David Lama – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 David Lama nach Solo-Erstbesteigung des Lunag Ri: „Intensivste Zeit“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama-nach-solo-erstbesteigung-des-lunag-ri-intensivste-zeit/ Tue, 27 Nov 2018 11:17:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42833

Die letzten Meter zum Gipfel des Lunag Ri (Bild aufgenommen von einer Drohne)

„Ich quere die letzten paar Meter über windgepressten Schnee, der auf der nepalesischen Seite des Berges am Granit klebt. Auch wenn mein Kopf voll ist mit den Eindrücken, die ich dort oben jeden Augenblick aufsauge, so sind meine Gedanken doch irgendwie leer. Das Wissen, sich keinen Fehler erlauben zu dürfen, ist konstant präsent und dominanter als alle Gefühle. Es mündet in intensiver, fast schon anstrengender Konzentration, wie ich sie nur von anderen Alleingängen in den Bergen kenne“, schreibt der österreichische Top-Bergsteiger David Lama auf seiner Internetseite über jenen Moment, als der 28-Jährige vor gut einem Monat als erster Mensch den Gipfel des 6907 Meter hohen Lunag Ri betrat (s. Video unten). Der technisch schwierige Berg liegt im Rolwaling Himal an der Grenze zwischen Nepal und Tibet, gut 35 Kilometer Luftlinie nordwestlich des Mount Everest. „Ganz vorne am Gipfelsporn angekommen bleibe ich stehen. Es fühlt sich ungewohnt an, dass es auf einmal kein weiter mehr gibt. Ich sacke auf meine Knie, bin müde und glücklich, auch wenn ich es jetzt gerade vielleicht nicht so ausdrücken könnte. Ich denke kurz an Conrad. Er ist der einzige, mit dem ich diesen Moment gerne geteilt hätte.“

Im dritten Anlauf erfolgreich

David Lama alleine unterwegs

Bei ihrem ersten gemeinsamen Versuch im Herbst 2015 hatten Lama und der mit allen Himalaya-Wassern gewaschene US-Bergsteiger Conrad Anker 300 Meter unterhalb des Gipfels wegen einer taktischen Fehlentscheidung umkehren müssen. Ein Jahr später erlitt Conrad am Berg einen Herzinfarkt und musste vorzeitig abreisen. David versuchte einen Soloaufstieg versucht, diesmal war rund 250 Meter unter dem Gipfel Endstation. Nachdem der inzwischen von seinem Infarkt wieder genesene 56 Jahre alte Anker aus Rücksicht auf seine Familie für den dritten Anlauf in diesem Herbst abgesagt hatte, plante David akribisch einen neuerlichen Alleingang und war – wie berichtet – am 25. Oktober erfolgreich. Seitdem hatte die Bergsteigerszene mit Spannung auf nähere Informationen Lamas gewartet.

„Recht nahe am Limit“

Am Grat

Nach eigenen Angaben kämpfte sich David drei Tage lang bei eisigen Temperaturen von bis zu minus 30 Grad Celsius und stürmischem Wind von bis zu 80 Stundenkilometern über den Nordwestgrat den Berg hinauf. In anspruchsvollem kombiniertem Gelände musste Lama sowohl steile Schneefelder und sprödes Eis als auch Felspassagen überwinden. An besonders exponierten Stellen habe er sich selbst gesichert, so David, die meiste Zeit sei er ohne Seil geklettert. Zweimal übernachtete der Österreicher im Biwakzelt, nach dem Gipfelerfolg stieg er in einem Zug ab und erreichte im Dunkeln wieder das Basislager. „Am letzten Tag bin ich recht nahe an mein Limit gekommen“, sagt David rückblickend. „Die drei Tage am Lunag Ri waren mitunter die intensivste Zeit, die ich jemals an einem Berg erlebt habe. Allein zu sein, hat dieses Gefühl nochmals verstärkt, genauso wie alles, was ich seit meinem ersten Erstbesteigungsversuch mit Conrad Anker 2015 erlebt habe.“

]]>
David Lama soll Solo-Erstbesteigung des Lunag Ri gelungen sein https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama-soll-solo-erstbesteigung-des-lunag-ri-gelungen-sein/ Wed, 31 Oct 2018 12:46:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42625

David Lama

Es sieht danach aus, als hätte er es geschafft. David Lama soll im Alleingang den 6895 Meter hohen Lunag Ri in Nepal erstbestiegen haben. Ich bin noch ein bisschen vorsichtiger als viele andere Medien aus aller Welt, weil der 28 Jahre alte Topbergsteiger selbst seinen Coup noch nicht bestätigt hat. Auch sein Büro daheim in Österreich hüllt sich noch in Schweigen. Meine Nachfrage dort blieb bisher unbeantwortet. Die einzige Quelle ist damit weiterhin der US-Amerikaner Conrad Anker, der David vor einigen Tagen über die sozialen Netzwerke gratulierte, „zum erfolgreichen Soloaufstieg und Abstieg vom Lunag Ri. Aller gute Dinge sind drei!“

Mit leichtem Rucksack

Lunag Ri

Bei den ersten beiden Versuchen 2015 und 2016 hatten Lama und Anker gemeinsam versucht, den technisch schwierigen Berg im Rolwaling Himal an der Grenze zwischen Nepal und Tibet, gut 35 Kilometer Luftlinie nordwestlich des Mount Everest, erstmals zu besteigen. Beim ersten Anlauf über den Nordostgrat hatten sie rund 300 Meter unterhalb des Gipfels umkehren müssen. Beim zweiten Versuch ein Jahr später hatte Conrad am Berg einen Herzinfarkt erlitten und die Expedition abbrechen müssen. David hatte es spontan solo versucht, war auch etwas höher gelangt als beim ersten Mal, dann aber zurückgekehrt. „Für mich ging es nicht mehr darum zum Gipfel zu steigen – das käme einem Selbstmord gleich – für mich ging es lediglich darum, die Kraft aufzubringen, gesund runterzukommen“, bilanzierte David damals.

