Porträts – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Der „Schneeleopard“ vom Mount Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/#comments Thu, 06 Dec 2018 21:57:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42899

Ang Rita Sherpa mit Urkunden des Guinness Buchs der Rekorde

Ang Rita Sherpas Everest-Rekord könnte einer für die Ewigkeit sein. Der legendäre Bergsteiger aus Nepal, den die Einheimischen ehrfurchtsvoll „Schneeleopard“ nennen, ist inzwischen 70 Jahre alt. Kein anderer hat den höchsten Berg der Erde so häufig ohne Flaschensauerstoff bestiegen wie Ang Rita in den 1980er und 90er Jahren. „Sein Rekord von neun (Besteigungen ohne Atemmaske) wird wahrscheinlich für eine lange Zeit bestehen bleiben, weil die Expeditionsanbieter inzwischen von den Climbing Sherpas verlangen, dass sie Sauerstoff benutzen“, schreibt mir Richard Salisbury von der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“.

Nicht zehnmal

Lager 4 am Südsattel

Kürzlich hatte ich über die bemerkenswerte Leistung des pakistanischen Bergsteigers Fazal Ali berichtet, der im Sommer als Erster zum dritten Mal ohne Flaschensauerstoff auf dem Gipfel des K 2, des zweithöchsten Bergs der Erde, gestanden hatte. Dabei fiel mir Ang Rita ein, der Everest-Rekordhalter. Ich hatte im Hinterkopf, dass er zehnmal ohne Atemmaske zum Gipfel aufgestiegen sei. So steht es in Zeitungs- und Internetartikeln und in Büchern, u.a. dem Guinness-Buch der Rekorde. Auch er selbst hat stets diese Zahl genannt. Streng genommen ist sie allerdings nicht korrekt, wie ich bei der Recherche in der „Himalayan Database“ feststellte und wie es mir Richard Salisbury bestätigte.

Sauerstoff zum Schlafen am Südsattel

Ang Rita ist zwar in der Tat zehnmal ohne Flaschensauerstoff zum höchsten Punkt der Erde auf 8850 Metern aufgestiegen, doch bei seinem ersten Erfolg im Mai 1983 nutzte er sowohl vor, als auch nach dem Gipfelgang zum Schlafen in Lager 4 eine Atemmaske. Darauf machte seinerzeit der US-Bergsteiger David Breashears aufmerksam. Er habe im Frühjahr 1983 am Südsattel mit Ang Rita in einem Zelt gelegen, so Breashears, und sie hätten über ein Y-Verbindungsstück dieselbe Sauerstoffflasche genutzt.

Riesenrespekt vor Ang Rita

Am Gipfel

Breashears, der in seiner Karriere fünfmal den Everest mit Atemmaske bestieg, betonte gegenüber der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley (1923-2018), dass er keinesfalls die überragende Leistung Ang Ritas schmälern wolle. Schließlich sei der Sherpa am Gipfeltag 1983 ohne Flaschensauerstoff zum Gipfel gestiegen. „Ich kann mir keinen stärkeren Kletterpartner oder Sherpa vorstellen, vor dem ich mehr Respekt hätte als vor Ang Rita“, schrieb Breashears. Bei den folgenden neun erfolgreichen Everest-Aufstiegen verzichtete der legendäre Sherpa dann auch beim Schlafen in großer Höhe auf eine Atemmaske.

19 Achttausender-Erfolge

Ang Rita wurde 1948 in Yilajung, einem kleinen Dorf im Khumbu im Osten Nepals geboren. Als Kind hütete er Yaks. Mit 15 Jahren arbeitete der Sherpa erstmals als Träger bei einer Expedition. Seinen ersten Achttausender bestieg Ang Rita 1979: den Dhaulagiri. Insgesamt brachte es Ang Rita bis zu seinem Karriereende im Jahr 1999 auf 19 Achttausender-Gipfelerfolge: Zehnmal Everest, viermal Cho Oyu, dreimal Dhaulagiri, einmal Kangchendzönga und einmal Makalu. Stets verzichtete er komplett auf Flaschensauerstoff – mit einer Ausnahme: bei der erwähnten Expedition 1983.

Nächtliche Aerobic-Übungen auf 8600 Metern

Verehrt und häufig geehrt

Der „Schneeleopard“ setzte Everest-Meilensteine. So eröffnete er 1984 mit den Slowaken Zoltan Demjan und Jozef Psotka eine neue Routenvariante über den Südpfeiler. Beim Abstieg stürzte Psotka in den Tod. Am 22. Dezember 1987 gelang Ang Rita die erste und bisher einzige Winterbesteigung des Everest ohne Atemmaske. Mit dem Koreaner Heo Young-ho, der Flaschensauerstoff atmete, erreichte der Sherpa den höchsten Punkt. Bei schlechtem Wetter waren die beiden Bergsteiger zu einem Biwak auf 8600 Metern gezwungen. „Wir verbrachten die Nacht knapp unterhalb des Gipfels“, erinnerte sich Ang Rita später, „und machten Aerobic-Übungen, um körperlich aktiv zu bleiben. Nur so kannst du dort oben überleben.“

P.S.: Ang Ritas Söhne bestiegen ebenfalls mehrmals den Everest – mit  Flaschensauerstoff: der 1971 geborene Karsang Namgyal Sherpa neunmal, Chewang Dorje Sherpa (1975 geboren) fünfmal. Karsang starb 2012 im Everest-Basislager, offenbar an den Folgen einer Alkoholvergiftung.

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Unvergessen: Jerzy Kukuczka https://blogs.dw.com/abenteuersport/unvergessen-jerzy-kukuczka/ Sat, 24 Mar 2018 11:25:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40049

Jerzy Kukuczka (1948 – 1989)

Einer der besten Höhenbergsteiger aller Zeiten hätte am heutigen Samstag seinen 70. Geburtstag gefeiert. Doch er verpasste diesen Ehrentag um mehr als 28 Jahre: Im Herbst 1989 verunglückte Jerzy Kukuczka im Alter von 41 Jahren tödlich am Lhotse, dem vierthöchsten Bergs der Erde. Der Pole hatte zuvor als zweiter Mensch nach Reinhold Messner alle 14 Achttausender bestiegen. Zeitweise sah es aus, als könnte Kukuczka Messner sogar noch die Krone abjagen, doch dann machte der Südtiroler im Herbst 1986 mit den Besteigungen von Makalu und Lhotse innerhalb eines Monats den Achttausender-Sack zu. Als der eher öffentlichkeitsscheue Kukuzczka knapp ein Jahr später, im September 1987, seine Sammlung komplettierte, ehrte ihn Messner mit den Worten: „Du bist nicht der Zweite, du bist großartig.“

Meilensteine

Gedenktafel zu Füßen der Lhotse-Südwand

Innerhalb von knapp acht Jahren – Messner brauchte doppelt so lange – bestieg Kukuczka alle 14 Achttausender und schrieb dabei Alpingeschichte: Gleich vier Wintererstbesteigungen, zwei davon 1985 innerhalb von drei Wochen (Dhaulagiri und Cho Oyu), Erstbegehung des Everest-Südpfeilers, erste Durchsteigung der Südwand des K 2, erste Solo-Besteigung des Makalu – um nur einige Meilensteine zu nennen. Nur am Mount Everest griff er zur Sauerstoff-Flasche. 1988 erklärte das Internationale Olympische Komitee Messner und Kukuczka zu Olympiasiegern ehrenhalber. Messner lehnte die Medaille ab, Kukuczka nahm sie an.

Tödlicher Absturz am Lhotse

Auch nachdem Jerzy seine Achttausener-Sammlung vervollständigte hatte, ließen ihn die höchsten Berge der Welt nicht los. Für Herbst 1989 plante Kukuczka eine Überschreitung aller Gipfel der Kangchendzönga-Gruppe, entschied sich dann aber noch um. Mit seinem Landsmann Ryszard Pawłowski versuchte sich der 41-Jährige an der damals noch undurchstiegenen legendären Lhotse-Südwand. Am 24. Oktober 1989 stürzte Jerzy Kukuczka aus etwa 8200 Meter Höhe in den Tod.

