Everest – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Zeitbombe Imja Tsho entschärft – vorerst https://blogs.dw.com/abenteuersport/zeitbombe-imja-tsho-entschaerft-vorerst/ Mon, 28 Nov 2016 16:24:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34313 Abflusskanal am Imja-Gletschersee

Abflusskanal am Imja-Gletschersee

Es ist wie bei einer Regentonne. Die Regenmenge ist nicht steuerbar. Willst du verhindern, dass die Tonne überläuft, musst du Wasser ablassen. Nach diesem Muster ist jetzt der Wasserspiegel des Imja Tsho über einen Zeitraum von zwei Monaten um insgesamt 3,40 Meter gesenkt worden. Der Gletschersee im Everest-Gebiet, der an einigen Stellen knapp 150 Meter tief ist, war in den vergangenen Jahren in Folge des Klimawandels immer weiter angewachsen und zu einer Bedrohung für die talwärts gelegenen Dörfer geworden, vor allem Chukhung und Dingboche. Ein Bruch des natürlichen Damms hätte verheerende Folgen haben können. Soldaten der nepalesischen Armee waren an den Bauarbeiten für den Kanal beteiligt, über den insgesamt knapp vier Milliarden Liter Wasser kontrolliert abgelassen wurden. Nach Angaben der Regierung in Kathmandu „profitieren geschätzte 96.562 Menschen, darunter auch Touristen“ – für diese exakte Schätzung gehört Nepal ins Guinness-Buch der Rekorde 😉 – von dem Projekt, das rund drei Millionen US-Dollar kostete und von den Vereinten Nationen finanziert wurde. Daene McKinney, Professor für Umwelttechnik und Wasserbau an der Universität von Texas in Austin, war vor Ort und hat mir meine Fragen beantwortet.

Professor McKinney, Sie waren in das Entwässerungsprojekt am Imja-Gletschersee in der Everest-Region eingebunden. Als wie gefährlich bewerteten Sie die Situation vor dem Beginn des Projekts?

Imja Tsho, fotografiert aus dem All

Imja Tsho, fotografiert aus dem All

Wir haben das Risiko des Imja-Sees nun schon ein paar Jahre lang erforscht. Das schloss Untersuchungen und Messungen vor Ort ein, Rücksprache mit den lokalen Dorf-Gemeinschaften und detaillierte Computersimulationen. Unsere letzte Publikation (David Rounce et. al., 2016), stuft den See in der Kategorie „mittleres Risiko“ ein.  Diese Kategorie ergibt sich aus dem derzeitigen Status eines „niedrigen“ Risikos, das von dem See ausgeht, und der künftigen Einordnung eines „sehr hohen“ Risikos aufgrund der zu erwartenden kontinuierlichen Vergrößerung des Sees, die sich ergibt, sollten sich Lawinen in den See ergießen(die Betonung dabei liegt auf künftig, nicht derzeit).

Denken Sie, dass die Situation nun unter Kontrolle ist?

Die gerade herbeigeführte Absenkung des Wasserspiegels um drei bis dreieinhalb Meter hat natürlich den hydrostatischen Druck des Sees auf die Endmoräne zu einem gewissen Grad reduziert, das hilft. Aber der See wird sich weiter ausdehnen, in der Zukunft werden wir ein Problem bekommen. Außerdem wird sich der Zustand der kleinen Seen verschlechtern, die den Abfluss bilden, und sie werden aufgrund des Eiskerns der Moräne irgendwann mit dem großen See zusammenwachsen. Das wird den Druck auf die Moräne erhöhen, damit steigt auch in gewissem Umfang das Risiko.

Daene McKinney am Imja Tsho

Daene McKinney am Imja Tsho

Die nepalesische Regierung bezeichnete die Absenkung des Imja Tsho als „Meilenstein nicht nur für Nepal, sondern weltweit“. Es war ein Pilotprojekt. Wie realistisch ist es, das Imja-Modell auf andere potentiell gefährliche Gletscherseen zu übertragen?

Die Erfahrung der Bauarbeiten am Imja-See ist für die Region nützlich, zeigt sie doch, dass man solche Arbeiten überhaupt an entlegenen Orten im Hochgebirge ausführen kann. Allerdings wurden die Bemessungsgrundlagen für die Absenkung des Sees (mindestens drei Meter) willkürlich gewählt, ohne wissenschaftliche oder technische Grundlage. Das entsprach der Vorgehensweise am Tsho Rolpa (im Rolwaling Tal), dem bis dahin einzigen See in Nepal, der abgesenkt wurde. Man kann nur hoffen, dass bei Überlegungen für Absenksysteme an weiteren Seen, z.B. dem Thulagi-See (nahe dem Achttausender Manaslu gelegen), eine systematischere und wissenschaftlichere Methode gewählt wird, um zu entscheiden, welcher Wasserspiegel eines Sees als „sicher“ gilt.  

Es ist anzunehmen, dass der Klimawandel zu noch mehr Gletscherseen im Himalaya führen oder die Lage an bereits existierenden Seen verschärfen wird. Glauben Sie, dass man das Problem in den Griff kriegen kann?

Definitiv bilden sich Jahr für Jahr im Himalaya neue Seen und dehnen sich aus. Das wird auch in absehbarer Zukunft so bleiben. Einige dieser Seen werden auf Dauer die stromabwärts lebenden Dorfbewohner und die Infrastruktur bedrohen. Dieses Risiko muss eingeschätzt werden (daran arbeiten wir gerade). Um Menschen und Güter stromabwärts zu schützen, muss eine Definition her, welches Gefahrenniveau annehmbar ist. Wenn das Risiko zu hoch ist, müssen neue Sicherheitssysteme für die Seen mit dem entsprechenden Know-how entwickelt und umgesetzt werden.

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Schachmatt am Gipfel der Annapurna https://blogs.dw.com/abenteuersport/schachmatt-am-gipfel-der-annapurna/ Fri, 13 May 2016 15:59:11 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32683 Jost Kobusch an der Annapurna

Jost Kobusch an der Annapurna

Es klingt wie ein Aprilscherz mit einmonatiger Verspätung. Bevor der Deutsche Jost Kobusch am 1. Mai – wie berichtet – auf den 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna stieg, spielte er nach eigenen Worten knapp unterhalb des höchsten Punktes mit dem israelischen Bergsteiger Nadav Ben-Yehuda eine Partie Schach. „Wir hatten zuvor während der Schlechtwetterphasen im Basislager täglich mindestens zwei Partien gegeneinander gespielt“, sagt Jost. Dabei sei die Idee zu einem Schach-Duell am Gipfel geboren worden. Nadav, der mit Flaschensauerstoff aufstieg, erreichte den höchsten Punkt knapp vor Jost, der ohne Atemmaske unterwegs war. „Als wir uns kurz unterhalb des Gipfels begegneten, habe ich ihm gesagt: Moment, wir müssen noch eine Runde Schach spielen“, erzählt mir der 23 Jahre alte Deutsche. „Wir haben auf meinem Smartphone gespielt, 20 Meter unterhalb des Gipfels.“

Einige ziemlich dumme Züge

Die Partie geriet zu einer Art Blitzschach. „Wir haben schnell, schnell gemacht. Nach sieben Minuten hat einer von uns beiden gewonnen.“ Wer, verrät Kobusch nicht. „Das ist Ehrensache.“ Schachspielen in extrem dünner Luft auf 8000 Metern, sagt Jost, sei in etwa so gewesen, „als würdest du versuchen, betrunken ein mathematisches Problem zu lösen: Slow-Motion-mäßig, manchmal auch mit ziemlich dummen Zügen.“ Kobusch will das Spiel als höchste jemals gespielte Schachpartie für das „Guinness-Buch der Rekorde“ anmelden. Ein US-Bergsteiger habe das Spiel gefilmt und könne es auch bezeugen.

