Himalaya – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Paul Ramsden: „Beim Klettern ist der Stil alles“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/paul-ramsden-beim-klettern-ist-der-stil-alles/ Thu, 14 Dec 2017 14:16:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38839

Paul Ramsden

Er ist alles andere als ein Selbstdarsteller. Paul Ramsden gehört nicht zu den Extrembergsteigern, die sich vermarkten wollen und darauf aus sind, ständig im Rampenlicht zu stehen. Dabei hätte er es durchaus verdient – die Liste seiner Erstbegehungen im Himalaya ist lang. So durchstieg der Brite im Herbst 2016 zusammen mit seinem Landsmann Nick Bullock erstmals die extrem anspruchsvolle Nordwand des 7046 Meter hohen Nyainqentangla South in Tibet. Dafür wurde er kürzlich mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet. Es war bereits das vierte Mal, das Ramsden den „Oscar der Kletterer“ erhielt. Und das, obwohl der 48-Jährige kein Profibergsteiger ist. Er verdient sein Geld als selbständiger Arbeitshygieniker, der Unternehmen berät und Gutachten erstellt.

Paul, du bist kein Profibergsteiger, hast einen Job und eine Familie. Was motiviert dich, Jahr für Jahr in entlegene Regionen des Himalaya aufzubrechen, um unbestiegene Berge, Wände oder Grate anzugehen?

Ich liebe die Berge, so einfach ist das. Aber da ich nicht in den Bergen lebe oder arbeite, verbleibt meine Begeisterung für die Zeit, in denen ich sie besuche. Kurioserweise finde ich es schwieriger, bei all den Verpflichtungen durch Familie und Arbeit einfach mal am Wochenende zum Klettern zu fahren, als einmal im Jahr auf Expedition zu gehen.

Was macht für dich echtes Abenteuer aus?

Gipfelselfie von Paul (l.) mit Nick Bullock (r.)

Echtes Abenteuer bedeutet, nicht zu wissen, wie es ausgeht. Wenn der Erfolg ungewiss ist, erlebst du ein Abenteuer. Allerdings ist für mich das Abenteuer so eng mit dem Kletterstil verbunden, dass diese beiden Dinge untrennbar sind. Die britische Klettertradition ist immer so gewesen.

Wie wichtig ist es für dich, in sauberem Stil zu klettern?

Stil ist alles, ohne einen sauberen Stil wird Klettern zu einer bedeutungslosen körperlichen Aktivität. Guter Stil bedeutet für mich, im reinen Alpinstil zu klettern, kleines Team, keine Bohrhaken, keine Fixseile, keine Unterstützung von außen.

Wieviel Risiko bist du bereit einzugehen?

Ich bemühe mich wirklich, die Risiken auf ein Minimum zu reduzieren. Ich bin sehr wählerisch, wenn ich mich für eine Route entscheide. Dafür schätze ich immer die objektiven Gefahren ein, und die Möglichkeiten, wieder herunterzukommen. Das Risikomanagement in meinem Kopf ist ein stetiger Prozess und schwierig zu beschreiben, aber ich bin schon auf vielen Routen umgekehrt.

Die Route am Nyainqentangla South East

Worin liegt dein Erfolgsgeheimnis?

Wenn ich ehrlich sein soll, ich weiß es nicht. Ich denke, es ist vielleicht eine Kombination aus Erfahrung, Urteilsvermögen und Klettern in einem Stil, der meinen Fähigkeiten und meinem Temperament entspricht.

Du bist über viele Jahre mit Mick Fowler geklettert, nun mit Nick Bullock. Welche Kriterien muss ein perfekter Teampartner erfüllen?

Der perfekte Teampartner ist sicherheitsbewusst, hat eine gute Portion Humor (der britische Humor hilft in den Bergen sehr), ist aber auch darauf vorbereitet, das Maximum zu geben, wenn es darauf ankommt.

Bei Mick wurde in diesem Jahr Krebs diagnostiziert. Was hast du empfunden, als du davon erfahren hast?