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Maya Sherpa: Nächster Versuch am Kangchendzönga https://blogs.dw.com/abenteuersport/maya-sherpa-naechster-versuch-am-kangchendzoenga/ Fri, 23 Mar 2018 08:41:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40025

Maya Sherpa

Zweiter Anlauf. Maya Sherpa, eine der bekanntesten und besten Bergsteigerinnen Nepals, versucht sich in diesem Frühjahr erneut am Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde.  „Ich bin wirklich glücklich, dorthin zurückzukehren“, sagt mir die 40-Jährige, als wir uns in der vergangenen Woche in Kathmandu treffen. „Ich habe Sponsoren gefunden, die mich finanziell unterstützen. Allerdings will ich nicht nur den Kangchendzönga besteigen, sondern später auch andere Achttausender, auf denen noch keine Frau aus Nepal war.“ Im Mai 2017 hatten Maya und ihre nepalesischen Freundinnen und Teampartnerinnen Pasang Lhamu Sherpa Akita und Dawa Yangzum Sherpa am 8586 Meter hohen Kangchendzönga rund 300 Meter unterhalb des höchsten Punktes umkehren müssen. Der gesamten Gruppe an Gipfelanwärtern waren die Seile ausgegangen. „Einer unserer Climbing Sherpas erzählte uns, dass sie im Frühjahr 2013 denselben Fehler gemacht hätten“, berichtet Maya. „Damals stiegen sie trotzdem zum Gipfel auf. Beim Abstieg starben zwei Sherpas und drei ausländische Bergsteiger, weil sie müde waren und es im oberen Bereich des Bergs besonders auf den Felsen extrem rutschig war.“

Mehr Seile, mehr Manpower

Maya Sherpa, Dawa Yangzum Sherpa und Pasang Lhamu Sherpa (v.r.) 2017 am Kangchendzönga

Es sei keine Option, das letzte Hochlager am Kangchendzönga von 7400 Metern weiter nach oben zu verlegen, meint Maya: „Ich habe dort keinen sicheren Platz für Zelte gesehen. Wir brauchen ausreichend Seile und Manpower, das ist die Lösung.“ Die drei Sherpani, die 2014 als erste Frauen aus Nepal den K 2 in Pakistan, den zweithöchsten Berg der Erde, bestiegen hatten, werden diesmal nicht komplett am Start sein. Pasang Lhamu hatte im vergangenen November einen Sohn zur Welt gebracht und fehlt diesmal. Ob Dawa Yangzum mitkommt, ist noch offen. „Es sind ja noch zwei Wochen Zeit bis zur Abreise. Mal sehen“, sagt Maya. „Ansonsten starte ich eben mit anderen Leuten.“

Dreimal auf dem Everest

Maya am Everest

Maya Sherpa hat sich als Frau in der Männerwelt des Höhenbergsteigens behauptet. Seit 2003 ist sie Profibergsteigerin. Mit ihrem Mann, dem Expeditionsveranstalter Arnold Coster, leitet sie Expeditionen und arbeitet als Bergführerin. Den Mount Everest hat die Mutter einer siebenjährigen Tochter bereits von beiden Seiten bestiegen, insgesamt dreimal. Außerdem stand sie als erste Nepalesin auf dem Cho Oyu (8188 Meter) in Tibet, dem Pumori (7161 Meter), dem Baruntse (7129 Meter) und der Ama Dablam (6814 Meter) in Nepal sowie dem Khan Tengri (7010 Meter) in Kirgistan.

Mentale Stärke zählt

Zudem ist Maya Präsidentin der „Everest Summiteers Association“, der Vereinigung der Everest-Besteiger – und seit vergangenem August auch Vizepräsidentin des Nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA. „Das macht mich schon sehr stolz“, sagt Maya. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich gewählt würde.“ Sie wolle sich um alle Bergsteiger kümmern, nicht nur um die Frauen. „Seitdem ich bergsteige, gebe ich anderen Frauen doch schon ein Beispiel, was möglich ist. Ich teile gerne meine Erfahrungen und gebe ihnen Tipps. Ich denke, das hilft.“ Inzwischen werde sie nicht nur von ihren männlichen Sherpa-Kollegen, sondern auch von den Kunden akzeptiert. „Rein physisch mögen Frauen ein bisschen schwächer sein“, sagt Maya. „Aber wenn du mental stark bist, spielt das keine Rolle mehr.“

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Mick Fowler: „Nein, ich sterbe nicht“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mick-fowler-nein-ich-sterbe-nicht/ Tue, 12 Dec 2017 15:30:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38797

Mick Fowler

Ich musste erst einmal schlucken. Er hat Krebs? Das darf noch nicht wahr sein. „Für uns im ‚Club der Halbhunderter‘ wirken Leute wie Mick Fowler wie ein Antidepressivum“, habe ich einmal über den britischen Extrembergsteiger geschrieben. Wie kaum ein Zweiter steht der inzwischen 61-Jährige in meinen Augen dafür, dass wahres Abenteuer keine Altersgrenzen kennt. Alljährlich macht sich Mick immer noch in abgelegene Regionen des Himalaya auf, um Kletter-Neuland zu betreten. Und das mit großem Erfolg: Schon dreimal wurde Mick mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar der Bergsteiger“, ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr plante er wieder eine Erstbegehung im indischen Himalaya, wie schon 2016 mit seinem Landsmann Victor Saunders, einem anderen „Oldie, but Goldie“, 67 Jahre alt. Doch dann erhielt Fowler vor einigen Monaten die niederschmetternde Diagnose: „‘Du hast Krebs‘ war gleichzeitig ein Schock und eine Erleichterung“, schreibt Mick zurückblickend. „Die Unsicherheit war vorbei. Kein Zaudern mehr. Die Reise musste abgesagt werden. Aber was würde vor mir liegen?“

Alles fühlte sich merkwürdig an

Mick während der Chemo

Begonnen hatte es damit, dass Mick zweimal Blut im Stuhl und einen geringen Gewichtsverlust registriert hatte. Doch der Bergsteiger fühlte sich damals eigentlich fitter und gesünder als teilweise in früheren Zeiten. Zudem galt es, die Expedition zu organisieren. „Ich hatte mich in einer ‚Situation beobachten‘-Mentalität gemütlich eingerichtet“, schreibt Mick. Seine Frau Nicki war es, die ihn dazu drängte, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und zum Arzt zu gehen. Eine Darmspiegelung mit Gewebeentnahme brachte es an den Tag: Fowler litt an Darmkrebs. „Ich fühlte mich gut, aber die Ärzte sagten mir, ich sei sehr krank“, erinnert sich Mick. „Aber sie sagten mir auch, dass ich, wenn alles glatt liefe (alle Krebszellen vernichtet), in sechs Wochen wieder auf dem Damm sein könnte. Aber ich würde mich schlecht fühlen (nach Strahlen- und Chemotherapie). Das alles fühlte sich merkwürdig an.“

Positive Prognose

Fowler (r.) und Saunders auf dem Gipfel des 6000ers Sersank (2016)

Inzwischen liegt die Behandlung in einem Krankenhaus in Sheffield hinter Fowler. „All jenen, die fragen, ob ich dabei bin zu sterben, möchte ich versichern, dass es nicht so ist“, schreibt Mick. „Die Prognose ist positiv. Und Victor und ich stellen gerade unsere geplante Himalaya-Reise für 2018 neu auf die Beine.“ Fowler hat wieder mit leichtem Lauf- und Klettertraining begonnen. Mick rät allen, sorgfältig auf den eigenen Körper zu achten. „Und gehe direkt zum Arzt, wenn du irgendetwas Ungewöhnliches wahrnimmst. Nichts (nicht einmal eine Reise in den Himalaya) ist wichtiger.“ Darüber hinaus gibt es ja auch regelmäßige Krebs-Vorsorgeuntersuchungen, die jeder in Anspruch nehmen kann und auch unbedingt sollte. Bergsteiger haben schließlich kein Anti-Krebs-Gen, es kann jeden erwischen. Alles Gute, Mick! Ich drücke die Daumen.

P.S. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die von der deutschen Journalistin und Bergsteigerin Petra Thaller gegründete Initiative „Outdoor against Cancer“ (OAC) hinweisen. Sie bietet Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten an. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, erzählte mir Petra auf der Messe ISPO im vergangenen Februar. Bei ihr war nach einer Expedition zur Carstensz-Pyramide in Papua-Neuguinea Ende 2014 Brustkrebs diagnostiziert worden.

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Wenn das Kopftuch einfach nur stört https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-das-kopftuch-einfach-nur-stoert/ Tue, 27 Jun 2017 12:22:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36803

Nasim Eshqi

Donald Trump steht zwischen ihr und dem El Capitan. Zu gerne würde Nasim Eshqi auch einmal an den legendären Granitwänden im Yosemite-Nationalpark klettern, doch der US-Präsident hat bekanntlich ein Einreiseverbot für Iraner verfügt. Die 35-Jährige aus Teheran nimmt es mit Humor. „Ich meine, er ist doch der Unglückliche, wenn ich nicht da bin“, sagt Nasim und lacht. Die Kletterin entspricht schon äußerlich so gar nicht dem westlichen Klischee einer iranischen Frau: Schulterfreies T-Shirt, Sonnenbrille, kein Kopftuch. Und sie sagt, was sie denkt. „Die traditionelle Kultur im Iran akzeptiert mich oder andere Mädchen, die so sind wie ich, nicht als echte Frauen, die man heiraten oder mit denen man zusammen sein möchte“, erzählt Nasim. „Aber das war für mich von Beginn an okay. Ich habe überall auf der Welt Freunde, die mich mental unterstützen.“

Einfach weitergemacht

Die Kletterin ist es gewöhnt, mit Ablehnung umzugehen. Selbst ihre weltoffenen Eltern, ein Universitätsprofessor und eine Lehrerin, taten sich schwer mit den Ambitionen ihrer Tochter, die erst als Kickboxerin Erfolge feierte und dann vor 14 Jahren ihr Herz für das Bergsteigen und Klettern entdeckte. „Du verlässt die Stadt, kommst spät nach Hause und deine Eltern fragen dich: ‚Wo bist du gewesen?‘ Sie hatten Angst vor den Gefahren beim Klettern, vor der Polizei oder schlechten Menschen“, erzählt Nasim. „Aber ich habe einfach weitergemacht. Sie mögen immer noch nicht, was ich mache. Aber ich kann es nicht ändern.“