Nachdem Conrad Anker diesmal mit Rücksicht auf seine Familie abgesagt hatte, hatte sich David Lama von Beginn an auf einen Soloversuch eingestellt. Er nahm sich vor, mit möglichst wenig Material aufzusteigen, um große Passagen seilfrei klettern zu können. Offensichtlich ist seine Taktik aufgegangen. Denn dass Conrad Anker ihm gratuliert, ohne dass er aus sicherer Quelle von Davids Erfolg erfahren hat, erscheint extrem unwahrscheinlich.

]]>
David Lama: Lunag Ri, die Dritte! https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama-lunag-ri-die-dritte/ Wed, 10 Oct 2018 14:26:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42241

David Lama

Dreimal ist göttlich? David Lama versucht sich derzeit in Nepal erneut am noch unbestiegenen 6895 Meter hohen Lunag Ri – diesmal jedoch von Beginn an im Alleingang. Der technisch schwierige Berg liegt im Rolwaling Himal an der Grenze zwischen Nepal und Tibet, gut 35 Kilometer Luftlinie nordwestlich des Mount Everest. 2015 und 2016 war der 28 Jahre alte Topbergsteiger aus Österreich an dem Fast-Siebentausender gescheitert, jeweils rund 300 Meter unter dem Gipfel – beim ersten Anlauf über den Nordostgrat gemeinsam mit dem erfahrenen US-Amerikaner Conrad Anker. Auch beim zweiten Mal waren Lama und Anker zusammen angereist, doch Conrad hatte am Berg einen Herzinfarkt erlitten und die Expedition vorzeitig abbrechen müssen. David hatte daraufhin kurz entschlossen versucht, den höchsten Punkt solo über eine leicht abgewandelte Route zu erreichen – vergeblich. Zeit und Kraft waren ihm ausgegangen.

So wenig wie möglich im Rucksack

David 2016 mit Conrad Anker (r.)

„Für mich ging es nicht mehr darum zum Gipfel zu steigen – das käme einem Selbstmord gleich – für mich ging es lediglich darum, die Kraft aufzubringen, gesund runterzukommen“, bilanzierte David damals. So richtig wohl hatte er sich bei seinem Solo-Versuch nicht gefühlt: „Es fehlt das gemeinsame Erleben am Berg und das Teilen der Verantwortung für das Gelingen der Mission.“ Auch diesmal fragte Lama den von seinem Herzinfarkt genesenen Conrad Anker, ob er nicht wieder zum Lunag Ri mitkommen wolle. Doch der 55-Jährige sagte mit Rücksicht auf seine Familie ab. Also beschloss David, es erneut alleine zu versuchen – im Gegensatz zu 2016 jedoch geplant. Er will bei seinem Solo-Aufstieg zum Gipfel so wenig Material wie möglich mitnehmen. „Ich kann mehr seilfrei klettern, weil ich leichter unterwegs sein werde“, sagte David vor seiner Abreise im Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“.

Lieber scheitern als sich selbst betrügen

David (Bildmitte) am Nordostgrat des Lunag Ri

Lama ist zuversichtlich, dass er den Gipfel des Lunag Ri im dritten Versuch schaffen kann. Doch wenn nicht, bräche Davids Welt davon auch nicht zusammen. „Erfolg bedeutet für mich nicht einfach nur den Gipfel eines Berges zu erreichen“, hat er einmal geschrieben. „Es heißt viel mehr, dass ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht werde. Wenn wir uns so leichtfertig mit bescheideneren Zielen zufrieden geben, betrügen wir uns nur selber. Denn es ist der gelebte Mut zu scheitern, der den Unterschied macht!“

]]>
Der ewige Lausbub https://blogs.dw.com/abenteuersport/peter-habeler-der-ewige-lausbub/ Fri, 13 Oct 2017 17:30:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38135

Peter Habeler

Auch mit 75 wirkt er noch wie ein Lausbub. Gut gelaunt, immer einen Witz auf den Lippen, die Lachfalten im Gesicht – und dazu fit wie ein Turnschuh. „Das Klettern ist mein Jungbrunnen“, sagt Peter Habeler. Nach wie vor klettert der Tiroler aus dem Zillertal durch steile Felswände. Kurz vor seinem runden Geburtstag sogar durch die Eiger-Nordwand, gemeinsam mit David Lama, im Winter. „Das war für mich etwas ganz Besonderes,“ erzählt mir Peter, als wir unterhalb der Geislerspitzen im Südtiroler Villnösstal entlangwandern. „Ich habe David ja quasi entdeckt, als er als kleiner Junge seine ersten Kletterversuche in meiner Alpinschule im Zillertal machte. Da habe ich schon gesehen, das wird ein Großer.“ Heute gehört Lama zu den besten Bergsteigern der Welt. „Als ich in der Eiger-Nordwand hinter ihm hergeklettert bin und beobachtet habe, wie locker und flüssig er selbst die schwierigsten Passagen gemeistert hat, fühlte ich mich an die Zeit zurückerinnert, als ich selbst noch jung war“, sagt Peter.

„Ich wollte am Everest nicht sterben“

Villnößtal mit den Geislerspitzen

Die Wanderung mit Habeler gehört zum Programm des International Mountain Summit in Brixen. Dass wir ausgerechnet im Villnößtal unterwegs sind, passt irgendwie: Hier wuchs schließlich Reinhold Messner auf, an den Geislerspitzen sammelte der Südtiroler seine ersten Erfahrungen als Kletterer. Mit Messner feierte Habeler seine bekanntesten Erfolge: 1975 gelang den beiden am Gasherbrum I in Pakistan die erste Besteigung eines Achttausenders im Alpinstil – also ohne Flaschensauerstoff, ohne feste Hochlager, Fixseile und Sherpa-Unterstützung. 1978 folgte dann ihr größter gemeinsamer Coup, die erste Besteigung des Mount Everest ohne Atemmaske. 2018 jährt sich diese Pionierleistung zum 40. Mal. Er habe damals zeitweise durchaus Zweifel gehabt, verrät Habeler, vor allem als Messner und zwei Sherpas einen Sturm am Südsattel mit Mühe und Not überlebt hatten: „Ich wollte am Everest wirklich nicht sterben. Ich wollte gesund bleiben und heimkommen.“ Schließlich war sein erster Sohn Christian gerade geboren worden.

