Achttausender – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Fingerlos auf die Annapurna? https://blogs.dw.com/abenteuersport/fingerlos-auf-die-annapurna/ Wed, 25 Apr 2018 14:49:28 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40331

Kim und Co., im Hintergrund die Annapurna

„Der Mann ohne Finger“ will sich seinen zwölften Achttausender holen. Kim Hong-bin ist der einzige ausländische Bergsteiger, dem die Regierung Nepals in diesem Frühjahr ein Permit für den Achttausender Annapurna erteilt hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass der 53-jährige Koreaner alleine unterwegs sein wird. Auf dem Bild von der Nordseite des 8091 Meter hohen Bergs, das die südkoreanische Zeitung No Cut News veröffentlichte, zähle ich neben Hong-bin 20 weitere Personen. „Er hat wohl ein großes Basislager-Unterstützungsteam dabei“, schreibt mir Billi Bierling von der Bergsteiger-Chronik Himalayan Database. Am Berg werde der Koreaner von vier Sherpas begleitet.

Unfall am Denali    

Kim Hong-Bin

Kim Hong-bin hatte sich 1991 am 6190 Meter hohen Denali in Alaska, dem höchsten Berg Nordamerikas, so schwere Erfrierungen zugezogen, dass alle zehn Finger hatten amputiert werden müssen. 2017 bestieg er im Frühjahr den Lhotse und im Sommer den Nanga Parbat. Es waren seine Achttausender Nummer zehn und elf. Neben der Annapurna fehlen Kim in seiner Sammlung nur noch der Gasherbrum I und der Broad Peak, beide in Pakistan gelegen. Bei optimalem Verlauf könnte er alle drei Berge noch in diesem Jahr besteigen.

Paralympics-Starter

Der 1,76 Meter große Südkoreaner, der in der Stadt Gwanju im Süden des Landes lebt, hat sich von seiner Behinderung nie bremsen lassen. Kim fährt auch Skirennen. So startete er 2002 für Südkorea bei den Paralympischen Spielen in Salt Lake City und belegte in Slalom und Super G jeweils den neunten Platz. Noch im Winter 2017 gewann er – mit 52 Jahren – bei den koreanischen alpinen Ski-Meisterschaften der Behindertensportler Gold im Slalom.

Auf den Seven Summits

2012 auf dem Gipfel des K 2

Den Mount Everest bestieg Kim Hong-bin im Frühjahr 2007. Knapp zwei Jahre später, Anfang 2009, komplettierte er mit dem Mount Vinson in der Antarktis seine Sammlung der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente. „Wenn der Unfall am Denali nicht passiert wäre, wäre ich ein ganz normaler Bergsteiger geblieben“, sagte Hong-bin einmal. „Die Not ließ mich das scheinbar Unmögliche versuchen. Ich habe die Behinderung, die mir ein Berg beibrachte, dadurch überwunden, dass ich Berge bestieg.“

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Soria bricht Dhaulagiri-Expedition ab, Gipfelerfolge am Manaslu https://blogs.dw.com/abenteuersport/soria-bricht-dhaugaliri-expedition-ab-gipfelerfolge-am-manaslu/ Tue, 26 Sep 2017 16:53:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37955

Carlos Soria am Dhaulagiri

Der wohl fitteste aller Höhenbergsteiger-Senioren muss weiter auf seinen 13. Achttausender warten. Carlos Soria erklärte seine Expedition am 8167 Meter hohen Dhaulagiri wegen der großen Schneemengen am Berg für beendet. Während des Aufstiegs des 78-Jährigen Spaniers und seiner Begleiter nach Lager eins seien nicht weit entfernt mehrere Lawinen abgegangen, ließ Carlos auf Facebook wissen. Die Lawinengefahr werde auch in den oberen Bereichen des Bergs fortbestehen. Zudem seien die Fixseile, die sie vorher angelegt hätten, von den Schneemassen begraben. „Wegen all dieser Widrigkeiten bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Dhaulagiri-Expedition für diese Saison endgültig abzubrechen“, heißt es in Sorias Nachricht. Ein erster Gipfelversuch war vor anderthalb Wochen auf einer Höhe von rund 7800 Metern gescheitert, weil sich Carlos und Co. verstiegen hatten und der Nebel immer stärker geworden war.

Zwei fehlen weiterhin in der Sammlung

Dhaulagiri

Der Spanier hält die Altersrekorde am K 2 (65 Jahre), Broad Peak (68), Makalu (69, damals stieg er solo und ohne Flaschensauerstoff auf), Gasherbrum I (70), Manaslu (71), Lhotse (72), Kangchendzönga (75) und der Annapurna (77). Am Dhaulagiri ist er nun schon siebenmal gescheitert, zuletzt im vergangenen Frühjahr. Außerdem fehlt ihm noch die 8027 Meter hohe Shishapangma, um seine Achttausender-Sammlung zu komplettieren. Sollte ihm das Kunststück gelingen, wäre Carlos Soria der mit Abstand älteste Mensch sein, der auf allen 14 Achttausendern stand. Bisher hält diesen „Rekord“ der Pole Piotr Pustelnik, der 2010 als 58-Jähriger seinen letzten Achttausender bestieg.

Gipfelwelle am Manaslu rollt

Manaslu (l.) und Pinnacle East (r.)

Immerhin hatte Carlos den Dhaulagiri in diesem Herbst fast für sich. Das kann am nicht weit entfernten Manaslu derzeit niemand behaupten. Rund 500 (!) Bergsteiger haben im dortigen Basislager ihre Zelte aufgeschlagen. Am Montag vergangener Woche waren von dem 8163 Meter hohen „Berg der Seele“ die ersten Gipfelerfolge vermeldet worden. Gestern und heute berichteten mehrere Teams über die sozialen Netzwerke, dass auch sie den höchsten Punkt erreicht hätten. Und die große Welle ist erst jetzt richtig losgerollt. Unter denen, die zu ihrem Gipfelversuch aufgebrochen sind, ist auch das deutsche Höhenbergsteiger-Ehepaar Alix von Melle und Luis Stitzinger. Beide haben bisher sechs Achttausender bestiegen, fünf davon gemeinsam. Gestern war ein 46 Jahre alter Brite am Manaslu ums Leben gekommen. Nachdem er seinen Aufstieg wegen Anzeichen schwerer Höhenkrankheit abgebrochen hatte, verstarb er beim Abstieg auf gut 6000 Metern.

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Die magische 14 https://blogs.dw.com/abenteuersport/die-magische-14/ Fri, 21 Apr 2017 12:50:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35887

Drei 8000er auf einen Blick: Everest, Lhotse, Makalu (v.l.n.r.)

Es ist nur eine Zahl, aber eine, die in der Welt der Höhenbergsteiger eine wichtige Rolle spielt.  Wer alle 14 Achttausender bestiegen hat, zählt etwas in der Szene – umso mehr, wenn er oder sie es ohne Flaschensauerstoff geschafft hat. Der Kreis ist noch ziemlich exklusiv: Laut 8000ers.com, der Internetseite des deutschen Himalaya-Chronisten Eberhard Jurgalski, haben bisher 34 Bergsteiger die Sammlung vervollständigt, 15 von ihnen komplett ohne Atemmaske. In diesem Frühjahr könnte sich die Liste verlängern.

Nicht mit der Brechstange

Nives Meroi und Romano Benet

Nives Meroi und Romano Benet aus Italien versuchen, die Annapurna zu besteigen. Im Erfolgsfall wären die beiden 55-Jährigen das erste Ehepaar, das gemeinsam die Gipfel der 14 höchsten Berge der Welt erreicht hätte – ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung. Es ist ihr dritter Versuch an der Annapurna nach 2006 und 2009. „Beide Male brachen wir die Aufstiege ab, weil die Bedingungen zu gefährlich waren. Romano und ich sind Experten in der ‚Kunst der Flucht ohne Scham‘“, sagte mir Nives im vergangenen Jahr. „Und wir werden es erneut auf diese Weise angehen.“ Also nicht mit der Brechstange.

Latorres Mission

Ferran Latorre

Nur noch der Mount Everest fehlt dem Spanier Ferran Latorre in seiner Achttausender-Sammlung. Die anderen 13 hat er ohne Atemmaske bestiegen. Latorre wählt den Aufstieg über die nepalesische Südseite. „Der Everest ist meine Mission, der Everest ist mein Traum“, schrieb der 46 Jahre alte Katalane auf Facebook und zitierte aus dem Song „Mission“ seiner Lieblingsband „Rush“: „Jeder von uns zahlt einen sagenhaften Preis für unsere Visionen vom Paradies. Aber ein Geist mit einer Vision ist ein Traum mit einer Mission.“

Scharte auswetzen

Ralf Dujmovits am Cholatse

Einen Traum hat auch Ralf Dujmovits noch nicht aufgegeben. Der 55-Jährige hat zwar bereits als erster und bisher einziger Deutscher alle 14 Achttausender bestiegen, jedoch nur 13 von ihnen ohne Flaschensauerstoff. Am Everest griff Ralf 1992 oberhalb des Südsattels zur Atemmaske. Das empfindet er als Scharte, die es auszuwetzen gilt. Nach seiner erfolgreichen Akklimatisation am Sechstausender Cholatse im Khumbu-Gebiet fliegt Dujmovits am Samstag nach Lhasa, um von dort aus ins Basislager auf der tibetischen Nordseite weiterzureisen. Es ist sein nach eigenen Worten „definitiv letzter Versuch“, die Achttausender-Sammlung ohne Flaschensauerstoff zu komplettieren.

Starker Oldie

Carlos Soria (r.) am Dhaulagiri (mit Sito Carcavilla l.)

