More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Lebenstraining: Outdoor against Cancer

Petra Thaller

Nach der Expedition auf Papua-Neuguinea folgte eine weitere: die gefährlichste Expedition im Leben Petra Thallers. Im Dezember 2014 hatte die deutsche Journalistin die Carstensz-Pyramide bestiegen, den mit 4884 Metern höchsten Berg Ozeaniens und damit einen der „Seven Summits“, der höchsten Gipfel aller Kontinente. Kurz nach ihrer Rückkehr stellte Petra fest, dass sich ihre Brust veränderte. Die Diagnose der Ärzte: Krebs. Sechs Tumore in der rechten Brust. Später bildete sich sogar noch ein siebter. Thaller nahm den Kampf gegen die Krankheit an, das volle Programm: Operationen, Chemotherapie,  Antikörpertherapie. Und sie trieb weiter Sport. „Ich war damals richtig fit“, erzählt mir die 55 Jahre alte Münchnerin. „Ich bin super trainiert in die Chemotherapie hereingegangen und habe auch während aller zwölf Zyklen immer Sport gemacht. Ich bin laufen gegangen. Und mir ging es gut.“ Diese Erfahrung wollte Petra an andere Krebspatienten weitergeben. Sie gründete die Initiative „Outdoor against Cancer“ (OaC).

Gut für die Psyche

Schneeschuhwandern mit „Outdoor against Cancer“

„Es gab damals einfach keine Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten“, sagt Thaller. Sie ging mit ihrer Tochter und ihrem Sohn laufen. „Ich habe ihnen gesagt: ‚Wenn ich mich mal schlecht fühle, dürft ihr mir in den Hintern treten und mich rausschicken.‘ Und das haben sie auch gemacht.“ Dank OaC hat sich die Situation für Krebspatienten, die trotz ihrer Krankheit weiter in der Natur Sport treiben wollen, inzwischen geändert. Regelmäßig treffen sich nun Gruppen, ob zum Joggen, Zirkeltraining, Schneeschuhwandern, Mountainbiken oder Segeln. Und das Projekt expandiert: von München aus nach ganz Deutschland. Auch in anderen europäischen Staaten soll es bald OaC-Programme geben. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, beschreibt Petra ihre Erfahrungen während der Chemotherapie. „Ich hatte einfach keine Depressionen. Ich habe in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, warum ausgerechnet ich Krebs bekam, obwohl ich mich doch immer gesund ernährt und viel Sport getrieben hatte. Und ich habe auch nicht darüber nachgedacht, dass ich daran sterben könnte. Das war einfach nie mein Ding.“

Petra Thaller: Ich hatte keine Depressionen

Hier und jetzt

Petra 2014 an der Carstensz-Pyramide

Thaller strahlt eine ungeheure Lebensfreude aus, die ansteckend wirkt.  „Ich habe keine Lust, das Leben nicht zu genießen“, sagt Petra. Sie erzählt von einem 44-Jährigen, der an einem Gehirntumor leide. Er sei nach der Krebsdiagnose zunächst fünf Monate lang nicht aus dem Haus gegangen. Heute gehöre er zu den regelmäßigen Teilnehmern ihrer Trainingsgruppe: „Er hat mal gesagt: ‚Petra macht mich wieder fit.‘ Das war eigentlich das größte Geschenk.“ Ich will von ihr wissen, ob der Sport für sie mehr Training für den Körper oder für die Seele ist. „Lebenstraining“, antwortet Thaller. Überlebenstraining? Sie schüttelt den Kopf. „Lebenstraining. Es hat nichts mit Überleben zu tun. Genieße das Leben und zwar im Hier und Jetzt!“ Das ist die Botschaft, die sie anderen Krebspatienten mit auf den Weg geben will: „Geht raus! Macht irgendwas, fahrt weg! Das Leben findet jetzt statt und nicht in vielleicht fünf Jahren, wenn jemand sagt, jetzt bist du aus dem Gröbsten raus.“

Petra Thaller: Sucht das Abenteuer!

Nächstes Ziel: Aconcagua

Ihre eigene vorerst letzte Chemotherapie liegt schon lange hinter Petra Thaller, die letzte Antikörper-Therapie ein halbes Jahr. Ist sie damit über den Berg? „Wann ist man jemals in seinem Leben über den Berg?“, sagt Petra und lacht. „Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es schiefgehen könnte. Insofern bin ich vielleicht ein sehr gutes Beispiel dafür, dass auch alles gutgehen kann.“ Der Expedition auf die Carstensz-Pyramide soll bald eine neue folgen: „Ich habe schon ein Ziel für nächstes Jahr“, verrät Petra. „Ich gehe auf den Aconcagua.“ Der mit 6962 Metern höchste Gipfel Südamerikas gehört ebenfalls zu den „Seven Summits“. Der höchste aller Berge sei für sie kein Thema, sagt Thaller: „Der Everest hat mich nie interessiert.“ Ihren persönlichen Mount Everest hat sie ohnehin schon bestiegen.

Datum

23. Februar 2017 | 15:18

Teilen