Fitz Roy – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Heidi Sand: „Du hast nur ein Leben. Nutze es!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/heidi-sand-du-hast-nur-ein-leben-nutze-es/ Tue, 13 Dec 2016 09:56:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34439 Heidi Sand (im November in Patagonien)

Heidi Sand (im November in Patagonien)

Dass der Denali ihr Leben auf diese Weise verändern würde, konnte Heidi Sand nicht ahnen. Als die deutsche Bergsteigerin und Bildhauerin 2010 vom Gipfel des höchsten Bergs Nordamerikas (6190 Meter) abstieg, hatte die damals 43-Jährige plötzlich starke Magenschwerzen. Wenig später die niederschmetternde Diagnose: Darmkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Nach der Notoperation folgte die Chemotherapie. „Wenn ich das überlebe, will ich mich mit einem Achttausender belohnen“, versprach sich Heidi damals – und erfüllte sich diesen (Über-) Lebenswunsch: Am 26. Mai 2012 stand die Mutter dreier Kinder auf dem Gipfel des Mount Everest.

Heidi Sand hat die kritische Fünfjahresmarke nach der Krebsdiagnose längst hinter sich. Sie gilt als geheilt – und hat nach dem Everest weitere Bergprojekte realisiert. So bestieg Heidi im Herbst 2013 ohne Flaschensauerstoff den Cho Oyu und im Frühjahr 2014 (mit Atemmaske) den Makalu. Mit Billi Bierling teilt sich Heidi die Ehre, als erste deutsche Bergsteigerinnen den Gipfel des Makalu erreicht zu haben. Ihre drei Achttausender-Erfolge widmete sie ihren Kindern, für ihren Mann blieb die Eiger-Nordwand, die Sand vor einem Jahr durchstieg. In diesem November versuchte sie sich mit dem Schweizer Bergführer Lorenz Frutiger vergeblich am legendären Granitriesen Fitz Roy in Patagonien, das Wetter machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ich habe der 50-Jährigen vier Fragen zu ihrem Bergsteigen gestellt.

Heidi, was verdankst du den Bergen, speziell dem Mount Everest?

Heidi Sand (© AthletenWerk/Bob Berger)

Am Mount Everest (© AthletenWerk/Bob Berger)

Es ist einfach ein unglaubliches Gefühl, auf dem höchsten Punkt der Erde stehen zu dürfen. In dem Bewusstsein, dass dich deine mentale Stärke und deine körperliche Fitness dort hoch gebracht haben. Jeder neue Gipfel gibt mir eine neue Perspektive – nicht nur das Umland, sondern insbesondere auch auf mich selbst, auf mein Leben. Es gibt mir Kraft und Zuversicht.
Das Ziel, den Everest zu besteigen, habe ich während der Chemotherapie gefasst, und mich hat dieses Ziel vor Augen aus meinem Tal gezogen. Nicht hinsetzen und in Selbstmitleid verfallen, sondern aufstehen. Sich bewegen und wieder das Licht am Ende des Tunnels finden.

Du bist als Krebskranke dem Tod von der Schippe gesprungen. Hat dich diese Erfahrung in den Bergen mutiger oder zumindest risikofreudiger gemacht?

Ich konzentriere mich stärker als früher auf die Dinge, die mir wirklich wichtig sind, die mir am Herzen liegen. Wir schulden es uns selbst und den anderen, jeden Tag auszuschöpfen. Du hast nur ein Leben. Nutze es!
Risikofreudiger – in dem Sinne, dass ich jetzt mehr Risiken eingehe als früher – bin ich nicht geworden. Da ich jetzt aber öfter in den Bergen bin und meine Ziele konsequenter verfolge, gehe ich in der Summe natürlich schon höhere Risiken ein, die es mir aber wert sind.

Am Fitz Roy

Am Fitz Roy

Nach dem Everest hast du auch den Cho Oyu und den Makalu bestiegen. War es das für dich mit den Achttausendern?

Ich hatte mit dem Cho Oyu noch eine Rechnung offen und wollte außerdem einen 8000er ohne zusätzlichen Sauerstoff besteigen. Der Makalu wird weit seltener bestiegen als der Everest und stellt auch technisch sehr viel höhere bergsteigerische Anforderungen. Jedes Projekt war detailliert geplant, aber es gibt natürlich immer Ereignisse, die man nicht voraussehen kann. Ich hatte also auch großes Glück, alle drei besteigen zu dürfen. Gegenwärtig möchte ich nicht sagen, dass es das mit den Achttausendern nun war. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Aber es gibt noch viele weitere bergsteigerische Herausforderungen für mich, die nicht nur durch ihre Höhe definiert sind, wie z. B. die Eigernordwand (durchstiegen am 20.12.2015), den Fitz Roy in Patagonien, den Mount Foraker in Alaska und viele weitere Berge in den Alpen und weltweit.