Unruhe vor dem Abstieg

Habeler (r.) und Messner (1975)

Als er schließlich am 8. Mai 1978 gemeinsam mit Messner den Gipfel auf 8850 Metern erreicht habe, sei das „ein sehr emotionaler Moment“ gewesen, erinnert sich Habeler, „auch wenn ich nicht mehr auf das i-Tüpfelchen genau weiß, was ich damals gefühlt habe. Ich weiß nur noch, dass ich Angst hatte. Ich bin sehr unruhig geworden, weil ich runterwollte. Ich habe mir gedacht: Hoppla, wie komme ich denn jetzt über den Hillary Step wieder runter, ohne Sicherung? Der Schnee war dort in einem schlechten Zustand, das hatten wir beim Aufstieg gemerkt. Ich dachte, jetzt bricht da ein Tritt raus, und dann fliegst du oabi. Aber irgendwie ist es gegangen.“

Höhepunkt Kangchenzdönga

„Da haben wir Glück gehabt“

Nach der Heimkehr sei er von dem gewaltigen Medienecho überrascht worden, erzählt Habeler: „Das war ein regelrechter Hype.“ Für ihn selbst sei der Everest ohne Atemmaske jedoch nicht das Glanzlicht seiner Achttausender-Karriere gewesen, sagt Peter, „weil ich dort zeitweise wirklich Bedenken hatte. Mein Höhepunkt war eindeutig 1988 die Besteigung des Kangchendzönga im Alpinstil mit Carlos Buhler und Martin Zabaleta. Damals war ich in Topform. Zum Gipfel bin ich alleine vorgestiegen, weil ich schneller als die beiden anderen war und das Wetter immer schlechter wurde.“ Der Abstieg sei dramatisch verlaufen. „Da haben wir richtig Glück gehabt, dass wir überlebten.“ Der dritthöchste Berg der Erde (8586 Meter) war Habelers fünfter und letzter Achttausender-Erfolg.

Wie ein Klettersteig

„Des wird a Gaudi“

Was sich aktuell an den höchsten Bergen der Welt abspielt, quittiert der 75-Jährige mit einem Kopfschütteln. „Zu viele Menschen verträgt kein Berg. Wenn ich tausend Leute im Basislager habe, von denen 540 bei einem Schönwetterfenster einsteigen wollen, ist mir das nicht geheuer. Das wäre nicht meine Art, Berge zu besteigen. Heute ist der Everest ein gefesselter Berg. Selbst beim K 2 ist das inzwischen so. Das mutet ja fast wie ein Klettersteig an.“ Im nächsten Frühjahr wird Habeler zum Jubiläum mit den noch lebenden Gefährten von 1978 zum Mount Everest zurückzukehren. „Da wird ein ziemlicher Trubel herrschen. Aber wir werden trotzdem unseren Spaß haben. Das wird auf jeden Fall eine Gaudi“, freut sich der ewige Lausbub und grinst über das ganze Gesicht.

]]>
Sportklettern wird olympisch – Freude und Bedenken https://blogs.dw.com/abenteuersport/sportklettern-wird-olympisch-freude-und-bedenken/ Fri, 05 Aug 2016 14:00:42 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33402 climbing-olympicsNoch habe ich keine olympischen Ringe unter den Augen. Aber das wird sich in den nächsten zwei Wochen wegen der Zeitverschiebung zwischen Rio de Janeiro und hier sicher ändern. Wenn dann in vier Jahren in Tokio die nächsten Sommerspiele in anderer Zeitzone anstehen, gibt es einen zusätzlichen Grund, die täglichen Gewohnheiten zu ändern: Sportklettern wird 2020 olympisch. Das hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) beschlossen. „Ich finde es voll klasse“, sagt mir der deutsche Topkletterer Thomas Huber. „Wir müssen offen dafür sein. Das Sportklettern hat es sich wirklich verdient, ins olympische Programm aufgenommen zu werden, weil sich der Wettkampf positiv weiterentwickelt hat.“ Die Entscheidung des IOC könne für junge Menschen Signalwirkung haben.

Buntes Spektakel

Thomas Huber

Thomas Huber

Sein jüngerer Bruder Alexander und er hätten als junge Kletterer selbst an einigen Wettkämpfen teilgenommen, „eher schlecht als recht“, erzählt der 49-Jährige. Aber damals habe das Wettkampfklettern noch in den Kinderschuhen gesteckt. „Wenn ich mir heute den Boulder-Weltcup angucke, bin ich begeistert: Farbenfroh, spektakulärste Routen, fast schon Artistik. Da geht es richtig rund.“ Klettern sei zwar, wie es die Alpenvereine immer noch propagierten, auch Abenteuer, aber eben nicht nur, findet der ältere der beiden Huberbuam: „Es ist ein attraktiver, ernstzunehmender Sport. Auch ich trainiere wie ein Leistungssportler, um etwa auf Expedition nach Pakistan zu gehen.“

„Das ist Blödsinn!“

Thomas-Huber-klettertDer 23 Jahre alte Tscheche Adam Ondra, einer der weltbesten, wenn nicht der beste Sportkletterer derzeit, lehnt den Plan ab, Kletterer bei Olympia in allen drei Disziplinen – Lead (Vorstieg), Bouldern und Speedklettern – antreten zu lassen und die Ersten der Gesamtwertung mit Medaillen zu belohnen. Thomas Huber pflichtet ihm bei: „Das sind unterschiedlichste Disziplinen. Man kann nicht alles in einen Topf werfen. Das ist Blödsinn! Wenn die Funktionäre das machen, haben sie die Sportart Klettern nicht verstanden. Dann kannst du es gleich wieder vergessen.

Vom Kern entfernt

David Lama

David Lama

Ein eher grundsätzliches Problem mit Klettern bei Olympia hat David Lama. Der 26 Jahre alte Topkletterer aus Österreich war als Jugendlicher selbst ein sehr erfolgreicher Wettkämpfer, gab es dann aber auf, um sich voll auf alpine Ziele zu konzentrieren. Klettern, sagt David, „entwickelte sich aus dem Entdeckungsdrang der Menschen, aus dem Trieb, auf Berge zu steigen und sich auf ein Abenteuer einzulassen. Das ist der Kern des Kletterns, und in dieser Form gibt es auch heute noch keine richtigen Regeln.“ Um einen fairen Wettkampf zu garantieren, bedürfe es aber klarer Regeln. Schon allein deshalb habe sich das Wettklettern vom „richtigen Klettern“ entfernen müssen.

