Ballinger – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Der Untergang des Everest-Abenteuers? https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-untergang-des-everest-abenteuers/ Wed, 30 Nov 2016 15:56:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34349 Tibetische Nordseite des Mount Everest

Tibetische Nordseite des Mount Everest

Zwölf Fußfallfelder. So groß soll das neue Bergsteiger-Zentrum werden, das die Chinesen auf der tibetischen Seite des Mount Everest bauen wollen. Nach einem Bericht der staatlichen Zeitung „China Daily“ soll der Riesenkomplex im Ort Gangkar, auch bekannt als Old Tingri, bis zum Jahr 2019 fertiggestellt werden. Der Ort liegt ungefähr 60 Kilometer nordwestlich des Everest, auf der Anreiseroute der Expeditionen zum höchsten Berg der Erde. Das Bergsteiger-Zentrum werde mehr als 100 Millionen Yuan (13,7 Millionen Euro) kosten, so die „China Daily“. Geplant seien unter anderem Quartiere und Restaurants für Bergsteiger, ein Landeplatz für Hubschrauberrettungsflüge, Büros für Expeditionsveranstalter, Werkstätten für Autos, Motorräder und Fahrräder sowie ein Bergsteiger-Museum. Die Bergsteiger-Szene diskutiert in den sozialen Netzwerken heftig über das Projekt. Einige sehen darin nicht weniger als den Untergang des Abenteuers am Everest. Die Nordseite des Everest werde sich „in ein chinesisches Disneyland verwandeln“, meint einer. Ein anderer glaubt, dass ein Sessellift auf den Gipfel nur noch eine Frage der Zeit sei. Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalter Amical Alpin, kann die Aufregung nicht nachvollziehen.

Amical-Chef Müller: „Mehr Sicherheit“

Dominik Müller

Dominik Müller

„Da reden viele Leute mit, die die Situation auf der Nordseite gar nicht kennen“, schreibt mir Dominik. Im so genannten „Chinese Base Camp“ gebe es nur ein paar Teehäuser und „ein komplett heruntergekommenes Haus, in dem die lokalen Betreuer und Offiziere hausen müssen“. Noch wichtiger als der Punkt Infrastruktur sei die Frage der Sicherheit. Eine Bergrettung gebe es dort bisher nicht, so Müller. Da Flüge von Rettungshubschraubern auf der Nordseite verboten seien, müssten alle Höhenkranken und Unfallopfer von den Expeditionsärzten in Zelten versorgt und dann per Jeep aus dem Basislager gebracht werden. „Wenn nun dieses Bergsteiger-Zentrum tiefer als das Basislager gebaut wird, gibt es endlich die Möglichkeit, Höhenkranke, Verletzte und sonstige Kranke schnell vom Basislager in tiefere Lagen zu bringen und dort in ordentlichen Räumlichkeiten zu versorgen“, schreibt Dominik. „Unterm Strich wird dies die Qualität und vor allem die Sicherheit erhöhen und ist aus meiner Sicht zu begrüßen.“

Ähnlich äußerte sich Adrian Ballinger, Chef des US-Veranstalters Alpenglow Expeditions, schon vor Wochen auf Instagram: „Es ist doch gut zu wissen, dass ein schneller Abtransport möglich ist, wenn das Unerwartete geschieht. Es ist ein echter Schritt in der Verpflichtung Chinas/Tibets gegenüber dem Berg und der Bedeutung gut gemanagten Bergsteigens. Ich bin begeistert!“ Ballinger bietet seit 2015 nur noch Everest-Expeditionen über die Nordseite an.

Verkaufsschlager Everest

Kommerzielles Bergsteigen ist längst auch in China populär geworden. Große Expeditionsgruppen aus dem „Reich der Mitte“ tauchen nicht nur an den Achttausendern in Tibet auf – Billi Bierling berichtete im September vom Cho Oyu über eine tibetisch-chinesische Expedition mit etwa 150 (!) Mitgliedern – , sondern auch an den höchsten Bergen Nepals. Die Verantwortlichen in China haben erkannt, dass sich mit Bergtourismus und Bergsport Geld verdienen lässt, vor allem natürlich am höchsten aller Berge. Der Everest lässt sich – wie alle Prestigeberge weltweit – gut verkaufen, nicht nur im Westen und nicht nur an Bergsteiger. Schon 2005 sah ich chinesische Urlauber mit Atemmaske, die sich vom Kloster Rongbuk per Pferdekutsche zum Basislager bringen ließen. „Man kann das Rad nicht mehr zurückdrehen“, glaubt Amical-Chef Dominik Müller. „Durch die einfache und gute Erreichbarkeit des Basislagers wird es hier in Zukunft noch mehr Tagesausflügler geben.“ Bleibt die Frage, ob ein Bergsteiger-Zentrum in Everest-Nähe wirklich zwölf Fußballfelder groß sein muss.