Bergsteiger gesehen, wo keine waren

Beim Aufstieg nach Lager 4

Beim Aufstieg nach Lager 4

Für den 23-Jährigen war der Erfolg an der Annapurna der erste an einem Achttausender. „Bis zum Gipfel ist es mir relativ leicht gefallen, erst beim Abstieg habe ich Probleme bekommen“, erzählt Jost. Aufgrund der großen Kälte habe es am Vorabend ewig gedauert, Schnee zu schmelzen. „Zwei Stunden für anderthalb Liter Wasser. Und die habe ich noch geteilt. Also hatte ich nur 750 Milliliter für den gesamten Gipfeltag.“ Völlig dehydriert und erschöpft, habe er sogar einmal kurz halluziniert: „Ich sah vor mir Bergsteiger absteigen, die nicht da waren.“ Kobusch fing sich wieder und erreichte sicher das Basislager.

Vielleicht nächstes Jahr zum Lhotse

Zu Hause in Deutschland schmiedet er bereits wieder Achttausender-Pläne. „Heute dachte ich bei mir, ich habe ja noch ein Permit für den Lhotse, vielleicht könnte ich ja nächstes Jahr noch einmal dorthin gehen.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte er in Nepal den vierthöchsten Berg der Erde besteigen wollen. Das Basislager zu Füßen von Everest und Lhotse war jedoch am 25. April von einer riesigen Lawine getroffen worden, die das schwere Erdbeben am Siebentausender Pumori ausgelöst hatte. 19 Menschen waren ums Leben gekommen. Das Video (siehe unten), das Jost von der Lawine gedreht hatte, ging um die Welt. Als Fernziel hat sich Kobusch vorgenommen, alle 14 Achttausender zu besteigen, wenn möglich ohne Atemmaske. „Ich hoffe, dass ich auch die hohen Achttausender ohne Flaschensauerstoff besteigen kann.“

Sein Schachpartner von der Annapurna, Nadav Ben-Yehuda, hatte 2012 für Schlagzeilen gesorgt. Der Israeli war am Mount Everest 300 Meter vor dem Gipfel umgekehrt, um den türkischen Bergsteiger Aydin Imrak zu retten, der kollabiert war. Ben-Yehuda hatte Imrak hinunter nach Lager 4 am Südsattel geholfen und sich dabei selbst Erfrierungen zugezogen.

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Mingma Sherpa: „Es war mein schlimmster Fehler“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mingma-sherpa-es-war-mein-schlimmster-fehler/ Mon, 02 Nov 2015 15:10:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31021 Mingma beim Anstieg auf den Chobutse

Mingma beim Anstieg auf den Chobutse

Keine Spur von Euphorie. Am Mittwoch vergangener Woche erreichte Mingma Gyalje Sherpa – wie hier berichtet – im Rolwaling-Tal in Nepal gegen 17 Uhr Ortszeit den 6685 Meter hohen Gipfel des Chobutse: erstmals über die Westwand und im Alleingang. Ein neuer Meilenstein in der Geschichte des Sherpa-Bergsteigens. Doch anstatt sich ausgelassen über seinen Coup zu freuen, ist der 29-Jährige einfach nur froh, seine Solo-Besteigung überlebt zu haben.

Mingma, du hast schon den Mount Everest, den K 2 und fünf andere Achttausender bestiegen. Wie groß war die Herausforderung bei deiner Solo-Besteigung des Chobutse?

Ich habe den Everest mit Flaschensauerstoff und die anderen sechs Achttausender ohne Atemmaske bestiegen. Dabei kletterte ich jeweils mit Teamgefährten und auf Routen, die mit Fixseilen gesichert waren. Bei einem Alleingang gibt es kein Fixseil und auch keinen Partner, der dich retten kann, wenn du einen Fehler machst. Ein Fehler bedeutet das Ende deines Lebens. Deshalb ist eine Solobesteigung an sich schon eine Herausforderung. Ich habe drei Jahre mit mir gerungen, ehe ich mich für den Solo-Aufstieg entschied. Jetzt habe ich ihn durchgezogen. Den Chobutse zu besteigen, war meine schlechteste Entscheidung und mein schlimmster Fehler. Ich hätte fast mein Leben verloren. Nach meinem Gipfelerfolg verbrachte ich zwei Nächte und Tage ohne Essen, Wasser und Zelt. Zwei bedrohliche Nächte und einen Tag lang verharrte ich im Whiteout an derselben Stelle in der Wand und wartete darauf, dass das Wetter endlich aufklarte. Das einzige, was mich zufrieden macht, ist, dass ich es bis auf den Gipfel geschafft habe, obwohl es die härteste Klettertour meines Lebens war.

Chobutse

Chobutse

Innerhalb eines Monats haben du und deine Sherpa-Freunde zwei ambitionierte Projekte vollendet: Erst eine Trilogie von Erstbesteigungen durch ein Team, das nur aus Sherpas bestand, und dann deine erste Solobesteigung durch einen nepalesischen Kletterer. Welche Botschaft wollt ihr damit in die Bergsteiger-Welt senden?

Erstens leidet Nepal seit dem Erdbeben an einer Wirtschaftskrise, und der Tourismus ist die Haupteinnahmequelle des Landes. Weniger Touristen heißt, dass wir leiden. Deshalb war es unser Hauptziel, die Nachricht zu verbreiten, dass Nepal wieder ein sicheres Land ist, um dort auf Trekkingtour oder bergsteigen zu gehen. Dies nur in den sozialen Netzwerken oder auf Internetseiten zu verbreiten, reicht nicht aus, weil es zu wenige Menschen glauben. Deshalb dachten wir, es wäre eine gute Idee, die Botschaft mit Aktion am Berg zu belegen. Wir planten die Projekte in der ersten Septemberwoche und setzten sie dann im Oktober um.
Zweitens wollten wir unter den Jugendlichen in Nepal das Interesse für das Bergsteigen wecken. Normalerweise arbeiten nepalesische Bergsteiger für ausländische Bergsteiger, aber das ändert sich gerade. Wir klettern auch für uns selbst. Man kann sagen, wir machen den Beruf zum Hobby.
Drittens stammen wir alle aus dem Rolwaling-Tal in Nepal. Das Rolwaling ist eine sehr entlegene Gegend ohne Strom, Verkehrswege, Schule und Krankenstation. Normalweise lebten dort mehr als 300 Menschen, jetzt sind es nur noch ungefähr 50. Wenn sich nichts ändert, wird das Tal in zehn Jahren menschenleer sein. Wegen der schwierigen Lebensverhältnisse wandert die Bevölkerung in die Haupstadt ab. Unser Anliegen ist es, das Rolwaling-Tal bekannter zu machen. Es gibt dort tolle Plätze zum Eis- und Felsklettern. Wenn das Tal bekannter wird, wollen es auch mehr Leute besuchen. Das bedeutet mehr Arbeitsmöglichkeiten. Wir hoffen, dass die Einheimischen dann auch wieder zurückkehren.

