Alexander Huber – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Alexander Huber wird 50: „Geil, so einen Sport zu haben“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-wird-50-geil-so-einen-sport-zu-haben/ Fri, 28 Dec 2018 10:24:40 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43053

Alexander Huber am Choktoi Ri

Still crazy after all these years. Dieser Titel eines Songs von Paul Simon könnte auch über dem Leben vieler Bergsteiger und Kletterer stehen – wenn sie denn ihre tollkühnen Abenteuer bis ins hohe Alter überlebt haben. Ein bisschen verrückt sein – und ich meine das durchaus positiv – gehört einfach dazu, auch bei Alexander Huber. Der jüngere der beiden „Huberbuam“ feiert an diesem Sonntag seinen 50. Geburtstag.

Die Liste seiner Erfolge als Kletterer und Bergsteiger ist lang. So eröffnete Alexander mehrere Felskletterrouten im elften Grad, durchstieg (mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thomas, Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker) 1997 erstmals die Westwand des 7108 Meter hohen Latok I im Karakorum, stand ein Jahr später ohne Flaschensauerstoff auf dem Achttausender Cho Oyu oder bewältigte free solo – also im Alleingang und ohne Seilsicherung – schwierige Alpenrouten wie die „Hasse-Brandler-Diretissima“ durch die Nordwand der Großen Zinne (2002) oder die „Schweizerführe“ am 3838 Meter hohen Grand Capucin im Montblanc-Gebiet (2008). Im vergangenen Sommer eröffnete Huber mit seinem deutschen Kletterpartner Fabian Buhl am 6166 Meter hohen Choktoi Ri im Karakorum eine 2200 Meter lange neue Route über den Südpfeiler (s. Video unten).

Alexander lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf einem Bauernhof nahe Berchtesgaden. Ich habe ihn – einige Tage vor seinem Geburtstag – angerufen.

Alexander, du knackst die 50er Marke, ist das für dich ein Tag wie jeder andere?

Alexander auf der Messe „Outdoor“ 2017

Es ist sicher nicht ein Tag wie jeder andere, weil mir sehr wohl bewusst ist, dass wieder ein Jahrzehnt vergangen ist. Aber es wird für mich kein besonderer Geburtstag sein, das Gefühl kenne ich ja schon von meinen anderen runden Geburtstagen.

Wenn du dich selbst heute mit dem Alexander vergleichst, der 25 Jahre alt war – erkennst du dich dann noch wieder?

Ich erkenne mich noch absolut, wie ich damals war. Man geht seinen Weg im Leben. Es gibt vieles, das sich verändert, manches bleibt gleich. Ich wäre vielleicht noch mal gerne 25, aber mein Realitätssinn sagt mir, dass es so eben nicht kommen wird. Und es ist ja auch nicht so, dass mit 25 alles besser war. Es gibt auch Dinge, die mit 50 besser sind.

Haben sich für dich die Prioritäten verschoben?

Die Prioritäten verschieben sich ständig. Das ist ein ganz normaler Prozess im Leben. Es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre.

Bist du vorsichtiger geworden?

Ja, in dem Sinne, dass ich nicht mehr die wilden Aktionen wie mit 25 oder 35 mache. Das hat auch viel mit meinem Realitätssinn zu tun. Ich weiß, dass ich die Sachen damals auf einem Niveau durchgezogen habe, das ich heute nicht mehr habe. Das heißt, ich kann die Dinge sowieso nicht mehr toppen, die ich schon realisiert habe. Und von daher lasse ich es einfach ruhiger angehen und mache die Dinge, die für mich möglich sind.

Im vergangenen Sommer hast du mit Fabian Buhl am Sechstausender Choktoi Ri eine neue Route über den Südpfeiler eröffnet. Wie gut hat dir der Erfolg getan – nach einigen gescheiterten Expeditionen im Karakorum?

So ein Erfolg tut immer gut. Es macht Spaß, wenn man auch den Gipfel erreicht. Das ist ja der Grund, warum man überhaupt aufbricht. Aber es ist ganz normal im Leben eines Bergsteigers, dass es auch immer wieder Aktionen gibt, die nicht zum Ziel führen. Ich habe ja gerade bei größeren Expeditionen eine Erfolgsquote, die deutlich unter 50 Prozent liegt. Wenn man damit nicht zurechtkommt, hat man an diesen Bergen mit ambitionierten Zielen auch nichts zu suchen. Wenn irgendjemand von sich behauptet, er sei „Mister 100 Percent Success“, kann ich nur sagen: Na ja, dann hat er es auch nie wirklich probiert, an die Grenze zu gehen. Ich ziehe es eher vor, immer wieder meine Grenzen auszuloten und auch hin und wieder einen Rückschlag einstecken zu müssen, anstatt Dinge zu versuchen, die letztendlich leicht zu holen sind.

Aber am Choktoi Ri ist es für euch richtig rund gelaufen.

Ja, obwohl wir von den meteorologischen Bedingungen her eine schwierige Saison hatten. Man merkt auch im Karakorum, dass die Klimaerwärmung zuschlägt. Es gab in diesem Jahr ziemlich viel schlechtes Wetter. Aber wir haben taktisch extrem gut agiert, sodass am Ende der Erfolg herausgekommen ist. Nur eine taktische Fehlentscheidung hätte dazu geführt, dass wir es nicht geschafft hätten. Wir haben es gut gemacht, aber auch das nötige Quäntchen Glück gehabt.

Fabian ist 28 Jahre alt, also über 20 Jahre alte jünger als du. Warst du schon ein bisschen in der Rolle des Mentors, der seine Erfahrung weitergibt?

Mit Fabian Buhl (r.) auf dem Gipfel des Choktoi Ri

Klar, das ist die Rolle, die man dann automatisch einnimmt. Ich bin natürlich ein Mentor Fabians. Aber letztendlich habe ich für meine Idee einen kompetenten Kletterpartner gesucht. Eine von Fabians Stärken ist, dass er unglaublich motiviert ist, einen unglaublichen Spaß am Bergsteigen hat und sich für nichts zu schade ist, jede Anstrengung wirklich mit Freude angeht. Genau so einen Partner brauchst du am Berg. Nur so kann es funktionieren.

War es für dich vielleicht auch ein Modell für die nächsten Jahre, nur zu zweit unterwegs zu sein?

Das habe ich früher auch schon mal gemacht, es ist also kein neues Modell für mich. Prinzipiell bin ich lieber in einem möglichst kleinen Team unterwegs. Aber es hängt auch vom Ziel ab. Einen Latok II zum Beispiel zu zweit anzugehen, wäre schon fast an der Gefahr des Bergs vorbeigedacht. Wenn irgendetwas passiert, ist man zu zweit nur noch mit einer minimalen Sicherheitsreserve ausgestattet.

Gibt es einen Höhepunkt in deiner Kletterer- und Bergsteigerkarriere, der hervorsticht, an den du dich besonders gerne erinnerst?

Ich freue mich darüber, dass ich in ganz verschiedenen Bereichen meine Highlights setzen konnte und mir dadurch den Alpinismus auch stets lebendig gehalten habe und interessant. Angefangen hat es bei mir ja im Spitzenbereich mit dem alpinen Sportklettern. Heute kann ich mir nicht vorstellen, noch einmal mit der gleichen Begeisterung Sportkletterer zu sein, da wäre es mir wahrscheinlich viel zu langweilig geworden. Aber wenn man sich anschaut, was im Alpinismus alles geht – sei es in der Antarktis, in Patagonien, im Yosemite Valley, in den Dolomiten, beim Speedklettern, Free-Solo-Klettern, auf schwierigen alpinen Routen, bei Expeditionen, Achttausender, Sportklettern im elften Grad – dann kann man nur sagen: Geil, so einen Sport zu haben, der auch nach dreißig Jahren im Spitzenbereich interessant sein kann.

Extrem unterwegs, hier am Mount Asgard auf Baffin Island

Schauen wir nach vorn, welche Ziele setzt du dir noch als Bergsteiger und Kletterer?

Ich setze mir nur mittelfristig Ziele. Langfristig kann ich nur sagen: Ich will mit dem, was ich mache, glücklich sein. Aber was genau das sein wird? Keine Ahnung. Es ergibt sich. Ich habe ja das Glück, fast verletzungsfrei durch mein Bergsteigen gekommen zu sein. Ich bin immer noch gesund, mir tut nichts weh, und deswegen gehe ich weiter in die Berge. Aber das kann natürlich von einem auf den anderen Tag ganz anders ausschauen.

Gibt es schon ein konkretes Projekt für 2019?

Das einzige, das ich sicher weiß, ist, dass ich nicht auf Expedition fahre. Ich will noch diverse Routen hier zu Hause in den Alpen klettern. Aber das konkrete Projekt für 2019 ist nicht, in den Himalaya oder ins Karakorum zu reisen.

Und wie wirst du deinen Geburtstag verbringen?

Wie jedes Jahr. Ich feiere ihn mit meinen Freunden.

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Thomas Huber: „Latok I-Nordwand erscheint unbezwingbar“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-latok-i-nordwand-erscheint-unbezwingbar/ Fri, 28 Sep 2018 12:46:46 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42099

Auf dem Sechstausender Panmah Kangri

„Meine Taktik, später anzureisen, ist diesmal nicht aufgegangen“, erzählt mir Thomas Huber nach seiner Rückkehr aus dem Karakorum. Es sei eine „voll gemischte“ Expedition gewesen. „Es ist unglaublich gut losgegangen, hat aber leider nicht so schön geendet.“ Der 51-Jährige, der ältere der beiden „Huberbuam“, war – wie berichtet – Anfang August mit dem 33 Jahre alten Südtiroler Simon Gietl, dem 59 Jahre alten deutschen Kletter-Routinier Rainer Treppte und dem französischen Kameramann Yannick Boissenot Richtung Latok I aufgebrochen, um den 7145 Meter hohen Berg über die Nordseite anzugehen.