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Erste Gipfelerfolge am Manaslu und Cho Oyu https://blogs.dw.com/abenteuersport/erste-gipfelerfolge-am-manaslu-und-cho-oyu/ Fri, 30 Sep 2016 10:15:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33737 Manaslu

Manaslu

Mit einem einsamen Bergerlebnis hat das wenig zu tun. Vielmehr rollt eine Welle. Von den Achttausendern Manaslu und Cho Oyu werden die ersten Gipfelerfolge der Herbstsaison vermeldet. Die in Kathmandu erscheinende Zeitung „The Himalayan Times“ berichtet unter Berufung auf Mingma Sherpa, Chef des Veranstalters Seven Summit Treks, mindestens 30 Bergsteiger hätten am Freitagmorgen allein bis 9 Uhr morgens den 8163 Meter hohen Gipfel des Manaslu erreicht. Mehr als 50 weitere seien zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Weg zum höchsten Punkt gewesen.

Ratet mal!

Schlange am Cho Oyu

Schlange am Cho Oyu

Auch am Cho Oyu bildete sich heute auf der Normalroute eine Menschenschlange Richtung Gipfel, wie ein Bild des US-Amerikaners Adrian Ballinger (s. rechts) dokumentiert. „Ratet mal, was passiert ist? Wir sind am Gipfel“, twitterte der US-Amerikaner Daniel Mazur vom Veranstalter Summit Climb.  Auch der Anbieter Adventure Consultants vermeldete, dass drei Bergsteiger seines Teams den höchsten Punkt auf 8188 Metern erreicht hätten.

Adrian Ballinger will mit seiner Teampartnerin Emily Harrington im Rahmen ihrer „So-schnell-wie-möglich-hin-und-zurück-Expedition“ erst am Samstag zum Gipfel aufsteigen. Das plant auch die deutsche Bergsteigerin Billi Bierling, für die im Erfolgsfall der Cho Oyu ihr fünfter Achttausender wäre.

Update 14 Uhr: Nach Angaben der Himalayan Times haben heute mindestens 20 Bergsteiger den Gipfel des Cho Oyu und mindestens 60 jenen des Manaslu erreicht.

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Müttertreff am Makalu https://blogs.dw.com/abenteuersport/muettertreff-am-makalu/ Sat, 29 Aug 2015 20:32:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30441 Erster Blick auf den Makalu

Erster Blick auf den Makalu (© Adrian Ballinger/Facebook)

„Wir erreichten das Basislager, ließen die Rucksäcke fallen, warfen uns die Daunenjacken über und blickten nach oben. Der Makalu hatte sich genau diesen Augenblick ausgesucht, um uns seinen Gipfel zu präsentieren“, schreibt Adrian Ballinger nach der heutigen Ankunft zu Füßen des vierthöchsten Bergs der Erde auf Instagram. „Ehrfurcht ist das einzige Wort, das unser Gefühl halbwegs beschreibt.“ Ballinger leitet ein US-Bergsteigerteam, das in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist. Zum einen ist es überhaupt die einzige Expedition, die sich in diesem Herbst an dem in Nepal gelegenen Achttausender versucht. Zum anderen will das Team die erste Skiabfahrt vom 8485 Meter hohen Gipfel schaffen. Und dann sind auch noch drei der fünf Expeditionsmitglieder Frauen, zwei davon Mütter, auch das nicht gerade alltäglich im Höhenbergsteigen.