Empfindest du, dass viele westliche Bergsteiger einen falschen Eindruck von den Sherpas haben und dass sich ihr Verhalten den Sherpas gegenüber ändern müsste?

Zweifellos haben westliche Bergsteiger einen guten Eindruck von den Sherpas. Andernfalls würden sie keine Sherpas anheuern, um sicher zu klettern. Die Nachfrage steigt. Heute laden viele westliche Bergsteiger Sherpas aus Nepal ein, mit ihnen in den Alpen, in Pakistan oder sonstwo zu klettern.

Du leitest auch ein Unternehmen, das Expeditionen veranstaltet. Ist es schwierig für dich, das Geschäft und deine eigenen sportlichen Ziele als Bergsteiger unter einen Hut zu bringen?

Ich führe das Unternehmen Dreamers‘ Destination. Aber meistens bin ich in den Bergen unterwegs und leite Expeditionen. Meine Leute glauben an mich und daran, mit mir zu klettern, deshalb muss ich einfach in die Berge. Ich wähle meine Ziele und bedenke gleichzeitig das Geschäft. Und ich habe Angestellte, die sich um das Unternehmen kümmern, wenn ich unterwegs bin. Insofern habe ich keine Probleme.

Wie sehen deine nächsten Pläne aus?

Eigentlich wollte ich versuchen, den Nanga Parbat erstmals im Winter zu besteigen. Aber nach meiner Solobesteigung weigern sich meine Eltern, mich dorthin gehen zu lassen. Deshalb werde ich im April und Mai 2016 eine Expedition zum Kangchendzönga leiten. Ich habe ihn schon 2013 bestiegen. Deshalb haben mich ein paar Freunde gebeten, auch 2016 wieder eine Expedition dorthin zu leiten. Anschließend werde ich im Juni und Juli zum Nanga Parbat und Gasherbrum reisen, um weitere Achttausender zu besteigen, die noch in meiner Sammlung fehlen.

Gibt es einen aktuellen oder früheren Bergsteiger, den du als Vorbild siehst?

Ich bin ein großer Fans meines Cousins Lopsang Jangbu Sherpa, der bei der Everest-Expedition von Scott Fischer im Frühjahr 1996 Bergführer war. (Lopsang versuchte, den entkräfteten Fischer vom Südgipfel herunterzubringen, konnte ihn aber nicht dazu bewegen aufzustehen.) Er bestieg den Everest viermal, dreimal ohne Flaschensauerstoff. Er war damals sehr bekannt. Wenn er heute noch leben würde (Lopsang starb im September 1996 in einer Lawine am Everest), hielte er sicher viele Rekorde am Everest. Die Menschen reden immer noch über ihn und seine Leistungen in jener Zeit.

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Everest-Trekking weitgehend unbedenklich https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-trekking-weitgehend-unbedenklich/ Sat, 08 Aug 2015 09:44:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30267 Erdrutsch nördlich von Phakding

Erdrutsch nördlich von Phakding

Vorsichtige Entwarnung für die Trekkingroute zum Everest-Basislager. „Keine der Hauptverbindungsbrücken (auf der Route) scheint von neuen geotechnischen Gefahren als Folge des Erdbebens betroffen zu sein“, heißt es im Bericht einer Gruppe von Bergführern und Ingenieuren der auf Erdbebenschäden spezialisierten US-Agentur Miyamoto International. „Der größte Teil des Trekkingpfades und auch die meisten Mauern oberhalb und unterhalb des Weges, die herabfallende Steine aufhalten, sind nicht beschädigt.“ Ende Juni hatte das Team auf der Strecke zwischen dem Ort Lukla am Eingang des Khumbu-Tals und dem Everest-Basislager die Schäden durch das verheerende Erdbeben vom 25. April und die Nachbeben bewertet. 83 Prozent der untersuchten Lodges und Häuser erhielten eine grüne Unbedenklichkeits-Marke, was bedeutet, dass sie gar nicht oder nur kaum beschädigt wurden. Und die übrigen? „Die meisten beschädigten Gebäude können repariert werden. Die Besitzer haben damit begonnen, sie wieder instand zu setzen“, heißt es in dem Bericht.

Umsiedlung wegen Gefahren

Steinschlag-Gefahr in Shomore

Steinschlag-Gefahr in Shomore

Schwere Schäden wurden vor allem in den tiefer gelegenen Teilen des Khumbu-Tals festgestellt: Die kleinen Dörfer Toktok und Bengkar sind weiterhin massiv von Murgängen und Steinschlag bedroht. Die Experten empfehlen, Teile der Ortschaften und auch die Trekkingroute auf das gegenüberliegende Ufer des Flusses Dudh Kosi zu verlegen. Das Team rät außerdem dazu, vorerst von Übernachtungen in dem weiter talaufwärts gelegenen Dorf Shomore abzusehen. Es wurde von Steinschlag getroffen. An einigen Stellen der Route Richtung Everest-Basislager sollen Schilder aufgestellt werden, die Trekker vor Steinschlag- und Erdrutschgefahr warnen. Für den gesamten Weg empfehlen die Experten eine genauere Bestandsaufnahme nach dem Ende der Monsunzeit.

Einheimische hoffen auf Rückkehr der Touristen

Gorak Shep nahe dem Everest-Basislager

Gorak Shep nahe dem Everest-Basislager

„Die einheimischen Teehaus-Besitzer arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Lodges zu reparieren. Die meisten Arbeiten sind bereits abgeschlossen“, schreibt mir Dawa Gyaljen Sherpa. Der nepalesische Bergführer war Mitglied des Bewertungsteams. „Die Einheimischen hoffen, dass der Tourismus in das Khumbu-Gebiet zurückkehrt.” Die nepalesische Regierung erklärte, dass mit Hochdruck daran gearbeitet werde, die Trekkingpfade abzusichern. „Es hat höchste Priorität, die Wege zu reparieren. Dort wo es nicht möglich ist, werden wir die Route verlegen“, sagte Tulsi Prasad Gautam vom Tourismusministerium. Vor dem Erdbeben besuchten gewöhnlich rund 40.000 westliche Trekkingtouristen pro Jahr das Gebiet rund um den Mount Everest. Die Herbst-Trekkingsaison beginnt im September.

Weitere Hilfe ist nötig

Dawa Gyaljen Sherpa weist darauf hin, dass die meisten der Menschen, die im Khumbu besonders hart von dem Beben betroffen wurden, abseits der Trekkingroute leben und nicht vom Bergtourismus profitieren. „Diese Menschen benötigen auch weiterhin die Unterstützung der Hilfsorganisationen“, sagt Dawa. Es ist noch nicht vorbei. Vergesst Nepal nicht!

P.S.: Ich wollte euch noch einmal an unsere Hilfsaktion “School up!“ erinnern. Ziel ist es, die „Gerlinde-und- Ralf-Schule“ in Thulosirubari im von dem Beben besonders hart getroffenen Distrikt Sindhupalchowk wieder aufzubauen. Die Schule wurde so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden muss. Die Bankverbindung für eure Spenden findet ihr auf der rechten Seite des Blogs. Vielen Dank für eure Unterstützung!