Begegnung mit dem Bruder

„Am Anfang hat auch alles geflutscht“, berichtet Thomas. Die Anreise sei völlig ohne Probleme verlaufen, und am Eingang zum Choktoi-Tal habe es dann einen sehr schönen und emotionalen Moment gegeben: „Wir haben meinen Bruder Alexander und seinen Kletterpartner Fabian Buhl getroffen, die am Choktoi Ri ein tolles Abenteuer erlebt hatten und über das ganze Gesicht strahlten.“ Nach dem Treffen mit den beiden, die ihren Heimweg antraten, errichteten Thomas Huber und Co. ihr Basislager.

Nach einer Woche auf einem 6000er-Gipfel

Thomas Huber mit Simon Gietl, Rainer Treppte und Yannick Boissenot (v.r.)

Um sich zu akklimatisieren, bestieg das Team dann den 6046 Meter hohen Panmah Kangri. „Es lief perfekt. Nach einer Woche vor Ort standen wir auf unserem ersten Sechstausender, die nächste Stufe war der Latok III“, sagt Thomas. „Wir stiegen bis zu Lager 1 auf 5700 Metern auf und dann wieder hinunter.“ Ihr Plan sei gewesen, über den Südpfeiler zum Gipfel auf 6946 Metern zu klettern. „Wir kalkulierten dafür drei Tage, wenn alles super laufen und die Verhältnisse gut sein sollten.“

Drei Woche lang dichte Wolken

Doch es kam ganz anders. Das Wetter schlug um – und blieb schlecht. „Wir sahen drei Wochen lang den Gipfel nicht mehr“, erzählt Huber. Dichte Wolken hingen über dem Choktoi, es schneite. An Gipfelversuche war nicht mehr zu denken. Einmal, sagt Thomas, seien sie noch am Latok III bis Lager 1 aufgestiegen, dann aber wegen Schneefalls wieder zurückgekehrt.

Viel Schnee in der Wand

Nordwand des Latok I, rechts der Nordgrat

Huber, Gietl, Treppte und Boissenot erkundeten auch den Zustieg zur noch nie erfolgreich durchkletterten Nordwand des Latok I, „unserem eigentlichen Ziel in diesem Sommer“, wie Thomas sagt. „Wir haben den Plan total verworfen.“ Die Wand sei „winterlich verschneit“ gewesen, es habe jede Menge Spindrift gegeben. „Die Koreaner und Russen, die in diesem Sommer vor uns an der Nordwand waren, sind durch Lawinenabgänge verletzt worden“, erzählt Thomas. „Jetzt verstehe ich warum.“

Augen zu und durch!

Die Gefahren in der Wand seien nicht kalkulierbar, das gelte bereits für den Zustieg. „Die Nordwand erscheint unbezwingbar. Wenn du dorthin gehst, musst du mit dem Leben abschließen und dann: einfach Augen zu und durch!“ Schon die Seracs auf dem Weg zum Zustieg, so Thomas, seien „sehr aktiv. Da brauchst du einfach Glück.“ Das mögliche Alternativziel, die direkte Route über den Nordgrat zum Gipfel, sei machbar – jedoch nicht bei den Verhältnissen, wie sie Anfang September geherrscht hätten.

Super Stimmung im Team

„Wir haben alles versucht, was möglich und vom Bergsteiger-Verstand her vertretbar war“, bilanziert Thomas Huber. „Mehr ging nicht, das muss man einfach akzeptieren.“ Sie seien sicher nicht zum letzten Mal im Choktoi-Tal gewesen. „Mir gefällt es einfach da hinten“, sagt Thomas. „Wir hatten eine gute Zeit und eine super Stimmung im Team. Das ist das, was ich mit nach Hause genommen habe.“

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Slowenisch-britischem Trio gelingt Coup am 7000er Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/slowenisch-britischem-trio-gelingt-coup-am-7000er-latok-i/ Wed, 22 Aug 2018 20:49:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41805

Luka Strazar, Tom Livingstone, Ales Cesen (v.l.n.r.)

Es ist einer der spektakulärsten Erfolge des Jahres an den höchsten Bergen der Welt: Den beiden Slowenen Ales Cesen (36 Jahre alt) und Luka Strazar (29) sowie dem Briten Tom Livingstone (27) gelang am 9. August die erst zweite Besteigung des 7145 Meter hohen, extrem schweren Latok I im Karakorum – die erste überhaupt von der Nordseite aus. An dieser Aufgabe hatten sich seit dem legendären ersten Versuch 1978 über den Nordgrat, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umdrehen müssen, rund 30 Expeditionen die Zähne ausgebissen. „Der Grat selbst bleibt eine Herausforderung für die Zukunft“, sagte Tom Livingstone ganz bescheiden in einem Interview des British Mountaineering Council (BMC).

Nordgrat verlassen

Die Route des erfolgreichen Trios

Im oberen Teil des Bergs verließ das Trio den Nordgrat, kletterte zunächst über ein Eisfeld nach rechts Richtung Westsattel und querte anschließend nach links durch die Nordwand zum höchsten Punkt. „Unsere erste Priorität lag darin, den Berg von der Nordseite aus zu besteigen, der Weg über den Nordgrat war zweitrangig,“ sagte Tom. Aus Sicherheitsgründen habe man sich entschieden, von der Route über den Grat abzuweichen. Livingstone erinnerte in diesem Zusammenhang an den Absturz des russischen Kletterers Sergey Glazunov beim Abseilen aus dem oberen Teil des Nordgrats und die anschließende Hubschrauberrettung von dessen Teamkollegen Alexander Gukov. Das Trio hatte das Drama um die beiden Russen während seiner Akklimatisationsphase mitverfolgt.

„Schottische Verhältnisse“ am Gipfel

Strazar im Mittelteil des Nordgrats

Tom berichtete über konstant schlechte Biwakplätze auf schmalen Felsvorsprüngen: „Wir haben in den sechs Nächten am Berg nicht viel geschlafen. In puncto Kletterschwierigkeit war es nicht superhart, aber die Länge der Route, die große Höhe und die Schlaflosigkeit machten das Ganze doch sehr anstrengend.“ Am höchsten Punkt des Latok I, so Livingstone, hätten „schottische Verhältnisse“ geherrscht: Schneefall und schlechte Sicht. „Es gab keinen Riesenjubel am Gipfel, weil wir wussten, dass wir erst die Hälfte geschafft hatten“, berichtete Expeditionsleiter Ales Cesen in einem Interview des Rundfunksenders RTV Slovnija. „Erst als wir wieder auf dem Gletscher unterhalb der Wand standen, schrien wir vor Freude und umarmten uns.“

„Mehr als einfach nur gut gemacht“

Luka kurz vor der Stelle, an der die Route vom Nordgrat abknickt

Der deutsche Top-Kletterer Alexander Huber, der sich zur selben Zeit unweit des Latok I zusammen mit seinem 27 Jahre alten Landsmann Fabian Buhl am Südpfeiler des 6166 Meter hohen Choktoi Ri versuchte (beide wollen in Kürze über ihre Erlebnisse berichten), verneigt sich vor der Leistung Cesens, Strazars und Livingstones. „Mehr als einfach nur gut gemacht“, kommentierte der 49-Jährige den Erfolg auf Instagram.

Sein älterer Bruder Thomas Huber (51) war zum Zeitpunkt des Coups durch das slowenisch-britische Trio mit seinen Kletterpartnern Rainer Treppte (59), dem Südtiroler Simon Gietl und dem französischen Kameramann Yannick Boissenot noch auf dem Weg zum Latok I. Auch ihr Ziel: die Nordseite des Siebentausenders. Ob sie sich am Nordgrat oder der ebenfalls noch unbestiegenen Nordwand versuchen wollten, hatte Thomas mir gegenüber vor der Abreise noch offen gelassen.

P.S.: Wegen meines zurückliegenden Urlaubs kommt dieser Bericht ein paar Tage später, als ihr es normalerweise von mir gewohnt seid. 😉

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Alexander Huber: „Klimawandel ist krass spürbar“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-klimawandel-ist-krass-spuerbar/ Sat, 02 Sep 2017 15:50:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37379

Ogre II und I (r.), dazwischen die erreichte Scharte

Drei Versuche, dann war Schluss. Wie berichtet, brachen Alexander Huber, der Schweizer Dani Arnold sowie die beiden Osttiroler Mario Walder und Christian Zenz ihre Expedition am 7285 Meter hohen Ogre I in Pakistan ab und kehrten heim. Sie hatten den Gipfel des überhaupt erst dreimal bestiegenen Bergs über den noch nie gemeisterten Ostpfeiler erreichen wollen. Ich habe mit Alexander, dem mit 48 Jahren jüngeren der beiden Huberbuam, über die gescheiterte Expedition gesprochen.

Alexander, du hast auf Facebook geschrieben, ihr hättet kapiert, was euch der Berg sagen wollte. Wie lautete diese Botschaft?

Wir sind dreimal in Richtung Berg aufgebrochen, haben dreimal mit maximalem Risikomanagement die Dinge in Schach halten können, sind beim letzten Mal auch bis zum Einstieg gelangt. Aber wir haben jedes Mal gemerkt, dass wir zeitlich extrem knapp dran waren. Es gab nur ein ganz kurzes Fenster, in dem wir uns sicher am Berg bewegen konnten. Dann musst du voll Stoff unterwegs sein, um zeitig aus der Gefahrenzone heraus zu kommen. Das haben wir dreimal gemacht, und es ist es auch gutgegangen. Aber irgendwann läuft es mal nicht so gut, und dann steht man mitten in diesem extrem gefährlichen Gelände und kommt nicht mehr heraus.

Dazu kam, dass wir so einen schlechten Schnee hatten. Wir haben im Wasserschnee gekämpft, auf 6100 Metern, und das mitten in der Nacht! Das waren brutale Verhältnisse. Das ist ganz klar dem Klimawandel geschuldet. Besser Finger weg davon, wenn man überleben will.

Alexander Huber

Fiel die Entscheidung abzubrechen einstimmig?