Diesmal ohne Flaschensauerstoff

Ballinger, Chef des Veranstalters Alpenglow Expeditions, ist ein erfahrener Expeditionsleiter. Zwölfmal stand der 39-Jährige bisher auf Achttausendergipfeln, davon allein sechsmal auf dem Mount Everest. Vom Manaslu und vom Cho Oyu fuhr er mit Skiern ab. Mit dabei sind seine Landsfrauen Emily Harrington, Kit DesLauriers und Hilaree O’Neill sowie als zweiter Mann im Team Jim Morrison. Die 29 Jahre alte Emily, Adrians Lebensgefährtin, hat sich vor allem vorgenommen, den Makalu ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Es wäre ihr zweiter Achttausender nach dem Mount Everest, dessen Gipfel sie 2012 mit Atemmaske erreicht hatte. Kit, 45 Jahre alt, war 2006 die erste Frau, die vom höchsten Punkt der Erde mit Skiern startete. Eine vollständige Everest-Skiabfahrt wurde es wegen der schwierigen Verhältnisse nicht. DesLauriers will auch am Gipfel des Makalu die Ski anschnallen. Das hat sich auch die 42 Jahre alte Hilaree vorgenommen. Sie fuhr bereits vom Cho Oyu ab. 2012 stand O’Neill innerhalb von 24 Stunden auf den Gipfeln von Mount Everest und Lhotse. Jim Morrison ist ein Bauunternehmer aus Kalifornien, der sich mit einigen Erstbesteigungen und extremen Skiabfahrten in der Szene einen Namen gemacht hat.

Türen geöffnet

Quinn und Grayden in Nepal (© Hilaree O’Neill/Facebook)

Quinn und Grayden in Nepal (© Hilaree O’Neill/Facebook)

O’Neill und DesLauriers sind Mütter. Hilaree hat zwei Söhne, Kit zwei Töchter. O’Neills Mann Brian, der achtjährige Quinn und der sechsjährige Grayden sind sogar mit dem Expeditionsteam zum Basislager gewandert. „Dass unsere Jungs beim Trekking dabei sind, hat uns einige Türen bei den Einheimischen geöffnet“, schreibt Hilaree auf Facebook. „Und sie haben schon viele neue Freunde gefunden.“ Beide Jungs seien schon mehrfach über 14.000 Fuß (4267 Meter) unterwegs gewesen und deshalb gut vorbereitet, sagt O’Neill.

Abenteuer in Familienleben einbauen

Die beiden sechs und sieben Jahre alten Töchter von DesLauriers sind mit Kits Ehemann Rob zu Hause geblieben. Nicht alle verstünden, dass sie als Mutter zweier Kinder auf Achttausender-Expedition gehe, räumt DesLauriers ein. „Glücklicherweise gibt es aber im Gegensatz zu den Neinsagern auch Leute, die glauben, dass es Kindern beiderlei Geschlechts ein unschätzbares Beispiel geben kann, wenn Bergsteigerinnen ihrer Leidenschaft auch nachgehen, nachdem sie Mütter geworden sind.“ Sie versuche, möglichst nicht allzu lange abwesend zu sein. „Immer wenn ich abreise, ist es für mich hart, und ich bin sicher, dass es auch für meine Kinder nicht leicht ist“, sagt Kit. „Doch jedes Mal, wenn ich zurückkehre, bin ich als Elternteil noch mehr bei der Sache – und voller Ideen, wie ich die nächste Abenteuerreise in unser Familienleben einbauen kann.“

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Göttler: Gewaltbereite Sherpas vergiften Everest-Klima https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-david-goettler-everest/#comments Sat, 03 May 2014 09:59:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25997 David Göttler

David Göttler

Über 300 Everest-Träume sind vorerst geplatzt. So viele Bergsteiger kehrten nach der Lawine im Khumbu-Eisbruch unverrichteter Dinge heim, nachdem ihre Expeditionen abgeblasen worden waren. Zu ihnen gehörte auch David Göttler. Der 35 Jahre alte Münchener hatte versuchen wollen, den höchsten Berg der Erde über die Normalroute auf der nepalesischen Südseite ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. Göttler war noch dabei, sich zu akklimatisieren, als ihn die ersten, noch widersprüchlichen Meldungen über die Lawine erreichten. „Anfangs habe ich gehofft, vielleicht doch noch einen Versuch machen zu können“, erzählt mir David am Telefon. Deshalb habe er sein Vorbereitungsprogramm zunächst auch fortgesetzt. „Als ich am Gipfel des Island Peak (Sechstausender im Everest-Gebiet) war und unterhalb des höchsten Punktes übernachten wollte, kam die Nachricht, dass meine Expedition und auch alle anderen abgebrochen würden.“ Er kehrte nach Kathmandu zurück.