Nasim Eshqi: I have an open family but they don’t like what I do

Gleichheit am Fels

Nasim in Aktion am Polekhab nahe Teheran (Route „Iran-Swiss“, 8a+)

Eshqi geht konsequent ihren Weg, und der führt über den Fels. „Wenn ich irgendwo auf der Welt klettere, fühle ich mich einfach gleich“, beschreibt Nasim ihre Motivation. „Die Regeln sind überall dieselben. Es geht um Gravitation. Egal, wo wir herkommen, welches Geschlecht oder wie viel Geld wir haben. Es zählt nur der Weg und was wir können.“

Nasim Eshqi: Climbing makes me feeling equal

Nasim klettert Routen bis zum zehnten Grad. Etwa die Hälfte des Jahres verbringt sie in ihrem Heimatland Iran, wo sie auch als Kletter-Trainerin arbeitet. Davon leben kann sie nicht. Die restlichen Monate hält sich Nasim im Ausland auf, wo sie sich mit Vorträgen finanziell über Wasser hält. „Was ich verdiene, gebe ich wieder aus. Manchmal muss ich mir auch Geld leihen, um die Flugtickets zu bezahlen.“

Mit Glück und Willen

Reisen in Länder wie Georgien, Armenien oder Türkei seien kein Problem, erzählt Eshqi. Doch für europäische Staaten, die USA oder auch den größten Teil Afrikas benötige sie Einladungen von dort. Und auch die seien keineswegs die Garantie, dass sie anschließend wirklich einreisen dürfe. Mit ein bisschen Stolz verweist Nasim darauf, dass sie schon in mehr Ländern geklettert sei als viele andere aus Staaten ohne Reisebeschränkungen: „Wenn ich Glück habe und es wirklich will, dann passiert es auch irgendwann.“ So kletterte die Iranerin schon an Felsen im Elbsandstein-Gebirge in Ostdeutschland, den italienischen Dolomiten, im Schweizer Rätikon oder in den Bergen rund um Chamonix.

Mehr als 70 neue Routen

Klettern im Iran (hier am Berg Alamkooh)

Dort gibt es keine strengen Kleidungsvorschriften wie in ihrer Heimat. Im Iran ist Nasim verpflichtet, unter dem Kletterhelm ein Kopftuch zu tragen und die Arme bedeckt zu halten. „Ich kann damit leben. Es ist nicht so hart wie keine Visa zu bekommen“, sagt die Kletterin. „Ich bin auf das Klettern fokussiert und möchte meine Leidenschaft mit möglichst vielen Menschen teilen.“ Eshqi hat bereits mehr als 70 neue Routen in mehreren Ländern eröffnet. Die Kletterszene in ihrer Heimat ist noch überschaubar. „Die meisten Kletterer im Iran sind Picknick-Kletterer, die einfach draußen sein und das gute Wetter nutzen wollen. Es gibt im ganzen Land nicht mehr als zehn Kletterer, die wirklich darauf aus sind, ihre Grenzen voranzutreiben“, sagt Nasim.

Zu ungeduldig für Expeditionen

Deutlich populärer als Klettern ist im Iran das Höhenbergsteigen. Doch in dieser Tradition sieht sich die 35-Jährige eher nicht. „Klar würde ich auch gerne einmal den K 2 besteigen, aber ich habe nicht genug Geduld, um für so eine lange Expedition ausreichend zu trainieren. Das ist einfach nicht mein Weg“, sagt Eshqi. „Ich würde die Strapazen eines langen Anmarschs im Himalaya vielleicht auf mich nehmen, wenn am Ende eine Wand steht, die ich klettern will. Das ist eher mein Ding als nur eine Expedition auf 7000 oder 8000 Meter.“

Nasim Eshqi: Not patient enough for long expeditions

Von Feinden zu Fans

Durch Leistung überzeugt (hier in der Route „Man o to“, 7c+, am Baraghan)

Nasim Eshqi sieht Anzeichen dafür, dass sich die iranische Gesellschaft mehr und mehr öffnet – dank Internetnutzung und vermehrter Reisen. Die Feindseligkeit, die ihr anfangs oft entgegenschlug, habe inzwischen abgenommen, sagt die Kletterin.  Grund seien auch die Berichte westlicher Medien über sie. „Wenn die Leute sehen, dass die Europäer Respekt für eine Frau zeigen, die so viel an Energie investiert, um den eigenen Weg zu gehen, sagen sie irgendwann: ‚Oh, sie ist gut. Wenn die Europäer sie respektieren, respektieren wir sie auch.‘ So sind am Ende aus meinen Feinden meine größten Fans geworden. Ich finde, das kann ich als Erfolg für mich verbuchen.“ Vielleicht bittet ja eines Tages auch Donald Trump um ein Autogramm von Nasim Eshqi – wenn er sie am El Capitan hat klettern sehen.

Nasim Eshqi: Enemies turning into fans

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Lebenstraining: Outdoor against Cancer https://blogs.dw.com/abenteuersport/lebenstraining-outdoor-against-cancer/ Thu, 23 Feb 2017 13:18:15 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35143

Petra Thaller

Nach der Expedition auf Papua-Neuguinea folgte eine weitere: die gefährlichste Expedition im Leben Petra Thallers. Im Dezember 2014 hatte die deutsche Journalistin die Carstensz-Pyramide bestiegen, den mit 4884 Metern höchsten Berg Ozeaniens und damit einen der „Seven Summits“, der höchsten Gipfel aller Kontinente. Kurz nach ihrer Rückkehr stellte Petra fest, dass sich ihre Brust veränderte. Die Diagnose der Ärzte: Krebs. Sechs Tumore in der rechten Brust. Später bildete sich sogar noch ein siebter. Thaller nahm den Kampf gegen die Krankheit an, das volle Programm: Operationen, Chemotherapie,  Antikörpertherapie. Und sie trieb weiter Sport. „Ich war damals richtig fit“, erzählt mir die 55 Jahre alte Münchnerin. „Ich bin super trainiert in die Chemotherapie hereingegangen und habe auch während aller zwölf Zyklen immer Sport gemacht. Ich bin laufen gegangen. Und mir ging es gut.“ Diese Erfahrung wollte Petra an andere Krebspatienten weitergeben. Sie gründete die Initiative „Outdoor against Cancer“ (OaC).

Gut für die Psyche

Schneeschuhwandern mit „Outdoor against Cancer“

„Es gab damals einfach keine Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten“, sagt Thaller. Sie ging mit ihrer Tochter und ihrem Sohn laufen. „Ich habe ihnen gesagt: ‚Wenn ich mich mal schlecht fühle, dürft ihr mir in den Hintern treten und mich rausschicken.‘ Und das haben sie auch gemacht.“ Dank OaC hat sich die Situation für Krebspatienten, die trotz ihrer Krankheit weiter in der Natur Sport treiben wollen, inzwischen geändert. Regelmäßig treffen sich nun Gruppen, ob zum Joggen, Zirkeltraining, Schneeschuhwandern, Mountainbiken oder Segeln. Und das Projekt expandiert: von München aus nach ganz Deutschland. Auch in anderen europäischen Staaten soll es bald OaC-Programme geben. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, beschreibt Petra ihre Erfahrungen während der Chemotherapie. „Ich hatte einfach keine Depressionen. Ich habe in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, warum ausgerechnet ich Krebs bekam, obwohl ich mich doch immer gesund ernährt und viel Sport getrieben hatte. Und ich habe auch nicht darüber nachgedacht, dass ich daran sterben könnte. Das war einfach nie mein Ding.“

Petra Thaller: Ich hatte keine Depressionen

Hier und jetzt

Petra 2014 an der Carstensz-Pyramide

Thaller strahlt eine ungeheure Lebensfreude aus, die ansteckend wirkt.  „Ich habe keine Lust, das Leben nicht zu genießen“, sagt Petra. Sie erzählt von einem 44-Jährigen, der an einem Gehirntumor leide. Er sei nach der Krebsdiagnose zunächst fünf Monate lang nicht aus dem Haus gegangen. Heute gehöre er zu den regelmäßigen Teilnehmern ihrer Trainingsgruppe: „Er hat mal gesagt: ‚Petra macht mich wieder fit.‘ Das war eigentlich das größte Geschenk.“ Ich will von ihr wissen, ob der Sport für sie mehr Training für den Körper oder für die Seele ist. „Lebenstraining“, antwortet Thaller. Überlebenstraining? Sie schüttelt den Kopf. „Lebenstraining. Es hat nichts mit Überleben zu tun. Genieße das Leben und zwar im Hier und Jetzt!“ Das ist die Botschaft, die sie anderen Krebspatienten mit auf den Weg geben will: „Geht raus! Macht irgendwas, fahrt weg! Das Leben findet jetzt statt und nicht in vielleicht fünf Jahren, wenn jemand sagt, jetzt bist du aus dem Gröbsten raus.“

Petra Thaller: Sucht das Abenteuer!