Absolut einstimmig. Für jeden von uns war klar, dass wir unter solchen Verhältnissen nicht einmal den Hauch einer Chance haben, überhaupt in die Nähe des Gipfels zu kommen. Und wenn ich weiß, dass ich eh nicht hinaufkomme, weil der Schnee so was von bescheiden ist, dann ist es besser, es irgendwann gut sein zu lassen. Wir haben ja auch die Schneefelder oben gesehen. Da war ein Großteil des Schneefeldes blank, das heißt, dort war ein Lawinenstreifen abgegangen. Es sorgt natürlich auch nicht für die positivste Einstellung, wenn man sieht, dass die Schneeverhältnisse oben immer noch problematisch und sehr gefährlich sind.

Klimawandel hinterlässt Spuren

Du hast den Klimawandel angesprochen. Es war in diesem Jahr im Karakorum wieder extrem warm. Wäre es aus deiner Sicht eine Alternative, zu einem späteren Zeitpunkt anzureisen?

Ich habe es vor zwei Jahren am Latok erlebt, im letzten Jahr in Grönland und jetzt wieder: Der Klimawandel ist derart krass spürbar, dass es fast weh tut. Wie in den Alpen wird sich auch im Karakorum das Bergsteigen verändern müssen. Wahrscheinlich wird man sich in Zukunft an einem leichten Siebentausender akklimatisieren und dann gegen Ende August für nur zwei, drei Wochen an so einen schwierigen Berg wie den Ogre gehen. Das ist das einzige Szenario, das ich mir derzeit denken kann, damit du an einem solchen gefährlichen Berg schlagkräftig unterwegs sein kannst. So werde ich es sicher das nächste Mal angehen.

Wird es also einen dritten Versuch am Ogre geben?

Das kann gut sein. Ich habe diesen Berg schon 1993, damals mit Traunsteiner Freunden, erstmals als Ziel ins Auge gefasst. Wir haben uns dann aber kurzfristig für den Latok II entschieden, wo ich dann 1997 mit Thomas hingefahren bin [Mit Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker gelang ihnen die erste Durchsteigung der Latok II-Westwand]. 1999 haben wir dann den Ogre I probiert [Mit Gutsch und Jan Mersch versuchten sie vergeblich, über den Südpfeiler auf den Gipfel zu steigen]. Damit hat überhaupt mein Denken an das Bergsteigen und Klettern an den ganz großen Bergen angefangen. Deswegen ist der Ogre irgendwie ein bisschen in mir verankert. Wenn es passt, werde ich noch einmal dorthin aufbrechen. Aber wenn, dann sicher mit einer völlig veränderten Taktik.

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Ogre nach Nachtfahrplan https://blogs.dw.com/abenteuersport/ogre-nach-nachtfahrplan/ Wed, 30 Aug 2017 19:55:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37335

Ogre-Ostpfeiler

Kaum etwas war möglich in diesem Sommer am Ogre I. „Das Wetter zeigte sich grundsätzlich eher von der schlechten Seite“, schreibt Alexander Huber auf Facebook über seine Expedition zu dem 7285 Meter hohen Berg in Pakistan. Die Bedingungen waren grenzwertig. „Wenig Altschnee vom Winter und viel Neuschnee vom Frühsommer im Schneedeckenaufbau. Dazu die generell hohen Temperaturen. Macht in der Summe jede Menge Faulschnee (Schneematsch).“ Der 48-Jährige, der jüngere der Huberbuam, hatte in diesem Sommer mit den beiden Osttirolern Mario Walder und Christian Zenz sowie dem Schweizer Dani Arnold den Gipfel über den noch nie durchstiegenen Ostpfeiler erreichen wollen. Schon vor der Abreise hatte Alexander den Ogre I mir gegenüber als „einen der exklusivsten Gipfel unserer Erde“ bezeichnet, „einen der schwierigsten Punkte, die man erreichen kann“. Das sollte sich bestätigen: Bergsteigen war nur nach Nacht-Fahrplan möglich.

Endstation am Einstieg zum Pfeiler

Gefährlicher Aufstieg zur Scharte

„Bei den drei Aufstiegen bis hin zur Scharte zwischen Ogre I und Ogre II hatten wir viel Energie aufzuwenden, die objektiven Risiken beherrschbar zu halten“, berichtet Alexander. „Seracs, kollabierende Wechten, Stein- und Nassschneelawinen, die ersten schon um sechs Uhr morgens, ließen uns wenig Spielraum: Jede Aktivität hatte zwischen 24 Uhr und 5 Uhr stattzufinden, dann hieß es im Zelt 19 Stunden bis zum nächsten Einsatz in der folgenden Nacht zu warten.“ Der Plan, nur nachts unterwegs zu sein, „funktionierte leider auch nur halbwegs“, schreibt Dani Arnold auf seiner Homepage. „Denn es dauerte schon einige Stunden, bis der Schnee hart wurde in der Nacht und bis zum Sonnenaufgang blieb uns nur wenig Zeit zum Klettern.“ Schließlich fiel die Entscheidung: Endstation für den „Nachtzug“ am Einstieg zum Ostpfeiler – „weit weg von der Möglichkeit, unter diesen Bedingungen auch nur in die Nähe des Gipfels zu kommen“, so Alexander Huber. „Wir sind bereit, sehr viel für einen Berg zu geben. Energie, Motivation, Leidensbereitschaft, Herzblut und Risiko. Wenn es aber hoffnungslos ist, reift schnell die Erkenntnis, dass es Zeit ist, ‚Nein‘ zu sagen.“

Erst dreimal bestiegen

Damit bleibt es weiter bei nur drei Besteigungen des Ogre I. Die erste gelang am 13. Juli 1977, also vor 40 Jahren, den Briten Chris Bonington und Doug Scott. Der Abstieg wurde zum Drama mit glücklichem Ausgang: Scott brach sich beide Knöchel, Bonington zwei Rippen. Dennoch erreichten beide, unterstützt von den anderen Teammitgliedern, eine Woche nach dem Gipfelerfolg das Basislager. Eine der großen Überlebensgeschichten an den höchsten Bergen der Welt. 2001 schafften Alexanders Bruder Thomas und die beiden Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des Bergs, 2012 die US-Amerikaner Kyle Dempster und Hayden Kennedy die dritte.

Gefahr ernst genommen

Nichts zu holen

Für Alexander Huber war es der zweite gescheiterte Versuch am Ogre I. 1999 hatte er sich mit seinem Bruder Thomas sowie Toni Gutsch und Jan Mersch vergeblich am Südpfeiler versucht. Die Entscheidung, erneut umzukehren, sei alles andere als leicht gefallen, räumt Alexander ein: „Aber ich denke, dass wir verstanden haben, was der Berg uns mitteilen wollte. Und es gibt ihn ja noch länger, den Berg!“ Auch Dani Arnold trägt das Scheitern am Ogre mit Fassung. „Klar bin ich jetzt enttäuscht“, schreibt der 33-Jährige. „Ich bin aber überzeugt, dass zu oft eingegangenes, objektives Risiko einmal nicht mehr gut ausgeht. Abgesehen davon finde ich es auch dumm, etwas Absehbares nicht ernst zu nehmen.“

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Alexander Huber: „Der Ogre ist kein Menschenfresser“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-der-ogre-ist-kein-menschenfresser/ Sat, 24 Jun 2017 11:02:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36771

Alexander Huber

Der Ogre wirkt auf die „Huberbuam“ wie der Gesang der Sirenen in der griechischen Mythologie: Die beiden deutschen Topkletterer können sich dem Ruf dieses faszinierenden Granitriesen kaum entziehen. Immer wieder in ihren langen Karrieren sind Alexander und Thomas Huber zum Ogre-Massiv im Karakorum oder den nahe gelegenen Gipfeln der Latok-Gruppe aufgebrochen. 1999 scheiterten sie gemeinsam beim Versuch, den 7285 Meter hohen Ogre I zu besteigen. 2001 schaffte Thomas mit den beiden Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des Bergs. Die erste war am 13. Juli 1977, also vor fast 40 Jahren, den Briten Chris Bonington und Doug Scott gelungen. Der Abstieg wurde zum Drama mit glücklichem Ausgang: Scott brach sich beide Knöchel, Bonington zwei Rippen. Dennoch erreichten beide, unterstützt von den anderen Teammitgliedern, eine Woche nach dem Gipfelerfolg das Basislager. Eine der großen Überlebensgeschichten an den höchsten Bergen der Welt.

Mit Freunden ist es einfacher

Gestern ist Alexander Huber zum Ogre aufgebrochen. Zu seinem Team gehören die beiden Osttiroler Mario Walder und Christian Zenz sowie der Schweizer Dani Arnold. Mit Dani (und Thomas Senf)  hatte Alexander im vergangenen März eine neue Route durch die Matterhorn-Nordwand eröffnet, mit Mario und Christian war ihm im Sommer 2016 am Ritterknecht in Ostgrönland eine Erstbegehung geglückt. „Man greift gerne auf Partner zurück, die man kennt“, sagt Alexander Huber. Seine drei Gefährten seien nicht nur gute, kompetente Bergsteiger, sondern auch Freunde. „Man muss ja doch viel Zeit gemeinsam verbringen, oft Momente mit Anspannung durchleben. Umso mehr die menschliche Chemie passt, umso besser ist es.“ Ich habe mit dem 48-Jährigen, dem jüngeren der Huberbuam, vor seiner Abreise nach Pakistan über die Expedition gesprochen.

Alexander, es zieht euch zum Ogre, einem Siebentausender im Karakorum. Was genau habt ihr vor?

