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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Instant-Expedition zum Cho Oyu

Gipfelregion des Cho Oyu

Gipfelregion des Cho Oyu

Wer stoppt die Grauen Herren? Die Zeitdiebe, die Michael Ende 1973 in seinem Roman „Momo“ ihr Unwesen treiben ließ, scheinen auch im Himalaya eingefallen zu sein. Westliche Veranstalter registrieren seit Längerem, dass die Chance, Expeditionen zu verkaufen, umso höher ist, je kürzer die Reisen nach Asien dauern. Es gibt nicht allzu viele Arbeitgeber, die den Urlaubsantrag eines Angestellten über zwei volle Monate genehmigen, nur weil der auf Achttausender-Expedition gehen will.

Akklimatisationszeit einsparen

Der US-Anbieter Alpenglow Expeditions hat die Bredouille erkannt, in der potentielle Achttausender-Aspiranten stecken und bietet so genannte „Rapid Ascent Expeditions“ an, also „Schnellaufstieg-Expeditionen“: Die Teilnehmer gewöhnen sich noch in der Heimat in Hypoxie-Zelten an die dünne Luft, um Zeit für die aufwändige Akklimatisation vor Ort einzusparen, und reisen erst an, wenn der Berg schon mit Fixseilen präpariert ist. So schmilzt Alpenglow etwa die Dauer einer Everest-Expedition auf der tibetischen Nordseite auf 42 Tage zusammen. Die Cho-Oyu-Expedition des US-Veranstalters in diesem Herbst ist nur auf 30 Tage veranschlagt.

Auf präparierter Piste

Hypoxie-Training daheim

Hypoxie-Training daheim

Dass es noch viel schneller geht, will Alpenglow-Chef Adrian Ballinger beweisen. Mit seiner Lebensgefährtin, der 30-jährigen Profi-Kletterin Emily Harrington, ist der 40 Jahre alte US-Amerikaner nach Lhasa geflogen, um den Cho Oyu zu besteigen. In weniger als zwei Wochen wollen die beiden zurück in den USA sein. Ballinger und Harrington haben ein intensives Hypoxie-Training daheim am Lake Tahoe in Kalifornien hinter sich – und genau verfolgt, für wann die Meteorologen ein Schönwetter-Fenster für den Berg vorhersagen. Ohne die sonst üblichen Akklimatisierungsrunden wollen sie auf der präparierten Normalroute direkt zum 8188 Meter hohen Gipfel aufsteigen, so hoch wie möglich ohne zusätzlichen Sauerstoff. Für die oberen Bereiche des Bergs sollen aber Sauerstoffflaschen bereitliegen, die von den Sherpas der kommerziellen Alpenglow-Expedition dort deponiert worden sind. Das Paar will vom Gipfel mit Skiern abfahren und anschließend sofort wieder in die USA zurückreisen.

Ende der Entschleunigung

Zeitdiebe (auf einer Graffiti-Wand in Trier)

Zeitdiebe (auf einer Graffiti-Wand in Trier)

Sollten Ballinger und Harrington ihre „Instant-Expedition“ erfolgreich beenden, wäre das natürlich beste Werbung für die Schnellaufstieg-Expeditionen von Alpenglow. Auf der Strecke bleiben dabei unter anderem die Entschleunigung während einer Expedition, das Eintauchen in fremde Länder und Kulturen, die Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung, mit den Expeditionskollegen und nicht zuletzt auch mit sich selbst, kurz: das eigentliche Expeditionsleben. Und die Grauen Herren reiben sich die Hände.

Datum

24. September 2016 | 14:26

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