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Nepal hofft auf Comeback im Herbst https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-comeback-im-herbst/ Wed, 03 Jun 2015 15:22:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29689 Manaslu, „Berg der Seele“

Manaslu, „Berg der Seele“

„Come back! Damit Nepal ein Comeback feiert.“ So könnte man die Appelle all jener überschreiben, die in irgendeiner Form vom Tourismus in Nepal leben oder damit zu tun haben. Die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen signalisieren, dass sie die meisten ihren für die Nach-Monsun-Saison im Herbst geplanten Touren realisieren wollen. „Das verheerende Erdbeben hatte das Leben in Nepal erschüttert, aber so langsam kehrt das Leben wieder zur Normalität zurück“, schreibt Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical alpin.

Manaslu-Expeditionen finden statt

Die ausgeschriebenen Trekkingtouren im Khumbu-Gebiet am Mount Everest seien ebenso wenig gefährdet wie jene im Gebiet um die Achttausender Annapurna, Dhaulagiri und Kangchendzönga. Massive Schäden gebe es auf der Manaslu-Runde. Da Amical dort aber ohnehin kein Lodge-, sondern ein Zelttrekking plane, sei auch diese Tour „machbar“, so Dominik. Die Expedition auf den 8163 Meter hohen Manaslu werde ebenfalls durchgezogen. Auch der neuseeländische Veranstalter Himalayan Experience steuert den achthöchsten Berg der Erde an. „Ich veranstalte wie sonst auch eine Manaslu-Expedition im Herbst“, schreibt mir Russell Brice, der Chef von Himex.

Ama Dablam

Ama Dablam

Der US-Anbieter Alpenglow Expeditions lockt seine Kunden mit Preisnachlässen nach Nepal. Für alle, die bis Ende Juni buchen, wird die Herbst-Expedition zum Siebentausender Ama Dablam um zehn Prozent, die zum Achttausender Makalu um fünf Prozent billiger. „Massenweise Stornierungen von Reisen nach Nepal wären für die ohnehin zerstörte Wirtschaft des Landes verheerend“, heißt es bei Alpenglow.

Probleme in Langtang-Gebiet

Eine Delegation des Veranstalters DAV Summit Club, die sich vor Ort ein Bild von der Lage in den Trekkinggebieten Nepals gemacht hatte, ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. „Trekkingtourismus im Everest-Gebiet kann ab Oktober ohne Einschränkungen stattfinden“, heißt in einem ersten Fazit des Summit-Clubs. Das gelte auch für das Annapurna-Gebiet, wo die Erdbeben-Schäden bis Oktober repariert sein dürften. Östlich des Everest und westlich der Annapurna sei das Beben glimpflich ausgegangen. „Im starken Maße betroffen sind dagegen sind die Regionen Langtang und Manaslu mit dem nördlich angrenzenden Tsum Valley. In diesen Regionen werden im Herbst keine Trekking-Reisen stattfinden können“, so die Vertreter des Summit Club.

Botschafter des guten Willens

Der neue nepalesische Tourismusminister Kripa Sur Sherpa hat 14 bekannte Bergsteiger aus aller Welt nominiert, die als „Botschafter des guten Willens“ Werbung für Nepal machen sollen. Dazu gehören der Südtiroler Reinhold Messner, die Japanerin Junko Tabei (die erste Frau auf dem Everest), Peter Hillary und Jamling Tenzing Norgay (die Söhne der Everest-Erstbesteiger) und auch Ralf Dujmovits, der erste und bisher einzige Deutsche, der alle 14 Achttausender bestiegen hat.

P.S. Sorry, dass ich in der letzten Woche nichts gepostet habe. Die FIFA-Krise hat mich extrem beschäftigt. Hier noch ein Film, den der deutsche Bergsteiger Jost Kobusch vor einigen Tagen in einem vom Erdbeben getroffenen Dorf in Nepal gedreht hat:

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Der andere Blick auf die Achttausender https://blogs.dw.com/abenteuersport/galerie-8000er-nasa/ Tue, 07 Jan 2014 15:04:13 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25043 Die Achttausender im Karakorum

Die Achttausender im Karakorum

Als kleiner Junge wollte ich Astronaut werden. Vielleicht lag es ja daran, dass die erste Mondlandung 1969 gleichzeitig mein erstes Fernseherlebnis war. Ich war damals sechs Jahre alt. Mehrere Familien drängten sich im Haus unserer Nachbarn um einen kleinen Schwarzweißapparat, den einziger Fernseher im Block. Neil Armstrong, Buzz Aldrin, Michael Collins – die Astronauten der Apollo 11 waren meine Helden. Ich träumte davon, ebenfalls über den Mond zu hüpfen und die Erde als blaue Kugel in der Ferne zu bestaunen. Bis heute hat das Weltall für mich nichts von der Faszination verloren, die ich schon als Kind verspürte.

Die US-Raumfahrtbehörde NASA blickt nicht nur ins All, sondern auch von dort aus auf unsere gute, alte Erde. Einem ausführlichen Artikel mit den wichtigsten Fakten zu den 14 Achttausendern hat die NASA jetzt Satellitenbilder der höchsten Berge beigestellt, die ich euch nicht vorenthalten will. Damit ihr euch auch ein bisschen wie Astronauten fühlt.

P.S. Ich habe die Berge zur Abwechslung einmal nicht nach der Höhe, sondern nach dem Todesrisiko sortiert. Die Prozent-Angabe (Stand Herbst 2013) gibt wieder, wie viele Todesfälle es an dem Berg gerechnet auf 100 Gipfelerfolge gab.

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Miura bricht Altersrekord https://blogs.dw.com/abenteuersport/miura-bricht-altersrekord/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/miura-bricht-altersrekord/#comments Thu, 23 May 2013 08:55:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21857

Miura beim Aufstieg (weit unten)

Der erste 80-Jährige hat den Mount Everest bestiegen. Der Japaner Yuichiro Miura erreichte nach Angaben seine Teams heute um 12.15 Uhr Ortszeit den höchsten Punkt auf 8850 Metern. „Ich fühle mich wie der glücklichste Mensch der Welt“, wird der Senior zitiert. „So wie jetzt habe ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Allerdings war ich auch noch nie so erschöpft.“ Wie viele Flaschen Sauerstoff Miura wohl bei seinem Aufstieg mit zwei zusätzlichen Zwischenlagern verbraucht hat? Das wurde natürlich nicht mitgeteilt. 

Senioren-Wettrennen 

Yuichiro Miura (l.), Min Bahadur Sherchan

Der Everest-Methusalem stand bereits zum dritten Mal auf dem Dach der Welt. Wie bei seiner Premiere 2003 wurde er von seinem Sohn Gota begleitet. Mit damals 70 Jahren hatte Yuichiro schon einmal vorübergehend den Everest-Altersrekord gehalten. 2008 erreichte er als 75-Jähriger erneut den Gipfel, schaffte es aber nicht ins Guinness-Buch der Rekorde, weil wenige Tage zuvor der damals 76 Jahre und 340 Tage Min Bahadur Sherchan oben gewesen war.

Der Nepalese könnte dafür sorgen, dass Miura seinen Rekord bald schon wieder los wird. Der inzwischen 81-Jährige will sich in den nächsten Tagen ebenfalls noch einmal am Everest versuchen. „Ich will beweisen, dass die Wunder für uns Ältere niemals enden müssen. Damit ich erfolgreich sein kann, habe ich sogar das Trinken und Rauchen aufgegeben“, hatte Min Bahadur Sherchan vor einigen Monaten in einem Interview gesagt.