Nächstes Ziel: Aconcagua

Ihre eigene vorerst letzte Chemotherapie liegt schon lange hinter Petra Thaller, die letzte Antikörper-Therapie ein halbes Jahr. Ist sie damit über den Berg? „Wann ist man jemals in seinem Leben über den Berg?“, sagt Petra und lacht. „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es schiefgehen könnte. Insofern bin ich vielleicht ein sehr gutes Beispiel dafür, dass auch alles gutgehen kann.“ Der Expedition auf die Carstensz-Pyramide soll bald eine neue folgen: „Ich habe schon ein Ziel für nächstes Jahr“, verrät Petra. „Ich gehe auf den Aconcagua.“ Der mit 6962 Metern höchste Gipfel Südamerikas gehört ebenfalls zu den „Seven Summits“. Der höchste aller Berge sei für sie kein Thema, sagt Thaller: „Der Everest hat mich nie interessiert.“ Ihren persönlichen Mount Everest hat sie ohnehin schon bestiegen.

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Von wegen jämmerlich! https://blogs.dw.com/abenteuersport/maya-sherpa/ Tue, 20 Jan 2015 15:08:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28135 Maya Sherpa (im Hintergrund der Mount Everest)

Maya Sherpa (im Hintergrund der Mount Everest)

Nepal braucht starke Frauen wie Maya Sherpa. „Mit unseren Expeditionen wollen wir Frauen inspirieren, Dinge zu wagen, zu denen wir auch noch in der Lage sind, wenn wir verheiratet sind und Kinder haben“, schreibt mir die 36-Jährige Bergsteigerin. Im Juli 2014 bestieg sie mit Dawa Yangzum Sherpa und Pasang Lhamu Sherpa Akita den 8611 Meter hohen K 2 in Pakistan. Sie waren die ersten Nepalesinnen auf dem zweithöchsten Berg der Erde. Vor anderthalb Wochen hatte ich euch hier im Blog das neue Projekt des Trios vorgestellt, die geplante Besteigung des Kangchendzönga im nächsten Frühjahr. Mayas Antworten auf meine Fragen dazu erreichten mich erst einige Tage, nachdem der Artikel online gegangen war.

Immer noch Schulden

Wie vorher schon Dawa Yangzum bestätigte mir auch Maya, dass sie nach ihrer Expedition zum K 2 noch immer auf Schulden von umgerechnet rund 12.000 Euro sitzen. „Die Leute hier denken, wir hätten kein Geld verloren, sondern im Gegenteil viel verdient. Aber die Wirklichkeit sieht leider anders aus“, sagt Maya und fügt mit Blick auf ihr neues Projekt hinzu: „Diesmal wollen wir die Finanzierung sorgsamer angehen. Wir haben uns an Organisationen wie NMA [Nepalesischer Bergsteigerverband] oder TAAN [Verband der nepalesischen Trekkingagenturen] gewandt, die wirklich verstehen, was wir machen und warum.“ Sie spielt damit auf die Regierung Nepals an, die das versprochene Geld für die K 2-Expedition (umgerechnet knapp 4200 Euro) bis heute nicht ausgezahlt hat.

Zweimal auf dem Everest

Bergsteigerin, Ehefrau und Mutter

Bergsteigerin, Ehefrau und Mutter

Maya Sherpa wuchs in einem kleinen Dorf im Distrikt Okhaldhunga auf, nicht weit entfernt vom Mount Everest. Inzwischen hat sie sich in der noch immer von Männern dominierten Bergsteiger-Welt Nepals ihren Platz erkämpft. „Ich bin seit 2003 Profibergsteigerin und habe immer versucht, dafür zu sorgen, dass mich auch jene Kerle wahrnehmen, die glauben, dass Frauen auf diesem Gebiet ein jämmerliches Bild abgeben“, sagt Maya, die vor ihrer Bergsportkarriere auch als Gewichtheberin (im Federgewicht) Erfolge feierte. Die Sherpani hat den Mount Everest von beiden Seiten aus bestiegen, 2006 von Nepal, 2007 von Tibet aus. Außerdem war sie die erste Frau aus Nepal, die auf dem Cho Oyu (8188 Meter) in Tibet, dem Pumori (7161 Meter), dem Baruntse (7129 Meter) und der Ama Dablam (6814 Meter) in Nepal sowie dem Khan Tengri (7010 Meter) in Kirgistan stand. Maya ist mit dem niederländischen Höhenbergsteiger Arnold Coster verheiratet. Die beiden leben mit ihrer vier Jahre alten Tochter Roos Dawa in der Hauptstadt Kathmandu.

Frauen in Nepal weiter diskriminiert

Maya (l.) am Gipfel des K 2

Maya (l.) am Gipfel des K 2

2010 wurde Maya als eine von wenigen Frauen in den Vorstand des Nepalischen Bergsteigerverbands NMA gewählt: „Ich habe dort eine Menge gelernt, etwa wie wichtig es ist, dass auch Frauen klettern und Expeditionen leiten. Die Bergsteigerinnen und Bergführerinnen konnte man an zwei Händen abzählen.“ Es sei für sie und ihre Freundinnen Pasang Lhamu Sherpa Akita und Dawa Yangzum Sherpa „eine riesige Herausforderung, gegen die Diskriminierung von Frauen in Nepal zu kämpfen“, sagt die Bergsteigerin. „Wir wollen jedem einzelnen Mann, der denkt, Mädchen würden mit einem Fluch geboren, die Botschaft schicken: Das ist nicht wahr – wenn wir es unterlassen, Frauen in der Gesellschaft zu benachteiligen.“

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Maxuts neuer Everest ist höher als 8848 Meter https://blogs.dw.com/abenteuersport/maxut-zhumayev/ Thu, 06 Feb 2014 14:17:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25261 Maxut Zhumayev

Maxut Zhumayev

„Als ich mich dem höchsten Punkt näherte, sah ich Vassiliy im Schnee sitzen, zehn Meter vom Gipfel entfernt. Ich freute mich sehr, dass mein Freund auf mich gewartet hatte“, erinnert sich Maxut an den Gipfeltag auf dem K 2, den 23. August 2011. „Das war etwas ganz Besonderes.“ An diesem Tag komplettierten Maxut Zhumayev und Vassiliy Pivtsov ihre Achttausender-Sammlung, zehn Jahre und zehn Tage, nachdem sie auf dem Gasherbrum I gestanden hatten, ihrem ersten Achttausender. Die beiden Kasachen bestiegen 13 der 14 höchsten Gipfel der Welt gemeinsam, nur am Manaslu waren sie in getrennten Expeditionen unterwegs. Das sei einzigartig, sagt Maxut: „In der Geschichte des Bergsteigens hat es das noch nicht gegeben, dass zwei Kletterer so viele Achttausender-Gipfel gemeinsam erreicht haben.“  

Hartes Stück Arbeit am K 2

Maxut und Vassiliy auf den letzten Metern zum Gipfel des K 2

Maxut und Vassiliy auf den letzten Metern

Ich treffe den 37-Jährigen auf der ISPO in München, wo es auch ein Wiedersehen mit anderen Teammitgliedern von 2011 gibt: Maxut spricht mit Gerlinde Kaltenbrunner, die an besagtem Tag ebenfalls den K 2 bestieg, den letzten Achttausender, der ihr noch fehlte. Und mit ihrem Mann Ralf Dujmovits, der auch zum Team gehörte, auf den entscheidenden Gipfelvorstoß aber verzichtete. „Der K 2 war wirklich hart“, sagt Maxut. „Es war mein sechster und Vassiliys siebter Versuch.“ Die anderen Achttausender hatte Zhumayev gleich im ersten Anlauf bestiegen. Bei allen Besteigungen verzichtete er auf Flaschen-Sauerstoff.

Aus der Ebene auf die Gipfel

Maxut wurde in der Steppe Westkasachstans geboren und fand erst spät zum Bergsteigen: „Ich begann zu klettern, als ich 20 Jahre alt war. Damals arbeitete ich als eine Art Sherpa, als Träger. Ich schulterte das Gepäck einer Trekkinggruppe aus Frankreich.“ Maxut freundete sich mit einigen Kletterern an, die zu der Gruppe gehörten. „Ich bin glücklich, dass ich ihre Philosophie und ihren Lebensstil kennengelernt habe. Sie sind schuld, dass ich immer noch in den Bergen unterwegs bin und klettere.“ Wie sein Freund Vassiliy Pivtsov verdient auch Zhumayev sein Geld als Leutnant der kasachischen Armee.