Ebenfalls nur noch einen Gipfel vom 14-Achttausender-Glück ohne zusätzlichen Sauerstoff ist Peter Hamor entfernt. Der 52 Jahre alte Slowake will in diesem Frühjahr den Dhaulagiri besteigen. Dort versucht sich auch der Spanier Carlos Soria, der sehr bald als ältester Bergsteiger im 14er-Club auftauchen könnte. Der Dhaulagiri wäre für den 78-Jährigen sein 13. Achttausender. Gelänge ihm das, würde ihm nur noch die Shishapangma fehlen. Carlos bestieg seinen ersten Achttausender, den Nanga Parbat, mit 51 Jahren. Der leistungsstarke Senior hält bereits die Altersrekorde am K 2 (65 Jahre), Broad Peak (68), Makalu (69), Gasherbrum I (70), Manaslu (71), Lhotse (72), Kangchendzönga (75) und an der Annapurna (77).  Soria ist inzwischen im Basislager zu Füßen des Dhaulagiri eingetroffen. Man erwarte einige Tage schlechtes Wetter „wie üblich in diesen Bergen“, twittert sein Team: „Jetzt heißt es warten und warten auf den richtigen Moment.“

Update 25. April: Es ist derzeit wirklich so viel im Himalaya los, dass mir doch glatt ein weiterer Bergsteiger, der in diesem Frühjahr die 14 Achttausender voll machen kann, durchgeflutscht ist. Der Iraner Azim Gheychisaz will den Lhotse besteigen, ohne Atemmaske. Die anderen 13 hat er bereits ohne Flaschensauerstoff bestiegen, zuletzt 2016 den Everest. Es war sein zweiter Gipfelerfolg auf dem höchsten Berg der Erde, nachdem er ihn beim ersten Mal 2005 noch mit Atemmaske bestiegen hatte.

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Billi Bierling: „Anstrengender als erwartet“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-anstrengender-als-erwartet/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-anstrengender-als-erwartet/#comments Mon, 03 Oct 2016 13:04:15 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33767 Billi Bierling (l.) und Susanne

Billi Bierling (l.) und Susanne Müller Zantop (r.)

Wer schon einmal von einem Gipfelversuch an einem sehr hohen Berg – ob erfolgreich oder nicht – zurückgekehrt ist, weiß, wie sich Billi Bierling jetzt fühlt. Die Körner sind aufgebraucht, das Adrenalin auch – und die Strapazen der zurückliegenden Tage fordern ihren Tribut. Es dauert eine Weile, bis die Lebensgeister zurückkehren. Ein Gipfelerfolg hilft dabei natürlich. Nicht nur Billi durfte sich – wie berichtet – am vergangenen Wochenende am Cho Oyu darüber freuen, ganz nach oben gelangt zu sein.  Auch ihre Teamgefährtin Susanne Müller Zantop erreichte den 8188 Meter hohen Gipfel, im Gegensatz zu Billi jedoch mit Flaschensauerstoff. Die 60-Jährige war damit die bisher älteste deutsche Frau auf dem Cho Oyu, dem sechsthöchsten Berg der Erde. Für Billi Bierling war es bereits der fünfte Achttausender-Erfolg. Trotz aller Müdigkeit hat die 49-Jährige meine Fragen beantwortet.

Billi, du warst am Cho Oyu ohne Flaschensauerstoff unterwegs. Wie ist es dir beim Aufstieg ergangen?

Ich hatte keine Probleme ohne den zusätzlichen Sauerstoff und fühlte mich gut, aber natürlich ist man um einiges langsamer und friert beim Aufstieg leichter. Jetzt, zwei Tage später, spüre ich die Nachwirkungen schon. Ich habe wenig Energie, die Lippen brennen und mein Geschmackssinn ist weg. Aber ich hoffe, das legt sich wieder bis ich zurück in Kathmandu bin, da gibt es nämlich sehr leckere bayerische Brezn.

Gipfelregion des Cho Oyu

Gipfelregion des Cho Oyu

Konntest du das Gipfelerlebnis richtig genießen? Was ging dir dort oben auf 8188 Metern durch den Kopf?

Der Cho Oyu war um einiges anstrengender und steiler, als ich es erwartet hatte. Auf dem Gipfelplateau war ich schon sehr müde. Ich wusste, dass es sicher noch eine Stunde dauern würde, bis ich ganz oben bin. Und da wollte ich eigentlich nur noch ankommen. Da es zu dem Zeitpunkt angefangen hat zu schneien und Tundu (der Sherpa, der Billi begleitete) und ich wussten, dass viel Schnee kommen würde, haben wir schnell ein paar Fotos und uns dann an die Rückkehr gemacht. Der Abstieg war sehr hart für mich. Da ich ja bereits vier Nächte auf über 7100 Meter verbracht hatte, war mein Körper schon sehr geschwächt, und ich hatte keine Reserven mehr. Ich war sechs Stunden unterwegs zurück ins Lager 2, und insgesamt waren es 17 Stunden, also nicht ganz so lange wie beim Zugspitz Ultra Trail (Billi hatte im Sommer an diesem Berglauf über gut 100 Kilometer teilgenommen und ihn in gut 23,5 Stunden beendet). Für mich war der Gipfel persönlich sehr wichtig, da der Cho Oyu 2005 mein erster Achttausender war – und der einzige, auf dessen Gipfel ich mangels meiner eigenen Fähigkeiten nicht gekommen bin. Auch damals war ich ohne Flaschensauerstoff unterwegs. 

Nepalesische Südseite des Cho Oyu

Nepalesische Südseite des Cho Oyu

Es war an diesem Wochenende auf dem Cho Oyu richtig viel Verkehr. Wie hast du das erlebt?

Ich glaube, der 1. Oktober war für den Aufstieg ohne zusätzlichen Sauerstoff der beste Tag, da nur ca. 15 Leute auf dem Weg zum Gipfel waren. Das hatte den Vorteil, dass ich nicht ständig Leute an mir vorbei lassen musste und all diejenigen die ich vorbei gelassen habe, kenne ich von meiner Arbeit mit Miss Hawley. Eigentlich wäre jetzt eine gute Gelegenheit, einige Expeditionen zu interviewen, die noch hier sind, aber dazu fehlt mir gerade die Energie.

P.S.: Zu Billis Beruhigung: Nach meiner Besteigung des 7129 Meter hohen Kokodak Dome in China im Juli 2014 konnte ich auch eine Zeitlang nicht mehr süß schmecken. Nach einer Weile legte sich das. Heute schmeckt mir die Schokolade so gut wie eh und je. 😉

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-anstrengender-als-erwartet/feed/ 1
Norbert Joos ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/norbert-joos-ist-tot/ Mon, 11 Jul 2016 11:36:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33175 Norbert Joos /1960-2016)

Norbert Joos (1960-2016)

Wieder ist einer der ganz Großen des Höhenbergsteigens aus dem Leben gerissen worden: Der 55 Jahre Schweizer Norbert Joos stürzte am 4049 Meter hohen Piz Bernina in Graubünden in den Tod. Nach Schweizer Medienberichten hatte Joos eine Gruppe auf den 4049 Meter hohen Gipfel geführt. Beim Abstieg stürzte die Dreierseilschaft, zu der Joos gehörte, 160 Meter tief ab. Joos konnte nur noch tot geborgen werden, die beiden anderen, eine Bergsteigerin und ein Bergsteiger aus Italien, überlebten schwer verletzt.

Hirnschlag am Kangchendzönga

Joos hatte 13 der 14 Achttausender bestiegen, allesamt ohne Flaschen-Sauerstoff. Lediglich der Mount Everest fehlte ihm noch. Nach seinem fünften gescheiterten Versuch am Everest sagte der Schweizer 2008 den Achttausendern endgültig Adieu. Zwei Jahre zuvor hatte er beim Abstieg vom Kangchendzönga einen Hirnschlag erlitten. Trotzdem versuchte er sich ein weiteres Mal am Everest. „Ich musste einfach noch mal hinfahren und spüren, was möglich war. Sonst hätte ich den Everest ständig im Kopf gehabt. So aber ist es okay für mich“, sagte Joos später in einem Interview. Das kommerzielle Bergsteigen am höchsten Berg der Erde sah er kritisch: „Als echter Bergsteiger sollte man den Everest meiden.“

„Das können nur junge Spinner“

Als das „Wichtigste, was ich als Bergsteiger erreicht habe“, bezeichnete Joos die Erstbegehung des Annapurna-Ostgrates mit der ersten Überschreitung des Achttausenders von Süden nach Norden im Herbst 1984, gemeinsam mit seinem Schweizer Landsmann Erhard Loretan (der 2011 tödlich abstürzte). „Klar waren wir damals sehr gute Bergsteiger, aber wir hatten auch Glück“, erinnerte sich Joos später. „Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich das nicht mehr machen. Das können nur junge Spinner.“

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Nives Meroi: „Die Arroganz des kommerziellen Bergsteigens“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/nives-meroi-die-arroganz-des-kommerziellen-bergsteigens/ Mon, 04 Jul 2016 20:55:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33095 Auf dem Weg zum Makalu

Auf dem Weg zum Makalu

Ein Achttausender fehlt noch. Dann wären Nives Meroi und Romano Benet das erste Ehepaar, das alle 14 höchsten Berge der Welt gemeinsam bestiegen hat – und das ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung. Am 12. Mai standen die beiden 54-Jährigen aus Italien auf dem Gipfel ihres Achttausenders Nr. 13, dem 8485 Meter hohen Makalu in Nepal.
Nives war 19 Jahre alt, als sie Romano kennenlernte. Erst wurde er ihr Seilpartner, dann auch ihr Lebenspartner. Seit 27 Jahren sind die beiden verheiratet. 1998 bestiegen sie mit dem Nanga Parbat ihren ersten Achttausender. 2003 gelang ihnen im Karakorum die Trilogie aus Gasherbrum I, II und Broad Peak innerhalb von nur 20 Tagen. 2007 war Meroi die erste Italienerin, die den Mount Everest ohne Atemmaske bestieg.

