Boudhanath – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Erschütterungen, die nachwirken https://blogs.dw.com/abenteuersport/erschuetterungen-die-nachwirken/ Fri, 11 Mar 2016 17:40:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32075 Bauarbeiten im Touristenviertel Thamel

Bauarbeiten im Touristenviertel Thamel

„Ich bin jetzt 57 Jahre alt“, sagt Sunil. „Und das war das einschneidendste Erlebnis, das ich bisher hatte.“ Der Nepalese spricht über den 25. April vergangenen Jahres, als in Nepal die Erde bebte. Fast 9000 Menschen kamen ums Leben. Sunil nahm gerade in einer Halle in der Hauptstadt Kathmandu an einer Veranstaltung mit 2500 Gästen teil. „Plötzlich schaukelte das gesamte Gebäude. Alle strebten dem Ausgang zu, der viel zu klein für den Ansturm war“, erinnert sich Sunil. „Die Leute fielen übereinander, es gab eine Panik. Ich dachte, es hat keinen Zweck. Ich muss hier drinnen bleiben. Wenn ich es nicht überlebe, sollte es eben so sein.“ Die Halle hielt den Erschütterungen stand. Sunil kam mit dem Schrecken davon.

Visum im Eiltempo

Das Leben in Kathmandu wirkt fast wie immer: chaotisch, laut, bunt. Doch es fällt auf, dass deutlich weniger Touristen in der Stadt sind als sonst üblich. Im Flugzeug, mit dem ich anreiste, saßen nur ungefähr ein Dutzend Urlauber, sonst nur nepalesische Gastarbeiter aus der Golfregion. Noch niemals zuvor erhielt ich mein Visum am Flughafen so schnell wie diesmal. Keine Schlangen vor den Schaltern, bereits nach zehn Minuten stand ich am Gepäckband. Auch Thamel, das Touristenviertel der Stadt, wirkt mittags fast, als hätte bereits die Sperrstunde eingesetzt. Ein paar Backpacker verlieren sich in den Gassen. Wie sollen nur all die Ladenbesitzer über die Runden kommen?

Tod in der Mittagspause

Stupa von Swayambhunath

Stupa von Swayambhunath

Oben in Swayambhunath, einer der ältesten buddhistischen Tempelanlagen überhaupt, zeugen noch einige Trümmer von dem Beben vor fast einem Jahr. „Ein Klostergebäude ist eingestürzt. Sechs Bauarbeiter, die dort arbeiteten, waren gerade zur Mittagspause gegangen“, erzählt einer der selbsternannten Fremdenführer auf dem Tempelhügel, die sich jedem Touristen an die Fersen heften, um ein paar Rupien Trinkgeld abzustauben. „Einer der Arbeiter wollte nicht mitkommen. Er starb in den Trümmern.“ Das Zentrum der Anlage, der buddhistische Stupa, blieb unversehrt. Nur einer der beiden hinduistischen Türme, die ihn flankieren, stürzte ein.

Kopflos

Wegen Wiederaufbaus gesperrt

Wegen Wiederaufbaus gesperrt

Am anderen Ende der Stadt hat es den Stupa in Boudhanath, der zum Weltkulturerbe gehört, schlimmer erwischt. Die komplette Spitze mit den markanten Augen des Bhudda brach ab. Die Aufbauarbeiten haben vor kurzem begonnen. Überhaupt wird viel gebaut in Kathmandu. Die Erdbebenschäden sollen so schnell wie möglich beseitigt werden, damit die Urlauber zurückkehren. Der Himalaya-Staat hängt schließlich an der Nabelschnur des Tourismus. Nach offiziellen Angaben kamen im letzten Jahr ein Drittel weniger Urlauber nach Nepal als 2014. In Wahrheit sei der Tourismusmarkt noch viel deutlicher eingebrochen, erzählt eigentlich jeder, den ich in Kathmandu darauf anspreche.

Zwei Monate im Garten gezeltet

In der Nähe des Flughafens, direkt neben dem riesigen Gelände eines Luxushotels, leben noch immer rund 450 Menschen in einer Zeltstadt. Ihre Häuser waren bei dem Beben zusammengebrochen. Sunil hatte mehr Glück. Nur eine Begrenzungsmauer seines Grundstücks stürzte ein. „Trotzdem haben wir zwei Monate im Zelt im Garten übernachtet – und mit uns viele Nachbarn, die keinen Garten haben“, erzählt Sunil. „Wir sind nur ins Haus gegangen, wenn wir etwas dringend benötigten.“ Auch wenn es jetzt nur noch wenige und sehr schwache Nachbeben gibt, die Angst sei immer noch da. „Schließlich gibt es Wissenschaftler, die für unsere Gegend in naher Zukunft ein noch stärkeres Erdbeben erwarten.“