„David, was hat dich letztlich bewogen, das Unternehmen komplett fallen zu lassen? Du hättest doch zum Basislager weiterziehen und alleine durch den Eisbruch klettern können.

Adrian Ballinger vom Veranstalter Alpenglow, auf dessen Permit ich lief, ist von Kathmandu aus ins Basislager geflogen und hat mit seinen Sherpas geredet. Er hat sie auch gefragt, ob ich kommen könnte. Adrian wollte, nachdem er seine Gäste mit Sauerstoff auf den Gipfel geführt hätte, mit mir zusammen noch einen Versuch ohne Sauerstoff machen. Aber die Sherpas haben relativ deutlich gesagt, dass eine kleine, aber anscheinend sehr einflussreiche Sherpa-Gruppe jedem, der höher als das Basislager steigen wollte, Gewalt androhte. So wurde auch dem Basislager-Personal, z. B. unserem Küchenchef, gedroht, dass seine Familie zu Schaden kommen werde. Das ist etwas, was ich absolut nicht gutheißen kann und scharf kritisiere.

Das war nur eine kleine Gruppe. Der Großteil der Sherpas hat tief getrauert. Ich verstehe jeden einzelnen, der sagt, ich möchte in dieser Saison nicht mehr den Everest besteige. Das akzeptiere ich und würde niemals jemanden zwingen, für mich Fixseile zu legen. Aber ich möchte immer noch als Bergsteiger die Möglichkeit haben, die Risiken selbst zu beurteilen und dann für mich zu entscheiden, ob ich gehe oder nicht. Nachdem aber ausdrücklich gesagt wurde, dass es nicht erwünscht sei, dass irgendwer bergsteige, haben wir auch abgebrochen.  Das ist eine Atmosphäre, in der ich mich nicht wohl fühle und in der ich nicht bergsteigen möchte.

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Im letzten Jahr griffen Sherpas Ueli Steck und Simone Moro in Lager 2 tätlich an. Jetzt drohte eine kleine Gruppe Gewalt an und übte Druck aus. Gewalt ist plötzlich ein Thema am Everest. Denkst du, dass die Sherpas in sich gehen müssen, weil offenkundig ein Riss durch ihre Gemeinschaft geht?

Sie müssen das Problem auf jeden Fall lösen. Diese Atmosphäre von Drohungen und Gewaltbereitschaft vergiftet das ganze Klima. Dabei schießen sich die Sherpas doch ins eigene Bein, weil sie ziemlich schnell merken werden, was passiert, wenn keine Expeditionen mehr kommen. Gerade die Sherpas dieser kleinen gewaltbereiten Gruppe, die für Veranstalter arbeiten, die ihre Mitarbeiter nicht ausreichend versichern, werden als erste keine Arbeit mehr haben. Ich weiß nicht, wie sie dann reagieren.

Ich hatte das Gefühl, dass sich im letzten Jahr alle darauf verlassen haben, dass die Regierung einschreitet. Das hat offenkundig nicht funktioniert. Welche Rolle kann und sollte die Regierung überhaupt spielen? Ist es nicht vielmehr Aufgabe der Bergsteiger-Gemeinschaft, dieses Problem selbst zu lösen?

Ich komme nach Nepal und zahle mein Permit an die Regierung und nicht an die Sherpas. Von daher würde ich mir wünschen, dass die Regierung und das SPCC (Sagarmatha Pollution Control Comittee, die Verwaltung des Everest-Nationalparks) dieses Geld auch in die Everest-Region weitergibt oder zumindest, dass dort ein größerer Teil als bisher ankommt. Jedes Wasserkraftwerk, jede Brücke, jede Schule, jedes Krankenhaus im Khumbu-Gebiet ist aus Deutschland, Italien, den USA oder anderen westlichen Ländern  gesponsert. Da frage ich mich, wie wahrscheinlich auch die Sherpas: Wo bleibt eigentlich das Geld dieser Permits von 300 und mehr Bergsteigern für jeweils 10.000 Dollar? Auf der anderen Seite sollte es auch selbstverständlich sein, dass jeder zahlende Kunde sich einen Veranstalter aussucht, der verantwortungsvoll mit seinen Angestellten umgeht. Hätte ich mich für den preisgünstigsten Veranstalter entschieden, hätte ich 5000 Euro sparen können. Ich kannte ihn aber nicht und wusste nicht, welche Versicherungen er abschließt und wie er seine Leute behandelt.