Lebensbedrohliche Krankheit

Doch es gab auch Rückschläge. 2009 hatte Nives noch gute Chancen, die erste Frau auf allen Achttausendern zu werden. Am Kangchendzönga verließen Romano plötzlich auf 7500 Metern die Kräfte. Er versuchte, Nives zu überreden, alleine weiterzuklettern. Sie weigerte sich, stieg stattdessen mit ihm ab. Der Grund für Benets Schwäche war ein Schlag ins Kontor: Aplastische Anämie, eine Sonderform der Blutarmut. Zwei Knochenmark-Transplantationen waren nötig, um Romanos Leben zu retten. Sie kehrten in den Himalaya zurück. 2014 bestiegen sie den Kangchendzönga. Und jetzt den Makalu. Fünf Fragen an und fünf Antworten von Nives Meroi:

Nives, ihr habt es geschafft, den Makalu zu besteigen, euren 13. Achttausender. Wenn du ihn mit den anderen zwölf vergleichst, war es eher eine der leichteren oder der schwierigeren Besteigungen?

Technisch gesehen, war es, abgesehen von den letzten 500 bis 600 Metern hinauf zum Makalu La  (7400 Meter hoher Sattel auf dem Normalweg zum Gipfel), nicht sehr schwierig. In diesem Frühjahr waren auch die Bedingungen in der Wand gut. Das Hauptproblem war der Wind, der uns lange Zeit im Basislager hat warten lassen, und die Kälte, durch die ich mir leichte Erfrierungen an den Zehen zugezogen habe.

Nach der Besteigung des Everest 2007

Nach der Besteigung des Everest 2007

Es war euer dritter Versuch am Makalu nach einem im Herbst 2007 und einem weiteren im Winter 2007/2008. Nun habt ihr es im Frühjahr versucht und wart erfolgreich. War es das Erfolgsgeheimnis, sich für diese Jahreszeit zu entscheiden?

Im Herbst 2007 waren Romano und ich die einzige Expedition am Makalu. Bei unserer Ankunft hatte eine Wetterstörung zwei Meter Schnee auf das Basislager abgeladen. Wir spurten immer wieder aufs Neue und erreichten schließlich den Makalu-La, aber es war zu spät. Als wir versuchten, den Gipfel zu erreichen, kam der Jetstream an und zwang uns abzusteigen.
Im Winter 2007/2008 dagegen hatten wir blauen Himmel und die Bedingungen in der Wand waren außergewöhnlich gut. Doch Windböen von bis zu 100 Stundenkilometern im Basislager hielten uns davon ab aufzusteigen. Während eines Monats gab es nur zwei windstille Tage und es gelang uns, fast bis zum Makalu-La aufzusteigen. Doch am 9. Februar zerstörte eine starke Windböe unser Basislager und nahm uns alles. Ich wurde vom Boden gerissen und brach mir meinen Knöchel. Meine beiden Gefährten, Romano und Luca
(Vuerich; er starb 2010), trugen mich zwei Tage lang über den Gletscher zum Hillary-Camp, von wo aus wir per Hubschrauber gerettet wurden.
Wenn du einen Achttausender besteigen willst, brauchst du auch Wetterglück!

Makalu-Basislager

Makalu-Basislager

In diesem Frühjahr waren auch kommerzielle Expeditionen am Berg. Romano und du, ihr klettert immer ohne Flaschensauerstoff und ohne Unterstützung von Sherpas. War es schwierig, euch mit diesen Teams zu arrangieren?

Ja. Von Jahr zu Jahr müssen wir mehr Energie im Basislager darauf verschwenden, uns vor dem anmaßenden Verhalten und der Arroganz des kommerziellen Bergsteigens zu schützen.

In deinem Buch “Ich werde dich nicht warten lassen”, das kürzlich auf Deutsch erschienen ist, beschreibst du Romanos Krankheit, Aplastische Anämie, als den „15 Achttausender“, den ihr bestiegen habt. Wie hat diese Erfahrung deine und Romanos Einstellung verändert?

Nach einer ersten Zeit, in der Romano sich darüber ereifert hat, dass die Krankheit ihm Jahre gestohlen hat, sieht er das Ganze nun leidenschaftsloser. Ich bin vielleicht ängstlicher geworden, die Erinnerung an die Krankheit macht mir immer noch Angst.

Nives und Romano 2009 am Kangchendzönga)

Nives und Romano 2009 am Kangchendzönga

Jetzt fehlt nur noch die Annapurna in eurer Achttausender-Sammlung. Legt man die Todesrate zu Grunde, ist es der gefährlichste Achttauender. Wie beurteilst du die Schwierigkeit dieser Besteigung, und wann wollt ihr sie versuchen?

Wir machen lieber keine Pläne. Wir werden sehen, ob wir eine Chance dazu erhalten, physisch und auch wirtschaftlich. Es wäre dann unser dritter Anlauf. Beim ersten Mal, 2006, versuchten wir es von Norden aus, beim zweiten Mal, 2009, von Süden aus. Beide Male brachen wir die Aufstiege ab, weil die Bedingungen zu gefährlich waren. Romano und ich sind Experten in der „Kunst der Flucht ohne Scham“. Und sollten wir wieder dorthin zurückkehren, werden wir es erneut auf diese Weise angehen.

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Schachmatt am Gipfel der Annapurna https://blogs.dw.com/abenteuersport/schachmatt-am-gipfel-der-annapurna/ Fri, 13 May 2016 15:59:11 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32683 Jost Kobusch an der Annapurna

Jost Kobusch an der Annapurna

Es klingt wie ein Aprilscherz mit einmonatiger Verspätung. Bevor der Deutsche Jost Kobusch am 1. Mai – wie berichtet – auf den 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna stieg, spielte er nach eigenen Worten knapp unterhalb des höchsten Punktes mit dem israelischen Bergsteiger Nadav Ben-Yehuda eine Partie Schach. „Wir hatten zuvor während der Schlechtwetterphasen im Basislager täglich mindestens zwei Partien gegeneinander gespielt“, sagt Jost. Dabei sei die Idee zu einem Schach-Duell am Gipfel geboren worden. Nadav, der mit Flaschensauerstoff aufstieg, erreichte den höchsten Punkt knapp vor Jost, der ohne Atemmaske unterwegs war. „Als wir uns kurz unterhalb des Gipfels begegneten, habe ich ihm gesagt: Moment, wir müssen noch eine Runde Schach spielen“, erzählt mir der 23 Jahre alte Deutsche. „Wir haben auf meinem Smartphone gespielt, 20 Meter unterhalb des Gipfels.“

Einige ziemlich dumme Züge

Die Partie geriet zu einer Art Blitzschach. „Wir haben schnell, schnell gemacht. Nach sieben Minuten hat einer von uns beiden gewonnen.“ Wer, verrät Kobusch nicht. „Das ist Ehrensache.“ Schachspielen in extrem dünner Luft auf 8000 Metern, sagt Jost, sei in etwa so gewesen, „als würdest du versuchen, betrunken ein mathematisches Problem zu lösen: Slow-Motion-mäßig, manchmal auch mit ziemlich dummen Zügen.“ Kobusch will das Spiel als höchste jemals gespielte Schachpartie für das „Guinness-Buch der Rekorde“ anmelden. Ein US-Bergsteiger habe das Spiel gefilmt und könne es auch bezeugen.

Bergsteiger gesehen, wo keine waren

Beim Aufstieg nach Lager 4

Beim Aufstieg nach Lager 4

Für den 23-Jährigen war der Erfolg an der Annapurna der erste an einem Achttausender. „Bis zum Gipfel ist es mir relativ leicht gefallen, erst beim Abstieg habe ich Probleme bekommen“, erzählt Jost. Aufgrund der großen Kälte habe es am Vorabend ewig gedauert, Schnee zu schmelzen. „Zwei Stunden für anderthalb Liter Wasser. Und die habe ich noch geteilt. Also hatte ich nur 750 Milliliter für den gesamten Gipfeltag.“ Völlig dehydriert und erschöpft, habe er sogar einmal kurz halluziniert: „Ich sah vor mir Bergsteiger absteigen, die nicht da waren.“ Kobusch fing sich wieder und erreichte sicher das Basislager.

Vielleicht nächstes Jahr zum Lhotse

Zu Hause in Deutschland schmiedet er bereits wieder Achttausender-Pläne. „Heute dachte ich bei mir, ich habe ja noch ein Permit für den Lhotse, vielleicht könnte ich ja nächstes Jahr noch einmal dorthin gehen.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte er in Nepal den vierthöchsten Berg der Erde besteigen wollen. Das Basislager zu Füßen von Everest und Lhotse war jedoch am 25. April von einer riesigen Lawine getroffen worden, die das schwere Erdbeben am Siebentausender Pumori ausgelöst hatte. 19 Menschen waren ums Leben gekommen. Das Video (siehe unten), das Jost von der Lawine gedreht hatte, ging um die Welt. Als Fernziel hat sich Kobusch vorgenommen, alle 14 Achttausender zu besteigen, wenn möglich ohne Atemmaske. „Ich hoffe, dass ich auch die hohen Achttausender ohne Flaschensauerstoff besteigen kann.“

Sein Schachpartner von der Annapurna, Nadav Ben-Yehuda, hatte 2012 für Schlagzeilen gesorgt. Der Israeli war am Mount Everest 300 Meter vor dem Gipfel umgekehrt, um den türkischen Bergsteiger Aydin Imrak zu retten, der kollabiert war. Ben-Yehuda hatte Imrak hinunter nach Lager 4 am Südsattel geholfen und sich dabei selbst Erfrierungen zugezogen.

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Nives und Romano: Nur im Doppel https://blogs.dw.com/abenteuersport/meroi-benet-kangchendzoenga/ Tue, 20 May 2014 21:20:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26183 Nives Meroi (l..) und Romano Benet (2009 am Kangchendzönga)

Nives Meroi (l.) und Romano Benet (2009 am Kangchendzönga)

Da sage einer, Bergsteigen sei nichts für Romantiker. Die italienischen Eheleute Nives Meroi und Romano Benet beweisen das Gegenteil. Einen Achttausender ohne den anderen zu besteigen, kommt für die beiden nicht in Frage. Am vergangenen Samstag erreichten Nives und Romano den 8586 Meter hohen Gipfel des Kangchendzönga, des dritthöchsten Bergs der Erde. Wie immer gemeinsam, wie immer, ohne zu Flaschensauerstoff zu greifen, wie immer in sauberem Stil. „Wir verfolgen einen schnörkellosen Alpinstil: Einfach und unverfälscht, ehrlich mit sich selbst und im Einklang mit dem Berg“, sagte Nives einmal. Der Kangchendzönga ist für Meroi und Benet der Achttausender Nummer zwölf. Jetzt fehlen nur noch die Annapurna und der Makalu in ihrer Sammlung.