Ogre I (l.) und Ogre II, Ostpfeiler führt vom Sattel links aufwärts

Wir würden gerne den Ostpfeiler erklettern. Diese Route wurde bis heute noch nicht begangen. (Mehrere Versuche über die Ostseite scheiterten, so drehte ein spanisches Team 1992  im Schneesturm auf einer Höhe von 6500 Metern um.) Aber es ist weniger die Idee, an diesem Berg eine Erstbegehung zu kreieren, sondern überhaupt den Gipfel zu erreichen. Es ist einer der exklusivsten Gipfel unserer Erde, einer der schwierigsten Punkte, die man erreichen kann. Thomas hat ja 2001 die Zweitbesteigung des Ogre realisiert, seitdem gab es nur eine weitere Besteigung (2012 durch die US-Amerikaner Kyle Dempster und Hayden Kennedy). Daran sieht man: Es ist kein einfacher Gipfel, aber genau deswegen wollen wir hin.

Nur drei Besteigungen. Und es mangelte ja nicht an Versuchen, es gab weit über 20 Expeditionen an diesem Berg. Was macht ihn so schwierig?

Der Ogre ist einfach ein unheimlich komplexer Berg mit vielen objektiven Gefahren, durch die Seracs, die sich praktisch auf allen Seiten befinden. Deswegen ist auch der Ostpfeiler unser Ziel, weil er aus meiner Sicht frei von objektiven Gefahren ist. Aus der Ferne eingeschätzt, glaube ich, dass wir über diesen Weg allen Seracs aus dem Weg gehen können. Wie es sich dann in der Realität verhält, werden wir sehen. Aber ich hoffe, dass wir damit den maximal sicheren Weg zum Gipfel des Ogre erkunden und realisieren.

Alexander Huber: Ein unheimlich komplexer Berg

Ogre heißt übersetzt „Menschenfresser“. Trägt dieser Berg seinen Namen zu Recht?

Die Ogre-Erstbesteiger Bonington (l.) und Scott (im April 2015)

Das kann man eigentlich nicht sagen. Es gab zwar einen Unfall, bei dem ein Bergsteiger ums Leben gekommen ist. (Bei einer deutschen Expedition, die sich 1993 am Ogre-Südpfeiler versuchte, stürzte der Schweizer Philipp Groebke tödlich ab.) Aber er ist sicher nicht der Menschenfresser an sich. Dafür ist er als Berg einfach viel zu anspruchsvoll. Das heißt, die Bergsteiger, die sich vornehmen, einen Ogre zu besteigen, sind allesamt kompetente, starke Bergsteiger, die genau wissen, was sie tun. Gefährlich wird das Bergsteigen ja meist immer dann, wenn inkompetente Leute versuchen, einen Gipfel zu erreichen. Das Musterbeispiel dafür im Himalaya ist sicher der Mount Everest. Dort wird auch in der Zukunft noch viel gestorben werden, weil viele Leute den Berg besteigen wollen, ohne die Kompetenz zu haben. Insofern hat der Ogre seinen Namen nicht verdient. Er ist kein Menschenfresser.

Aber eigentlich ist das ja auch nicht sein ursprünglicher Name, sondern Baintha Brakk. Baintha ist eine Wiese am Rande des Biafo-Gletschers, von der aus der höchste Punkt des Bergs als dominanter Gipfel zu sehen ist. Brakk heißt Spitze. Es ist also die Spitze, die man von der Wiese Baintha aus sieht. Ich bin ja sowieso der Meinung, man sollte zu ursprünglichen Namen der Berge zurückkehren. Der Mount McKinley ist der Denali, der Mount Everest von der tibetischen Seite aus der Chomolungma, von der nepalesischen die Sagarmatha, der K 2 der Chogori, und der Ogre ist an sich der Baintha Brakk.

Alexander Huber: Ogre ist kein Menschenfresser

Alex, Mario und Dani (v.l.) 2015 auf dem Gipfel des Sechstausenders Panmah Kangri

Die letzten Sommer im Karakorum waren sehr warm. Das führte dazu, dass viele Expeditionen scheiterten. Welches Wetter eröffnet euch eine reelle Chance am Ogre?

Wenn wir das gleiche Schicksal wie vor zwei Jahren  (damals waren die Huber-Brüder mit Mario Walder und Dani Arnold in der Latok-Gruppe unterwegs) haben, als die Null-Grad-Grenze über mehrere Wochen bei 6500 Meter und höher lag, werden wir auch in diesem Jahr Probleme bekommen. Ich denke, das Bergsteigen wird sich in der Zukunft aufgrund des Klimawandels ohnehin verändern. Die Bergsteiger müssen sich darauf einstellen. Wenn die Null-Grad-Grenze weiter so massiv ansteigt, werden wir beizeiten auf die Herbst- oder Frühjahrssaison ausweichen müssen. Ich habe jetzt trotzdem noch einmal die Sommersaison gewählt, weil ich der Überzeugung bin, dass es auf dem Weg zum Gipfel des Ogre eminent wichtig ist, dass man gerade in Gipfelnähe nicht die tiefen Temperaturen hat. Vielleicht haben wir das Glück, dass diesmal die Verhältnisse passen. Das Wetter ist schwer zu interpretieren. Aber das sind eben die Herausforderungen, denen man sich heute stellen muss.

Ihr habt ja 2014 schon einmal eine Expedition nach Pakistan wegen der brisanten politischen Lage abgesagt. Fährst du wieder mit einem mulmigen Gefühl dorthin?

Leider kann man heute in Pakistan nicht mehr so reisen wie vor 20 Jahren. Ich habe Pakistan noch zu einer Zeit kennenlernen dürfen, wo es diese Division in westliche Welt und muslimische, arabische Welt nicht gab. Damals konnte man sich frei in diesem Land bewegen. Wenn man heute über das freie Land reist, kann man sich nie sicher sein, dass es nicht doch zu Anschlägen kommt, gerade auf Touristen. Deswegen gibt es auch keinen Tourismus mehr in Pakistan. Die Leute, die heute noch in das Land reisen, sind ausschließlich Bergsteiger, die ein ganz konkretes Ziel haben. Wenn wir dorthin reisen, sind wir wirklich undercover unterwegs, das heißt wir sind nicht sichtbar.

Alexander Huber: In Pakistan undercover unterwegs

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Royal Robbins ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/royal-robbins-ist-tot/ Wed, 15 Mar 2017 11:58:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35427

Royal Robbins (1935-2017)

Einer der großen Fels-Kletterpioniere ist nicht mehr: Royal Robbins starb gestern in Modesto in Kalifornien nach langer Krankheit im Alter von 82 Jahren. „Mein Vater stand vor großen Herausforderungen, bei seinem Klettern, Schreiben, im Beruf, in seiner Rolle als Vater und Ehemann und später im Leben bei seiner schweren Krankheit“, sagte seine Tochter Tamara Robbins. „Egal wobei, er zeigte sich der Situation gewachsen, indem er die Herausforderung mit Würde und Demut annahm. Dafür ist er mein Held.“ Robbins hatte in den späten 1950er und 60er Jahren Maßstäbe im Bigwall-Klettern gesetzt.

Legendäre Routen

Robbins 1961 in der „Salathé“

Robbins erschloss zahlreiche Routen an den Granitwänden im Yosemite-Nationalpark, unter andren 1961 mit Tom Frost und Chuck Pratt die legendäre 1000 Meter hohe „Salathé Wall“ am El Capitan, die damals als die schwierigste Felskletter-Route durch eine große Wand galt. Robbins setzte sich für einen möglichst sauberen Stil ein. 1995 gelang Alexander Huber, dem jüngeren Bruder der „Huberbuam“, die erste Rotpunkt-Begehung der Route, sprich frei kletternd, immer im Vorstieg und in einem Zug. Nur noch Geschichte ist die „American Direct“ an der Westseite des Petit Dru im Mont-Blanc-Gebiet, die Robbins 1962 mit Gary Hemming eröffnete. Nach mehreren Felsstürzen existiert die legendäre Originalroute im oberen Teil nicht mehr.

Hunger nach Abenteuer

In den 1970er Jahren litt Robbins zunehmend an Arthritis. Er verlegte sich nun zunehmend auf extreme Kajakfahrten. Auch hier gelangen ihm zahlreiche Erstbefahrungen. „Ich mag es sehr, ich finde es sehr bereichernd. Aber zuerst, zuletzt und immer bin ich ein Kletterer“, sagte Robbins einmal. „Ich werde klettern, bis ich falle. Und es wäre das Letzte, was ich aufgeben würde.“ Später leitete Robbins auch eine sehr erfolgreiche Firma für Outdoor-Textilien, die seinen Namen trägt. Im Herzen blieb der Unternehmer immer ein Abenteurer: „Wir brauchen Abenteuer. Es liegt in unserem Blut. Es wird nicht verschwinden“, schrieb Robbins. „Die Berge werden uns weiterhin rufen, weil sie auf einzigartige Weise das Bedürfnis nach Einklang mit der Natur erfüllen und unseren Hunger nach Abenteuer stillen.“

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Ondras „Dawn Wall“-Coup: „Genial“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ondras-dawn-wall-coup-genial/ Wed, 23 Nov 2016 14:38:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34287 Adam Ondra bejubelt seinen Erfolg

Adam Ondra bejubelt seinen Erfolg

Was für ein Teufelskerl! Adam Ondra hat die Route „Dawn Wall“ im Granit des El Capitan in nur acht Tagen frei geklettert, sich also bloß mit Händen und Füßen durch die meist senkrechte, teilweise überhängende Wand bewegt und technische Hilfmittel wie Seile oder Klemmkeile nur genutzt, um sich zu sichern. Dem 23 Jahre alten Tschechen gelang damit die erst zweite freie Begehung der Felsroute, die als die schwierigste der Welt gilt. Anfang 2015 hatten die beiden US-Amerikaner Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson die „Dawn Wall“ nach 19 Tagen in der rund 900 Meter hohen Wand erstmals „befreit“, ein Meilenstein der Klettergeschichte. Mehr als sieben Jahre hatten sie sich darauf vorbereitet. Ondra hielt sich gerade einmal zweieinhalb Wochen am El Capitan im Yosemite-Nationalpark auf. „Total krass“ findet Kevin Jorgeson den Erfolg des jungen Tschechen: „Für Tommy und mich stellte sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist. Wir ließen viel Raum, um den Stil zu verbessern und Adam machte genau das! Super beeindruckend ist, dass er sich so schnell an den einzigartigen Stil der ‚Dawn Wall‘ anpassen und so viele komplexe Passagen so schnell meistern konnte.“ Auch die deutsche Kletterszene ist begeistert.