Das war ein richtiger Schlag, eine totale Überraschung, weil er sehr gesund zu sein schien und mir immer unverwüstlich vorkam. Er hat seine Krebstherapie gerade abgeschlossen, und hoffentlich wird alles wieder gut. Da machst du dir schon Gedanken über die Zukunft und führst dir all die Dinge vor Augen, die du noch nicht geschafft hast.

Piolet-d’Or-Gewinner Ramsden (l.) und Mick Fowler (r.)

Du bist schon viermal mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar der Bergsteiger”, ausgezeichnet worden, damit bist du der Rekordgewinner (mit Marko Prezelj). Bedeutet dir das irgendetwas?

Auf der einen Seite ist es ganz angenehm, von euch Kollegen wahrgenommen zu werden, andererseits hat es praktisch keinen Einfluss auf mein Leben. Da ich kein Profi, sondern ein Teilzeit-Kletterer bin, brauche ich wirklich weder Sponsoring noch Öffentlichkeit. Allerdings unterstütze ich den Piolet d’Or als ein Instrument, um Ethik und Stil im Bergsteigen zu fördern.

Hast du dir schon ein Kletterziel für das nächste Jahr gesetzt?

Ja, ich werde 2018 erneut mit Nick Bullock auf Expedition gehen. Allerdings bevorzuge ich es, meine Ziele geheim zu halten!

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Mick Fowler: „Nein, ich sterbe nicht“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mick-fowler-nein-ich-sterbe-nicht/ Tue, 12 Dec 2017 15:30:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38797

Mick Fowler

Ich musste erst einmal schlucken. Er hat Krebs? Das darf noch nicht wahr sein. „Für uns im ‚Club der Halbhunderter‘ wirken Leute wie Mick Fowler wie ein Antidepressivum“, habe ich einmal über den britischen Extrembergsteiger geschrieben. Wie kaum ein Zweiter steht der inzwischen 61-Jährige in meinen Augen dafür, dass wahres Abenteuer keine Altersgrenzen kennt. Alljährlich macht sich Mick immer noch in abgelegene Regionen des Himalaya auf, um Kletter-Neuland zu betreten. Und das mit großem Erfolg: Schon dreimal wurde Mick mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar der Bergsteiger“, ausgezeichnet. Auch in diesem Jahr plante er wieder eine Erstbegehung im indischen Himalaya, wie schon 2016 mit seinem Landsmann Victor Saunders, einem anderen „Oldie, but Goldie“, 67 Jahre alt. Doch dann erhielt Fowler vor einigen Monaten die niederschmetternde Diagnose: „‘Du hast Krebs‘ war gleichzeitig ein Schock und eine Erleichterung“, schreibt Mick zurückblickend. „Die Unsicherheit war vorbei. Kein Zaudern mehr. Die Reise musste abgesagt werden. Aber was würde vor mir liegen?“

Alles fühlte sich merkwürdig an

Mick während der Chemo

Begonnen hatte es damit, dass Mick zweimal Blut im Stuhl und einen geringen Gewichtsverlust registriert hatte. Doch der Bergsteiger fühlte sich damals eigentlich fitter und gesünder als teilweise in früheren Zeiten. Zudem galt es, die Expedition zu organisieren. „Ich hatte mich in einer ‚Situation beobachten‘-Mentalität gemütlich eingerichtet“, schreibt Mick. Seine Frau Nicki war es, die ihn dazu drängte, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und zum Arzt zu gehen. Eine Darmspiegelung mit Gewebeentnahme brachte es an den Tag: Fowler litt an Darmkrebs. „Ich fühlte mich gut, aber die Ärzte sagten mir, ich sei sehr krank“, erinnert sich Mick. „Aber sie sagten mir auch, dass ich, wenn alles glatt liefe (alle Krebszellen vernichtet), in sechs Wochen wieder auf dem Damm sein könnte. Aber ich würde mich schlecht fühlen (nach Strahlen- und Chemotherapie). Das alles fühlte sich merkwürdig an.“