Beinbruch am Makalu

Nives war 19 Jahre alt, als sie Romano kennenlernte. Erst wurde er ihr Seilpartner, dann auch ihr Lebenspartner. In diesem Jahr feiern sie ihre Silberhochzeit, beide sind 52 Jahre alt. 1998 bestiegen sie mit dem Nanga Parbat ihren ersten Achttausender. 2003 gelang ihnen im Karakorum die Trilogie aus Gasherbrum I, II und Broad Peak innerhalb von nur 20 Tagen. 2007 war Meroi die erste Italienerin, die den Mount Everest ohne Atemmaske bestieg. Doch es gab auch Rückschläge. 2007, beim Versuch, den Makalu im Winter zu besteigen, brach sich Nives das Wadenbein. Romano trug seine Frau zwei Tage lang talwärts durch den Nebel, bis ein Rettungshubschrauber landen konnte.

Der 15. Achttausender

Nach der Besteigung des Everest 2007

Nach der Besteigung des Everest 2007omano

Zwei Jahre später am Kangchendzönga war es Benet, der Hilfe brauchte. Damals, im Jahr 2009, hatte Meroi noch gute Chancen, die erste Frau auf allen 14 Achttausendern zu werden. Auf 7500 Metern verließen Romano plötzlich die Kräfte. Er versuchte, Nives zu überreden, alleine weiterzuklettern. Sie weigerte sich, stieg stattdessen mit ihm ab. Der Grund für Benets Schwäche war ein Schlag ins Kontor: Aplastische Anämie, eine Sonderform der Blutarmut. Zwei Knochenmark-Transplantationen waren nötig, um Romanos Leben zu retten. Die Krankheit gemeinsam besiegt zu haben, bezeichnete Romano als „die Besteigung des fünfzehnten Achttausenders, des Wichtigsten“.

Falscher Gipfel

Zwei Jahre lang war an Bergsteigen nicht zu denken. 2011 war das Paar wieder zurück im Himalaya, ein Jahr später versuchten sich Meroi und Benet erneut am Kangchendzönga. Dort passierte ihnen ein Missgeschick: Sie verstiegen sich. Statt den Hauptgipfel anzusteuern, kletterten sie dem niedrigeren Mittelgipfel (8473 Meter) entgegen. Als sie ihren Irrtum realisierten, stiegen sie ab. Als Nives später in Kathmandu einem Reporter beichtete, warum sie gescheitert waren, musste sie selbst lachen und konnte gar nicht mehr aufhören. „Ihr Lachen war ansteckend, jeder stimmte ein“, erinnerte sich Elizabeth Hawley, die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens. Diesmal haben sich Nives und Romano nicht verirrt.

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Ralf Dujmovits: Mount Everest, die Sechste! https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-interview-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-interview-everest/#comments Mon, 14 Apr 2014 09:45:22 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25783 Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Ralf Dujmovits und der Mount Everest (2012)

Wie konnte der portugiesische Seefahrer Fernando Magellan im Jahr 1520 an der Südspitze Südamerikas so viele Lagerfeuer sichten, dass er die Region Feuerland taufte? Eigentlich hätte der dort übliche Dauerregen doch jede Flamme gelöscht haben müssen. Gerlinde Kaltenbrunner, Ralf Dujmovits, Ralf Gantzhorn und Rainer Pircher jedenfalls hatten während ihrer Expedition zum Monte Sarmiento in Feuerland nur zwei halbe Tage, die regenfrei waren. Dazu Windgeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern auf 1800 Meter Höhe. So wurde nichts aus dem Plan, den Hauptgipfel des 2246 Meter hohen, pyramidenförmigen Bergs über die Nordwand zu besteigen. Das Team hatte nicht nur kein Wetterglück, sondern auch noch Pech dazu. Eine Schneehöhle auf 1600 Metern, in der die Bergsteiger beim ersten Versuch ihr Material deponiert hatten, war beim zweiten Aufstieg verschwunden.

Kein Problem mit Übergepäck

„Wir hatten sie markiert, mit GPS-Daten und einer Lawinensonde, die zwei Meter herausstand. Aber wahrscheinlich ist die Schneehöhle aufgrund des sehr warmen Wetters und des starken Regens zusammengebrochen und mit dem ganzen Hang abgegangen“, erzählt mir Ralf nach seiner Rückkehr. „Den einzigen Vorteil, den der Verlust des ganzen Materials hatte, war, dass wir auf dem Heimweg kein Problem mit Übergepäck hatten.“ Der 52-Jährige ist nur für einen kurzen Zwischenstopp daheim. Schon heute fliegt er weiter nach Nepal und reist von dort aus nach Tibet. Erneut will Dujmovits versuchen, den Gipfel des Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu erreichen. Der höchste aller Berge ist der einzige der 14 Achttausender, den er (1992) mit Atemmaske bestiegen hat.

„Definitiv mein letzter Versuch“

Ralf am Everest-Südsattel

Ralf 2012 am Everest-Südsattel

Ralf, vor zwei Jahren hast du wörtlich gesagt: „Ich werde für alle Zukunft auf eine Besteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff und ohne Sherpa-Unterstützung verzichten. Ich habe es Gerlinde versprochen.“ Warum der Sinneswandel?

Du weißt ja, man soll niemals nie sagen. Ich habe vielleicht damals diesen Fehler gemacht. Ich habe mich schon im letzten Herbst sehr gut auf den Mount Everest vorbereitet, als mein australischer Kollege (Andrew Lock) schließlich abgesagt hat. Ich habe gesehen, dass ich mich wirklich noch einmal zu echter Höchstform trainieren kann. Das wollte ich für den Nanga Parbat nutzen, aber auch das hat nicht geklappt. Dennoch habe ich gemerkt, dass ich die nötige Fitness noch erreichen kann. Deshalb packe ich es noch einmal an und gehe zum Mount Everest. Selbst wenn man über 50 Jahre alt ist, sollte man so einer Chance nicht aus dem Weg gehen.

Ist es für dich immer noch eine Scharte, die du auswetzen willst, dass du den Everest nur mit Flaschensauerstoff geschafft hast?

Ein Stück weit schon. Es juckt mich nach wie vor. Ich würde es gerne noch schaffen. Ich mache jetzt wirklich definitiv (lacht) meinen letzten Versuch ohne Sauerstoff und werde damit für mich das Kapitel Everest abschließen. Egal wie es jetzt ausgeht. Es ist jetzt mein sechster Anlauf am Everest, und ich hoffe, dass es dann noch mal klappt. Ich werde wirklich alles geben, und dann sehen wir, wie es ausgeht.

Ralf Dujmovits: Definitiv mein letzter Versuch am Everest

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Nordwand

Mit Gerlinde und Hirotaka Takeuchi (r.) 2005 an der Everest-Nordwand

Du hast bereits dreimal erfolglos versucht, den Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen, davon zweimal über die Nordseite. Auch in diesem Frühjahr wählst du den Weg über die tibetische Seite. Warum?

Ich werde nicht wieder die Route nehmen, die ich zweimal mit Gerlinde versucht habe, über die Kombination aus Japaner-Couloir und Hornbein-Couloir („Supercouloir“) in der Nordwand (2005 und 2010), sondern möchte weiter links unterwegs sein. Das heißt, ich steige erst einmal auf dem Normalweg bis zum Nordsattel auf und möchte von dort aus in das Norton-Couloir queren. Das Couloir hat oben einen schrägen Ausstieg, den schon Reinhold Messner 1980 bei seiner damaligen Solobegehung genutzt hat. Das war allerdings im Herbst. Ich habe 2010 gesehen, dass auch im Frühsommer dort deutlich bessere Verhältnisse herrschten als im Supercouloir. Ich möchte schauen, ob es jetzt wieder so ist. Wenn es passt, würde ich gerne diese Route gehen.

Und wenn es nicht passt, wäre dann die Normalroute für dich eine Alternative?

Ich denke, es hängt sehr stark von den Verhältnissen ab, wie es mir geht, wie ich mich akklimatisiert habe. Ich muss mir das wirklich offenlassen. Ich will mich nicht zu sehr festlegen und einschränken. Ich bin, wie gesagt, inzwischen mit über 50 nicht mehr ganz der Jüngste. Ich muss ausloten, wo ich stehe. Und das werde ich erst vor Ort am Berg sehen.

Es werden sicherlich wieder viele Bergsteiger am Everest unterwegs sein. Beeinträchtigt dich das nicht, wenn du ohne Flaschensauerstoff steigst?

Das ist eben der Vorteil auf dieser anderen Route, wo sonst niemand wäre. In dem Moment, wo man auf der Normalroute – sowohl auf der nepalesischen als leider auch auf der tibetischen Seite – unterwegs ist, läuft man Gefahr, in die Staus mit den Bergsteigern zu geraten, die mit Flaschensauerstoff unterwegs sind. Da hat man eigentlich auf Grund des Problems mit der großen Kälte als Aufsteiger ohne Sauerstoff fast keine Chance. Das Problem dort oben ist ja nicht alleine der mangelnde Sauerstoffpartialdruck. Indem man schnell atmet, geht die Körperwärme verloren. Und wenn man in der großen Höhe den Körper über so lange Zeit quasi kalt atmet, hat man wirklich große Chancen, sich Erfrierungen einzuhandeln. Das würde ich gerne ausschließen, indem ich auf einer Route unterwegs bin, in der ich ganz genau in meinem Tempo gehen kann.