„Als würde Bolt den Marathon gewinnen“

Auch im Dunkeln unterwegs

Auch im Dunkeln unterwegs

Alexander Huber, mit 47 Jahren der jüngere der „Huberbuam“, bewertet Ondras Leistung „seiner Fähigkeit entsprechend: meisterhaft, genial.“ Alexanders älterer Bruder sieht es ähnlich. „Das ist ‚das‘ Statement der neuen Generation“, schreibt mir Thomas Huber (der übrigens am Freitag vergangener Woche seinen 50. Geburtstag feierte). „Für mich ist es die bisher größte Leistung im Klettern unserer Zeit. Die Latte liegt jetzt hoch!“ Auch Stefan Glowacz ist hin und weg. „Ich klettere nun seit über 40 Jahren, aber diese Leistung ist für mich kaum nachvollziehbar“, schreibt der 51-Jährige auf Facebook. „Es ist großartig zu beobachten, wie die junge Generation den Klettersport in immer neue, kaum für möglich gehaltene Dimensionen katapultiert.“ Die Leistung Ondras sei „eine Art Verschmelzung von Leidenschaft, Besessenheit und außergewöhnlichem Können, vor allem jedoch eine beispiellose mentale Leistung.“ Umso mehr, als es für Adam Ondra seine erste „Big Wall“-Erfahrung gewesen sei. „Irgendwo habe ich folgenden Vergleich gelesen: als würde Usain Bolt jetzt auch noch den Marathon gewinnen.“

„Dawn Wall“ in 24 Stunden?

Experten halten Adam Ondra bereits seit Jahren für den besten Sportkletterer weltweit. In der „Dawn Wall“ am El Capitan war er mit seinem Landsmann Pavel Blazek und dem österreichischen Fotografen Heinz Zak unterwegs. Ondra kletterte alle 32 Seillängen der Route im Vorstieg. „In den ersten beiden Tagen war ich nervös wie eine Katze“, gesteht Adam in einem Interview der tschechischen Website emontana.  Die beiden Schlüsselseillängen 14 und 15 zu klettern, habe sich angefühlt, „als hielte man sich an Rasierklingen fest. Aber von ihnen abgesehen, gibt es dort Seillängen, die ich zu den besten zähle, die ich jemals geklettert bin.“ Gut möglich, dass Ondra schon bald erneut in die Route einsteigen wird. „Ich würde sie gerne viel schneller klettern als diesmal“, sagt Adam und legt die Latte ganz hoch: „Ich denke, die „Dawn Wall“ in 24 Stunden ist eine tolle Herausforderung. Es ist ganz sicher nicht mein Ziel für das nächste Jahr. Ich würde gerne ein paar Saisons lang eine mentale Auszeit nehmen, aber das Projekt wäre schon interessant als ein Lebenstraum.“ So absurd dieser Traum auch klingen mag, diesem Teufelskerl ist wirklich alles zuzutrauen.

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Ostgrönland: Alexander Huber und Co. pflücken den Tag https://blogs.dw.com/abenteuersport/ostgroenland-alexander-huber-und-co-pfluecken-den-tag/ Tue, 04 Oct 2016 15:01:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33795 Thomas Huber (r.) in Ostgrönland

Thomas Huber (r.) in Ostgrönland

Der Klimawandel macht zuweilen auch Abenteurern einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hatten sich der deutsche Topkletterer Alexander Huber und seine Osttiroler Teamgefährten Mario Walder, Bruno Schneider und Christian Zenz in diesem Sommer vorgenommen, die vor 16 Jahren erstmals durchstiegene Südwand des Tupilak in Ostgrönland frei zu klettern. „Das ist eine total geile, steile Wand“, schwärmt Alexander. „Aber wir sind gar nicht erst hingekommen. Die 40 bis 50 Kilometer Anmarsch waren ohne Schlitteneinsatz nicht drinnen.“ Das blanke Eis der Gletscher ohne Schneeauflage und die darauf liegenden kleinen Steinchen hatten den Pulkas, den Kunststoff-Zugschlitten, schon nach etwa einem Drittel der Strecke den Garaus gemacht. Ihre Ski hatten die vier Kletterer ganz umsonst mitgenommen.

Alexander Huber war im vergangenen Jahr schon einmal in Ostgrönland gewesen, allerdings zu einer anderen Jahreszeit. „Du kannst dir im arktischen Winter einfach nicht vorstellen, dass das Ganze dann im Sommer völlig schneefrei wird. Das zeigt schon ganz klar den Klimawandel“, erzählt mir der 47-Jährige, der jüngere der beiden „Huberbuam“. „Dass die Null-Grad-Grenze permanent auf 2500 bis 3000 Meter liegt, ist schon sehr ungewöhnlich.“

Attraktives Alternativziel

Ritterknechtd

Ritterknecht

Huber und Co. disponierten kurzerhand um und entschieden sich für einen Versuch am Ostpfeiler des 2020 Meter hohen Ritterknecht, vielen Kletterern auch unter dem dänischen Namen Rytterknægten bekannt. Der markante Berg im so genannten „Schweizerland“ war 1938 von einer Expedition des „Akademischen Alpenclubs Zürich“ erstmals bestiegen worden. Die Gruppe unter Leitung des Alpinisten André Roch hatte gut ein Dutzend Gipfel in Ostgrönland erstmals betreten. Alexander hatte den Ostpfeiler im Vorjahr als mögliches Ziel ausgemacht: „Das war auch die Motivation, die Reise zu starten. Ein 1000 Meter hoher Pfeiler, von eindrucksvoller massiver Gestalt. Das ist natürlich schon für einen Alpinisten ein Ziel, so einen Pfeiler zu erklettern.“ Hubers Recherchen ergaben, dass offenbar noch niemand dort hochgeklettert war. „Wir haben diesen Pfeiler erstbegangen, das war eine super Sache.“

Gemacht, was möglich war

Erfolgreiches Team: Schneider, Huber, Zenz, Walder (v.l.)

Erfolgreiches Team: Schneider, Huber, Zenz, Walder (v.l.)

Innerhalb von 24 Stunden kletterte das Quartett über den Pfeiler zum Gipfel und wieder zurück. „Eine gewaltige Bergfahrt“ sei es gewesen, schreibt Mario Walder in seinem Expeditionsbericht. Die Erstbegeher taufen ihre Route „Carpe diem“, „Pflücke den Tag“. Das Motto gelte auch für die Expedition, sagt Alexander Huber: „Wir haben unsere Chancen genutzt und genossen. Wir haben einfach das, was möglich war, zufrieden aufgenommen.“ Drei Wochen waren die Kletterer unterwegs. Der besondere Reiz einer Expedition in die Arktis liege in der „absoluten Abgeschiedenheit“, findet Alexander. „Wir haben uns von einem Inuit bis zum Ende des Fjords bringen lassen. Und von dem Zeitpunkt an waren wir die einzigen Menschen, die in dieser Bergregion unterwegs waren.“

Verwundbar

Unmittelbar vor der Abreise von Island nach Grönland erfuhr Alexander Huber vom 16-Meter-Sturz seines Bruders Thomas aus einer Felswand im Berchtesgadener Land. „Das war für mich schon ein dramatischer Moment, weil ich gar nicht gewusst habe, ob ich mich überhaupt auf die Reise begeben soll. Bevor ich losflog, wollte ich schon wissen, dass es ihm gut ging.“ Auch wenn der Sturz für Thomas letztlich – wie berichtet – vergleichsweise glimpflich ausging, saß der Schock auch bei Alexander tief: „Das macht einem immer wieder bewusst, wie verwundbar man als Mensch ist.“

P.S. Alexander Huber ist gerade aus dem Felsmassiv Picos de Europa in Nordspanien zurückgekehrt. Dort gelang es ihm und seinem deutschen Kletterpartner Fabian Buhl, die klassische Route „Suenos de invierno“ (Winterträume) am 2518 Meter hohen Naranjo de Bulnes erstmals frei zu klettern – in neun Stunden. Die spanischen Winter-Erstbegeher der Route hatten 1983 insgesamt 69 Tage in der Wand verbracht.

 

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Alexander Huber: “Hasardeure sind noch nie weit gekommen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-hasardeure-sind-noch-nie-weit-gekommen/ Thu, 12 Nov 2015 16:09:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31179 Alexander Huber

Alexander Huber in Innsbruck

Die Huberbuam werden auch künftig gemeinsam auf Expedition gehen, aber wohl nicht mehr zusammen zum Latok I. Während mir Thomas Huber noch vor drei Wochen mit leuchtenden Augen von der Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen vorschwärmte, scheint sein jüngerer Bruder Alexander das Projekt nach den Erlebnissen im vergangenen Sommer endgültig abgehakt zu haben. Ich sprach mit dem 46-Jährigen Spitzenkletterer Ende letzter Woche am Rande der Alpinmesse Innsbruck.

Alexander, bei der Akklimatisierung für die Latok I-Nordwand seid ihr am Latok III von einer Lawinen-Druckwelle fast aus der Wand geblasen worden. Dein Bruder meinte, es sei noch nie so knapp gewesen. Hast du es auch so empfunden?

Es war definitiv knapp. Wir hatten den Serac ja gesehen und unser Lager deshalb weit weg von ihm platziert. Wir hatten das Glück, dass wir eine kleine Plattform ausgeschaufelt hatten, um die Zelte perfekt zu positionieren. Und die kleine Kante, die dabei entstanden ist, hat uns das Leben gerettet. Sonst wären wir einfach weggeblasen worden. Insofern hat unser Risikomanagement zwar geklappt. Aber es war viel, viel knapper, als ich es mir jemals hätte erträumen lassen. Und das ist doch schockierend.