„Äpfel und Ananas“

David in der KletterwandDie Aufnahme des Sports in die Olympischen Spiele werde sicher dazu führen, dass sich der Sport weiter von seinem Kern entferne, glaubt Lama. „Aber ist das nun schlecht? Solange man sich dessen bewusst ist, dass ein Wettkampf noch nie die Grundidee des Kletterns widergespiegelt hat und nie widerspiegeln kann, ist es weder gut noch schlecht. Es ist schlicht und einfach egal.“ Schließlich könne man Äpfel und Birnen nur schwer vergleichen. „Müsste ich persönlich die Entscheidung treffen, würde ich mich aber klar gegen die Olympischen Spiele aussprechen, um die Kletter-DNA im Wettklettern nicht weiter zu verwässern“, sagt David. „Der passende Vergleich wäre sonst bald Äpfel und Ananas.“

]]>
Messner – das Geburtstagsinterview https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-das-geburtstagsinterview/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-das-geburtstagsinterview/#comments Sat, 13 Sep 2014 20:31:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27289 Reinhold Messner

Reinhold Messner (2013)

Der Mann wirkt irgendwie zeitlos. Wie schafft Reinhold Messner das bloß? Die lebende Bergsteiger-Legende antwortet mit seinem Lebensmotto aus dem Tibetischen: „Kalipé – ruhigen Fußes!“ Ich habe den Südtiroler, der einst als erster Mensch alle 14 Achttausender bestieg, wegen seines bevorstehenden runden Geburtstags angerufen. Am nächsten Mittwoch feiert Messner seinen siebzigsten. Er scheint „unwandelbar dem Zahn der Zeit zu trotzen“, wie es einst Shakespeare formulierte. Aber lest selbst!

Reinhold Messner, der deutsche Schriftsteller Theodor Fontane hat einmal gesagt: „Mit siebzig ’ne Jubiläumsfeier, Artikel im Brockhaus und im Meyer“. Punkt zwei ist abgearbeitet, im Lexikon stehen Sie ja schon. Wie sieht es mit der Jubiläumsfeier aus?

Ich mache eine ganz private Geburtstagsfeier, die in keiner Weise öffentlich sein soll. Es gibt einen Termin und einen Ort. Ich kann erzählen, dass ich zu einem Biwak geladen habe. Ein letztes Mal traue ich mich mit 70 noch einmal, nach der Feier im Freien, unter den Sternen, im Schlafsack zu übernachten. Die meisten meiner Freunde machen das auch mit, die anderen fahren ins Hotel im Tal.

70 Jahre, ein runder Geburtstag. Sind Sie wunschlos glücklich?

Wir tragen das Glück nicht in uns, sondern es passiert in uns und mit uns. Ich habe es heute leichter, weil ich nichts mehr zu beweisen habe. Ich habe es auch nicht mehr eilig. Aber ich bin immer noch aktiv. Ich bin in der phantastischen Lage, dass meine Knie noch funktionieren und alle Gelenke in Ordnung sind. Obwohl ich natürlich einige Einbußen hatte – ein zerborstenes Fersenbein, ein paar Zehen verloren -, geht es mir dem Alter entsprechend noch relativ gut. Ich habe viele Ideen, um die nächsten Jahre auszufüllen, ein gelingendes Dasein zu führen und damit auch glücklich zu sein. 

Gibt es den Reinhold Messner, der in seinem Schloss Juval bei einem leckeren Glas Rotwein einfach in der Sonne sitzt und tagträumt?

Das gibt es schon, etwa am Abend mit meiner Frau und meinen Kindern, aber nicht als Gewohnheit. Ich bin jemand, der tätig ist, der Ideen entwickelt und darin auch aufgeht. Das ist vielleicht sogar eines meiner größten Erfolgsmodelle, dass ich eine Idee so verinnerliche, dass sie im Tag- und Nachttraum langsam wächst, bis sie gereift ist. Eine Idee im Kopf ist jedoch noch kein Abenteuer, sondern nur ein Luftschloss. Aber wenn sie dann umgesetzt wird und Realität wird, entsteht das, was ich den Flow-Zustand nenne. Dann bin ich ganz bei mir selbst, wie schwebend, alles fließt. Und das macht mich glücklich.

Messner: In meinen Ideen aufgehen

Welche Ziele würden Sie denn aus ihren vielen Ideen für das nächste Lebensjahrzehnt herausgreifen?

Ich werde in den nächsten Jahren auf jeden Fall weiter mein Bergmuseum beaufsichtigen und dafür sorgen, dass es nicht untergeht. Das soll eine nachhaltige Geschichte bleiben. Auch meine Bauernhöfe liegen mir am Herzen. Und ich würde mich gerne als Filmemacher probieren – in der Art eines Autorenfilmers, der eine Idee im Kopf hat, hinausgeht in eine wilde Welt und Bilder sammelt, um am Ende auf der Leinwand eine starke Geschichte zu erzählen.

Messner (l.) mit Peter Habeler (1975)

Messner (l.) mit Peter Habeler (1975)

Der Spanier Carlos Soria turnt derzeit wieder im Himalaya herum. Er will die Shishapangma besteigen, es wäre sein zwölfter von 14 Achttausendern. Der Mann ist 75. Sind Sie froh, dass Sie das schon mit Anfang 40 abgearbeitet hatten?

Ich bin vor allem froh, dass ich das erledigen konnte, als an diesen Bergen noch niemand anderer unterwegs war. Es gab damals nur ein Permit für je eine Expedition, und jedes Grüppchen, ob allein, zu zweit oder zu fünft, hat sich in Eigenregie hoch gearbeitet. Ich halte es für das Glück der frühen Geburt, dass wir noch archaische Berge erleben durften. Am Matterhorn versuchen sich 20.000 Leute im Jahr, am Mont Blanc ist es noch schlimmer. Die Berge sind präpariert für Massenaufstiege.