Skiabfahrt vom Südsattel  

Schwärmer bezeichnen Yuichiro Miura übrigens als „Vater aller Extremskifahrer“. 1964 hielt er mit 172,084 Stundenkilometern den Geschwindigkeitsrekord auf zwei Brettern, allerdings nur einen Tag lang. 1970 wagte der damals 37-Jährige als Erster eine Skiabfahrt aus einer Höhe von 8000 Metern: vom Südsattel des Mount Everest, mit Atemmaske. Dabei wurde seine Schussfahrt von einem Fallschirm gebremst. Miura verlor im Blankeis der Lhotseflanke die Kontrolle und kam nach einer wilden Rutschpartie erst kurz vor einer Gletscherspalte zum Liegen. Bei der Expedition starben insgesamt sieben Sherpas und ein Japaner. Der Dokumentarfilm „The man who skied down Everest“ wurde 1976 mit einem Oscar ausgezeichnet. Miuras Vater fuhr noch mit 99 Jahren den Mont Blanc mit Skiern hinunter. Yuichiro hat also noch alle Optionen. Wie wäre es mit einer Skiabfahrt vom Everest im Jahr 2018 im zarten Alter von 85?

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Teil 1 des Everest-Rätsels gelöst https://blogs.dw.com/abenteuersport/teil-1-des-everest-ratsels-gelost/ Thu, 13 Dec 2012 08:25:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=18595 Bin ich blöd! Das Original-Bild von der NASA-Seite war nur um 180 Grad gedreht. Danke Jan, dass du das Brett vor meinem Kopf beiseite geschoben hast! Bleibt noch die Frage, welcher Berg wo ist.

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Stopp, es reicht! https://blogs.dw.com/abenteuersport/stopp-es-reicht/ Mon, 29 Oct 2012 13:07:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17677 Gerlinde Kaltenbrunner

Gerlinde in den Südtiroler Bergen

 „Schlimm, furchtbar, erschreckend, ein trauriger Anblick.“ Gerlinde Kaltenbrunner ist noch immer schockiert über das, was sie im vergangenen Frühjahr am Mount Everest gesehen hat: Hunderte von Bergsteigern, die in einer langen Reihe über die Lhotse-Flanke am Fixseil zum Everest-Südsattel aufstiegen. „Da sind so viele Leute unterwegs gewesen, die dort nichts verloren gehabt hätten. Die meisten mit Flaschensauerstoff, mit Sherpas, die ihre Lasten getragen haben. Einige hatten mit Sicherheit vorher noch nie Steigeisen angelegt.“ Dass am nächsten Tag auf der Südseite des höchsten Bergs der Erde im Gipfelbereich vier Menschen ums Leben kamen, hat Gerlinde nicht überrascht.

Taube Ohren 

Viel Verkehr auf der Normalroute

Eine Steigerung des Wahnsinns sei kaum noch möglich. „In Lager zwei haben wir eine Kanadierin gesehen, die sich mit den Steigeisen nicht ordentlich bewegen konnte. Wir haben noch zueinander gesagt: Wenn die weiter aufsteigt, kommt sie sicher nicht mehr herunter.“ Gerlinde und ihr Seilpartner David Göttler sollten Recht behalten. Die 33 Jahre alte Kanadierin Shriya Shah-Klorfine starb in der „Todeszone“, höhenkrank und völlig erschöpft. „Für meine Begriffe fehlt da wirklich der Respekt vor dem eigenen Leben, aber auch vor dem Berg und vor der Natur“, findet Gerlinde. Nach der Rückkehr nach Kathmandu hat sie nepalesischen Regierungsvertretern vorgeschlagen, künftig nur noch Bergsteiger für den Everest zuzulassen, die vorher schon einmal eigenständig einen anderen Achttausender bestiegen haben: „Da stößt man auf taube Ohren. Die sagen schon, man muss etwas machen. Aber sie sind nur an den Einnahmen interessiert und werden ganz bestimmt nicht die Zahl der Genehmigungen reduzieren.“ 

Gerlinde: Respekt vor dem Leben und dem Berg fehlt

„Everest wehrt sich“ 

Die Profibergsteiger könnten allenfalls an die Vernunft der Everest-Anwärter appellieren, sagt die 41 Jahre alte Österreicherin, die als erste Frau alle Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestieg: „Dass sich die Leute endlich besinnen und sich Ziele aussuchen, die sie aus eigener Kraft schaffen können und nicht mit allen Mitteln.“ Vielleicht regle der Mount Everest das Problem aber auch selbst. Im Khumbu-Eisbruch habe es so viel Eisschlag, in der Lhotse-Flanke so viel Steinschlag gegeben wie niemals vor. „Das war für mich wirklich ein Zeichen, dass der Berg jetzt sagt: Stopp, es reicht!“ Gerlinde war in diesem Frühjahr in unmittelbarer Nachbarschaft des Everest mit David Göttler die erst sechste Besteigung des 7861 Meter hohen Nuptse gelungen. „Das war eine superschöne Expedition. Ein Berg knapp unter 8000 Meter, den deswegen kaum noch jemand kennt. Wir haben den ganzen Berg und die Route für uns gehabt, und das habe ich wirklich sehr genossen.“ 

Der Everest wehrt sich, glaubt Gerlinde

Klappe Nordwand, die dritte?

Gemeinsam unterwegs: Gerlinde und Ralf

Auch künftig wollen sich Gerlinde und ihr Ehemann Ralf Dujmovits eher anspruchsvollen Sechs- und Siebentausendern zuwenden. Doch das bedeutet nicht unbedingt, dass die Achttausender für alle Zeiten abgehakt sind. „Ich muss zugeben, dass die Kraft, die von diesen ganz hohen Bergen ausgeht, wirklich enorm ist“, räumt Gerlinde ein. Selbst der Mount Everest beschäftigt sie noch. Ein neuerlicher Aufstieg über eine der Normalrouten komme für sie wegen des Massenansturms nicht mehr in Frage, sagt Gerlinde. Doch der Plan, die Nordwand über die so genannte „Supercouloir“-Route zu durchsteigen, habe trotz zweier gescheiterter Anläufe noch nicht seinen Reiz verloren. „Die Everest-Nordwand ist noch immer genauso schön wie 2010 und 2005. Eine faszinierende Wand und eine beeindruckende Route, wo kein Mensch unterwegs ist. Diesen Traum habe ich immer noch im Kopf.“ Spruchreif sei das aber noch nicht.

Der Traum Everest-Nordwand ist noch immer in Gerlindes Kopf

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Gelesen: 8000+ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-8000/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-8000/#comments Tue, 02 Oct 2012 22:39:58 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17285 Morgen feiert Ueli Steck Geburtstag. Der Top-Bergsteiger aus der Schweiz wird 36 Jahre alt – eigentlich noch ziemlich jung, gemessen an dem, was er in den Bergen bereits geleistet hat. Nicht nur mit seinen Speed-Solo-Projekten an den klassischen Alpen-Nordwänden, sondern in den vergangenen Jahren auch an den höchsten Bergen der Welt. Vor allem um diese Expeditionen geht es in Uelis Buch „8000+ – Aufbruch in die Todeszone“, das ich euch wärmstens empfehle – und das nicht, weil ich ihm zum Geburtstag eine Freude machen will.