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Stupa von Boudhanath

Vier Jahre lang haben wir uns nicht mehr gesehen. In dieser Zeit ist viel im Leben des Mahesh Kumar Budha geschehen. Er ist zum vierten Mal Vater geworden – und sein eigener Chef. Im Frühjahr eröffnete er mit einem Partner eine Trekkingagentur. „Ich habe lange überlegt, ob ich in einen der Golfstaaten auswandern sollte, um meine Familie über Wasser zu halten“, erzählt Mahesh. Er entschied sich gegen den Abschied aus Nepal und für das Wagnis, ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Ich bin seit 20 Jahren im Tourismusgeschäft. So viel Erfahrung sollte sich doch auszahlen.“

Riesige Konkurrenz

Wir kennen uns seit 2003, als Mahesh mich bei einem Kurztrekking durch das Annapurna-Gebiet führte. Wir sitzen in seinem Büro im Touristenviertel Thamel. Zwei in die Jahre gekommene Schreibtische stehen darin, dazu zwei Ledersessel, die auch nicht neuer sind. An die Wand haben Mahesh und sein Geschäftspartner die Lizenzen und Urkunden gehängt, mit denen sie nachweisen können, dass sie ein seriöses Unternehmen der Trekkingbranche führen. „Die Konkurrenz ist riesig“, sagt Mahesh. „Allein hier in Kathmandu gibt es 800 Agenturen.“

Full-Time-Job

Mahesh vor dem Büro seiner Trekkingagentur

Aller Anfang ist schwer. Zehn bis zwölf Stunden sitzt Mahesh täglich in seinem Büro und hofft auf Kundschaft. Ein paar Trekkinggruppen hat seine neue Firma bereits betreut. „Alle waren mit unserem Service sehr zufrieden“, versichert der Nepalese. Freunde aus der Schweiz haben Mahesh versprochen, ihm in der Alpenrepublik  Kontakte zu verschaffen. „Vielleicht spricht sich das ja dann auch bis nach Deutschland herum.“ Als wir uns verabschieden, drückt mir Mahesh noch einen Stapel Visitenkarten in die Hand. „Erzähle den Leuten, dass sie Nepalreisen bei uns viel billiger haben können und doch auf nichts verzichten müssen!“

Begegnung im Gebetsraum

Mönch betet Mantras (höre das Audio!)

Nach meinem Besuch bei Mahesh zieht es mich wieder einmal nach Boudhanath. Dieser Stupa, in dem angeblich auch Asche von Buddha liegt, ist für die Sherpas der wichtigste religiöse Ort in Kathmandu. Auch wenn sich rund um den Stupa ein Souvenirladen an den anderen reiht, verbreitet Boudhanath eine mystische Stimmung. Dreimal umrunde ich den Stupa im Uhrzeigersinn.

Buddhistischer Mönch betet Mantras

Anschließend besuche ich ein kleines buddhistisches Kloster an der Nordseite des Areals. Ich ziehe meine Schuhe aus und betrete den Gebetsraum. Ein junger Sherpa spricht mich an. Woher ich komme, was ich hier suche? Ich erzähle ihm, dass wir morgen in Richtung Dolpo starten, um den Siebentausender Putha Hiunchuli zu besteigen – und dass ich diesen religiösen Ort aufgesucht habe, um mich noch einmal innerlich zu sammeln. „Du machst es genau richtig“, sagt der Sherpa und klopft mir auf die Schultern. „Nur wenn du mit dir im Reinen bist, wirst du Erfolg haben.“

Kein Zufall, sagt der Sherpa

Butterlampen

Der Sherpa, der aus der Khumbu-Region, dem Gebiet um den Mount Everest, kommt, lädt mich ein, eine Räucherkerze an einer Butterlampe zu entzünden. Ein Mönch hängt mir einen gelben Schal um den Hals und beginnt, Gebete vor sich hin zu murmeln. Er schüttet mir gelb gefärbtes Wasser in die Hand, von dem ich einen Teil trinken und den Rest in die Haare schmieren soll. Dann streicht mir der Mönch mit einem kleinen Wedel über den Kopf und beendet den Segen. Gegen eine kleine Spende schreibt er meinen Namen in ein Notizbuch. Bei der nächsten Puja, einer buddhistischen Zeremonie, wollen mich die Mönche in ihr Gebet einschließen. „Du wirst bestimmt Erfolg haben“, sagt der junge Sherpa beim Abschied. „Es war kein Zufall, dass du hier warst. Die Götter haben dich hergeleitet.“

P.S: Morgen fliegen wir erst am Nachmittag von Kathmandu nach Nepalgunj. Wundert euch nicht, wenn der nächste Beitrag auf sich warten lässt. Von Montag an wird alles nur noch per Satellitentechnik übermittelt. Da müsst ihr schon einmal Geduld haben! 😉

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