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Ralf im Januar am Nanga Parbat

Bei unserem letzten Gespräch sagtest du, du wolltest oben am Berg völlig unabhängig agieren. Auch bei deinem Versuch am Nanga Parbat wolltest du im oberen Teil solo steigen. Fühlst du dich inzwischen an den höchsten Bergen alleine wohler?

Sagen wir es so: Ich weiß, dass ich mein Tempo gehen können muss. Das heißt, ich möchte mich niemandem mehr anschließen. Ich bin langsamer geworden, das weiß ich und habe es auch 2012 am Everest gesehen. Aber wenn ich mein Tempo durchgehen kann –  ich gehe wirklich über viele Stunden ein ganz gleichmäßiges Tempo, ohne dass ich ein einziges Mal anhalte -, dann komme ich sehr gut vorwärts. Ich höre auch sehr genau in mich hinein. Ich empfinde es inzwischen wirklich als Erleichterung, wenn ich es so machen kann. Früher habe ich mich in Gesellschaft wohler und sicherer gefühlt. Aber es ist letztlich doch immer nur eine Scheinsicherheit, die man hat. Und die Einsamkeit macht mir inzwischen mit dem zugenommenen Alter nichts mehr aus.

Ralf Dujmovits: Ich muss mein Tempo gehen können

Es ist ein schmaler Grat zwischen Beißen können und verbissen sein. Wie hoch ist der Druck, den du dir selbst machst?

Stefan, ich gehe das genauso entspannt an, wie ich es auch sonst immer gemacht habe. Ich werde mir sicher Mühe geben, meinen Plan umzusetzen. Aber ich habe so oft umgedreht und würde auch noch einmal umdrehen. Das Allerwichtigste, das ich habe, ist meine Gesundheit, alle meine Zehen und Finger. Ich klettere unglaublich gerne, und das möchte ich mir auch weiterhin bewahren. Dafür würde ich gar nichts riskieren. Ich werde es versuchen, mir alle Mühe geben, aber ich möchte vor allen Dingen wieder gesund herunterkommen.

Ralf Dujmovits: Ich würde noch einmal umdrehen

Du hast es angesprochen, seit 1992 warst du fünfmal am Mount Everest. Jetzt ist es dein sechster Versuch. Entwickelt man bei so vielen Besuchen so etwas wie ein Verhältnis zu einem Berg? Kann er einem ans Herz wachsen?

Natürlich. Er wächst einem sogar sehr stark ans Herz. Auch wenn es der Everest ist, von dem man so viel Schlechtes und Negatives gehört hat. Aber ich war sehr oft in völliger Ruhe dort unterwegs, auch mit Gerlinde. 2012 bin ich quasi völlig allein zum Südsattel aufgestiegen, noch vor den großen Massen. Man kann dort schon noch seine Ruhe finden und damit dann auch diese Beziehung zum Berg ein Stück weit leben. Für mich hat diese Beziehung zum Everest auch mit der unglaublichen Höhe zu tun, die gleichzeitig irrsinnige Weitblicke zulässt. Ich spüre einfach, wie mir das Herz aufgeht, wenn ich da oben unterwegs sein kann. Ich genieße das. Ich kann es inzwischen auch genießen, weil ich frei bin von diesen ganzen Zwängen. Natürlich gab es auch nach dem Erfolg 1992, allerdings mit Sauerstoff, diese ganzen Rückschläge. Dann baut sich so eine Geschichte auf, die natürlich auch zu mir gehört, die ein Teil von mir ist, die mir etwas bedeutet, die mir wichtig ist. Und ich kehre jetzt wirklich noch einmal gerne zum Everest zurück.

Ralf Dujmovits: Everest ist Teil meiner Geschichte

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/ralf-dujmovits-interview-everest/feed/ 1
Luis, last minute https://blogs.dw.com/abenteuersport/luis-last-minute/ Mon, 07 Apr 2014 08:47:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25714 Makalu

Der Achttausender Makalu

Achttausender-Bergsteigern geht es nicht anders als normalen Reisenden. Kurz vor der Abreise knubbeln sich die Termine. Beruflich müssen noch die Weichen für die lange Abwesenheit gestellt werden. Dazu gesellen sich private Verpflichtungen und, nicht zu vergessen, die Vorbereitungen für das bevorstehende Projekt. Das geht auch Luis Stitzinger so. Unsere Wege kreuzen sich am Wochenende in Oberstdorf, einen Tag vor Luis‘ Abreise nach Nepal. Dort will sich der 45-Jährige mit seiner Frau Alix von Melle erneut am Makalu versuchen, dem mit 8485 Metern fünfthöchsten Berg der Erde. 2010 hatten die beiden auf 8050 Metern bei Temperaturen von minus 45 Grad Celsius umkehren müssen. Sechs Achttausender hat das Bergsteiger-Ehepaar bereits auf dem Konto: Cho Oyu, Gasherbrum II, Nanga Parbat, Dhaulagiri, Broad Peak und Shishapangma. Alle haben sie ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Die 43 Jahre alte Alix ist damit die erfolgreichste deutsche Frau an den höchsten Bergen der Welt.

Luis, jetzt geht es bald los zum Makalu. Schon Lampenfieber?

Lampenfieber nicht mehr, dazu sind wir schon zu oft weggefahren, aber natürlich ist man irgendwo aufgeregt und freut sich drauf. Die Vorbereitungen ziehen sich immer endlos in die Länge. Wenn es dann endlich losgeht, ist das wie eine Feder, die losgelassen wird. Wir freuen uns.

Das ist ja bereits euer zweiter Versuch am Makalu. Fahrt ihr mit einer anderen Einstellung hin?

Ja, ich denke schon, dass es anders ist. Wir haben bisher keinen Berg zweimal versucht, auch nicht die, bei denen wir nicht den Gipfel erreicht haben. Das ist eigentlich das erste Mal, dass wir es das  zweite Mal versuchen wollen. Wir sind da schon ein bisschen vorbelastet.

In welcher Hinsicht?

Wir haben einfach das letzte Mal noch im Kopf, und es ist auch ein bisschen mehr Druck da.

Luis Stitzinger

Macht ihr denn irgendetwas anders als beim letzten Mal?

Zum einen sind wir personell anders besetzt. Es kommt noch ein Freund mit, Florian Hübschenberger aus Freilassing, der auch schon am Nanga Parbat mit dabei war. Wir sind also jetzt zu dritt. Außerdem wollen wir in dieser Konstellation vielleicht noch eine andere Routenführung probieren. Aber vom generellen Procedere ist es sowieso nie ganz gleich. Das Wetter ist anders, die Verhältnisse auch. Deshalb wird auch der Zeitplan immer etwas anders aussehen müssen.

Wie viel Zeit habt ihr?

Wir haben maximal zwei Monate Zeit für die gesamte Reise. Das ist üppig gesteckt. Wenn es ein bisschen kürzer dauert, soll es uns auch recht sein.

Ihr seid ja meistens auf den Normalwegen unterwegs, ist das jetzt auch so? Du deutetest eben an, dass ihr vielleicht eine andere Route wählt.

Wir sind auf dem Normalweg unterwegs, aber haben vor, in der zweiten Routenhälfte eventuell eine Variante zu versuchen. Wir müssen aber sehen, wie die Verhältnisse sind. Erst dann werden wir entscheiden, ob wir es wirklich versuchen wollen. 

2013 hat es nur wenige erfolgreiche Besteigungen gegeben, der Makalu hat sich in den letzten Jahren recht widerborstig präsentiert. Wie groß siehst du eure Chance, den Gipfel zu erreichen?

Es ist immer schwer, das in Zahlen auszudrücken. Ich sage immer, die Chancen stehen fifty-fifty. Als wir das letzte Mal am Makalu waren, hat es die ganze Zeit super ausgesehen, die Verhältnisse waren gut, das Wetter hat auf den ersten Blick immer sehr schön gewirkt. Aber an diesen hohen Bergen genügt ein einziger Faktor – damals war es halt der anhaltende Jetstream, der über Wochen über dem Himalaya geparkt hatte – , der verhindert, dass man in die Höhe vordringen kann. Und dann sitzt man bei schönstem, sonnigen Wetter im Basislager, dreht Däumchen und kann nichts unternehmen.

Luis Stitzinger: Chance steht fifty-fifty

Alix 2010 im Gipfelbereich

Alix 2010 im Gipfelbereich des Makalu

In diesem Jahr hat die nepalesische Regierung am Mount Everest jede Menge neue Vorschriften erlassen. So gibt es jetzt einen Wachposten im Basislager als Schlichtungsstelle. Außerdem muss jeder Bergsteiger acht Kilo Müll vom Berg herunterbringen. Gibt es ähnliche Vorschriften am Makalu?

Der Everest ist einfach ein Hotspot, da trifft sich der internationale Bergtourismus. Im Verhältnis dazu ist der Makalu sehr selten besucht. Wir haben erfahren, dass in diesem Jahr einige weitere Bergsteiger auf dem Weg dorthin sind, aber es ist im Vergleich zum Everest nur ein Bruchteil des Aufkommens. Der Makalu ist nach wie vor ein relativ einsamer Berg, dahin verirrt sich in der Regel nicht mal ein Verbindungsoffizier, weil er keine Lust hat, den langen Zustieg auf sich zu nehmen. Da ist man meistens ganz für sich.

Luis Stitzinger: Makalu ist ein einsamer Berg

Werdet ihr euch mit den anderen Expeditionen kurzschließen, damit ihr euch die Arbeit teilt oder wollt ihr vollkommen autark agieren?

Man tut sich immer zusammen und spricht sich ab. Wir kennen viele der anderen, die dort sein werden. Mit einigen waren wir früher schon mal am Berg unterwegs. Ich kenne auch die Veranstalter. Da wird man immer versuchen, an einem Strang zu ziehen. Aber wir haben eigentlich schon vor, ganz autark und für uns an der Route unterwegs zu sein und auch nicht zu warten, bis alle Fixseil-Strecken aufgebaut sind und dann „nachjümarn“ (sich mit Steigklemmen hochziehen). Wir wollen das schon in einem recht eigenständigen Stil abwickeln.