Der perfekte Tag 

Sehr bescheiden, uneitel und offen schildert der Schweizer – mit Unterstützung der Autorin Karin Steinbach (fast schon eine Garantie für Qualität) – seine Erlebnisse im Himalaya und Karakorum. Dort hat Steck als Bergsteiger schon Zeichen gesetzt. 2005 etwa durchstieg Ueli am Sechstausender Cholatse in Nepal als Erster die Nordwand im Alleingang. 2008 gelang ihm mit seinem Landsmann Simon Anthamatten am Sechstausender Teng Kampoche, ebenfalls in Nepal, die Erstbegehung der extrem schwierigen Nordwand – wofür beide mit dem Piolet d’Or, dem Oscar der Bergsteiger, belohnt wurden. Seinen bisher größten Coup aber landete der Schweizer 2011, als er für die Südwand des Achttausenders Shishapangma in Tibet gerade einmal zehneinhalb Stunden benötigte, solo und auf einer teilweise neuen Route. „Der perfekte Tag, die perfekte Begehung“, bilanziert Ueli und das, obwohl er doch ursprünglich nur in die Wand geklettert war, um sich mit einem Aufstieg bis auf etwa 7000 Meter weiter zu akklimatisieren. Doch dann macht er einfach weiter, immer der Nase nach, und steht irgendwann am Gipfel. 

Kontrollfreak 

Mehrfach hatte ich beim Lesen den Eindruck, als wäre Ueli selbst davon überrascht, zu welchen Leistungen er in der Lage ist. Doch er gilt nicht umsonst als einer der besten Bergsteiger weltweit: sehr erfahren, technisch versiert und dann auch noch extrem schnell. Steck hat es nicht nötig, seine Projekte schön oder über andere schlecht zu reden. „Das Einzige, wofür ich appelliere ist, dass wir ehrlich sein sollten, ehrlich mit jenen Leuten, die unsere Leistungen nicht einschätzen können.“ Ueli hat ein Problem mit der Bezeichnung Extrembergsteiger: „Für mich ist extrem gleichbedeutend mit unkontrolliert.“ Er sei ein Kontrollfreak: „Für mich ist es unvorstellbar, dass man auf dem Abstieg an Erschöpfung sterben kann. Ich glaube, ich hätte nicht die Nerven so weit zu gehen.“ 

Selbstverständlich geholfen

Wie schmal der Grat ist, auf dem sich Profibergsteiger im Himalaya bewegen, hat Steck mehrmals am eigenen Leib erfahren. Vor allem an der Annapurna, dem gefährlichsten Achttausender. Als er 2007 versuchte, die Südwand solo zu durchsteigen, traf ihn ein Stein am Kopf. Ueli verlor das Bewusstsein und fand sich 200 Meter tiefer wieder – wie durch ein Wunder fast unverletzt. Ein Jahr später kehrte er zur Annapurna zurück. Vergeblich versuchte er, in 7400 Meter Höhe den höhenkranken Spanier Iñaki Ochoa zu retten. „Ich brauchte lange, bis ich darüber hinwegkam, dass ich ihm nicht mehr hatte helfen können“, schreibt Steck. Und er hatte Mühe damit, von allen Seiten für eine Rettungsaktion gelobt zu werden, die für ihn selbstverständlich gewesen war. 

Erst der Anfang 

Gerne hätte ich noch ein bisschen mehr über seine erfolgreiche Besteigung des Mount Everest im Mai 2012 erfahren. Ohne Flaschensauerstoff, in einem Frühjahr, das vor allem wegen der langen Schlangen von Everest-Anwärtern und einiger Todesfälle für Schlagzeilen sorgte. Ueli ließ sich von diesen Umständen nicht irritieren. Und er verspricht: „Der Everest war nicht das Ende, sondern der Anfang.“ Ich bin gespannt.

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Gerlinde mit Kleberücken https://blogs.dw.com/abenteuersport/bergmarken/ Thu, 27 Sep 2012 10:29:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17163

Gerlinde für 62 Cent

Gerlinde Kaltenbrunner auf einer Briefmarke – in Deutschland wäre das ein Politikum. Hierzulande werden traditionell nur die Konterfeis von Bundespräsidenten mit Kleberücken versehen. „In allen anderen Fällen lehnt es die Deutsche Bundespost ab, lebende Personen auf Briefmarken abzubilden, weil deren Lebenswerk noch nicht vollendet ist“, teilte schon 1960 das Postministerium mit. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. So gab es vor fünf Jahren eine Marke von Papst Benedikt XVI., der damals seinen 80. Geburtstag feierte. Aber dass sich etwa Ralf Dujmovits, der erste deutsche Bergsteiger auf allen 14 Achttausendern, schon zu Lebzeiten auf einem deutschen Postwertzeichen wiederfindet, ist in etwa so wahrscheinlich wie der Abbau aller Bergbahnen an der Zugspitze. Die Österreicher sehen das lockerer.

Am Samstag erscheint in der Alpenrepublik eine Sondermarke zu Ehren Gerlinde Kaltenbrunners. Damit wird ihre große sportliche Leistung gewürdigt, alle Achttausender bestiegen und dabei als erste Frau stets auf Flaschensauerstoff verzichtet zu haben. Die 62-Cent-Marke zeigt die 41 Jahre alte Österreicherin vor der tibetischen Nordwand des Mount Everest.

 Höchste und tiefste Stelle 

Zwei Staaten, eine Marke

Der 8850-Meter-Berg ziert auch eine Briefmarke, die Anfang des Monats zeitgleich in Nepal und Israel erschien. Unter dem Everest ist das Tote Meer abgebildet – der höchste und der tiefste Punkt der Erde. Vielleicht gibt ja die Deutsche Post demnächst analog dazu eine Kombi-Marke heraus, auf der die tiefste Landstelle Deutschlands in Neuenfeld-Sachsenbande (3,54 Meter unter Normalnull) und die höchste, der Gipfel der Zugspitze (2962 Meter), zu sehen ist. Mein Vorschlag: Ich würde als symbolische Verbindung einen Stein abbilden, der heute vor einer Woche die Reise vom einen zum anderen Ort beendet hat. 🙂

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Gelesen: 2 x 14 Achttausender https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-2-x-14-achttausender/ Wed, 26 Sep 2012 20:17:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17125 Ich lege euch dieses Buch von Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits ans Herz, obwohl ich es streng genommen nicht dürfte. Mir fehlt nämlich die journalistische Distanz, ich bin eindeutig befangen. Seit vielen Jahren kenne und schätze ich Gerlinde und Ralf sehr. Nicht nur als Bergsteiger, sondern auch als Menschen. 

 

Genauso war es 

2005 öffneten mir die beiden das Tor zum Expeditionsbergsteigen, als sie mich als Reporter zu ihrer Expedition zur Mount-Everest-Nordwand in Tibet mitnahmen. Für ihr Vertrauen, ihre Offenheit und Hilfsbereitschaft bin ich ihnen bis heute dankbar. 2007 war ich erneut mit Ralf im Himalaya unterwegs, diesmal am Achttausender Manaslu. Ich war dabei, als die beiden am Everest um das Leben unseres japanischen Freundes Hirotaka Takeuchi kämpften und erlebte auch den Tag mit, als sich Ralf im Manaslu-Basislager große Sorgen um Gerlinde machte, weil sie sich nicht vom Dhaulagiri meldete. Nach endlos erscheinenden Stunden erfuhr Ralf, dass Gerlinde nur mit viel Glück eine Lawine überlebt hatte. Das waren nicht nur Randepisoden im Leben der beiden, sondern einschneidende Erlebnisse. Ralf beschreibt sie, wie es auch sonst seine Art ist: offen, ehrlich, ungeschminkt. Zu diesen beiden Expeditionen kann ich aus erster Hand sagen: Ja, genauso war es. 