Messner: Das Glück der frühen Geburt

In diesem Frühjahr haben 500 Sherpas den Everest präpariert, mit einer Art Klettersteig, auf dass dann Tausende von Klienten, die viel Geld dafür bezahlen, auf diesen Berg gebracht werden können. Es passierte dann ein Unfall, 16 Sherpas sind in einer Lawine gestorben. Man muss das als ‚Straßenbau-Unfall‘ sehen. Dann hat es Streiks gegeben, die Touristen sind abgezogen. Aber im nächsten Jahr werden sie wiederkommen.

Ich wünsche allen Menschen die Möglichkeit, dass sie diese großen Berge besteigen können, aber mit Alpinismus hat das wenig zu tun. Das ist Tourismus, zwar immer noch ein bisschen gefährlich. Aber die Eigenverantwortung und Eigenleistung werden mehr und mehr den Einheimischen überlassen. Es geht hier um Renommee und nicht um die Erfahrung der Menschennatur draußen in der Wildnis.

Glauben Sie, dass das Lawinenunglück am Everest das Bergsteigen dort nachhaltig verändert?

Bisher waren es ja Reiseagenturen aus Neuseeland, aus den USA, der Schweiz oder auch Deutschland, die diese Gruppen in den Himalaya gebracht und die Sherpas bezahlt haben, auf dass sie die Piste vorbereiten. Das passiert nicht nur am Everest, sondern an allen 14 Achttausendern. Weil die Klienten glauben, dass diese 14 Berge ein besonderes Prestige hätten. Ich glaube das übrigens nicht.

Die jungen Sherpas haben eben die Drecksarbeit gemacht – die gefährliche Arbeit, bei der 16 Sherpas gestorben sind. Sie sagen sich: Wenn wir schon vorausgehen und in monatelanger Arbeit und großer Gefahr die Pisten bauen, wollen wir auch das Geschäft machen und lassen uns nicht den Gewinn von den westlichen Reiseagenturen wegnehmen.

Messner:Sherpas haben die Drecksarbeit gemacht

Erwarten Sie, dass nach dem Lawinenunglück nun viele Everest-Kandidaten zu Hause bleiben?

Umgekehrt, es werden noch mehr Kandidaten sein, weil man die Piste wieder vernünftiger anlegt. Es war seit drei, vier Jahren klar, dass früher oder später ein solches Unglück passiert. Da muss ich auch die Sherpas mit in die Verantwortung nehmen. Sie haben die Piste gebaut, an der schwächsten Stelle, wo die Schwierigkeiten am geringsten sind, aber die Gefahren am größten. Das ist nicht unbedingt schlau.

Messner vor einem seiner Bergmuseen (2009)

Messner vor einem seiner Bergmuseen (2009)

Wenn Sie einem jungen, abenteuerhungrigen Bergsteiger einen Rat geben sollten, welcher wäre das?

Die Jungen müssen ihren Weg selbst finden. Ich würde auch nicht antworten können, was ich täte, wenn ich jetzt 20 wäre. Aber ich sehe junge Bergsteiger, die traditionelle Bergsteiger sind und Großartiges leisten: einen Hansjörg Auer, der im Karakorum einen Siebeneinhalbtausender über eine irre schwierige Route meistert, einen David Lama, der den Cerro Torre frei klettert, also ohne die Bohrhaken des Cesare Maestri, einen Alex Honnold, der die ganze Fitz-Roy-Gruppe mit Dutzenden von Gipfeln überquert.

Es gibt Zehntausende von Gipfeln auf der Erde, die nicht bestiegen sind, wo es Hunderttausende möglicher Routen für die nächsten Jahre gibt. Die jungen Leute haben gelernt, dass sie nicht mehr an die berühmten Berge gehen müssen. Das ist die erste Grundvoraussetzung, um großes Abenteuer zu erleben: dorthin zu gehen, wo die vielen anderen nicht sind, um überhaupt in Eigenregie und Eigenverantwortung handeln zu können.

Wie hoch können Sie selbst denn noch steigen?

Das habe ich nicht mehr ausgetestet. Aber ich den letzten Jahren war ich immer wieder auf 6000 und mehr Metern. Ich fühle mich dort sogar besser als in normalen Höhen. Ich weiß nicht warum. Vielleicht setze ich mich sogar in den nächsten zehn Jahren rein aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig für ein halbes Jahr nach Nepal oder in den Himalaya ab. Es gibt den Fall eines sehr kranken Mannes – ich nenne den Namen nicht – der mit seiner Frau großartige Achttausender-Besteigungen gemacht hat. Die Ärzte hatten ihn aufgegeben. Er ging in den Himalaya, um ein letztes Mal seine großen Berge zu sehen und vielleicht dort zu sterben. Er stieg auf einen Achttausender und kam gesund zurück. Dieses medizinische Wunder könnte die Forscher anregen, die Berge nicht nur als Spielfeld für Abenteurer anzusehen, sondern auch als Gesundbrunnen für kranke Menschen.

Messner:Ich will nicht in den Bergen umkommen

Ich werde sicherlich nicht mehr ohne Atemmaske auf den Everest steigen. Ich will nicht in meinen späten Jahren an den Bergen umkommen, nachdem ich 65 Jahre lang alles getan habe, um das Sterben am Berg zu vermeiden. Aber mit zwei Sauerstoffflaschen und zwei Sherpas, von denen einer vorne zieht und einer hinten schiebt, nochmals auf den Everest steigen? Das ist meine Sache nicht.

]]>
https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-das-geburtstagsinterview/feed/ 1
Beinahe-Rekordsommer am K 2 https://blogs.dw.com/abenteuersport/sommer-bilanz-k2/ Thu, 04 Sep 2014 13:27:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27225 K 2

K 2

Ich fühlte mich dem K 2 nahe, und doch war ihm noch ziemlich fern. Das stellte ich fest, als ich nach meiner Rückkehr von der Erstbesteigung des 7129 Meter hohen Kokodak Dome die Entfernung zwischen beiden Bergen ermittelte: 300 Kilometer Luftlinie. Nicht gerade um die Ecke. Wegen meiner Expedition verpasste ich (und damit womöglich auch ihr als Leser meines Blogs), was sich am zweithöchsten Berg der Erde in diesem Sommer abspielte.