Kasachischen Alpinverein gegründet

Zhumayev 2007 auf dem Everest

Zhumayev 2007 auf dem Everest

Nachdem er alle Achttausender bestiegen hatte, fiel Maxut zunächst in ein mentales Loch. „Ich brauchte ungefähr ein Jahr, um neue Träume und neue Ziele zu finden“, erzählt Maxut. Anfang 2013 gründete Zhumayev den Kasachischen Alpinverein. Er will die Einstellung seiner Landsleute zu den Bergen ändern: „Es geht um die Philosophie, wie man mit der Natur umgeht. Für mich ist die Natur kein Spielzeug, sondern meine Heimat.“ Maxut ist sich bewusst, dass er nicht von heute auf morgen in Kasachstan Strukturen wie jene westeuropäischer Alpenvereine schaffen und dazu noch seine Bergphilosophie verbreiten kann: „Das ist mein neuer Everest. Er ist höher als 8848 Meter, weil meine Lebenszeit nicht ausreichen wird, um dieses Projekt zu vollenden.“

Weniger Gefahr

Aus Verantwortung für seine Frau, seine vierjährige Tochter und den fünfjährigen Sohn macht Maxut jetzt einen Bogen um gefährliche Klettereien. Zhumayev hat sich vorgenommen, die „Seven Summits“ zu besteigen, die höchsten Gipfel aller Kontinente. Auf dem Mount Everest (Asien) stand er schon, auf dem Kilimandscharo (Afrika) auch. Für dieses Jahr hat er sich im Mai den Denali (Nordamerika) vorgenommen und im Herbst den Aconcagua (Südamerika). Wenn es ihm gelingt, Sponsoren zu gewinnen, will er sich anschließend auch noch am Mount Vincent (Antarktis) versuchen.

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Der Bergbrenner vom Königssee https://blogs.dw.com/abenteuersport/bergbrenner-hubert-ilsanker/ Tue, 03 Dec 2013 12:50:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24475

Bergbrenner Hubsi Ilsanker

Eigentlich wähnte ich mich auf ewig für Enzian verloren. Schuld war eine alte Bäuerin aus dem Alpbachtal, dir mir vor Jahren einen Selbstgebrannten kredenzte, der so intensiv nach Erde schmeckte wie Austern nach Meer. Pfui Teufel! Es schüttelt mich noch immer, wenn ich daran zurückdenke. Hubert Ilsanker, den alle nur „Hubsi“ nennen, hat mich wieder mit dem Enzian versöhnt. Ich traf den Berchtesgadener vor Wochen bei einer Wanderung in Brixen in Südtirol und kostete seinen sieben Jahre alten Edelwurz-Enzian. Ein Genuss! Der Mann versteht sein Handwerk. „Hubsi“ ist ein Unikum, der einzige (lizensierte) Bergbrenner Deutschlands.

Mehr als 300 Jahre altes Sonderrecht

Wie ein Almbauer verbringt auch Ilsanker zur Jahresmitte vier Monate in den Bergen – in vier alten Brennhütten rund um den Königssee, zwischen 1200 und 1600 Meter hoch. Obwohl drei der vier Hütten im Nationalpark Berchtesgaden liegen und Enzian unter Naturschutz steht, darf der 44-Jährige dort Wurzeln ausgraben und zu Schnaps verarbeiten. Das Recht, „die Almen durch maßvolles, aber regelmäßiges Enzianwurzelgraben milchviehgerecht zu halten, Enzian zu brennen und zu verkaufen“, erwarb die Berchtesgadener Familie Grassl bereits 1692, fast 300 Jahre vor Gründung des Nationalparks. Da er als Einziger und immer wieder an anderen Stellen grabe, sei das kein Problem, sagt Ilsanker: „Wenn du nach sieben bis zehn Jahren wieder an diese Stelle kommst, merkt niemand mehr, dass da jemals eine Wurzel entwendet wurde.“

Früh übt sich

Hubsi produziert ja auch keine Massenware, sondern Edelschnäpse, für die der Kunde etwas tiefer in die Tasche greifen muss. Dafür erhält er einen Enzian, der nach dem Brand noch fünf bis sieben Jahre lang im Fass gereift ist und von dem Ilsanker noch sagen kann, wann und wo er die Wurzeln dafür ausgegraben hat. „Wenn ich dann Gäste um mich herum habe, die sagen ‚Mensch, ist der gut!‘, das ist schon ein super Gefühl.“ Seit 23 Jahren ist Hubsi als Bergbrenner offiziell angestellt, schon mit 15 hat er für seinen Vorgänger Enzian-Wurzeln ausgegraben. „Da habe ich gedacht, das mache ich irgendwann mal.“ Als Kind hatte Ilsanker viel Zeit in den Bergen verbracht, weil sein Vater Holzfäller war und ihn oft mitgenommen hatte. „Das hat mir gefallen. Viel arbeiten, abends in der Hütte sitzen, Feuer machen, kochen. Männerwirtschaft.“

Hubert Ilsanker: Von der Wurzel bis zum fertigen Schnaps

Ein Bergbrenner müsse auch Bergsteiger sein, sagt Hubsi, „einigermaßen gut beieinander“ – und trittfest: „Du musst ja bis zu 50 Kilogramm herunterbringen. Da hast du einen Sack auf dem Rücken, einen ziehst du hinter dir her. Oder du nimmst nur einen, dann musst zu zweimal gehen.“

Die Mischung macht’s

Als seine beiden Kinder noch klein waren, hat Hubsi seine ganze Familie mit auf den Berg genommen. Jetzt ist er häufiger allein. Ein Problem hat er damit nicht. „Ich glaube, wer am Berg oben alleine arbeitet und mit den Tieren, Blumen und Steinen per du ist, ist nicht so einsam wie einer, der in irgendeinem Plattenbau in der Großstadt wohnt.“ Als Ausgleich hat der Bergbrenner seine andere Leidenschaft, die Musik. An einem Tag in der Woche steigt Ilsanker ins Tal ab und spielt bei Volksfesten oder anderen Gelegenheiten auf. So kommt er regelmäßig wieder unter Menschen. „Berufsmusiker zu sein“, sagt Hubsi, „wäre mir zu anstrengend. Würde ich aber andererseits nur in der Einsamkeit arbeiten, könnte ich schon schwermütig werden. Wir sind einfach Rudeltiere.“ Die Mischung stimmt.

Hubert Ilsanker:Einsamkeit ist in Plattenbauten größer

Schnaps als ein Stück Bergkultur

Einen Gipfelschnaps in Ehren …

An Schönwetter-Tagen gibt der Bergbrenner auch gerne den Fremdenführer, wenn viele Wanderer seine Hütten besuchen. „Dann ist es schon eine Turnerei zwischen Brennerei und Gästen. Und wenn dann lustige Gruppen vor der Hütte sitzen, kann es auch finster werden, bis Feierabend ist.“ Ein guter Schnaps, findet Hubsi, sei ein Stück Bergkultur: „Als die Leute noch mit roten Kniestrümpfen und Bundhose in die Berg gegangen sind, war ein Flachmann im Rucksack eigentlich Pflicht. Und der Gipfelschnaps schmeckt dem Bergwanderer genauso wie dem Extrembergsteiger.“

Hubert Ilsanker: Gipfelschnaps schmeckt

Schnell wieder ein Talferkel

Wenn er nach vier Monaten am Berg wieder absteigt, überkommt den Bergbrenner Ilsanker schon ein bisschen Wehmut. Fast wie bei einem Almabtrieb. „Nein, ich schmücke mich nicht“, sagt Hubsi und lacht. Einen kleinen Kulturschock erlebt er, wenn er, im Tal angekommen, an der ersten Ampel wild angehupt wird, weil er nicht flink genug losfährt. „Aber das legt sich relativ schnell. Dann ist man wieder ein Talferkel.“

Hubert Ilsanker: Schnell wieder ein Talferkel

P.S. Hubsi Ilsanker hat auch ein Buch über seine Arbeit in den Bergen geschrieben.

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Auf der Jagd nach 7000er-Wänden https://blogs.dw.com/abenteuersport/hansjoerg-auer/ Fri, 15 Nov 2013 11:00:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24173

Hansjörg Auer

Hansjörg Auer neigt zur Brutalität – verbal, versteht sich! Und auch nur dann, wenn er von etwas erzählt, das ihn begeistert. „Es ist halt ein brutal schöner Berg und ein brutal geiles Ziel“, schwärmt der Topkletterer aus Österreich über den Kunyang Chhish East. Der Berg ist 7400 Meter hoch und liegt im Karakorum in Pakistan. Hansjörg hat den Nebengipfel des Kunyang Chhish (7852 Meter) – wie berichtet – im Sommer mit seinem Bruder Matthias und dem Schweizer Simon Anthamatten erstbestiegen. „Die Kombination Siebentausender, unbestiegen, mit einer so coolen Wand wie der fast 3000 Meter hohen Südwand, die gibt es halt nicht mehr so oft“, sagt der 29-Jährige. „Mich reizen genau diese Expeditionen, wo es am meisten Fragezeichen gibt. Dann wird es interessant und bleibt spannend.“

Hansjörg Auer über den 7000er Kunyang Chhish East

Brüderliches Gipfelglück

Dem Trio gelang der Aufstieg auf den bis dahin noch jungfräulichen Gipfel über eine äußerst anspruchsvolle Route durch die Südwand. Die beiden US-Spitzenkletterer Steve House und Vince Anderson (die 2005 als Erste im Alpinstil durch die mächtige Rupalwand des Nanga Parbat geklettert waren) hatten 2006 am Kunyang Chhish East rund 300 Meter unter dem Gipfel umkehren müssen. Auer freut sich besonders, dass er den Erfolg im Karakorum gemeinsam mit seinem Bruder feiern durfte. Matthias stehe „mehr im Leben als ich, mit Fast-Familie und Haus bauen. Deshalb war das sicher eine seiner letzten größeren Aktionen“, glaubt Hansjörg. „Mir hat es schon richtig getaugt (für alle Nichtösterreicher: gefallen), dass er mit oben war.“