Nach welchem Muster suchst du deine Bergziele aus?

Ich habe keine ausgefeilte Strategie. Das jeweilige Bergziel muss mich vielmehr einfach ansprechen. Emotional, optisch, wegen seiner Geschichte oder aufgrund seiner bergsteigerischen Herausforderung für mich. Meistens sind es mehrere dieser Faktoren.
Beim Abstieg vom Everest habe ich mich in den Makalu „verguckt“. Diese überwältigende Felspyramide hat mir damals schon quasi zugewunken. Zudem gilt er als schwieriger 8000er, wegen seiner Höhe und seinen technischen Herausforderungen. Bei der Eiger-Nordwand – an deren Fuß ich schon oft Skifahren war und das Buch „Die weiße Spinne“
(von Heinrich Harrer über die Erstdurchsteigung der Wand im Jahr 1938) verschlungen habe – hat mich natürlich seine tragische Geschichte in ihren Bann gezogen. Erst wenn ich dann solch einen Berg gefunden habe, geht es an die Planung und Vorbereitung.

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Patagonisches https://blogs.dw.com/abenteuersport/patagonisches/ Mon, 24 Feb 2014 16:58:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25361 Traumberge Patagoniens: Fitz Roy (l.) und Cerro Torre (r.)

Traumberge: Fitz Roy (l.) und Cerro Torre (r.)

Es gibt noch einige weiße Flecken auf meiner Wunsch-Weltkarte. Patagonien gehört dazu. Die Granitberge dort zählen nicht zu den höchsten, aber gewiss zu den schönsten Bergen der Welt. Jahr für Jahr ziehen sie Top-Kletterer aus aller Herren Länder an – und schicken sie häufig wieder unverrichteter Dinge heim. An kaum einem anderen Ort ist das Wetter so wechselhaft und unberechenbar wie in den Bergen am Südzipfel Südamerikas. Aus Patagonien erreichten uns zuletzt eine gute und eine traurige Nachricht.

Wahnsinnstraverse

Tommy Caldwell am Nordpfeiler des Fitz Roy

Tommy Caldwell am Nordpfeiler des Fitz Roy

Für Begeisterungsstürme in der Kletterszene sorgten Alex Honnold und Tommy Caldwell. Die beiden US-Amerikaner durchstiegen erstmals die so genannte „Fitz-Traverse“. Sie überschritten die komplette Gipfelgruppe um den Fitz Roy. Für die mehr als fünf Kilometer lange Kletterstrecke über sieben Gipfel und teilweise messerscharfe Grate benötigten die beiden fünf Tage. Für den 28 Jahre alten Honnold, der bisher vor allem mit Speed-Begehungen und Free-Solos, sprich ungesicherten Klettereien, für Furore gesorgt hatte, war es das erste Projekt in Patagonien – und dann gleich so ein Paukenschlag. Der 35 Jahre alte Tommy Caldwell hat sich vor allem mit Freikletter-Touren  an den legendären Granitwänden des Yosemite Valley einen Namen gemacht. Was ihn antreibt, hat Tommy einmal sehr einprägsam beschrieben: „I don’t know what’s wrong with me, but I love this shit.” (Ich weiß nicht, was mir fehlt, aber ich liebe diesen Scheiß.)

Chad Kellogg von Felsbrocken erschlagen

Chad Kellogg (1971-2014)

Chad Kellogg (1971-2014)

Zum Verhängnis ist der Fitz Roy einem anderen Topkletterer aus den USA geworden. Chad Kellogg starb, als er im Abstieg von einem Felsbrocken getroffen wurde. Er wurde nur 42 Jahre alt. Chad hatte in den letzten Jahren vor allem an den hohen Bergen Nepals seine Spuren hinterlassen. Mit seinem Landsmann David Gottlieb gelang ihm 2011 die Erstbesteigung des 6625 Meter hohen Pangbuk Ri. Dreimal versuchte Kellogg vergeblich, am Mount Everest  den Geschwindigkeitsrekord ohne Flaschensauerstoff zu brechen. Nach seinem letzten, auf 8300 Meter Höhe gescheiterten Versuch im Frühjahr 2013 schrieb Chad: „Letzten Endes bedeutet Leben, für jeden Moment zu leben. In diesem Sinne bereue ich nichts, weil jeder Moment ein Geschenk ist.“ R.I.P.

P.S. Ich weiß, ich bin mit dieser Geschichte ein bisschen spät dran, bitte aber um Nachsicht. Die Winterspiele in Sotschi ließen mir wenig Zeit ;-).

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