Einblick in Gefühle 

Das Buch „2 x 14 Achttausender“ zeichnet die Karriere zweier außergewöhnlicher Bergsteiger nach. Hier Ralf, der erste Deutsche, der die 14 höchsten Berge der Welt bestieg, und zu den erfahrensten Höhenbergsteigern weltweit gehört. Dort Gerlinde, die Österreicherin, die als erste Frau alle Achttausender-Gipfel erreichte, ohne dabei auf Flaschen-Sauerstoff zurückzugreifen. Und dann sind die beiden auch noch ein Liebes- und Ehepaar. Auch über die Beziehung der beiden Extremsportler verrät das Buch viel. Ralf macht aus seinen Gefühlen kein Geheimnis. Er beschreibt, wie er mit der Sorge um Gerlinde umgeht, welche Absprachen sie getroffen haben, um in Grenzsituationen nicht endlos diskutieren zu müssen, wie schwer es ihnen trotz allem fällt, wenn sie getrennt unterwegs sind. 

Großformatig, großartig 

Ich habe das Buch an einem Abend regelrecht verschlungen. Nicht nur wegen der sehr persönlichen Texte, sondern auch wegen der großformatigen und großartigen Bilder von Gerlindes und Ralfs Expeditionen zu den Achttausendern. Auf Seite 82 findet ihr unten links übrigens auch einen Schnappschuss, den ich 2005 gemacht habe. Sagte ich, dass ich befangen bin? 

P.S. Einen kleinen Wermutstropfen habe ich dann doch noch: Entgegen der Ankündigung auf dem Einband wird der überwiegende Teil der Geschichte aus der Ich-Perspektive Ralfs erzählt. Ein bisschen mehr Gerlinde im Original hätte nicht geschadet. Aber ein solches Buch gibt es ja schon: Gerlindes Autobiografie „Ganz bei mir“.

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Auf dem Weg in die Annalen https://blogs.dw.com/abenteuersport/auf-dem-weg-in-die-annalen/ Tue, 17 Apr 2012 20:07:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=14103

Hirotaka Takeuchi

So viele Daumen habe ich nicht, wie ich in diesem Frühjahr drücken muss. Über Gerlinde, Ralf, Rolf und Richie, die sich an Nuptse, Lhotse und Everest tummeln, hatte ich euch ja schon berichtet. In die Gruppe „Alte Freunde“ gehört auch Hiro: Hirotaka Takeuchi, mit dem ich 2005 am Everest und  zwei Jahre später am Manaslu unterwegs war, versucht sich mit seinem japanischen Landsmann Nakajima am 8167 Meter hohen Dhaulagiri. Erreicht Hiro den Gipfel, wäre der 40-Jährige der erste Japaner, der alle 14 Achttausender bestiegen hat. Um sich zu akklimatisieren, turnt sich Hiro am Sechstausender Island Peak warm, einem beliebten Aussichtsberg in Blickweite des Mount Everest.

Älteste Everest-Alte

Auf der tibetischen Nordseite des höchsten Bergs der Erde wird seine Landsfrau Tamae Watanabe erwartet. Die 73 Jahre alte Japanerin will einen neuen Seniorinnenrekord am Everest aufstellen. Dabei hält sie ihn bereits. Seit 2002 wird die damals 63-jährige Watanabe als älteste Everest-Besteigerin in den Berg-Annalen geführt. Was ihr neuerlicher Anlauf soll, erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht. Da hätte sie auch noch vier Jahre länger warten können. Dann hätte Watanabe den ältesten Everest-Alten überhaupt übertreffen können, den Nepalesen Min Bahadur Sherchan. Der war fast 77 Jahre alt, als er 2008 den Gipfel erreichte. Eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis sich dort oben auf 8850 Metern auch ein Methusalem mit Rollator ablichten lässt.

Als Paar auf den Manaslu

Alix und Luis auf dem Gipfel des Broad Peak

Wer hält eigentlich den Seniorenrekord am Manaslu? Das interessiert (Gott sei Dank) noch niemanden. Der achthöchste Berg der Erde produziert medial deutlich weniger Schlagzeilen als der Everest. In diesem Frühjahr will das deutsche Höhenbergsteiger-Paar Alix von Melle und Luis Stitzinger den Manaslu besteigen. Anschließend ist – wenn es die Verhältnisse erlauben, eine Skiabfahrt vom Gipfel geplant. Für beide wäre es der sechste Achttausender. Die in Hamburg geborene Alix darf sich bereits jetzt „erfolgreichste deutsche Expeditionsbergsteigerin“ nennen. Ebenfalls auf den Manaslu will Herbert Wolf, mein umsichtiger Expeditionsleiter vom Putha Hiunchuli. Der Österreicher führt erneut eine kommerzielle Expedition. Womit wir wieder bei den vielen Daumen sind, die ich drücke, obwohl ich nur zwei habe.

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Fußball auf dem Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/fusball-auf-dem-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/fusball-auf-dem-everest/#comments Fri, 06 Jan 2012 16:18:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=12703

Mount Everest

Und wieder muss der Mount Everest herhalten. 2008 sperrte China wochenlang den Berg, um von der tibetischen Seite aus die olympische Fackel auf den 8850 Meter hohen Gipfel zu bringen. Ziel der Übung: Werbung – oder sollte ich sagen Propaganda? – für die Spiele in Peking. In diesem Frühjahr nun soll auf dem Everest Fußball gespielt werden – als Appetitmacher für die Europameisterschaft 2012 in der Ukraine und Polen. Der Gipfel taugt nicht für ein Match, doch kurz darunter haben Bergsteiger aus der Ukraine ein mögliches kleines Spielfeld ausgemacht.

Symbolischer Torschuss

„50 Meter unterhalb des höchsten Punktes gibt es eine Bergschulter in der Größe eines Basketballfeldes“ sagte Sergej Kovalov. „Dieser Bereich hat nur eine geringe Neigung. Ein paar Kicks und ein symbolischer Torschuss sollten dort möglich sein.“ Der 45 Jahre alte Kovalov leitet eine Expedition, deren Mitglieder im nächsten Frühjahr den höchsten Berg der Erde besteigen wollen. Kovalovs Idee: Vertreter der vier ukrainischen Städte, in denen während der EM gespielt wird, erklimmen gemeinsam den Everest – im Gepäck einen Ball, der von den besten Fußballern der Ukraine signiert wurde. Der Expeditionsleiter kommt aus Donezk, dem Zentrum des ukrainischen Kohlereviers Donbass. In der Stadt werden drei EM-Vorrundenspiele der Gruppe D (unter anderem Frankreich gegen England), ein Viertel- und ein Halbfinale ausgetragen.

Richtiges Spiel im Basislager

Kovalov hat den Everest im Jahr 2008 über die nepalesische Seite bestiegen und weiß natürlich, dass ein „Fußball-Spiel“ im Gipfelbereich kaum mehr als ein Symbolkick sein kann. Doch es werde auch richtig gegen den Ball getreten, kündigte der Ukrainer vollmundig an – bei einer Partie im Basislager.