 

32 an einem Tag

Jubiläumsjahre scheinen am K 2 Gipfelerfolge wahrscheinlicher zu machen. Vielleicht liegt es aber auch schlicht daran, dass sich dann mehr Bergsteiger am „König der Achttausender“ tummeln. 2004, als sich die Erstbesteigung des K 2 zum 50. Mal jährte (und auch ich aus diesem Anlass das Basislager besuchte), erreichten 51 Bergsteiger den höchsten Punkt auf 8611 Metern. Dieser Rekord wurde jetzt zum 60-Jahr-Jubiläum zwar verfehlt, aber nur knapp. 48 Gipfelerfolge, 32 davon am 26. Juli, sind bemerkenswert viele. Schließlich gab es in der Vergangenheit auch einige Sommer wie den von 2013, als kein einziger Bergsteiger ganz oben stand.

Wie viel Mann darf sein?

Im Basislager

Im Basislager

Unter denen, die im Juli den Gipfel des K 2 erreichten, waren auch sechs Frauen: die Nepalesinnen Dawa Yangzum Sherpa, Pasang Lhamu Sherpa und Maya Sherpa sowie die Südtirolerin Tamara Lunger, die Chinesin Luo Jing und die Neuseeländerin Chris Jensen Burke (die auch einen australischen Pass hat). Ob die Expedition der drei Sherpani wirklich als reine Frauensache durchgehen kann, wird derzeit in der Szene diskutiert. Das Trio sei auf dem Weg zum Gipfel von drei Sherpa-Männern begleitet worden, berichtet die Zeitschrift National Geographic. Am selben Tag, dem bereits erwähnten 26. Juli, reihte sich auch der Tscheche Radek Jaroš in die Liste der K-2-Besteiger ein. Der 50-Jährige, der ohne Flaschensauerstoff aufstieg, komplettierte damit als erster Tscheche überhaupt seine Achttausender-Sammlung. Jaroš ist erst der 15., der ohne Atemmaske die 14 höchsten Berge der Welt bestieg.

Heiße Füße

K 2 von oben

K 2 von oben

2012 an der Annapurna, seinem 13. Achttausender, hatte sich Radek einige Zehen erfroren. Jetzt am K 2 wäre ihm beinahe das Gegenteil widerfahren. Die Heizspiralen in seinen Expeditionsschuhen liefen heiß. „Als wir auf dem Weg zum Gipfel waren, haben andere Bergsteiger, die vor mir gingen, mit ihren Füßen gegen das Eis gestampft, um sie zu durchbluten. Sie froren an den Zehen und mussten aufpassen, dass diese nicht erfrieren“, erzählte Jaroš hinterher. Er habe mit seinen Füßen dasselbe getan, „aber nur damit sie nicht verbrennen.“

Tod in Lager 4

Einen Todesfall gab es in dieser Saison am K 2. Der Spanier Miguel Angel Perez starb in Lager 4 auf 8200 Metern. Zuvor hatte er den Gipfel erreicht und anschließend, offenbar bereits höhenkrank, oberhalb des Lagers biwakiert. Perez, der mit dem K 2 neun Achttausender bestieg, wurde 46 Jahre alt. R.I.P.

P.S. Der Versuch der österreichischen Top-Bergsteiger David Lama, Hansjörg Auer und Peter Ortner, erstmals die Nordostwand des 7821 Meter hohen Masherbrum (einst von britischen Landvermessern K 1 getauft) zu durchsteigen, ist gescheitert. Das Trio machte im unteren Wandteil wegen zu großer Lawinengefahr kehrt. „Diese Wand zu klettern hat nichts mit dem gemein, was wir drei bislang in unserer Kletterlaufbahn erlebt haben“, schreibt David Lama auf seiner Internetseite. „Sie ist so neu und so schwierig, dass ein Erfolg schwer vorstellbar ist.“

]]>
Gesehen: Cerro Torre – Nicht den Hauch einer Chance https://blogs.dw.com/abenteuersport/gesehen-cerro-torre-nicht-den-hauch-einer-chance/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gesehen-cerro-torre-nicht-den-hauch-einer-chance/#comments Mon, 24 Mar 2014 15:22:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25539 Kinoplakat-Cerro-TorreSonntag, 11.3o Uhr gehe ich normalerweise nicht ins Kino. Doch ich hatte keine Alternative. Bei uns am Rhein musst du schon froh sein, wenn eine Bergdoku überhaupt den Weg in die Kinosäle findet. Zwei Vorteile hatte der Termin zur Frühschoppenzeit: Der Werbeblock vor dem Film fiel ultrakurz aus, und ich konnte mir den Platz aussuchen. Immerhin aber zählte ich außer mir 22 Bergfreunde – angesichts der frühen Stunde und des Filminhaltes setze ich voraus, dass alle Anwesenden ein großes Herz für Berge hatten. Der Film dokumentiert die erste freie Begehung der so genannten „Kompressor-Route“ am Cerro Terro durch David Lama und Peter Ortner im Januar 2012.

Kompressor in der Wand

Der 3128 Meter hohe Granitberg in Patagonien galt in frühen Tagen als „unmöglicher Berg“, nicht kletterbar. Bis 1959 der Italiener Cesare Maestri und der Österreicher Toni Egger kamen. Maestri behauptete, er und sein Gefährte hätten über die Nordwand den Gipfel erreicht. Egger stürzte beim Abstieg in den Tod. Experten bezweifelten, dass die beiden wirklich oben waren. 1970 gab Maestri eine fast surreale Antwort: Mit Hilfe eines Kompressors bohrte er sich die Südwestwand hinauf und ließ das Gerät unterhalb des Gipfels hängen. Bis heute gilt der Kompressor in der Wand des Cerro Torre als Sinnbild für Kletterer, die sich einen Dreck um die Natur scheren.