Alexander Huber: Es war sehr knapp

Hat dieses extreme Erlebnis eure Moral für euer eigentliches Vorhaben, die Latok I-Nordwand gebrochen?

Ja, es hat unser Moral gebrochen. Aber selbst wenn der Serac-Abbruch nicht passiert wäre, hätten wir am nächsten Tag die schlechten Bedingungen am Berg bemerkt. Sie hätten uns den weiteren Aufstieg nicht möglich gemacht. Wir wären zum gleichen Ergebnis gekommen, dass man unter solchen Bedingungen und bei solchen Temperaturen an so einem Berg nichts zu suchen hat.

Alex, Mario und Dani (v.l.) auf dem Gipfel des Panmah Kangri

Alex, Mario und Dani (v.l.) auf dem Gipfel des Panmah Kangri

Mit welchem Gefühl bist du von dieser Expedition zurückgekehrt?

Ich habe es sehr gut akzeptieren können, weil es nun einmal so war, wie es war. Mario (Walder), Dani (Arnold) und ich haben am Ende noch einen kleinen Sechstausender gemacht. Das war bergsportlich überhaupt nicht relevant, weil es eine Dimension unter der Schwierigkeit eines Latok I war. Aber für mich war es doch ein wunderschönes Erlebnis, das ich nun mit dieser Expedition verbinde. Sie hat damit für mich einen Namen bekommen: Erstbesteigung des Panmah Kangri, 6046 Meter, ein wunderschöner freistehender Berg. Auch wenn es nicht super extrem ist, muss man einfach damit zufrieden sein, dass letztendlich alles gut ausgegangen ist. Wir hätten ja ohnehin nicht mehr erreichen können. Wenn man damit ein Problem hat, hat man eigentlich am Berg nichts zu suchen. Wir machen einen Outdoor-Sport, wo die Bedingungen darüber entscheiden, ob wir hinaufsteigen können oder nicht. Wenn man das nicht will, muss man sich einen anderen Sport suchen.

Ihr hattet ja auch im letzten Jahr schon geplant, zum Latok I zu gehen, es dann aber wegen der unsicheren politischen Lage in Pakistan sein lassen. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?

In Baltistan war alles ruhig. In den Bergen herrschte aus meiner Sicht keine Gefahr. Man kann das auch nicht mit der Lage am Nanga Parbat vergleichen. Während dieser Achttausender von außen sehr leicht erreichbar ist, sind die Berge des Karakorum entlegen und im Schiiten-Gebiet, wo die Taliban gewöhnlich ein schlechteres Standing haben. Ich habe mich in Baltistan sehr sicher gefühlt. Den Weg dorthin über den Karakorum-Highway hätte ich mir allerdings sehr gerne gespart. Der Terrorismus ist eine kalte Gefahr, die man nicht spürt. Sie wird immer erst dann heiß, wenn es passiert. Man ist dort im Ungewissen unterwegs. Im Endeffekt war es eine sehr schöne Reise. Wir haben nichts von dieser Gefahr am Karakorum Highway wahrgenommen, wir haben nichts gesehen. Aber das heißt nicht, dass es wirklich sicher ist.

Alexander Huber: Den Karakorum Highway hätte ich mir gerne gespart

Alexander (r.) und Thomas Huber

Alexander (r.) und Thomas im Sommer im Karakorum

Bist du denn immer noch heiß auf den Latok I-Nordwand?

Für mich ist ganz klar: Die Nordwand des Latok I ist so unkalkulierbar gefährlich, dass ich keine Motivation verspüre, sie anzugehen. Ich suche mir lieber schwierige Ziele ohne dieses nicht kalkulierbare Risiko.

Spricht da aus dir auch der Familienvater?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Ich liebe ja mein eigenes Leben und will es auch erleben. Es war ja auch schon in der Vergangenheit so, dass ich bei Zielen, die mir zu haarsträubend waren, lieber einen Rückzieher gemacht habe.

Alexander Huber: Hasardeure sind noch nie weit gekommen

Es spricht ja für Stärke, dazu in der Lage zu sein.

Ich denke, das ist unbedingt nötig. Hasardeure sind in der Welt der Berge noch nie weit gekommen. Es ist auch heute noch möglich, mit relativ geringem Können, aber hoher Risikobereitschaft sehr schnell bekannt zu werden. Aber man könnte einige Beispiele aufzählen, an denen man sieht, dass es nicht lange gut geht.

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Thomas Huber: „Ausgeliefert wie nie“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-ausgeliefert-wie-nie/ Fri, 02 Oct 2015 15:45:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30609 Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok 1- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok I- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Es war ein heißer, aber aus Sicht der Bergsteiger eher mauer Sommer im Karakorum: Die meisten Expeditionen verließen Pakistan ohne Gipfelerfolg. Auch die „Huberbuam“ Thomas und Alexander, der Schweizer Dani Arnold und der Österreicher Mario Walder kehrten mit leeren Händen zurück, dafür aber lebendig und am Stück – was nach ihren Erlebnissen an der Latok-Gruppe nicht selbstverständlich war. Thomas, mit 48 Jahren der ältere der Huberbrüder, hat mir die Geschichte erzählt.

Thomas, ihr wolltet eigentlich in diesem Sommer die noch nicht durchstiegene Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum angehen. Doch dazu ist es gar nicht erst gekommen. Warum?

Wir haben die Nordwand nur von weitem betrachtet und ziemlich bald festgestellt, dass die Wand unter diesen Bedingungen unmöglich ist. Es wäre möglich gewesen, den Nordgrat zu machen. Aber dazu ist es auch nicht gekommen, weil wir im Vorfeld schon von einem Berg so gebeutelt wurden, dass uns Motivation und Mut verlassen haben, noch einmal an die absolute Grenze zu gehen.

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Welcher Berg war das, der euch so gebeutelt hat?

Es ging schon damit los, dass relativ viel Schnee im Karakorum lag. Rund anderthalb Meter, als wir in unser Basislager kamen. Gleichzeitig war es sehr, sehr warm. Das hat zu Nassschnee-Lawinen geführt. Wir haben uns erst vergeblich an einem 6000 Meter hohen Akklimatisierungsberg versucht. Wir wechselten dann zum Latok III, um uns für den Latok I zu akklimatisieren. Der Latok III ist knapp 7000 Meter hoch. Wir haben uns einen sicheren Weg über den Südpfeiler gesucht. In Lager 1 auf 5600 Metern wurden wir dann nachts von einer Eislawine überrascht. Sie schlug zwar 500 Meter von unseren Zelten entfernt auf, aber die Druckwelle hat uns von unserem Zeltplatz regelrecht weggeblasen. Kurz vor dem Abgrund sind wir mit unseren Zelten liegen geblieben. Wir waren alle kreidebleich. Auch Dani Arnold, der schon viel erlebt hat, sagte, dass es in seinem Leben noch nie so knapp gewesen sei. Wir haben anschließend die Zelte einen Meter tief eingegraben und fixiert. Der Serac hat in der Nacht „gekalbt“, es gab drei weitere Eislawinen. Am Morgen haben wir dann den riesigen Eiskegel unter unseren Zelten gesehen und nur noch gesagt: „Wir steigen ab. Nichts wie raus hier!“ Wir haben einen Rucksack verloren, mit allem Drum und Dran. Wir wurden also auch gezwungen, den Abstieg fortzusetzen.

Ihr habt doch schon viele enge Situationen erlebt. Und trotzdem hat es euch den letzten Nerv geraubt?

Wir haben schon viel erlebt, aber so ausgeliefert waren wir noch nie. Das war eine neue Erfahrung in unserem Kletterleben. So krass haben wir es noch nie erlebt.

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Ging es allen vier Kletterern so?

Ja. Wir saßen im Basislager und haben das Ganze Revue passieren lassen. Wir waren froh, dass wir überlebt hatten. Aber dann kam es auch zu Diskussionen. Als die Temperaturen zwar nicht sanken, aber das Wetter wahnsinnig gut war, sagte ich: „Wir müssen vielleicht unsere Zelte in einer Eishöhle vergraben und immer nachts klettern. Dann haben wir vielleicht eine Chance, den Latok III zu besteigen.“ Aber Alexander, Dani und Mario waren dagegen. Es war klar, die Teamentscheidung steht über allem.

Wir versuchten uns dann ein weiteres Mal an dem Akklimatisierungsberg, scheiterten aber wieder, weil es einfach zu warm war. Ich habe dann vorgeschlagen, das Material herunter zu holen und zum Latok I-Nordgrat zu wechseln, weil ich ihn für sicherer hielt. Das wurde aber auch wieder abgelehnt. Am Ende war es dann so, dass die Wettervorhersage so schlecht war, dass wir die Expedition zwei Wochen früher abgebrochen haben. Ich habe alleine das Material von Lager 1 geborgen. Alexander, Dani und Mario konnten ihr Bergsteiger-Herz noch mit einem kleinen Gipfel erfreuen. Sie schafften im dritten Anlauf den Akklimatisierungsberg und nannten diesen vermutlich noch unbestiegenen Berg Panmah Kangri.

Latok I

Latok I

Hattet ihr den Latok I eigentlich schon abgehakt, als ihr die Lawine am Latok III erlebtet?

Die Latok I-Nordwand hatten wir recht schnell abgehakt, weil wir sahen, dass sie unmöglich war. Wir haben uns auch mit den Slowenen um Luka (Lindic – die Slowenen gaben an der Nordwand ebenfalls auf) ausgetauscht. Die sprachen von der „suicide line“, der Selbstmordlinie. Ständig donnerten Steinsalven und Eislawinen herunter. Auf einer der beiden möglichen Linien zu klettern, wäre ein Todeskommando gewesen. Wir sind Bergsteiger, weil wir das Leben lieben und nicht, weil wir tote Helden sein wollen. Der Nordgrat wäre aus meiner Sicht machbar gewesen, weil er später von der Sonne beschienen wurde. Aber da gab es eine 3:1-Teamentscheidung gegen mich. Ich war ein bisschen unzufrieden, aber am Ende auch dankbar und glücklich, dass wir überlebt haben. Wir sind als Freunde zurückgekehrt, und damit war es ganz okay.

