänge. Alles ist gut, ich seile runter auf das Band. Und – tamm! – geht es schon los und ich stürze. Ich war wirklich voll konzentriert. Schuld war eine andere Geschichte, eben die volle Routine, dass vorher monatelang immer alles gut gegangen war. Wie bei einem Schreinermeister, der sich nach 10.000 Schnitten mit der Kreissäge den Finger abschneidet.

Weiter bergsteigen

Weiter bergsteigen

Es war sehr knapp, du bist dem Tod von der Schippe gesprungen. Stellst du dir jetzt auch die Grundsatzfrage: Mache ich weiter wie bisher?

Wenn man mit einer Sache nicht fertig wird, muss man sich diese Frage wirklich stellen. Aber wenn man sich dieses unermesslichen Glückes bewusst ist und ihm mit der Dankbarkeit begegnet, leben zu dürfen, dann kann man auch weiter bergsteigen. Man muss sich einfach immer bewusst sein, was man tut. Am gefährlichsten ist, wenn man glaubt, alles im Griff zu haben. Das habe ich daraus gelernt: Du darfst dich eigentlich auf niemanden und gar nichts verlassen, außer auf dich selbst. Zieh deinen Klettergurt an und schau wirklich hin, dass die Schnalle geschlossen ist! Auch wenn es Routine wird, immer wieder backup-mäßig draufschauen! Auch wenn ich dort schon zum 20. Mal abgeseilt habe, ein neues Seil heißt eben eine neue Situation. Michael Schumacher (der Formel-1-Rekordweltmeister verunglückte 2013 beim Skifahren schwer) ist nicht so weit gefallen wie ich, und ihm geht es leider Gottes nicht so gut. Andere stürzen einen halben Meter tief und können tot sein. Ich sage nur: Danke, danke, dass ich leben darf.

Du hattest ursprünglich vor, mit Freunden zum Siebentausender Latok 1 nach Pakistan zu fahren, um dich dort an der legendären Nordgrat-Route zu versuchen. Dieser Plan ist natürlich erst einmal hinfällig. Wie geht es jetzt weiter mit dir?

Darüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Ich bin in ärztlicher Betreuung. Ich habe gerade ein erstes EEG gemacht, das war sehr positiv. Schauen wir jetzt einfach, dass ich gesund und voll einsatzfähig werde. Man macht viel zu oft den großen Fehler, zu weit in die Zukunft zu schauen. Ich schaue auf das Jetzt. Und jetzt bin einfach nur glücklich und sehr dankbar, dass ich lebe.

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Thomas Huber auf dem Weg der Besserung https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/#comments Sat, 09 Jul 2016 13:56:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33167 Thomas Huber steht schon wieder

Thomas Huber steht schon wieder

„Es geht mir schon wieder ziemlich gut“, schreibt mir Thomas Huber aus dem Krankenhaus in Traunstein. Wenn das keine gute Nachricht ist! Schließlich war der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer – wie gestern berichtet – am Dienstag zwölf Meter tief aus einer Felswand am Brendlberg nahe Scheffau gestürzt. Der Unfall geschah laut dem Internetportal bgland24.de beim Abseilen. Als Thomas sich, auf einem Felsabsatz stehend, aus der Sicherung ausgeklinkt habe, um ein weiteres Seil aufnehmen zu können, habe er das Gleichgewicht verloren. Das hätte böse ausgehen können. „1000 Schutzengeln“ (Thomas) und seinem Instinkt dürfte es der Kletterer zu verdanken haben, dass ihm nichts Schlimmeres passierte.

Keine bleibenden Schäden

Laut bgland24.de landete Thomas nach eigenen Worten „wia a Katz“ auf dem weichen Waldboden. Huber war sogar noch in der Lage, gemeinsam mit seinem Kletterpartner Michael Grassl dem Krankenwagen entgegenzulaufen. Die Diagnose im Krankenhaus in Traunstein war dann jedoch besorgniserregend: Schädelbruch. Thomas kam sofort unters Messer. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Die Prognose der Ärzte ist positiv: Keine bleibenden Schäden. Auch die anderen Verletzungen – ab- oder angebrochene Dornfortsätze an einigen Wirbeln und ein verrenkter Finger – werden verheilen. Wenn alles gut läuft, kann Thomas in der kommenden Woche das Krankenhaus verlassen.

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