Schlimme Nachricht verdrängt

Am Gipfel des Kunyang Chhish East

Die Auer-Brüder und Anthamatten widmeten ihren Erfolg den elf Opfern des Mordanschlags am 120 Kilometer Luftlinie entfernten Achttausender Nanga Parbat. Die Nachricht davon hatte sie im Basislager während der Akklimatisierungsphase erreicht. „Man kann sich so etwas einfach nicht vorstellen. Wenn du gerade selbst im Basislager bist und denkst, jetzt kommen da so Typen und erschießen dich, ist das natürlich schon zach (für alle Nichtösterreicher: krass)“, erinnert sich Hansjörg. „Aber wir sind dann doch gestartet und haben es so gut wie möglich verdrängt.“ Einen Bogen um Pakistan zu machen, kommt für Auer nicht in Frage. „Man kann deswegen doch nicht sagen, wir fahren nicht mehr nach Pakistan. Es ist hoffentlich eine einmalige Sache gewesen.“ Die Gründe für den Anschlag lägen nicht bei den Alpinisten, sondern viel tiefer. „Man muss schauen, wie man das lösen kann.“

Hansjörg Auer: Ursachen des Anschlags liegen viel tiefer

Hansjörg Auer will 2014 wieder in den Karakorum zurückkehren. Sein Ziel: wieder ein Siebentausender, eine noch nicht durchkletterte, technisch schwierige Wand. Mehr verrät er nicht. Vielleicht meint er ja die Masherbrum-Ostwand. David Lama hatte mir gegenüber angedeutet, dass sein Landsmann möglicherweise zum Team stoßen werde.

Anderes Kaliber

Die großen Wände an den Achttausendern sind für Auer kein Thema. Noch nicht. Diese Wände, sagt Hansjörg, seien „noch einmal ein anderes Kaliber. Da muss man sich viel Erfahrung an den Siebentausendern holen, dann kann man erst die wirklich zachen Partien auf die Achttausender machen.“ In sehr großer Höhe sei vor allem die psychische Herausforderung extrem. „Was zum Beispiel Ueli Steck jetzt an der Annapurna gemacht hat, die Südwand solo, ist extrem gut. Der größte Back-up, den du als Kletterer hast, ist normalerweise dein Partner. Und den gibt es bei einem Solo nicht. Du bist da oben so exponiert, ausgeliefert. Das musst du erst einmal mental verarbeiten und dann auch noch die Leistung bringen.“ Und da ist es auch wieder, Hansjörgs Lieblingswort: „Das ist ein brutaler Einsatz, du musst einfach alles geben.“

Hansjörg Auer: Mentale Herausforderung ist extrem

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David Lamas „Mission: Possible“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama/ Wed, 06 Nov 2013 13:27:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24076

David Lama

David Lama hat für seine 23 Jahre schon viel Kritik einstecken müssen. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, sagt der Bergsteiger aus Österreich. 2010 hatte sein Team für Filmarbeiten über den Versuch, die legendäre „Kompressor-Route“ am Cerro Torre in Patagonien erstmals frei zu klettern, Dutzende neuer Bohrhaken in die Wand gesetzt.  Damals war Lama noch gescheitert, zwei Jahre später glückte ihm das Projekt, gemeinsam mit seinem Osttiroler Seilpartner Peter Ortner. Für den Sommer 2014 haben sich die beiden ein weiteres Knüller-Projekt vorgenommen.

Nicht kletterbar?

Masherbrum (in der Bildmitte)

Lama und Ortner wollen als Erste die Ostwand des 7821 Meter hohen Masherbrum im Karakorum durchsteigen. „Viele haben sich eigentlich noch nicht an der Wand versucht, weil die meisten sie für unkletterbar halten“, erzählt mir David beim International Mountain Summit in Brixen. „Aber ich kann es mir mittlerweile vorstellen, durch diese Wand zu klettern. Das ist im Moment eine der spannendsten Ideen, die ich mir vorstellen kann.“ Möglicherweise, verrät Lama, werde noch sein Landsmann Hansjörg Auer zum Team stoßen. Reinhold Messner bezeichnete die beiden österreichischen Topbergsteiger vor wenigen Tagen im Gespräch mit mir als „junge Leute, die kreativ sind“. Sie würden ihre Spielfelder schon finden.

David Lama über das Projekt Masherbrum-Ostwand

Extrem lässig

David auf den letzten Metern zum Gipfel der Chogolisa (Foto: privat)

Derzeit sei das Karakorum „eine der spannendsten Spielwiesen“ für ihn, sagt David. „Riesige, schöne, vor allem schwierige Berge mit großen Wänden. Die reizen mich einfach.“ 2012 hat Lama zusammen mit Ortner die 7665 Meter hohe, formschöne Chogolisa bestiegen, seinen ersten Siebentausender. „Wir waren die ersten seit 26 Jahren, die oben gestanden haben. Von daher war es ein extrem lässiges Erlebnis, dort auf den Gipfelgrat hinaufzusteigen. Zum anderen war es natürlich eine Vorbereitung für höhere Berge, weil es mein Ziel ist, dort hohe, schwierige Wände zu klettern.“ Wie die Ostwand des Masherbrum.

David Lama: Besteigung der Chogolisa war extrem lässig

Früh übt sich

David Lama ist der Sohn einer Österreicherin und eines Sherpas aus dem Khumbu, dem Gebiet um den Mount Everest. Schon mit fünf Jahren bewies David bei einem Klettercamp von Peter Habeler sein außergewöhnliches Talent. Das war der Startschuss zu einer steilen Karriere als Sportkletterer. Schon als Zehnjähriger bewältigte Lama schwierigste Routen. Heute sehe er sich „eher als Alpinist“, sagt David und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Und auch ein bisschen als Bergsteiger.“

David Lama: Angst ist Abfallprodukt der Ungewissheit

Alles geregelt

Ein Hasardeur sei er nicht, meint der Innsbrucker. Allerdings kehre er am Berg nicht um, wenn es nicht unbedingt nötig sei. „Ich glaube, ich habe die Fähigkeit, das Risiko abzuwägen und zu bewerten. Aber es ist natürlich klar, dass ein Führerschein-Neuling schneller fährt als einer, der ihn schon seit vierzig Jahren hat.“ Denkt er auch über den Tod nach? Am Masherbrum, antwortet David, „ möchte man schon alles geregelt haben, bevor man in die Wand einsteigt.“

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Vor 100 Jahren: Paul Preuß stürzt in den Tod https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-100-jahren-paul-preuss-stuerzt-in-den-tod/ Thu, 03 Oct 2013 03:00:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23465

Paul Preuss

Sein Name klingt wie ein Schimpfwort aus den Bergen. Doch der „Preuß“ ist keiner. Paul Preuß kommt 1886 in Altaussee zur Welt – im Salzkammergut, wo seine Eltern aus Wien und später er selbst und die beiden Schwestern die Sommermonate verbringen. Mit elf beginnt Paul bergzusteigen und sammelt Gipfel wie andere Briefmarken. Als Jugendlicher verblüfft er durch eine sehr spezielle Übung: Preuß stellt zwei Gläser mit der Öffnung nach unten auf einen Schrank und macht an ihnen Klimmzüge. Von 1908 an werden Pauls Touren immer extremer. Preuß klettert schwierigsten Touren in den Westalpen, den Dolomiten und im Wilden Kaiser. „Sein Klettern war am ehesten dem Tanzen zu vergleichen, so schwerelos, so ohne Mühe, so durchaus lustbetont ist es erfolgt“, erinnert sich später sein Freund Alexander Hartwich. 

Pointenlose Witze

Guglia di Brenta

1911 klettert Preuß alleine und ohne Seilsicherung (neudeutsch: free solo) durch die Totenkirchl-Westwand im Kaisergebirge, eine Woche später im gleichen Stile auf teilweise neuer Route durch die Ostwand der Guglia di Brenta im Trentino. Allein in jenem Jahr besteigt er innerhalb von vier Monaten 93 Gipfel, viele davon über schwerste Routen. Zweifellos gehört Preuss zu den besten Kletterern seiner Zeit. Er studiert inzwischen in München Biologie und findet dort viele Gleichgesinnte, die mit ihm auf Kletter- oder Skitour gehen. Preuss ist eloquent, geistreich und humorvoll. „Es war eine der schrecklichsten Eigenschaften unseres lieben ‚Preußerl‘, dass er dieselben faulen, alten, unerhört pointenlosen Witze zehnmal am Tage zu reißen pflegte, und doch haben wir zehnmal darüber gelacht“, schreibt sein Kletterkamerad Walter Bing später. „Leuten, die er nicht leiden mochte, gab er stets recht. Je lieber er einen Menschen hatte, desto eifriger stritt er sich mit ihm.“

Plädoyer für Freiklettern

Auch öffentlich hält Preuss nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. In der „Deutschen Alpenzeitung“ bricht er mit einem flammenden Plädoyer für das Freiklettern den so genannten „Mauerhaken-Streit“ vom Zaum. „Wenn man an steilen Wänden mit absoluter Sicherheit nur turnen will, etwa an dreifachen Seilen oder einem aufgespannten Sprungtuch, dann soll man doch lieber zu Hause blieben und seine Geschicklichkeit im Turnverein erproben“, schreibt Preuß. „Wenn man eine Kletterstelle nicht auch ohne Sicherung gehen kann – vom alpinistischen und sportlichen Standpunkt aus -, darf man sie dann überhaupt nicht gehen.“