Ist das Projekt Latok I damit für dich gestorben?

In diesem Stil definitiv. Aber diese Wand kannst du nicht vergessen. Wenn du einmal darunter gestanden hast, überlegst du als Bergsteiger schon: Wie es möglich, diese Unmöglichkeit machbar zu machen? Ich habe gewisse Ideen, darüber muss ich aber noch ein bisschen länger brüten. Sag niemals nie! Es könnte sein, dass ich noch einmal dorthin zurückkehre.

Überlebt!

Überlebt!

Alexander hat drei Kinder, du ebenfalls. Bremst euch das in Extremsituationen wie jetzt am Latok III?

Ich bin ja schon lange Familienvater, deshalb kann ich nicht sagen, dass es eine bremsende Wirkung hat. Ich kenne diese Situation seit 16 Jahren. Am Berg ist die Familie nicht mehr präsent, wenn es läuft. Sie ist erst dann wieder präsent, wenn die Gefahr unmittelbar vor dir liegt. Ich glaube definitiv, dass du dann durch die Kinder eher lebensbejahend unterwegs bist, statt einfach zu sagen: „Geht schon! Es wird schon nichts passieren.“ Ich denke, ich sage schon früher Nein. Wenn dann so etwas passiert wie am Latok III, kann ich das hinterher sehr rational bewerten. So ein Serac kann eben zusammenbrechen. Immer wenn du in die Berge gehst oder egal, wohin sonst, ist das Leben an sich schon lebensbedrohlich. Wenn man sich der Gefahr aber wirklich bewusst ist, glaube ich, kann man auch in einer Extremsituation sicher unterwegs sein.

Das komplette Team

Das komplette Team

Im vergangenen Jahr habt ihr eure Latok I-Expedition kurz vor dem Abflug abgeblasen – wegen der unsicheren Lage in Pakistan. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?

Ich habe Pakistan sehr schön erlebt, in Anführungszeichen komplett unspektakulär. Klar, man muss sich an die bewaffneten Polizisten gewöhnen, an jeder Ecke steht jemand mit einer Kalaschnikow. Aber wir waren immer sicher unterwegs, auch wenn wir zweimal über den Karakorum-Highway gefahren sind. Ich kann eigentlich nur jedem, der eine gute Reiseagentur hat, raten: Fahrt nach Pakistan! Es ist ein unglaublich schönes Reiseland, speziell im Karakorum, für mich eines der schönsten Länder der Welt. Leider wird Pakistan oft zu Unrecht von den Medien als Terrorland bezeichnet. Terror gibt es mittlerweile überall auf der Welt. Man muss sich richtig verhalten, den richtigen Ort und Weg wählen. Dann kann man auch in Pakistan sehr sicher unterwegs sein.

Ohne mulmiges Gefühl?

Diesmal nicht. Und ich bin mir sicher, dass ich es auch beim nächsten Mal nicht haben werde. Ich glaube, das pakistanische Militär macht sehr gute Arbeit und hat die Lage relativ gut im Griff.

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Huberbuam wollen Nordwand des Latok I meistern https://blogs.dw.com/abenteuersport/huberbuam-wollen-nordwand-des-latok-i-meistern/ Tue, 23 Jun 2015 15:21:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30005 Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Und ewig lockt der Latok I. An kaum einem anderen Siebentausender haben sich so viele Topkletterer die Zähne ausgebissen wie an dem 7145 Meter hohen Granitriesen im Karakorum. Die Erstbesteigung des höchsten der vier Latok-Gipfel liegt 36 Jahre zurück. Sie gelang am 19. Juli 1979 den Japanern Tsuneo Shigehiro, Sin’e Matsumi und Yu Watanabe. Sie waren von Süden aus über einen Pfeiler zum Ostgrat und von dort zum höchsten Punkt gestiegen. Berühmter, weil berüchtigter sind der noch unbezwungene Nordgrat – und die ebenfalls noch nicht durchstiegene Nordwand. An der versuchen sich in diesem Sommer die „Huberbuam“, Alexander und Thomas Huber.

Nur aufgeschoben

Schon im vergangenen Jahr hatten die Extrembergsteiger-Brüder aus Deutschland die Nordwand angehen wollen. „Das Projekt ist bereits relativ oft von richtig guten Alpinisten versucht worden. Bisher hat sich die Wand vehement gewehrt“, sagte mir damals Alexander. „Wir brauchen jede Menge Glück, um dort Erfolg zu haben. Aber meine Güte, wenn man es nicht versucht, dann kann man es nicht schaffen.“ Kurz vor der geplanten Abreise bliesen die beiden Bergsteiger wegen der unsicheren Lage in Pakistan die Expedition jedoch ab. Nicht aufgehoben, nur aufgeschoben.

Starkes Team

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Heute brach das Team der Huberbuam aus der Stadt Skardu in Baltistan auf, Richtung Latok I, wo sie am Mittwoch oder Donnerstag eintreffen dürften. Zur Mannschaft gehören der österreichische Kameramann Seppi Dabringer sowie der 37 Jahre alte Mario Walder aus Österreich und der 31 Jahre alte Dani Arnold aus der Schweiz. Mario war schon mehrfach mit den Huber-Brüdern unterwegs. So gelang es dem Kletterer aus Osttirol mit Thomas und Alex 2009, die legendäre Route „Eternal Flame“ am 6251 Meter hohen Nameless Tower im Karakorum erstmals Rotpunkt, also sturzfrei in einem Zug frei zu klettern. Dani sorgte zuletzt vor allem mit seinen Speed-Kletterrekorden für Aufsehen. Mit Thomas Huber (sowie Stephan Siegrist und Matias Villavicencio) schaffte er 2013 die erst dritte Winterbegehung des legendären, 3128 Meter hohen Cerro Torre in Patagonien.  Ein starkes Team also, das sich die Nordwand des Latok I vorgenommen hat.

Nächster Coup am Choktoi-Gletscher?

Der 48 Jahre alte Thomas und der 46 Jahre alte Alexander Huber haben in ihrer langen Karriere bereits mehrfach ihre Zelte auf dem Choktoi-Gletscher im Norden Pakistans aufgeschlagen. So gelang es den Brüdern 1997 (außerdem im Team: Landsmann Toni Gutsch und der US-Amerikaner Conrad Anker) erstmals, die über 2000 Meter hohe Westwand des Latok II zu durchsteigen – ein Meilenstein im Big-Wall-Klettern.  2001 schaffte Thomas (mit den Schweizern Urs Stöcker und Iwan Wolf) die zweite Besteigung des extrem schwierigen 7285 Meter hohen Ogre, eines Nachbarberges der Latoks. Seit der Erstbesteigung durch die Briten Chris Bonington und Doug Scott 1977 waren bis dahin alle Ogre-Expeditionen gescheitert. Vielleicht gelingt den Huberbuam ja jetzt ihr nächster Coup in der Gegend – in der Nordwand des Latok I.

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Caldwell und Jorgeson „befreien“ die Dawn Wall https://blogs.dw.com/abenteuersport/caldwell-und-jorgeson-befreien-die-dawn-wall/ Thu, 15 Jan 2015 09:39:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28081 Am Ziel! Caldwell (l.) und Jorgeson

Am Ziel! Caldwell (l.) und Jorgeson

Ein Meilenstein im Granit des El Capitan im Yosemite-Nationalpark! Die US-Kletterer Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson haben erstmals die extrem schwierige, rund 900 Meter hohe „Dawn Wall“ frei durchklettert, also bloß mit Händen und Füßen. Technische Hilfsmittel wie Seile, Haken oder Klemmkeile nutzten sie nur, um sich zu sichern. Nach 19 Tagen in der Wand erreichten der 36 Jahre alte Caldwell und der 30-jährige Jorgeson den Ausstieg und schrieben damit Klettergeschichte.

Nur neun Finger

„Ich hoffe, es inspiriert Menschen dazu, ihre eigene Dawn Wall zu finden und sie eines Tages zu meistern“, sagte Jorgeson der New York Times. „Wir haben sehr lange und zielstrebig an diesem Projekt gearbeitet.“ Mehr als sieben Jahre hatten sich die beiden darauf vorbereitet, ihre Traumroute frei kletternd zu meistern. Allein für den 15. von 32 Kletterabschnitten brauchte Kevin jetzt – wie berichtet – sieben Tage, um nach elf Versuchen endlich sturzfrei durchzukommen. „Die meisten denken wohl, dass wir da draußen ständig nach Nervenkitzel und Adrenalinstößen suchen. Aber so sind wir nicht“, sagt Caldwell. „Ich träume einfach gerne in großem Stil und liebe es, Wege zu finden, um selbst ein Entdecker zu werden.“ Tommy klettert mit nur neun vollständigen Fingern. 2001 hatte er sich versehentlich mit einer Tischkreissäge den oberen Teil des Zeigefingers abgetrennt.

Alexander Huber: „Großartige Leistung“

Alexander Huber

Alexander Huber

„Die Presse benutzt gerne Begriffe wie ‚the climb of the century‘“, gibt der deutsche Topkletterer Alexander Huber zu bedenken, den ich gebeten habe, die Leistung der beiden US-Kletterer in der „Dawn Wall“ zu bewerten. „Wir können natürlich nicht wissen, was alles noch in den verbleibenden 85 Jahren kommt, deswegen ist nüchtern betrachtet der Begriff pressetechnisch überzogen.“ Dennoch ist auch der jüngere der beiden Huberbuam begeistert. „Die Route ist mit Sicherheit die schwierigste alpine Felsroute weltweit. In dieser Hinsicht gibt’s nur eines zu sagen: Hut ab, großartige Leistung!“, sagt der 46-Jährige.

1970 hatten sich der legendäre Warren Harding und Dean Caldwell (nicht verwandt mit Tommy) die Wand in 27 Tagen „hinaufgenagelt“. Harding und Caldwell setzten damals mehr als 300 Haken, was ihnen in der Kletterszene auch einige Kritik eintrug.