Übel beschimpft

„Du hast nicht den Hauch einer Chance“, gibt der legendäre US-Freikletterer Jim Bridwell zu Beginn des Films David Lama mit auf den Weg. Der Österreicher will Maestris Route erstmals komplett frei klettern, Seile und Haken also nur nutzen, um sich abzusichern. Bei seinem ersten Versuch 2010 bezahlt der damals 19-Jährige doppeltes Lehrgeld. Weit kommt Lama nicht und wird anschließend auch noch übel beschimpft, weil das Filmteam Haken in die Wand gebohrt hat. So wie einst Maestri. Geläutert kehrt David ein Jahr später zum Cerro Torre zurück. Diesmal erreichen Lama und sein Partner Ortner kurz vor Ende der Expedition zwar noch in einem Gewaltakt den Gipfel, klettern dabei aber technisch, nicht frei. Das gelingt ihnen schließlich im dritten Anlauf Anfang 2012.

Berg als Lebensschule 

Ich finde es spannend, im Film zu beobachten, wie sich David über die drei Jahre als Bergsteiger und Mensch weiter entwickelt. Er geht nicht nur durch die Stürme Patagoniens, sondern auch durch jene der Kritik, die nach dem ersten Versuch über ihn hereinbricht. Der Cerro Torre wird für Lama zur Lebensschule. David ist nicht länger das Kletter-Wunderkind, das Peter Habeler einst entdeckt hat. Er findet seinen eigenen Weg und damit zu sich.

Feuchte Finger

Die Film-Aufnahmen sind atemberaubend. Vom Hubschrauber aus weitet sich der Blick auf die faszinierende Landschaft Patagoniens. Als winzige Figuren verschwinden die Kletterer in der senkrechten Wand. Im nächsten Augenblick sind wir wieder mittendrin. Dank Helmkamera meistern wir mit David quasi hautnah die Schlüsselstellen. Eigentlich hätte ich als Zuschauer auch in den Kreidebeutel greifen müssen, meine Hände waren feucht geschwitzt. Den Anblick des nackten Peter Ortner auf dem Gipfel hätte ich nicht gebraucht. Viel mehr hätte mich am Ende interessiert, was Jim Bridwell nach David Lamas Husarenstück am Cerro Torre gesagt hat. Alles in allem hat mich der Film aber gepackt und war ein mehr als vollwertiger Frühschoppen-Ersatz.

P.S. Im Sommer versuchen sich David Lama und Peter Ortner zusammen mit ihrem österreichischen Landsmann Hansjörg Auer im Karakorum an der Nordostwand des 7821 Meter hohen Masherbrum. Das wird mindestens genauso spannend wie ihr Projekt am Cerro Torre!

David Lama über das Projekt Masherbrum-Ostwand

]]>
https://blogs.dw.com/abenteuersport/gesehen-cerro-torre-nicht-den-hauch-einer-chance/feed/ 2
David Lamas „Mission: Possible“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-lama/ Wed, 06 Nov 2013 13:27:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24076

David Lama

David Lama hat für seine 23 Jahre schon viel Kritik einstecken müssen. „Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, sagt der Bergsteiger aus Österreich. 2010 hatte sein Team für Filmarbeiten über den Versuch, die legendäre „Kompressor-Route“ am Cerro Torre in Patagonien erstmals frei zu klettern, Dutzende neuer Bohrhaken in die Wand gesetzt.  Damals war Lama noch gescheitert, zwei Jahre später glückte ihm das Projekt, gemeinsam mit seinem Osttiroler Seilpartner Peter Ortner. Für den Sommer 2014 haben sich die beiden ein weiteres Knüller-Projekt vorgenommen.

Nicht kletterbar?

Masherbrum (in der Bildmitte)

Lama und Ortner wollen als Erste die Ostwand des 7821 Meter hohen Masherbrum im Karakorum durchsteigen. „Viele haben sich eigentlich noch nicht an der Wand versucht, weil die meisten sie für unkletterbar halten“, erzählt mir David beim International Mountain Summit in Brixen. „Aber ich kann es mir mittlerweile vorstellen, durch diese Wand zu klettern. Das ist im Moment eine der spannendsten Ideen, die ich mir vorstellen kann.“ Möglicherweise, verrät Lama, werde noch sein Landsmann Hansjörg Auer zum Team stoßen. Reinhold Messner bezeichnete die beiden österreichischen Topbergsteiger vor wenigen Tagen im Gespräch mit mir als „junge Leute, die kreativ sind“. Sie würden ihre Spielfelder schon finden.

David Lama über das Projekt Masherbrum-Ostwand

Extrem lässig

David auf den letzten Metern zum Gipfel der Chogolisa (Foto: privat)

Derzeit sei das Karakorum „eine der spannendsten Spielwiesen“ für ihn, sagt David. „Riesige, schöne, vor allem schwierige Berge mit großen Wänden. Die reizen mich einfach.“ 2012 hat Lama zusammen mit Ortner die 7665 Meter hohe, formschöne Chogolisa bestiegen, seinen ersten Siebentausender. „Wir waren die ersten seit 26 Jahren, die oben gestanden haben. Von daher war es ein extrem lässiges Erlebnis, dort auf den Gipfelgrat hinaufzusteigen. Zum anderen war es natürlich eine Vorbereitung für höhere Berge, weil es mein Ziel ist, dort hohe, schwierige Wände zu klettern.“ Wie die Ostwand des Masherbrum.

David Lama: Besteigung der Chogolisa war extrem lässig

Früh übt sich

David Lama ist der Sohn einer Österreicherin und eines Sherpas aus dem Khumbu, dem Gebiet um den Mount Everest. Schon mit fünf Jahren bewies David bei einem Klettercamp von Peter Habeler sein außergewöhnliches Talent. Das war der Startschuss zu einer steilen Karriere als Sportkletterer. Schon als Zehnjähriger bewältigte Lama schwierigste Routen. Heute sehe er sich „eher als Alpinist“, sagt David und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Und auch ein bisschen als Bergsteiger.“

David Lama: Angst ist Abfallprodukt der Ungewissheit

Alles geregelt

Ein Hasardeur sei er nicht, meint der Innsbrucker. Allerdings kehre er am Berg nicht um, wenn es nicht unbedingt nötig sei. „Ich glaube, ich habe die Fähigkeit, das Risiko abzuwägen und zu bewerten. Aber es ist natürlich klar, dass ein Führerschein-Neuling schneller fährt als einer, der ihn schon seit vierzig Jahren hat.“ Denkt er auch über den Tod nach? Am Masherbrum, antwortet David, „ möchte man schon alles geregelt haben, bevor man in die Wand einsteigt.“