Positive Prognose

Fowler (r.) und Saunders auf dem Gipfel des 6000ers Sersank (2016)

Inzwischen liegt die Behandlung in einem Krankenhaus in Sheffield hinter Fowler. „All jenen, die fragen, ob ich dabei bin zu sterben, möchte ich versichern, dass es nicht so ist“, schreibt Mick. „Die Prognose ist positiv. Und Victor und ich stellen gerade unsere geplante Himalaya-Reise für 2018 neu auf die Beine.“ Fowler hat wieder mit leichtem Lauf- und Klettertraining begonnen. Mick rät allen, sorgfältig auf den eigenen Körper zu achten. „Und gehe direkt zum Arzt, wenn du irgendetwas Ungewöhnliches wahrnimmst. Nichts (nicht einmal eine Reise in den Himalaya) ist wichtiger.“ Darüber hinaus gibt es ja auch regelmäßige Krebs-Vorsorgeuntersuchungen, die jeder in Anspruch nehmen kann und auch unbedingt sollte. Bergsteiger haben schließlich kein Anti-Krebs-Gen, es kann jeden erwischen. Alles Gute, Mick! Ich drücke die Daumen.

P.S. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die von der deutschen Journalistin und Bergsteigerin Petra Thaller gegründete Initiative „Outdoor against Cancer“ (OAC) hinweisen. Sie bietet Outdoor-Aktivitäten für Krebspatienten an. „Ich habe einfach gemerkt, dass die sportliche Aktivität meiner Psyche sehr gut getan hat“, erzählte mir Petra auf der Messe ISPO im vergangenen Februar. Bei ihr war nach einer Expedition zur Carstensz-Pyramide in Papua-Neuguinea Ende 2014 Brustkrebs diagnostiziert worden.

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Dalai Lama: Klimawandel bedroht Dach der Welt https://blogs.dw.com/abenteuersport/dalai-lama-klimawandel-bedroht-dach-der-welt/ Wed, 21 Oct 2015 11:55:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30913 Da schmilzt er dahin

Da schmilzt er dahin

200 Meter Luftlinie von meinem Schreibtisch entfernt wird über nicht weniger verhandelt als die Zukunft des Planeten. Im Bonner World Conference Center beraten noch bis Freitag Vertreter aus aller Welt über ein neues Klimaabkommen. Es soll beim Weltklimagipfel in Paris verabschiedet werden, der Ende November beginnt. Wie so häufig, wenn es um das Klima geht, gestalten sich die Verhandlungen zäh. Die Solidarität mit den Staaten, die schon jetzt die Auswirkungen des Klimawandels spüren, hält sich in Grenzen. Meist gilt: Ökonomie schlägt Ökologie. Dass die Uhr tickt, zeigen uns die Gletscher, die mit wenigen Ausnahmen weltweit abschmelzen. Die vom US-Bergsteiger David Breashears gegründete Organisation Glacier Works hat eindrucksvoll dokumentiert, wie weit sich etwa die Gletscher rund um den Mount Everest in den vergangenen Jahrzehnten zurückgezogen haben. Jetzt hat auch der Dalai Lama auf die Folgen des Klimawandels für seine tibetische Heimat hingewiesen.

Der dritte Pol

„Dieser blaue Planet ist unser einziges Zuhause und Tibet sein Dach. Es ist so wichtig wie die Arktis und die Antarktis, es ist der dritte Pol“, sagt das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten in einer Videobotschaft (s.u.) aus dem Exil in Indien. „Das tibetische Hochplateau muss geschützt werden, nicht nur für die Tibeter, sondern für eine gesunde Umwelt und Nachhaltigkeit der gesamten Welt.“

Der 80-Jährige weist ausdrücklich darauf hin, dass er seine Worte nicht als politische Botschaft, sondern als eine humanitäre verstanden wissen will.