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Huberbuam blasen Pakistan-Expedition ab https://blogs.dw.com/abenteuersport/huberbuam-blasen-pakistan-expedition-ab/ Wed, 25 Jun 2014 12:55:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=26499 Alexander (r.) und Thomas Huber

Alexander (r.) und Thomas Huber

Die Huber-Brüder haben ihre geplante Expedition zur Nordwand des Siebentausenders Latok I in Pakistan abgesagt – „wegen der politischen Situation in Pakistan“, wie Alexander und Thomas Huber auf Facebook schreiben. „Natürlich schwirrt der Traum dieser gigantischen Wand noch in unseren Köpfen herum. Und wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr eine neue Chance erhalten.“ Die beiden deutschen Spitzenkletterer und ihre Teamgefährten Dani Arnold und Mario Walder saßen bereits auf gepackten Koffern, um Richtung Pakistan zu starten. „Das Risiko war einfach nicht kalkulierbar“, sagt Alexander, als ich ihn am Telefon nach den Gründen für die Absage frage. „Erst die Taliban-Offensive, jetzt die Gegenoffensive der Armee in Nord-Waziristan. Da wird es ganz sicher mehr Terroranschläge geben.“

Auf der Suche nach einem neuen Ziel

Die Huberbuam und ihre Freunde wollten durch die noch unbezwungene Nordwand des 7125 Meter hohen Latok I im Norden Pakistans klettern. Sie hätten auch gehört, dass es kaum noch Flüge gebe, um den Karakorum-Highway zu umgehen, sagt Alex. „Alles in allem war uns das Ganze zu gefährlich. Wenn ich das Risiko nicht mehr einschätzen kann, habe ich einfach keinen Bock mehr. Das raubt mir den Spaß.“ Und nun? „Jetzt sortieren wir unsere Sachen und suchen uns ein neues Ziel aus … und sehr bald werden wir wieder auf der ‚Straße des Abenteuers‘ unterwegs sein. Wir lassen es euch wissen“, schreiben die Huber-Brüder auf Facebook.

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Huberbuam zur Nordwand des Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-alexander-huber/ Wed, 02 Apr 2014 07:53:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25662 Alexander Huber

Alexander Huber

Leverkusen ist ein Vorort von Köln. Das empfinden nicht nur viele Kölner so (mich eingeschlossen, wobei ich entschuldigt bin, weil jener Geburts(vor)ort gleichzeitig mein einziger Geburtsfehler ist), sondern offenbar auch Alexander Huber. Als ich den Extrembergsteiger vor seinem Vortrag in Leverkusen treffe und frage, ob er mit der bergfreien Umgebung und der dicken Luft auf 50 Meter Meereshöhe klar komme, antwortet er, dass ihm Köln wohlbekannt sei und er immer wieder gerne dort zu Gast sei. Alexander ist mit 45 Jahren der jüngere der beiden Huberbuam. Der Diplomphysiker war 2013 im Gegensatz zu seinem 47 Jahre alten Bruder Thomas nicht auf Expedition. Stattdessen sorgte sein Buch „Die Angst, dein bester Freund“ für Aufsehen, in dem sich Alexander Huber offener als wohl alle Bergsteiger zuvor zu seinen Ängsten bekennt. Bei unserem Gespräch im „Kölner Vorort“ verrät er, dass die Huberbuam bald wieder gemeinsam losziehen werden.

Alexander, wann erleben wir dich mal wieder auf Expedition?

Die nächste Expedition steht bald an. Mitte Juni geht es in den Karakorum. Schauen wir mal, was passieren wird.

Lässt du die Katze aus dem Sack?

Wir gehen zur Nordwand des Latok I (mit 7145 Metern der höchste Gipfel der Latok-Gruppe). Das Projekt ist bereits relativ oft von richtig guten Alpinisten versucht worden. Bisher hat sich die Wand vehement gewehrt. Wir brauchen jede Menge Glück, um dort Erfolg zu haben. Aber meine Güte, wenn man es nicht versucht, dann kann man es nicht schaffen.

Alexander Huber über das Projekt Latok 1

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Habt ihr noch weitere Bergsteiger im Team?

Mit dabei sind noch der Osttiroler Mario Walder und der Schweizer Dani Arnold, der bekannt ist für seine technische und konditionelle Stärke. Genau das braucht man auch, ein starkes Team, das gut zusammenpasst.

Du hast ja gewissermaßen ein Sabbatjahr eingelegt, fühlst du dich topfit?

Wie kommst du darauf, dass ich ein Sabbatjahr hatte?

Weil du seit 2012 auf Baffin Island nicht mehr auf Expedition warst, oder täusche ich mich da?

Letztes Jahr hatten wir eigentlich das Ziel, eine neue Route am Freney-Pfeiler (am Mont Blanc) frei zu klettern. Dann ist Thomas relativ kurzfristig nach Patagonien abgereist, und ich habe dann tatsächlich so etwas wie ein Partnerproblem gehabt. Ich habe einfach keinen Partner gefunden, der stark genug war, um dieses Projekt zu Ende zu bringen. Man braucht halt zum richtigen Zeitpunkt nicht nur die richtige Form, sondern auch die richtigen Leute, weil man, wenn man nicht gerade free solo klettert, in Seilschaft unterwegs ist.

Apropos, du bist ja inzwischen auch Familienvater, hast drei kleine Kinder. Bedeutet dies das Ende deiner Free-Solo-Projekte?

Das kann ich nicht sicher sagen. Was ich in Zukunft mache, hängt wenig von der Tatsache ab, dass ich eine Familie habe. Ich weiß nicht, ob ich nicht doch noch einmal ein Free-Solo-Projekt realisiere. Was ich weiß, ist, dass wir jetzt unser Nordwand-Projekt am Siebentausender Latok I  im Karakorum angehen. Mal schauen, was dabei herauskommt. Was danach folgt, hängt davon ab, wie es uns dort ergehen wird.

Der Karakorum liegt in Pakistan. Verspürt ihr angesichts der politischen Lage ein Bauchgrummeln, wenn ihr daran denkt, dorthin zu fahren?

Es ist natürlich schon so, dass die politische Lage alles andere als lustig ist und für uns auch ein Problem darstellt. Man ist schon bei der Anreise sehr eingeschränkt. Man kann sich gar nicht mehr offen zeigen, weil Touristen durchaus die Zielscheibe der Taliban sind. Das einzige Gebiet, in dem wir uns sicher fühlen, ist Baltistan selbst. Wenn wir in Skardu gelandet sind, befinden wir uns in einem reinen Schiiten-Gebiet. Die Baltis sind Schiiten, die Hunzas Ismaeliten, sie haben mit den Taliban herzlich wenig gemein. Deshalb ist es ein Taliban-sicheres Gebiet, während es zum Beispiel der Nanga Parbat gar nicht ist.

Alexander Huber über die Lage in Pakistan

Alexander am Mount Asgard auf Baffin Island

Alexander am Mount Asgard auf Baffin Island

Wenn man dich im vergangenen halben Jahr gegoogelt hat, beschlich einen das Gefühl, du seist zum Angst-Experten geworden. Hast du mit deinem Buch über Angst ein Tabu gebrochen, indem du dich als Bergsteiger so intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hast?

Das ist meine eigene Erfahrung, die ich in meinem Leben mit Angst gemacht habe. Und eben nicht nur am Berg, wo die Angst sowieso mein bester Freund ist, weil sie mein Überleben sichert, sondern auch im alltäglichen Leben. Ich habe eine Angsterkrankung so weit durchlebt, dass ich aus meiner Sicht behandlungsbedürftig war. Und ich bin mir selbst dankbar, dass ich irgendwann den Schritt gemacht habe, aktiv Hilfe zu suchen. Das war tatsächlich der Weg zur Besserung. Wenn du vor der Angst davonläufst, wird sie zu deinem größten Feind. Wenn man sich dagegen der Angst stellt, kann man sie sich zum Freund machen. Das hat mich dazu gebracht, dem Buch den entsprechenden Titel zu geben. So gesehen ist „Die Angst, dein bester Freund“ als Titel keine Provokation, sondern absolut ernst gemeint.

Alexander Huber über Angst

Hast du auch Reaktionen aus der Bergsteiger-Szene bekommen? Bergsteiger treten ja oft auf, als wollten sie sagen: Wir sind verwegene Gesellen, wir haben keine Angst.

Das ist grundverkehrt. Der Bergsteiger muss natürlich Angst haben. Wenn er keine Angst hat, wird er nicht mehr lange am Berg unterwegs sein.

Aber er bekennt sich in der Regel nicht dazu.

Das ist sicher ein Tenor meines Buchs, der einiges in der Szene verändert hat. Aber sonst ist von dort wenig Rückmeldung gekommen, viel mehr dagegen aus dem normalen Lebensbereich. Viele Menschen, die zu meinen Vorträgen kommen, sagen mir, dass mein Buch ihnen nicht nur Hoffnung gibt, sondern auch ein guter Wegweiser im Leben sein kann.

Du bist jetzt 45 Jahre alt. Da geraten viele Männer in die Midlife-Crisis. Hat man das als Extrembergsteiger nicht?

Als Sportler befasst man sich schon wesentlich früher mit der Midlife-Crisis, weil die körperliche Kraft schon viel früher nachlässt als mit 45. Mir ist ja ohnehin klar, dass ich nicht weiter Bergsteiger auf Weltspitzenniveau sein kann. Es mag sein, dass mir noch einige besondere Aktionen gelingen, aber nicht auf Grund der schieren Kraft, die ich habe – das liegt schon weit in der Vergangenheit – , sondern durch ein gewisses taktisches Gefühl, durch Erfahrung, durch mentale Kraft, die sehr wichtig ist. Mei, es mag sein, dass mir noch das eine oder andere gelingt, aber es ist ja auch kein Muss.

Alexander Huber über Midlife-Crisis

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