]]>
Begegnungen im Nebel über Brixen https://blogs.dw.com/abenteuersport/begegnungen-im-nebel-uber-brixen/ Mon, 21 Oct 2013 00:40:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23907

Wetter zum Schuhe an den Nagel hängen

Frei nach Platon: Ich sehe, dass ich nichts sehe. „Das ist ja wie bei uns in London“, meint mein englischer Kollege Chris, nachdem wir uns vor dem dichten Nebel und dem kalten Wind in die auf 2446 Metern gelegene Plosehütte geflüchtet haben und durch das Fenster in die trübe Wolkensuppe blicken. Keine Spur von dem Panorama, das wir noch am Vortag bei der IMS-Wanderung zum selben Ziel, der Pfannspitze, genossen haben. Als wir auf den Bergrücken steigen, der zum Gipfel führt, bläst uns ein eisiger Wind ins Gesicht und mir meinen Tirolerhut beinahe vom Kopf. Gerade noch kann ich ihn vor dem Abflug ins graue Nichts bewahren. An Interviews mit den bekannten Bergsteigern, die uns heute begleiten, ist hier oben nicht zu denken. Und auch das Gipfelkreuz schenken wir uns diesmal.

Auf geht’s zu den großen Wänden

David Lama

Als wir später auf der Rossalm einkehren, reißt die Wolkendecke wenigstens einmal kurz auf. Doch als ich mit David Lama zu einer Bank oberhalb der Hütte aufsteige, um in Ruhe mit ihm zu sprechen, hüllt uns erneut dichter Nebel ein. Davids Vater stammt aus dem Khumbu, dem Gebiet um den Mount Everest, seine Mutter ist Österreicherin. Eines Tages wolle er auch dort klettern, verrät mir der 23 Jahre alte Innsbrucker: „Ich möchte auf jeden Fall irgendwann herüber, weil es dort tolle Berge mit fantastischen Linien gibt, die noch nie geklettert wurden. Das reizt mich. Und zusätzlich habe ich eben noch den persönlichen Bezug.“ Als Sportkletterer hat David schon im Kindesalter für Schlagzeilen gesorgt. „Heute sehe ich mich eher als Alpinist“, sagt Lama und fügt mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Und auch ein bisschen als Bergsteiger“. 2012 hat er mit der Chogolisa in Pakistan seinen ersten 7000er bestiegen. „Das war ein extrem lässiges Erlebnis, dort oben über den Gipfelgrat zu steigen“, erinnert sich David. Aber eigentlich sei diese Expedition nur die Vorbereitung für extremere Projekte gewesen. „Mein Ziel ist es, hohe und schwierige Wände zu klettern.“ Wir werden also von David hören. Im nächsten Sommer reist er erneut in den Karakorum.

Kurze Zeltnacht im Foyer

Ungewöhnlicher Biwakplatz

Steilste Wände klettern war auch immer die Leidenschaft von Stefan Glowacz und ist es geblieben. „Für mich ist eine schwere Wand und eine Erstbegehung darin immer noch ein Hauptkriterium einer Expedition“, sagt der 48 Jahre alte deutsche Spitzenkletterer. „Aber ich kann mir inzwischen auch vorstellen, irgendwann einmal irgendein entlegenes Gebiet nur zu durchqueren.  Der Abenteueraspekt bekommt für mich eine immer größere Bedeutung, auch die fremden Kulturen und das Zusammenleben mit den Menschen in diesen Gebieten.“  Zum alten Eisen zählt sich Stefan noch nicht, auch wenn ihm das kürzlich eine Ärztin einreden wollte. „Sie hat gesagt: Was wollen Sie denn? Jeder andere Hochleistungssportler in Ihrem Alter ist schon völlig fertig und kriegt seine Flügel gar nicht mehr hoch. Das hat mich schon entsetzt, denn ich habe noch einiges vor.“ So will er im nächsten Jahr in Oman und auf Borneo klettern. Dass Stefan durchaus noch über Durchhaltevermögen verfügt, hat er in der Nacht zuvor auch beim „Abklettern“ des IMS bewiesen. Erst um sechs Uhr früh überkam ihn die Party-Müdigkeit. Kurzerhand legte sich Glowacz in einem kleinen Sponsoren-Zelt im Foyer aufs Ohr. Nur für eine Stunde, dann weckte ihn die Putzkolonne mit ihren Staubsaugern.

Everest ein „geiler Gedanke“

Andy Holzer (l.) und Stefan Glowacz

In der gleichen Bergsteiger-Altersklasse wie Stefan spielt auch Andy Holzer. Der 47 Jahre alte Österreicher ist seit seiner Geburt blind und klettert dennoch durch Wände und auf hohe Gipfel. Sechs der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, hat der Osttiroler schon bestiegen. Nur der Everest fehlt ihm noch. Einen konkreten Plan, auch den höchsten aller Berge zu erklimmen, gebe es nicht, sagt Andy, aber reizen würde es ihn schon. „Das ist ein geiler Gedanke. Ich glaube, wer die Tränen in den Augen nicht verspürt, wenn er den Hillary-Step hinaufsteigt und die letzten Meter zum höchsten Punkt der Erde geht, der hat auf keinem Berg etwas verloren.“ Holzer ist sich bewusst, dass für ihn die verbleibende Zeit für eine Everest-Besteigung langsam, aber sicher abläuft. Schließlich müsse er ohne Stirnlampe, also in vollkommener Dunkelheit zur letzten Etappe starten, sagt Andy. Das sei von der Leistungsbilanz und vom Stoffwechsel her eine ganz andere Nummer. „Da hast du mit 50 wahrscheinlich nichts mehr verloren. Ich bin wahrscheinlich jetzt schon an der Kippe. Das ist einfach für einen Blinden ein anderer Berg als für einen Sehenden. Darüber brauchen wir überhaupt nicht zu diskutieren.“

P.S. Ich hoffe ich habe euch jetzt neugierig gemacht. Denn auch über Andy, Stefan und David werdet ihr bald nach meiner Heimkehr hier im Blog mehr lesen können. Und das ist noch längst nicht alles. Die Ernte beim IMS in Brixen war wieder einmal ertragreich.  😉

]]>