Das wäre euer siebter Achttausender. Geht ihr anders an das Projekt heran als bei den ersten Versuchen?

Ich denke schon, dass sich so etwas wie Routine einstellt oder zumindest eine gewisse Erfahrung. Bei den ersten Unternehmungen ist man doch noch sehr unsicher. Wenn der erste Achttausender geklappt hat, fragt man sich beim zweiten: War das jetzt ein Glücksfall oder haben wir alles richtig gemacht? Aber wenn man ein paar erfolgreich bestiegen hat, zeichnet sich doch ab, dass gewisse Systeme Sinn machen, und darauf kann man dann vertrauen.

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Der Makalu wäre euer bisher höchster Achttausender.

Ja, bisher haben wir eher die niedrigen Achttausender bestiegen. Der höchste war bislang für uns beide der Cho Oyu mit 8201 Metern. Das wäre jetzt noch einmal ein Sprung um 300 Höhenmeter, also im Bereich der oberen Hälfte der Achttausender.

Ihr verzichtet auf Flaschensauerstoff. Damit bewegt ihr euch an den höheren Achttausendern auch in einer anderen Liga.

Definitiv. Wir wollen unbedingt ohne Flaschensauerstoff herauf. Wir würden eher umdrehen, wenn wir merken, dass wir es nicht schaffen. Aber weil wir alle unsere Ziele ohne Atemmaske erreichen wollen, dienen wir uns sehr vorsichtig höher. Manch anderer hat den Gasherbrum II bestiegen, geht dann direkt zum Mount Everest und versucht es unter Umständen vielleicht sogar ohne Flaschensauerstoff. Uns wäre das zu riskant. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass jede 100 Meter in dieser Höhe noch einmal eine andere Liga bedeuten. Zwischen einem Berg, der 8500 Meter hoch ist, und einem, der gerade oberhalb der 8000-Meter-Marke kratzt, besteht ein großer Unterschied. Wir steigern uns sehr vorsichtig, weil man ohne Flaschensauerstoff relativ wenige Sicherheitsreserven hat.

Luis Stitzinger: Vorsichtig steigern

Alix und du seid dort oben als Paar unterwegs. Habt ihr ausdiskutiert, was passiert, wenn einen von euch in großer Höhe die Kräfte verlassen?

Klar haben wir darüber gesprochen. Deshalb fühlen wir uns jetzt auch in der Konstellation zu dritt wesentlich wohler. Mit einem Helfer kann man nicht viel zuwege bringen, zu zweit sieht das schon besser aus. Da kann man schon einer Person, die entkräftet ist, herunter helfen. Das funktioniert, wenn sich die anderen beiden noch wohl fühlen. Das ist schon ein Sicherheitsfaktor. Aber wenn man keinen Sauerstoff mitnimmt – wir werden wegen des Gewichts auch keine Flaschen für medizinische Notfälle in die Hochlager tragen – , dann hat man nur begrenzte Sicherheitsreserven zur Verfügung. Das ist ganz klar. 

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Maxuts neuer Everest ist höher als 8848 Meter https://blogs.dw.com/abenteuersport/maxut-zhumayev/ Thu, 06 Feb 2014 14:17:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25261 Maxut Zhumayev

Maxut Zhumayev

„Als ich mich dem höchsten Punkt näherte, sah ich Vassiliy im Schnee sitzen, zehn Meter vom Gipfel entfernt. Ich freute mich sehr, dass mein Freund auf mich gewartet hatte“, erinnert sich Maxut an den Gipfeltag auf dem K 2, den 23. August 2011. „Das war etwas ganz Besonderes.“ An diesem Tag komplettierten Maxut Zhumayev und Vassiliy Pivtsov ihre Achttausender-Sammlung, zehn Jahre und zehn Tage, nachdem sie auf dem Gasherbrum I gestanden hatten, ihrem ersten Achttausender. Die beiden Kasachen bestiegen 13 der 14 höchsten Gipfel der Welt gemeinsam, nur am Manaslu waren sie in getrennten Expeditionen unterwegs. Das sei einzigartig, sagt Maxut: „In der Geschichte des Bergsteigens hat es das noch nicht gegeben, dass zwei Kletterer so viele Achttausender-Gipfel gemeinsam erreicht haben.“  

Hartes Stück Arbeit am K 2

Maxut und Vassiliy auf den letzten Metern zum Gipfel des K 2

Maxut und Vassiliy auf den letzten Metern

Ich treffe den 37-Jährigen auf der ISPO in München, wo es auch ein Wiedersehen mit anderen Teammitgliedern von 2011 gibt: Maxut spricht mit Gerlinde Kaltenbrunner, die an besagtem Tag ebenfalls den K 2 bestieg, den letzten Achttausender, der ihr noch fehlte. Und mit ihrem Mann Ralf Dujmovits, der auch zum Team gehörte, auf den entscheidenden Gipfelvorstoß aber verzichtete. „Der K 2 war wirklich hart“, sagt Maxut. „Es war mein sechster und Vassiliys siebter Versuch.“ Die anderen Achttausender hatte Zhumayev gleich im ersten Anlauf bestiegen. Bei allen Besteigungen verzichtete er auf Flaschen-Sauerstoff.

Aus der Ebene auf die Gipfel

Maxut wurde in der Steppe Westkasachstans geboren und fand erst spät zum Bergsteigen: „Ich begann zu klettern, als ich 20 Jahre alt war. Damals arbeitete ich als eine Art Sherpa, als Träger. Ich schulterte das Gepäck einer Trekkinggruppe aus Frankreich.“ Maxut freundete sich mit einigen Kletterern an, die zu der Gruppe gehörten. „Ich bin glücklich, dass ich ihre Philosophie und ihren Lebensstil kennengelernt habe. Sie sind schuld, dass ich immer noch in den Bergen unterwegs bin und klettere.“ Wie sein Freund Vassiliy Pivtsov verdient auch Zhumayev sein Geld als Leutnant der kasachischen Armee.

Kasachischen Alpinverein gegründet

Zhumayev 2007 auf dem Everest

Zhumayev 2007 auf dem Everest

Nachdem er alle Achttausender bestiegen hatte, fiel Maxut zunächst in ein mentales Loch. „Ich brauchte ungefähr ein Jahr, um neue Träume und neue Ziele zu finden“, erzählt Maxut. Anfang 2013 gründete Zhumayev den Kasachischen Alpinverein. Er will die Einstellung seiner Landsleute zu den Bergen ändern: „Es geht um die Philosophie, wie man mit der Natur umgeht. Für mich ist die Natur kein Spielzeug, sondern meine Heimat.“ Maxut ist sich bewusst, dass er nicht von heute auf morgen in Kasachstan Strukturen wie jene westeuropäischer Alpenvereine schaffen und dazu noch seine Bergphilosophie verbreiten kann: „Das ist mein neuer Everest. Er ist höher als 8848 Meter, weil meine Lebenszeit nicht ausreichen wird, um dieses Projekt zu vollenden.“

Weniger Gefahr

Aus Verantwortung für seine Frau, seine vierjährige Tochter und den fünfjährigen Sohn macht Maxut jetzt einen Bogen um gefährliche Klettereien. Zhumayev hat sich vorgenommen, die „Seven Summits“ zu besteigen, die höchsten Gipfel aller Kontinente. Auf dem Mount Everest (Asien) stand er schon, auf dem Kilimandscharo (Afrika) auch. Für dieses Jahr hat er sich im Mai den Denali (Nordamerika) vorgenommen und im Herbst den Aconcagua (Südamerika). Wenn es ihm gelingt, Sponsoren zu gewinnen, will er sich anschließend auch noch am Mount Vincent (Antarktis) versuchen.

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Makalu, die Zweite! https://blogs.dw.com/abenteuersport/makalu-die-zweite/ Sun, 02 Feb 2014 15:24:36 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25205 Alix von Melle und Luis Stiztinger

Alix von Melle und Luis Stitzinger

Manche Berg-Seilschaft endet als eine fürs Leben. Beispiele für Ehen zwischen einer Bergsteigerin und einem Bergsteiger gibt es viele: Gaby und Sigi HupfauerDaniela und Robert Jasper, Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits, um nur einige zu nennen. Auch Alix von Melle und Luis Stitzinger haben sich das Ja-Wort fürs Leben gegeben. 2011 war das, zehn Jahre nachdem es bei einer Expedition zum Aconcagua, dem mit 6962 Metern höchsten Berg Südamerikas, zwischen ihnen gefunkt hatte.

Inzwischen haben beide sechs Achttausender auf dem Bergkonto, fünf davon gemeinsam bestiegen, allesamt ohne Flaschensauerstoff. Die 42 Jahre alte Alix ist damit die erfolgreichste Achttausender-Bergsteigerin Deutschlands. Luis hat sich in der Szene mit spektakulären Skiabfahrten von den höchsten Bergen der Erde einen Namen gemacht. So fuhr der 45-Jährige 2009 als Erster die zentrale Diamirflanke des Nanga Parbat mit Skiern hinunter. In diesem Frühjahr will sich das Bergsteiger-Ehepaar erneut am 8485 Meter hohen Makalu in Nepal versuchen. 2010 hatten die beiden am fünfthöchsten aller Berge in 8000 Meter Höhe umkehren müssen. Anfang der Woche habe ich Alix und Luis auf der ISPO in München getroffen.

Ihr seid als Ehepaar am Berg in extremer Mission unterwegs. Ist es für euch ein Wohlfühl-Faktor, zu zweit aufzubrechen?

Alix: Unbedingt. Ich habe das eigentlich schätzen gelernt, als ich einmal ohne Luis unterwegs war, am Cho Oyu. Das war auch eine ganz tolle Expedition. Wir haben uns in der Gruppe gut verstanden. Aber man merkt doch, wie eingespielt man als Paar ist. Es braucht einfach keine großen Worte, die Plattform zu machen, das Zelt aufzubauen. Einer schmeißt den Kocher an, der andere bläst schon mal die Matten auf, packt die Schlafsäcke aus. Wir sind ein eingespieltes Team, ohne viele Worte. Das mag ich sehr, sehr gerne, wenn wir unterwegs sind.