Schön klettern ist sicher klettern

Die Preuß-Hütte im Rosengarten in den Dolomiten erinnert an den Pionier

Ein Aufschrei geht durch die Kletterszene. Einen „neuerstandenen Puritaner der Felskletterei“ nennt Franz Nieberl den Österreicher: „Herr Preuß mag ein Ideal anstreben, das glaube ich ihm gern, es ist ein kaltes, starres, frostiges Ideal.“ Er treibe junge Menschen in den Tod, lautet der Hauptvorwurf gegen Preuß. Der wehrt sich: „Wir werden wissen, wie sie zu erziehen sind, damit sie Bergsteiger werden und nicht Handwerker der edlen Bergsteigerkunst, Bergsteiger und nicht Problem- und Rekordmarder.“ Seine Philosophie bringt Preuß so auf den Punkt: „Schön klettern, in technischer wie ideeller Beziehung, heißt gut klettern, gut klettern sicher klettern.“

Absturz am Mandlkogel

Vermutlich am 3. Oktober 1913, heute vor 100 Jahren, stürzt Paul Preuß an der Nordkante des Nördlichen Mandlkogels im Dachsteingebirge in den Tod. Wieder ist er alleine aufgebrochen. Erst elf Tage später wird seine Leiche gefunden. In der Mitteilung des Alpenvereins über Preuß‘ Tod klingt noch der Mauerhaken-Streit nach: „Ob nun der so sehr früh Dahingeschiedene nicht doch vielleicht gegen diese von ihm selbst aufgestellte Forderung gesündigt hat? Vielleicht ist ihm gerade seine übergroße Leistungsfähigkeit im Felsklettern dadurch zum Verhängnis geworden, dass sie ihn die Größe der Gefahren nicht mehr recht abschätzen und den eigenen Fähigkeiten zu viel zutrauen ließ.“

Die „Sechs Gebote“

Vorbild für Freikletterer

Paul Preuß wird nur 27 Jahre alt. Seine Routen und Ideen überleben ihn. Auch 100 Jahre nach seinem Tod haben sie nichts von ihrer Faszination verloren. Viele Freikletterer unserer Tage wie Alexander und Thomas Huber berufen sich auf den Topkletterer und Visionär aus Österreich. Die „Preußchen Grundsätze“ lesen sich (wenn man Mauerhaken durch Bohrhaken ersetzt) auch heute noch wie die „Sechs Gebote fairen Bergsteigens“:

  1. Bergtouren, die man unternimmt, soll man nicht gewachsen, sondern überlegen sein.
  2. Das Maß der Schwierigkeiten, die ein Kletterer im Abstieg mit Sicherheit zu überwinden im Stande ist und sich auch mit ruhigem Gewissen zutraut, muss die oberste Grenze dessen darstellen, was er im Aufstieg begeht.
  3. Die Berechtigung für den Gebrauch von künstlichen Hilfsmitteln entsteht daher nur im Falle einer unmittelbar drohenden Gefahr.
  4.  Der Mauerhaken ist eine Notreserve und nicht die Grundlage einer Arbeitsmethode.
  5. Das Seil darf ein erleichterndes, niemals aber das alleinseligmachende Mittel sein, das die Besteigung der Berge ermöglicht.
  6. Zu den höchsten Prinzipien gehört das Prinzip der Sicherheit. Doch nicht die krampfhafte, durch künstliche Hilfsmittel erreichte Korrektur eigener Unsicherheit, sondern jene primäre Sicherheit, die bei jedem Kletterer in der richtigen Einschätzung seines Könnens zu seinem Wollen beruhen soll.

P.S. Die Zitate sind aus Reinhold Messners Buch „Paul Preuß“ entnommen, das der Deutsche Alpenverein 1996 herausgegeben hat.

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Everest mit Fußballschuhen rückwärts? https://blogs.dw.com/abenteuersport/sigi-hupfauer-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/sigi-hupfauer-everest/#comments Fri, 07 Jun 2013 12:15:40 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22093

Sigi Hupfauer

Sigi Hupfauer wird definitiv nicht den Altersrekord auf dem Everest brechen. „Auf keinen Fall“, sagt der 72-Jährige und lacht. „Irgendwann muss Schluss sein. Dann muss man erkennen, dass man selbst zum Problemfall werden könnte.“ Sigi geht nicht mehr auf Expedition, aber noch regelmäßig auf Trekkingreisen oder Skitouren. Sechstausender schafft er immer noch locker. Über 60 davon hat Hupfauer in seiner langen Karriere gesammelt, dazu elf 7000er und acht 8000er, darunter im Herbst 1978 auch den Mount Everest. 

Sigi Hupfauer über die Everest-Expedition 1978

Nur Schnee, Eis und Kälte 

Sigi 1978 auf dem Everest

„Damals, vor 35 Jahren, waren wir die erste große Expedition dort im Nachmonsun“, erinnert sich Sigi. „Wir hatten furchtbar schlechtes Wetter, lange Wochen ohne eine Aussicht auf Erfolg. Der Berg war jungfräulich, kein Fixseil, nur Schnee, Eis und Kälte.“ Am 16. Oktober stand Hupfauer dann doch auf dem 8850 Meter hohen Gipfel und vergoss „keine Freudentränen. Ich empfand einfach nur Freude, dass wir es geschafft hatten.“ Der Everest heute ist nicht mehr Sigis Welt. 

Quantität vor Qualität 

„Er ist zum Berg der Eitelkeiten verkommen, zu einem Massenberg, von dem man jetzt sagen kann, es ist der höchste Klettersteig der Welt“, sagt Sigi. „Leider steht jetzt Quantität vor Qualität.“ Früher hätten die nationalen Bergsteiger-Verbände noch die Qualifikation der Everest-Anwärter nachweisen müssen. Heute dürfe jeder hin. Und viele davon gehörten schlichtweg nicht an diesen Berg. „Oftmals geht ein Sherpa voraus und zieht den Kunden. Dahinter folgt einer, der schiebt. Und dazu trägt noch einer den Rucksack mit der Sauerstoff-Ausrüstung.“ Hupfauer rät diesen Bergsteigern, sich doch lieber niedrigere Berge auszusuchen. „Die können für den Einzelnen auch ein Everest sein.“ 

Sigi Hupfauer: Zum Berg der Eitelkeiten verkommen

Prothese im Fuß 

Zweimal die Woche trainiert Sigi in der Kletterhalle. So oft wie möglich geht er auch in die Berge. Seine Knie seien durch die jahrzehntelange Belastung geschädigt, erzählt Hupfauer. „Und im linken Fuß habe ich eine Totalprothese. Aber Skitouren gehen damit noch bestens.“ Wie seine Frau Gaby, ebenfalls eine früher erfolgreiche Höhenbergsteigerin,  arbeitet Sigi weiterhin als Bergführer für den DAV Summit Club. Und er bildet junge Bergsteiger aus. Denen rät Hupfauer wahrscheinlich vom Everest ab. „Vielleicht steigt eines Tages noch einer mit Fußballschuhen rückwärts hinauf. Weiß Gott, was da alles noch bevorsteht.“ 

P.S. Sigis Äußerungen zum Everest könnt ihr auch als neueste (und letzte) Beiträge auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Seite des Blogs nachlesen.

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/sigi-hupfauer-everest/feed/ 4
Vor 35 Jahren: Reinhard Karl auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-35-jahren-reinhard-karl-auf-dem-everest/ Sat, 11 May 2013 12:44:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21615

Reinhard Karl (1946-1982)

„Die letzten Schritte bewältigen Oswald und ich Arm in Arm. Wir sind oben. Wir fallen uns um den Hals. Es ist zwölf Uhr mittags. Wir sind am Ziel unserer Wünsche, kurz unter dem Himmel.“ Das schreibt Reinhard Karl später in seinem Buch „Erlebnis Berg. Zeit zum Atmen“ über jenen Augenblick am 11. Mai 1978, als er zusammen mit dem Österreicher Oswald Oelz den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest erreicht. Die beiden gehören zu einer von Wolfgang Nairz geleiteten österreichischen Expedition, drei Tage vorher ist Reinhold Messner und Peter Habeler ihr historischer erster Aufstieg ohne Flaschensauerstoff gelungen. Karl und Oelz benutzen Atemmasken. Reinhard ist der erste Deutsche, der auf dem Dach der Welt steht.

Oelz und Karl über die Momente auf dem Everest-Gipfel

Ein 68er als Bergsteiger

Das Bergsteigen ist Reinhard Karl nicht in die Wiege gelegt. 1946 wird er in Heidelberg geboren, in der Pfalz, fernab der Berge. Mit 14 Jahren beginnt Reinhard eine Lehre als Automechaniker, der „dreckigste und mieseste aller Traumjobs“, wie er später schreibt. Mit 17 macht er seine erste Klettertour. Das Bergsteigen am Wochenende wird zur Flucht vor dem ungeliebten Job. Als ihm der Inhaber der Autowerkstatt kündigt, beginnt Reinhard in Frankfurt zu studieren und gerät mitten in die 1968er-Studentenbewegung. Als Bergsteiger werden seine Touren extremer. Reinhard durchsteigt die Eiger-Nordwand, klettert an den Granitwänden des Yosemite-Nationalparks. 1977 eröffnet er mit Helmut Kiene am Fleischbank-Südostpfeiler im Wilden Kaiser die „Pumprisse“, eine bahnbrechende Kletterroute, die erste im siebten Schwierigkeitsgrad.