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Gerlinde am Ziel: Alle 14 Achttausender https://blogs.dw.com/abenteuersport/gerlinde-am-ziel-alle-14-achttausender/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gerlinde-am-ziel-alle-14-achttausender/#comments Tue, 23 Aug 2011 15:08:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/08/23/gerlinde-am-ziel-alle-14-achttausender/ Eigentlich hätten wir uns gar nicht weit vom K 2 kennenlernen sollen. Ursprünglich wollte ich bei meiner Reportagereise im Juli 2004 zum zweithöchsten Berg der Erde auch einen Abstecher zum Basislager am nahe gelegenen Achttausender Gasherbrum I machen, um Gerlinde und Ralf zu besuchen. Ralf kannte ich bereits seit ein paar Jahren, seine (damals noch) Lebensgefährtin nicht. Weil mein Zeitplan während des Trekkings zu eng gestrickt war, musste ich den Plan jedoch fallen lassen. So begegneten wir uns erstmals im Herbst desselben Jahres beim Kölner Alpintag in Leverkusen – was wie ein doppeltes Paradoxon klingt (Köln in Leverkusen, Alpintag im Flachland), aber eine außerordentlich gut besuchte Veranstaltung der Kölner Alpenvereins-Sektion war. Gerlinde hielt damals einen Vortrag, Ralf kümmerte sich um die Technik. Ich interviewte die beiden. Die Österreicherin war mir auf Anhieb sympathisch. Sie wirkte natürlich, herzlich und bescheiden. Keine Spur von Starallüren, zu denen auch manche Spitzenbergsteiger neigen.

Auf einer Wellenlänge

Gerlinde und Ralf

Im folgenden Jahr begleitete ich Gerlinde und Ralf zur Nordwand des Mount Everest. Auch heute bin ich den beiden noch dankbar dafür, dass sie das Wagnis eingingen, mich mitzunehmen. Zwar kannten sie einige meiner journalistischen Arbeiten und wir hatten uns ein wenig beschnuppert. Aber wie ich mich in extremer Höhe, in der extremen Nähe eines Basislagers und in gegebenenfalls extremen Situationen verhalten würde, wussten sie nicht. Um es kurz zu machen, es funktionierte: Menschlich funkten wir auf einer Wellenlänge. Und ich fühlte mich von Gerlinde und Ralf sowie ihrem japanischen Freund Hirotaka Takeuchi von Beginn an als vollwertiges Teammitglied akzeptiert, obwohl ich „nur“ im Basislager auf etwa 5500 Metern blieb und über ihr Fortkommen am Berg berichtete.

Freundschaft geht über Gipfel

Ralf und Gerlinde bringen Hiro 2005 zurück ins Basislager

Gerlinde war 2005 prächtig in Form. Mit Ralf und Hiro hatte sie gerade den Achttausender Shishapangma über die schwere Südwand-Route bestiegen, und auch am Everest schien sie nichts stoppen zu können. Doch ganz selbstverständlich verzichtete Gerlinde auf einen Gipfelversuch, als sich Hiro auf über 7000 Metern ein Höhenhirnödem zuzog und nur knapp dem Tod von der Schippe sprang – nicht zuletzt dank Gerlinde als ausgebildeter Krankenschwester. „Es ist wichtiger, einen Freund zu retten, als den Mount Everest zu besteigen“, meinte sie nach ihrer Rückkehr ins Basislager. Es war nicht nur so dahergesagt.

Mensch geblieben

Auch 2007, als ich an einer von Ralf geführten kommerziellen Expedition zum Achttausender Manaslu teilnahm, begegnete ich Gerlinde. Auf dem Rückweg kam sie uns auf der „Annapurna-Runde“, einer der beliebtesten Trekkingrouten Nepals, entgegen. Sie hatte gerade am Dhaulagiri mit viel Glück eine Lawine überlebt, zwei spanische Bergsteiger waren ums Leben gekommen. Gerlinde wirkte mitgenommen. Andere Profi-Bergsteiger wären vielleicht leichtfertig darüber hinweggegangen. Gerlinde aber brauchte einfach Zeit und auch Ruhe jenseits des Medienrummels, um das tragische Geschehen zu verarbeiten. Sie machte keinen Hehl daraus, blieb einfach Mensch.

In den Bergen glücklich

Den „Wettlauf“ der Frauen um die Achttausender-Krone hat sie nicht gewollt. Der wurde herbeigeredet und –geschrieben. Als wir 2005 vom Mount Everest zurückkehrten, interessierte sich in Deutschland kaum jemand für Gerlinde. Erst als Ende des Jahres eine Geschichte im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über den vermeintlichen Wettlauf erschien, brachen die Dämme. Gerlinde besuchte damals mit Ralf einen Weihnachtsmarkt in Österreich, als erstmals das Handy klingelte – und dann immer wieder. Professionell und höflich, wie sie ist, beantwortete sie jede Anfrage. Aber eigentlich war ihr der ganze Trubel zu viel. Umso glücklicher wirkte Gerlinde eigentlich immer, wenn ich sie vor der Abreise zu einer neuen Expedition traf. In den Bergen findet sie ihre Ruhe, hier kann Gerlinde sie selbst sein: Bergsteigen ist nicht nur ihr Beruf, sondern ihre Berufung. In den Bergen genießt die 40-Jährige das Leben in vollen Zügen, vor allem wenn sie ihre Erlebnisse mit ihrem Mann Ralf teilen kann.

Für mich die Beste

Immer offen und nett

Dass Gerlinde jetzt alle 14 Achttausender bestiegen hat, ist eine außergewöhnliche Leistung. Sie ist die erste Frau, die dabei komplett auf Flaschensauerstoff verzichtete. Stets war Gerlinde außerdem in kleinen Teams und ohne Hochträger unterwegs. Einige der Bergriesen bestieg sie zudem nicht über die Normalwege, sondern auf technisch schwierigen Routen. All das unterscheidet sie von der Südkoreanerin Oh Eun Sun und der Spanierin Edurne Pasaban, die im Frühjahr 2010 vor Gerlinde ihre Achttausender-Sammlungen vollendeten. Für mich ist Gerlinde deshalb die beste Höhenbergsteigerin der Welt – auch wenn ich möglicherweise befangen bin, weil ich sie nicht nur als Sportlerin, sondern auch als Mensch besonders schätzen gelernt habe.

Gerlindes Achttausender-Chronik:

1998 April/Mai – Cho Oyu/ Tibet (8201 Meter)
2001 April/Mai – Makalu/ Nepal (8463 Meter)
2002 April/Mai – Manaslu/ Nepal (8163 Meter)
2003 Juni – Nanga Parbat/ Pakistan (8125 Meter)
2004 Mai – Annapurna/ Nepal (8091 Meter)
2004 Juli – Gasherbrum I/ Pakistan (8068 Meter)
2005 Mai – Shishapangma/ Tibet (8013 Meter)
2005 Juni/Juli – Gasherbrum II/ Pakistan (8035 Meter)
2006 April/Mai – Kangchendzönga/ Nepal (8595 Meter)
2007 Juli/August – Broad Peak/ Pakistan (8047 Meter)
2008 Mai – Dhaulagiri/ Nepal (8167 Meter)
2009 Mai – Lhotse/ Nepal (8516 Meter)
2010 April/Mai – Everest/ Tibet (8850 Meter)
2011 Juli/August – K 2/ China (8611 Meter)

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