Alix von Melle: Eingespieltes Team

Alix und Luis 2011 auf dem Gipfel des Broad Peak

Alix und Luis 2011 auf dem Gipfel des Broad Peak

Luis, wie ist das bei dir? Du hast es anfangs ja auch anders erlebt.

Luis: Ich war damals sehr viel als Expeditionsleiter unterwegs, mit Gruppen. Das ist natürlich etwas anderes. Da trägt man viel mehr Verantwortung, ist bis spät in die Nacht hinein non-stop im Dienst und muss sich um alle Belange kümmern. Das ist belastender. Man kann sich eigentlich nie mit jemand austauschen, wenn es schlecht läuft. Und man kann sich auch nicht so schön wie mit seinem Partner freuen, wenn es gut gelaufen ist.

Aber Achttausender-Bergsteigen ist nicht wie Softeis-Essen. Das Risiko ist ein ständiger Begleiter. Wie geht ihr mit der Angst um den Partner um?

Alix: Das ist ganz komisch. Man hat immer mehr Angst um den Partner, egal ob an einem Achttausender oder auf einer Skitour im Winter in den Alpen. Man meint immer, man selber hat alles im Griff, einem passiert nichts, man stürzt nicht ab. Die Angst hat man eigentlich immer um den Partner. Aber wahrscheinlich ist das in jeder Beziehung so.

Seid ihr dann füreinander auch ein bisschen Korrektiv? Sagt der eine dem anderen auch einmal: „Jetzt übertreibe es mal nicht!“?

Luis: Definitiv! Wir achten sehr stark aufeinander und sagen es offen und ehrlich, wenn wir sehen, dass der andere erschöpft oder mal an einem Tag nicht gut drauf ist. Das ist auch ein Korrektiv, das einen vor Fehlern bewahrt. Das ist sehr wichtig.

Macht euch das vielleicht auch eine Spur vorsichtiger?

Alix: Das glaube ich schon. Wir kennen uns sehr genau und spüren sofort, wenn es dem Partner vielleicht nicht mehr so gut geht. Man wird natürlich auch vorsichtiger, wenn man einen Blick aufeinander wirft.

Luis 2012 am Makalu

Luis 2012 am Makalu

Achttausender-Bergsteigen funktioniert nicht, wenn man nicht den Ehrgeiz hat, wirklich oben anzukommen. Helft ihr euch auch gegenseitig, den letzten Anschub noch zu kriegen, den inneren Schweinehund zu überwinden?

Luis: Alle Extreme sind schlecht. Wenn man zu engagiert und ambitioniert ist, kann das einem den Kragen kosten. Andererseits, wenn man zu wenig ehrgeizig ist, kommt man einfach nicht hinauf. Das ist oftmals ein Problem bei Gruppen, die ohne Führer unterwegs sind. Denen fehlt der letzte, ich sage mal, Tritt in den Arsch. (lacht) Den muss man sich oftmals auch selbst geben. Wenn man ein bisschen Erfahrung hat, funktioniert das auch. Wir ergänzen uns in dieser Hinsicht gut. Wir können uns gegenseitig gut anspornen und auch diesen Tritt versetzen. Das ist sehr wichtig, denn die Gipfeletappe kostet immer Kraft und geht immer an die Grenze des persönlichen Leistungsvermögens.

Luis Stitzinger: Tritt in den Allerwertesten

Ihr seid im Jahr etwa sechs bis sieben Wochen an den ganz hohen Bergen unterwegs und teilt extreme Erlebnisse. Fällt es euch in der restlichen Zeit schwer, ein ganz normales Paar in der Ebene zu sein?

Alix: Eigentlich gar nicht. Die Umstellung von diesem abgeschiedenen Leben ohne Trubel, Emails, Anrufbeantworter oder Steuererklärung hinein in diese ganze Reizüberflutung fällt mir schon schwer. Aber ich muss für mich sagen: Ich fahre gerne weg, komme aber genauso gerne wieder. Ich liebe einfach die Alpen. Wenn ich jetzt im Winter auf Skitour bin, mag ich manchmal gar nicht auf Expedition fahren. Und wenn ich dann anschließend wiederkomme, freue ich mich wahnsinnig, im T-Shirt auf dem Mountainbike zu sitzen, hinterher in einen See zu springen oder klettern zu gehen. Ich könnte nicht das ganze Jahr über auf Expedition sein. Aber es ist eben genauso schön, aufbrechen zu dürfen.

Sucht ihr euch die neuen Ziele gemeinsam? Gibt es dann Abende, an denen Karten gewälzt werden?

Luis: Nein, im Laufe der Jahre kristallisiert sich schon eine nähere Auswahl von Zielen heraus, die man angehen möchte. Wenn es dann langsam so weit ist – man muss schon ein gutes Jahr vorher daran denken – reden wir immer wieder darüber und schauen, womit wir uns am besten fühlen. Es wird dann schon so besprochen, dass es jedem von uns gefällt und für keinen eine Notlösung ist.

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Alix (r.) und Luis 2013 auf der Shishapangma

Ihr fahrt jetzt wieder zum Makalu. Dort wart ihr 2010 schon einmal, seid bis auf 8000 Meter gekommen, dann war Schluss. Sagt ihr: „Mensch, das müssen wir jetzt noch abhaken!“?

Alix: Das hat eine Weile gebraucht. Ich hätte definitiv nicht gleich im Jahr nach diesem Versuch wieder zum Makalu fahren wollen. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, alles zu verarbeiten. Außerdem reizen mich neue Aufgaben sehr. Es gibt ja genügend Achttausender, an denen wir noch nicht unterwegs waren. Trotzdem ist der Makalu ein toller Berg. Nach dieser Zeit, in der sich das Ganze gesetzt hat und die Erlebnisse verarbeitet sind, habe ich auch wieder Lust, eigentlich zum ersten Mal einen Berg noch einmal zu probieren, an dem wir schon unterwegs, aber eben nicht am Gipfel waren. Das wird sicherlich eine neue Erfahrung sein.  

Alix von Melle: Neue Erfahrung

2013 haben nur sieben Bergsteiger den Gipfel des Makalu erreicht. Wie groß seht ihr eure Chancen?

Luis: Der Makalu ist sicher eine harte Nuss, auch über seine leichteste Route. Ich würde sagen, unsere Chance ist fifty-fifty. Wir hatten auch 2010 ein sehr gutes Gefühl und sehr gute Verhältnisse. Aber der Jetstream hat uns wertvolle Zeit gekostet und letztendlich zu einem Gipfelversuch gedrängt, bei dem es sehr kalt war. Gegen solche Einflüsse kann man nichts ausrichten. Das liegt nicht in der eigenen Gewalt. Deswegen ist bei Achttausender-Besteigungen immer auch sehr viel Glück im Spiel.

Luis Stitzinger: Fifty-fifty

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Nepal hofft auf neue Achttausender https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-neue-achttausender/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-neue-achttausender/#comments Fri, 09 Aug 2013 20:02:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22841

Bald zwei Broad-Peak-Achttausender?

Muss Reinhold Messner noch einmal in den Himalaya aufbrechen, um seine Achttausender-Sammlung zu vervollständigen? Nach Informationen des Nepalesischen Bergsteigerverbands (NMA) sollen bald sechs weitere Gipfel als eigenständige Achttausender definiert werden, die bisher nur als Nebengipfel galten.

Abgestimmt wird im Oktober

Vertreter des Bergsteiger-Weltverbands UIAA hätten bei einem Treffen Anfang Mai in Italien fünf Gipfel in Nepal und einen in Pakistan empfohlen, berichtet die Himalayan Times: im Kangchendzönga-Massiv den Westgipfel (auch Yalung Kang genannt, 8505 Meter), den Mittel- (8473 Meter) und den Südgipfel (8476 Meter). Dazu den Lhotse-Mittelgipfel (8413 Meter) und den Lhotse Shar (8400 Meter) sowie den Mittelgipfel des Broad Peak (8047 Meter). Auf der Generalversammlung der UIAA am 4. und 5. Oktober in Pontresina in der Schweiz solle darüber abgestimmt werden.

Lobbyarbeit

„Die nepalesische Delegation muss bei der Konferenz eine entschiedene Kampagne starten, um die anderen Vertreter für den Vorschlag zu gewinnen“, sagte der langjährige NMA-Präsident und UIAA-Vertreter Ang Tshering Sherpa. Sollten die Gipfel als Achttausender anerkannt werden, so der 59-Jährige, wäre dies großartig für die nächste Bergsteiger-Generation – und auch für Nepal, Pakistan, China und Indien, weil dann zusätzliche Expeditionen in die Länder kämen, die an diese Berge grenzten.

Wann ist ein Berg ein Berg?

Die Frage, wann ein Gipfel als eigenständiger Berg gilt, ist Definitionssache. Derzeit gilt im Himalaya ein Berg außer dem Mount Everest nur dann als Achttausender, wenn er mindestens 500 Meter höher ist als der höchste angrenzende Pass, der zum nächsthöheren Berg führt. Diese Definition ist unter Wissenschaftlern umstritten. Vielleicht gibt es ja bald 20 Achttausender.

P.S. Wer sich für Orometrie, die methodische Erfassung von Bergen, interessiert, sollte unbedingt auf 8000ers.com nachlesen. Eberhard Jurgalski ist in dieser Frage ein ausgewiesener und international anerkannter Experte.

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-neue-achttausender/feed/ 1
Hiros Everest-Lektionen https://blogs.dw.com/abenteuersport/hirotaka-takeuchi-everest/ Tue, 02 Apr 2013 14:20:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20801

Hirotaka Takeuchi

Hiro hat am Mount Everest viel erlebt. „Er ist für mich ein ganz besonderer Berg“, schreibt mir Hirotaka Takeuchi, als ich ihn um seinen Beitrag zum 60-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung bitte. „Ich habe am Everest viel gelernt, und alle diese Lektionen und Erfahrungen waren für mich sehr wichtig und hilfreich dabei, schließlich alle 14 Achttausender zu besteigen. Insofern, denke ich, war der Mount Everest für mich wie eine große Schule.“ In einem der Klassenzimmer hätte der Japaner fast sein Leben verloren.