Trinkwasser für über eine Milliarde Menschen

Auch chinesische Wissenschaftler weisen seit langem auf die Folgen des Klimawandels für die Gletscher in Tibet. Die Durchschnittstemperatur auf dem über 4000 Meter hohen Plateau ist in den letzten fünf Jahrzehnten um 1,3 Grad Celsius gestiegen und damit deutlich stärker als im weltweiten Durchschnitt. Die Gletscher Tibets gelten als Trinkwasser-Reservoir für rund 1,3 Milliarden Menschen in Asien. Vor diesem Hintergrund appelliert der Dalai Lama an die junge Generation des 21. Jahrhunderts, sich stärker für den Schutz des Planeten zu engagieren – und damit auch für den Umweltschutz im Himalaya, speziell in Tibet. Ob sein Ruf die Verhandlungsführer hier in Bonn und später dann in Paris erreicht? Schlecht wäre das nicht.

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Destivelle: „Verrückt, was am Everest passiert“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/catherine-destivelle-interview/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/catherine-destivelle-interview/#comments Thu, 24 Oct 2013 13:11:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23945

Catherine Destivelle

Sie sieht deutlich jünger aus, als sie ist (53 Jahre). Und ihre Augen glänzen, wenn sie übers Klettern spricht. Vor 20 Jahren war die Französin Catherine Destivelle ein Star der Kletterszene: Unter anderem durchstieg sie die klassischen Nordwände von Eiger, Matterhorn und Grande Jorasses – solo und im Winter. Den Nameless Tower, einen beeindruckenden Granitzapfen von über 6000 Metern im Karakorum, kletterte sie frei. (Wenn ihr einen Eindruck ihres Kletterstils gewinnen wollt, seht euch unten das Video an!) Nach der Geburt ihres Sohnes Victor 1997 trat sie als Kletterin deutlich kürzer. Ich sprach mit Catherine – wie berichtet – bei einer Wanderung während des International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol.

Catherine, kletterst du immer noch?

Ja, zwar weniger, aber ich klettere noch. Ich mag es. Wenn ich Zeit habe oder Urlaub, klettere ich mehrere Male in der Woche.

Als du deine großen Routen geklettert bist, in den 1980ern und am Beginn der 90er Jahre, warst du eine Pionierin des Frauenkletterns. Was hat sich seitdem geändert?

Ich denke, es ist eine ganz normale Entwicklung: Die Kletterinnen von heute sind besser als zu unseren Zeiten, weil sie seit ihrer Jugend trainieren. Klettern ist ein richtiger Sport geworden. Zu meiner Zeit begann es gerade erst, ein Sport zu werden, war es aber noch nicht wirklich.

Denkst du, dass es junge Frauen heutzutage einfacher haben, Profikletterinnen zu werden?

Da bin ich mir nicht sicher. Es gibt viele Kletterinnen, vielleicht ist es deshalb sogar schwieriger. Zu meiner Zeit gab es nur ein paar, etwa eine Spitzenkletterin pro Land. Deshalb war es damals möglicherweise sogar einfacher, vom Klettern zu leben.

Catherine Destivelle: Vielleicht ist es heute sogar schwieriger

Verfolgst du noch das Geschehen im Himalaya?

Ich weiß immer noch, was dort los ist, aber ich träume nicht davon. Ich bin schon ein bisschen neidisch, weil ich nicht so lange fortbleiben kann. Aber eines Tages werde ich mir wieder die Zeit nehmen, in den Himalaya zurückzukehren und dort ein paar kleine Klettertouren zu machen.

Du bist bereits in den 1990ern dort geklettert. Du warst am Makalu, der Shishapangma – und auch an der Annapurna-Südwand. Gerade vor zwei Wochen ist Ueli Steck durch diese Wand geklettert, solo, die Nacht hindurch, in 28 Stunden hinauf und wieder herunter. Was hältst du von dieser Leistung?