Die Sherpas – von den „Ice doctors“, über die Hochträger bis zu den Climbing Sherpas – riskieren im Khumbu-Eisbruch Kopf und Kragen. Hast du Verständnis, wenn sie fordern, für ihren gefährlichen Job besser bezahlt zu werden?

Es muss so honoriert werden, dass beide Seiten damit einverstanden sind. Da bin ich einer Meinung mit den Sherpas. Aber sie müssen die Bezahlung aushandeln, bevor die Arbeit losgeht. Jeder Sherpa unterschreibt bei seiner Agentur einen Vertrag, in dem genau steht, wie hoch die Versicherungssumme im Todesfall ist, wie oft er durch den Eisbruch gehen muss, wie viel Geld er dafür erhält. Wenn ich in den Alpen als Bergführer arbeite und einen Job am Mont Blanc annehme, weiß ich auch, dass es dort die Tacul-Flanke gibt, wo schon mehrere Bergführerkollegen bei Lawinen ums Leben gekommen sind. Trotzdem mache ich es eine bestimmte Summe, die ich vorher aushandele. Ich weiß, was mich erwartet. Genauso wissen die Sherpas, was sie im Khumbu-Eisbruch erwartet. Ich war in drei verschiedenen Jahren dort, und der Weg war immer gleich gefährlich. In diesem Jahr war das Unglück, dass so viele zur falschen Zeit an der falschen Stelle waren. Das hätte in all den Jahren zuvor ebenfalls passieren können. Ich weiß an der Tacul-Flanke auch, dass ich ums Leben kommen kann. Aber ich kann nicht plötzlich, wenn vor mir eine Lawine abgeht, in Streik gehen und sagen: Jetzt möchte ich doppelt so viel Geld, weil es doppelt so gefährlich ist. Die Sherpas, die am Everest arbeiten, sind clever, nicht ungebildet. Sie waren schon dort und gehen wieder hin, weil sie wissen, es ist sehr gut bezahlte Arbeit. Wenn sie mehr Geld wollen, ist es auch okay. Aber dann sollen sie es vorher aushandeln. Sie können nicht plötzlich das Doppelte verlangen, das kann ich nicht unterstützen.

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Erstmals seit dem Beginn kommerzieller Expeditionen zum Everest ist eine Saison vorzeitig zu Ende gegangen. Glaubst du, dass die großen Veranstalter jetzt auf die Nordseite wechseln werden?

Ich bezweifle es. In einem Jahr gerät vieles in Vergessenheit. Ich weiß auch nicht, ob es für kommerzielle Veranstalter die bessere Wahl wäre, auf die Nordseite zu gehen. Auch dort gibt es Nachteile. So kann die chinesische Regierung von einem Tag auf den anderen sagen: Der Berg ist jetzt geschlossen, weil der Dalai Lama das Land XY besucht hat. Auch die Möglichkeiten, Bergsteiger in Not zu retten, sind bei weitem nicht so gut wie auf der Südseite, wo Helikopter-Rettungsflüge bis Lager 2 gang und gäbe sind. Auf der Südseite habe ich außerdem eine niedrigere Schlafhöhe im letzten Lager. Ich weiß nicht, was für einen kommerziellen Veranstalter mittlerweile das kleinere Übel ist.

Ich würde mir wünschen, dass die nepalesische Südseite wieder gut funktioniert, in dem Sinne, dass die Sherpas, die Veranstalter und die individuellen Bergsteiger wieder gut zusammenarbeiten und sich gegenseitig respektieren, damit alle zusammen bergsteigen können, in den verschiedenen Spielformen.

Wie sieht es jetzt mit deinen persönlichen Everest-Ambitionen aus?

Ich möchte immer noch den Everest wenigstens einmal probieren. Wenn es sich wirklich bewahrheitet, dass das Permit für fünf Jahre gültig bleibt, werde ich sicher auch noch einmal auf die Südseite zurückkehren.“

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