Zunächst mit Atemmaske 

Im Mai 1996 war noch alles gut gegangen. Hiro bestieg den Mount Everest. Der 25-Jährige nutzte Flaschensauerstoff, genauso wie ein Jahr zuvor am Makalu, seinem ersten Achttausender, und auch später im August 1996 am K 2. Als Hiro schließlich begann, im Team mit Ralf Dujmovits und Gerlinde Kaltenbrunner zu klettern, verzichtete er wie die beiden Freunde konsequent auf zusätzlichen Sauerstoff. 

Hirnödem überlebt  

Gerettet: Hiro mit Gerlinde (r.) und Ralf (l.)

30. Mai 2005: Hiro, Gerlinde und Ralf haben ihren Plan, ohne Atemmaske durch die Everest-Nordwand zu klettern, wegen der widrigen Verhältnisse aufgeben müssen und sind auf die tibetische Normalroute ausgewichen. Kurz vor dem Lager in 7650 Metern Höhe kollabiert Hiro und ist kaum noch ansprechbar. Anzeichen eines Höhenhirnödems. Rund 40 Prozent aller Fälle enden tödlich. Hiro verdankt sein Leben Gerlinde und Ralf, die ihm Notfallpräparate verabreichen, ihn über die Nacht retten und ihm am nächsten Tag den Berg hinunter helfen. 

Erster Japaner auf allen Achttausendern 

Hiro am Ziel

Ich bangte damals als Reporter im Basislager auf dem zentralen Rongbuk-Gletscher um Hiro. Bereits ein Jahr nach dieser Beinahe-Tragödie stand mein japanischer Freund  auf dem Gipfel des Kangchendzönga, seines achten Achttausenders. Nummer neun erlebten wir 2007 gemeinsam, ich im Basislager, er auf dem höchsten Punkt des Manaslu. Im selben Jahr sprang er dem Tod erneut von der Schippe. Mit viel Glück und schwer verletzt überlebte Hiro eine Eislawine am Gasherbrum II. Ein Jahr danach feierte er am selben Berg sein Comeback. Im Mai 2012 schließlich erreichte Hirotaka Takeuchi sein großes Ziel: Mit dem Dhaulagiri bestieg er seinen 14. und letzten Achttausender. Dieses Kunststück war vorher noch keinem Japaner gelungen. 

Auf der Suche 

Danach nahm sich Hiro erst einmal mehr Zeit für seine Frau und seine beiden Kinder in Tokio. In diesem Frühjahr wird der 42-Jährige in Nepal auf Trekkingtour gehen und – wie er mir schreibt – nach einem „schönen, noch unbestiegenen Berg“ suchen. Vielleicht zieht es ihn eines Tages ja auch noch einmal zum Mount Everest zurück. Dem wünscht er zum Jubiläum der Erstbesteigung jedenfalls, „dass er ein Berg wäre, an dem viele Menschen wiederholt klettern könnten.“ 

P.S. Hiros Äußerungen könnt ihr natürlich auch auf den beiden Everest-60-Pinnwänden auf der rechten Blogseite nachlesen.

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Pasaban: Everest wirkt wie Disney World https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-pasaban/ Mon, 18 Feb 2013 15:18:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=19907

Edurne Pasaban

Im Sport gilt der Zweite oft als erster Verlierer. Am 17. Mai 2010 bestieg die Spanierin Edurne Pasaban mit der Shishapangma ihren letzten der 14 Achttausender. Aber bis heute ist unklar, ob sie die erste oder zweite Frau war, der dieses Kunststück gelang. Die Südkoreanerin Oh Eun Sun vervollständigte ihre Achttausender-Sammlung drei Wochen früher, doch deren Besteigung des Kangchendzönga bleibt umstritten. Als ich jetzt mit Edurne auf der ISPO in München sprach, machte die 39-Jährige auf mich den Eindruck, als wäre sie mit der Welt, den Bergen und sich im Reinen:

Edurne, du hast 2010 die Sammlung der 14 Achttausender vervollständigt. Bist du seitdem im Himalaya gewesen?

Ich bin 2011 zum Everest zurückgekehrt. Er war 2001 mein erster Achttausender, damals nutzte ich für die Besteigung Flaschen-Sauerstoff. Deshalb wollte ich den Everest jetzt nach Abschluss der Achttausender ohne Sauerstoff versuchen. Aber wir erreichten nicht den Gipfel. 

Bis jetzt gibt es Diskussionen darüber, ob Oh Eun-Sun den Gipfel des Kangchendzönga erreicht hat oder nicht. Hat dich diese Debatte beschäftigt oder kalt gelassen? 

Solche Dispute sind weder für mich noch für Miss Oh noch für alle Alpinisten gut. Das wirft kein gutes Licht auf die Bergsteiger. Es war eine schwierige Situation, dass ich gar nichts tun konnte. Der südkoreanische Bergsteigerverband hat gesagt, dass Miss Oh den Kangchendzönga nicht bestiegen hat. So begann die Debatte, für mich war das sehr eigenartig. 

Edurne Pasaban: Die Debatte um Miss Oh

In diesem Fall wäre nicht Miss Oh, sondern wärst du die erste Frau, die alle Achttausender bestiegen hat. Fühlst du dich nun als Erste oder Zweite? 

Es war das große Projekt, die große Herausforderung meines Lebens, eines Tages alle Achttausender zu besteigen. Es stimmt, dass es schön ist, Erster zu sein, aber es ist nicht das Entscheidende. Da gibt es noch viele andere Dinge. Ich habe viel Zeit in dieses Projekt investiert. Es war ein Teil meines Lebens, aber nun befinde ich mich in einem anderen Abschnitt. 

Bist du in ein tiefes Loch gefallen, nachdem du dein Ziel erreicht hattest? 

Ich dachte: Was mache ich nun? Ich hatte einen großen Teil meines Lebens auf Expeditionen verbracht. Wenn du eine machst, planst du schon die nächste. Ich sah vor mir ein großes Loch. Aber als ich mich damit beschäftigt habe, habe ich gesagt: Zunächst einmal brauche ich Zeit für mich. Seitdem sind zwei Jahre verstrichen. Ich bin weiter geklettert, in den Alpen oder andernorts. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages ohne Achttausender leben könnte, aber jetzt kann ich es. Das Leben geht weiter.

Edurne Pasaban: Das Leben ohne 8000er

Ist das eine Art neue Freiheit? 

Ja. Aber wenn du etwas beendest, siehst du diese Freiheit zunächst nicht klar. Du brauchst eine Weile, bis du merkst, dass du jetzt auch andere Sachen machen kannst, z.B. mit Freunden in den Pyrenäen bergsteigen oder zehn Tage in den Alpen klettern oder Ski fahren. Vorher hatte ich diese Zeit einfach nicht, jetzt habe ich sie.

Haben die Achttausender für dich ihre Faszination verloren?

Nein, sie sind immer noch wichtig. Ich habe dort schöne Lebensjahre verbracht. Sollte mich jetzt ein Freund fragen, ob ich ihn zu einem Achttausender begleiten will, würde ich mitkommen. Ich mag das Leben im Basislager, und ich mag Expeditionen. 

Im nächsten Mai wird der 60. Jahrestag der Erstbesteigung des Mount Everest gefeiert. Wie denkst du heute über den höchsten Berg der Erde? 

Der Everest ist ein besonderer Berg, der höchste, das Dach der Welt. Jeder, der zu klettern beginnt, ob im Himalaya oder sonst wo, hat das Ziel, einmal im Leben den Everest zu besteigen. Als ich das 2001 gemacht habe, dachte ich vorher, ich würde am Gipfel weinen oder durchdrehen. Aber so war es nicht. Ich hatte Angst, machte ein Gipfelfoto und stieg wieder ab. Ich habe dort oben etwas verloren. Der Everest ist schön und der höchste, aber er ist kein fantastischer Ort. In den letzten Jahren hat sich am Everest viel verändert. Er ist im Frühjahr auf den Normalwegen auf der Süd- und Nordseite ein kommerzieller Berg. Aber wenn du einen einsamen Everest erleben willst, kannst du das auch haben: im Winter oder auf einer anderen Route. Es gibt mehr als 15 Routen, auf denen niemand klettert. Wir reden viel über die Massen am Everest. Aber es gibt auch einen anderen Everest, den du finden kannst, wenn du es nur willst. 

Würde dich das nicht auch reizen? 

Nur zwei Prozent der Bergsteiger am Everest sind ohne Sauerstoff unterwegs. Als ich begann, die Achttausender zu besteigen, habe ich mich umgesehen und festgestellt, dass nur wenige auf Sauerstoff verzichteten. Deshalb habe ich 2001 auch zu Sauerstoff gegriffen. Aber nachdem ich alle Achttausender bestiegen habe, weiß ich, dass man auch ohne Sauerstoff am Everest erfolgreich sein kann, wenn man viel trainiert. Heute kenne ich meinen Körper und weiß, wie ich mich in großer Höhe fühle. Ich spüre, dass ich vielleicht eines Tages ohne Flaschen-Sauerstoff zum Everest zurückkehren möchte.

Edurne Pasaban: Everest ohne Sauerstoff

Was wünschst du dem Mount Everest für die Zukunft?

Die letzten Nachrichten vom Everest waren keine guten Nachrichten. Es wirkt, als wäre der Everest eine Show, eine Art Disney World. Aber so ist es nicht. Ich denke, das größte Geschenk, das wir dem Everest machen können, ist, großen Respekt vor ihm zu haben. Vielleicht ist der Everest kommerziell, aber er ist ein Berg, dazu noch der höchste. Und wir müssen ihm respektvoll begegnen.

P.S. Edurnes Äußerungen zum Everest-Jubiläum könnt ihr auch auf den beiden Pinnwänden auf der rechten Seite des Blogs anhören.

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