Ich denke, schnell zu sein, ist die sicherste Art, im Himalaya zu klettern. So verlierst du nicht die ganze Kraft und bleibst auch im Kopf klar (lacht). Erhard Loretan hat es genauso gemacht. Er kletterte auch sehr schnell in großer Höhe.

Als du im Himalaya in den 90er Jahren auf Expedition warst, waren dort nur wenige Kletterer unterwegs. Seitdem hat sich viel geändert, vor allem am Everest.

Dem Everest bin ich nie nachgelaufen, weil ich eher technische Routen bevorzugte. Das waren die Klettereien, die ich mochte. Aber technische Routen in großer Höhe zu klettern, ist sehr gefährlich. Davor hatte ich Angst. Ich wollte kein Risiko eingehen. Deshalb entschied ich mich, einen Bogen um die ganz hohen Berge zu machen. Zu dieser Zeit war es für mich uninteressant, den Everest über die Normalroute zu besteigen. Heute sind dort zu viele Leute. Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich eines Tages dorthin gehen werde (lacht). Es ist doch verrückt: Nur weil es der Everest ist, geht jeder dorthin. Sie wissen nicht einmal, wie man klettert und sind unfähig, Probleme am Berg zu lösen. Sie brauchen Fixseile und haben keine Ahnung, wie man sich seilfrei bewegt. Wenn dann eine Lawine abgeht oder ein Eisblock zusammenbricht, wie 2012 am Manaslu, geschieht gleich eine große Katastrophe. Vor ein paar Jahren war es am K 2 genauso. Kletterer verloren ihr Leben, weil sie keine wirklichen Alpinisten waren. Ich denke, es ist echt gefährlich, wenn zu viele Menschen an einem hohen Berg unterwegs sind.

Catherine Destivelle: Zu viele Leute am Everest

Warum hast du Mitte der 90er Jahre mit dem extremen Klettern aufgehört? War es dein schwerer Kletterunfall in der Antarktis, bei dem du dir einen offenen Bruch deines Beins zugezogen hast?

Nein, es war nicht der Unfall. Ich wollte einfach ein Kind haben (lacht). Victor. Ich zog es vor, für ihn zu sorgen. Ich bin wie eine Glucke, will meinen Sohn nicht alleine lassen. Ich mag es lieber, meine Tage mit ihm zu teilen. Ich klettere immer noch, aber ich möchte sicherstellen, dass mein Sohn glücklich ist. Das ist für mich das Wichtigste. Ich reise auch mit ihm, aber er steht nicht so aufs Klettern. Deshalb fahre ich mit ihm ans Meer (lacht). Kitesurfen und solche Sachen.

Welchen Rat würdest du jungen Kletterern, besonders Frauen, geben?

Du musst es mögen und deinen Instinkten folgen! Sei glücklich, dann hast du auch eine Chance, darin gut zu sein! Wenn du sehr gut werden willst, trainiere viel! Treffe dich mit sehr erfahrenen Leuten, um dich inspirieren zu lassen und nimm ihren Rat an!

Catherine Destivelle: Du musst es mögen und deinem Instinkt folgen!

Und was ist mit Mut?

Du brauchst keinen Mut zu haben, wenn du es magst (lacht). Du hast doch deine Leidenschaft. Du musst trainieren und dich auf das Klettern fokussieren, wenn du Erfolg haben willst. Das ist alles. Mut ist etwas anderes. Für mich bedeutet mutig sein zum Beispiel, sein Leben für eine Idee zu riskieren.