Traum erfüllt

Everest-Südseite

Reinhard hat sich inzwischen auch einen Namen als Bergfotograf gemacht. Für eine große deutsche Zeitschrift soll er im Frühjahr 1978 Fotos von der Everest-Expedition machen. Deshalb wird der damals 31-Jährige eingeladen. Karls bis dahin höchster Gipfel ist der 4810 Meter hohe Mont Blanc gewesen. Jetzt bietet sich ihm erstmals die Möglichkeit, sich an einem Achttausender zu versuchen, und dann gleich am höchsten aller Berge. „Für mich war die Chance am Anfang eins zu 1000, da hochzukommen“, schreibt Reinhard. „Ich war ja kein Expeditionsmitglied, ich war ja ein durch Zufall hergelaufener Preuße, der Fotos machen sollte.“ Doch Karl hat einen „Standard-Tagtraum“, wie er es nennt: „Den Everest ganz oben zu betreten. Dutzende Male habe ich so schon den Gipfel bestiegen. Allein, mit anderen, erschöpft, glücklich, im Sturm und bei Sonnenschein. Die Fotos, die ich von anderen Gipfelbesteigungen sah, haben sich zu meinem Besteigungs-Traumfilm vermehrt.“

Oswald Oelz über Reinhard Karl 1978 am Everest

Bei leichtem Schneetreiben brechen Reinhard und Oswald vom Südsattel aus auf. Das Thermometer zeigt 35 Grad minus, der Wind bläst mit 50 Stundenkilometern. Nach sechs Stunden erreichen die beiden den Gipfel. Zurück in Deutschland erhält Karl das „Silberne Lorbeerblatt“, die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik für Sportler. Beim anschließenden Bankett sagt Reinhard zum damaligen Innenminister Gerhart Baum: „Wissen Sie, wenn ich nicht Bergsteiger geworden wäre, wäre ich vielleicht Terrorist geworden.“

Tod in der Eislawine

Cho Oyu

1979 besteigt Karl mit dem Gasherbrum II seinen zweiten Achttausender. Dann reißt seine Erfolgsserie. Reinhard scheitert am Cerro Torre in Patagonien, muss am Nanga Parbat aufgeben und auch der K 2 hält ihn auf Distanz. Beim Versuch, den Cho Oyu über die Südwand zu besteigen, stirbt Karl am 19. Mai 1982 im Zelt auf 6700 Metern Höhe in einer Eislawine. Ein Eisbrocken hat den 35-Jährigen im Gesicht getroffen.

Reinhard Karls letztes Interview am Cho Oyu 1982

Wirklich oben bist du niemals

Bis heute genießen Reinhard Karls Schriften und Bilder Kultstatus – auch seine Worte über die Momente auf dem Dach der Welt: „Wir machen Gipfelfotos für das Familienalbum: Ich, der Gipfelsieger. Ich, der Übermensch. Ich, das atemlose Wesen. Ich der Reinhard auf einem Schneehaufen. Langsam kommen mir die Kälte, der Wind und meine Erschöpfung zu Bewusstsein. Langsam kommt nach der Freude die Traurigkeit, ein Gefühl der Leere: Eine Utopie ist Wirklichkeit geworden. Ich ahne, dass auch der Everest nur ein Vorgipfel ist, den wirklichen Gipfel werde ich nie erreichen.“

P.S. Ich empfehle euch die Reinhard-Karl-Biographie von Tom Dauer: „Ein Leben ohne Wenn und Aber“. Die dort beiliegende CD (mit einem Radio-Feature und O-Tönen von Karl) habe ich vor elf Jahren verzapft.

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Venables‘ unerfüllbarer Everest-Wunsch https://blogs.dw.com/abenteuersport/stephen-venables-everest/ Sat, 27 Apr 2013 19:36:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21279

Venables auf Süd-Georgien in der Antarktis

Stephen Venables kann in diesem Mai gleich zweimal Everest-Jubiläum feiern. Den 60. Geburtstag der Erstbesteigung und seinen ganz persönlichen Jahrestag. Am 12. Mai vor 25 Jahren bestieg Venables als erster Brite ohne Flaschensauerstoff den höchsten Berg der Erde. Ein Meilenstein. „Ich hatte 1988 das Glück, an einem neuen Kapitel der Berggeschichte mitzuschreiben, als ich mit Robert Anderson, Paul Teare und Ed Webster eine neue Route durch die Kangshung-Wand kletterte“, schreibt mir Stephen, nachdem ich ihn um seine Gedanken zum 60. Jahrestag der Everest-Erstbesteigung gebeten habe. „Dank dieser ausgezeichneten Kletterer aus den USA und Kanada und einem großartigen Unterstützer-Team im Basislager genoss ich am Everest einige der schönsten Tage meines Lebens.“ Doch Stephens Leben hing damals am seidenen Faden. 

Meist verwaist 

Nicht umsonst ist die tibetische Ostwand des Mount Everest meist verwaist. Über 3000 Meter ragt sie steil auf, stark vergletschert, mit tiefen Spalten durchzogen, häufig donnern Lawinen  in die Tiefe. Als der legendäre britische Bergsteiger George Mallory 1921 auf der Suche nach einer Route zum Gipfel auch die Kangshung-Flanke inspizierte, erklärte er die Wand für unmöglich zu erklettern. 1983 straften ihn die US-Bergsteiger Carlos Buhler, Kim Momb und Louis Reichardt Lügen, als sie die Kangshung-Wand erstmals meisterten. Sie benutzten dabei Flaschensauerstoff. 

Am Limit und darüber hinaus 

Paul Teare (unten) in der Kangshung-Wand

Fünf Jahre später erschlossen Stephen Venables, der Kanadier Paul Teare und die beiden US-Amerikaner Robert Anderson und Ed Webster ohne Atemmaske eine neue, äußerst anspruchsvolle Route durch die Wand. Sie endete auf der Normalroute am Südsattel. Teare verzichtete anschließend auf einen Gipfelversuch, weil er Symptome eines Hirnödems zeigte. Webster kehrte kurz vor dem, Anderson am 8690 Meter hohen Südgipfel um. Lediglich Venables erreichte den höchsten Punkt auf 8850 Metern. Beim Abstieg verließen auch ihn die Kräfte, er halluzinierte. „Ich war an meinem absoluten physiologischen Limit“, sagte Stephen später in einem Interview. „Der ganze Tag war ein einziges Überschreiten von Grenzen.“ Er überlebte unterhalb des Südgipfels eine Biwaknacht im Freien. Doch die Odyssee war damit noch nicht vorüber. Dreieinhalb Tage dauerte der Abstieg des Trios durch die Kangshung-Wand, bei hüfttiefem Schnee, Whiteout, ohne Lebensmittel. „Es war das Abenteuer unseres Lebens“, bilanzierte Ed Webster

Beide Beine gebrochen 

Stephen bezahlte es mit drei erfrorenen Zehen, die ihm später amputiert werden mussten. 34 Jahre alt war er damals, die Expedition zur Kangchung-Wand war bereits seine zehnte im Himalaya. 1991 eröffnete Venables mit zwei Landsleuten im Everest-Gebiet eine neue Route auf den Sechstausender Kusum Kanguru. Ein Jahr später gehörte er zu den Erstbesteigern des 6437 Meter hohen Panch Chuli V im indischen Teil des Himalaya. Beim Abstieg stürzte Stephen 80 Meter tief ab und brach sich beide Beine. Es hätte noch schlimmer enden können – für Venables das Signal, mit den extremen Himalaya-Expeditionen aufzuhören. Noch immer geht der 58-Jährige zum Bergsteigen. In den vergangenen Jahren war Stephen häufig in der Antarktis unterwegs, vor allem auf der Insel Süd-Georgien.

Abenteuerliche Ungewissheit 

Stephen Venables

Auch wenn es unfair ist, ein Leben auf eine zweimonatige Expedition zum höchsten Berg der Erde zu reduzieren – Venables Überlebensgeschichte am Mount Everest wird unvergessen bleiben. „Es wäre wunderbar, wenn der Everest wieder ein Ort würde, an dem Kletterer die Grenzen menschlicher Anstrengung hinausschieben“, antwortet Stephen auf die Frage nach seinen Wünschen für den Everest,„in einer Atmosphäre stiller Einkehr: nur drei oder vier Expeditionen pro Jahr, bei denen die Bergsteiger ohne zusätzlichen Sauerstoff klettern und die abenteuerliche Ungewissheit genießen.“ Ihm sei jedoch klar, dass dieser Wunsch unrealistisch sei, „weil er sich nicht mit den kommerziellen Geboten verträgt.“ 

P.S. Stephens vollständige Äußerungen findet ihr auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Seite des Blogs.

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