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Schon über 600 Gletscher weggeschmolzen https://blogs.dw.com/abenteuersport/ipcc-klimabericht-himalaya-gletscher/ Tue, 01 Oct 2013 12:44:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23421

Da schmilzt er dahin

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Vor drei Jahren war der Weltklimarat (IPCC) auf dem Eis der Himalaya-Gletscher böse ausgerutscht. Im letzten Weltklimabericht hatte es geheißen, die Eismassen an den höchsten Bergen der Welt wären im Jahr 2035 mit großer Wahrscheinlichkeit komplett verschwunden. 2010 musste das IPCC kleinlaut einräumen, dass es sich um einen Zahlendreher handelte, gemeint war das Jahr 2350. Peinlich. Es hagelte Kritik. Kein Wunder, dass in der jetzt veröffentlichten Zusammenfassung des neuen Klimaberichts das Wort „Himalaya“ fehlt. Das IPCC verkündet lediglich, dass „die Gletscher in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast auf der ganzen Welt weiter geschrumpft“ seien. Auch in der über 2000 Seiten langen, ausführlichen Fassung hält sich der Weltklimarat mit Prognosen für den Himalaya auffallend zurück. 

Vorhersagen schwierig  

„In der Gebirgskette des Karakorum und Himalaya gibt es viele unterschiedliche Typen von Gletschern und klimatischen Bedingungen, und über die Eigenschaften der Gletscher ist immer noch wenig bekannt“, heißt es in dem Bericht. „Das macht Vorhersagen über ihre Entwicklung besonders unsicher.“ Während Studien zeigten, dass sich Gletscher im Himalaya und im Hindukusch zurückzögen, seien die Eismassen im Karakorum relativ stabil. Dort gebe es sogar – ebenso wie an den Küsten Norwegens, Neuseelands und im Süden Patagoniens – einzelne Gletscher, die zugelegt hätten. Ursache dafür seien dort besondere topographische oder klimatische Bedingungen, z.B. deutlich höhere Niederschläge. „Weitere Gletscher werden verschwinden, andere werden den Großteil ihrer tief gelegenen Abschnitte verlieren, wieder andere sich möglicherweise gar nicht großartig verändern“, resümiert der Weltklimarat.  

Einige Gebirge werden gletscherfrei

Spuren des Klimawandels (am 7000er Putha Hiunchuli)

Von einer Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Ganz im Gegenteil. Nach Einschätzung des IPCC geht es vielen Gletscher an den weißen Kragen: Ob in den Bergen Kanadas, den Rocky Mountains, den Anden, den Alpen, dem Tien-Shan-Gebirge oder sonst wo, mehr als 600 Gletscher seien in den vergangenen Jahrzehnten bereits verschwunden. „Und es ist wahrscheinlich, dass einige Gebirgsketten die meisten, wenn nicht sogar alle ihre Gletscher verlieren werden.“

Folgen für Hunderte Millionen Menschen

Schon vor der Veröffentlichung des Berichts hatte IPCC-Chef Rachendra Pachauri darauf hingewiesen, dass die Lage im Himalaya kritisch bleibe: „Unser Fehler damals war einzig, das Jahr 2035 anzuführen. Aber das schmälert in keiner Weise die Auswirkungen der Gletscherschmelze entlang der gesamten Himalaya-Kette, und über die muss man wirklich besorgt sein.“ Schon vor 2035 werde sich die Wasserversorgung der Region verändern, sagte der Inder. Geschätzte 500 Millionen Menschen in Südasien und 250 Millionen in China könnten davon betroffen sein. 

Verglichen damit wirken die Folgen für Bergsteiger geradezu belanglos. Nichtsdestotrotz müssen sich auch die Kletterer an den höchsten Bergen der Welt auf mehr Felspassagen als bisher und eine höhere Steinschlaggefahr einstellen. Und auf Extremwetterlagen, die bei der erwarteten weiteren Erwärmung des Weltklimas wohl häufiger auftreten werden.

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Gelesen: 8000+ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-8000/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-8000/#comments Tue, 02 Oct 2012 22:39:58 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17285 Morgen feiert Ueli Steck Geburtstag. Der Top-Bergsteiger aus der Schweiz wird 36 Jahre alt – eigentlich noch ziemlich jung, gemessen an dem, was er in den Bergen bereits geleistet hat. Nicht nur mit seinen Speed-Solo-Projekten an den klassischen Alpen-Nordwänden, sondern in den vergangenen Jahren auch an den höchsten Bergen der Welt. Vor allem um diese Expeditionen geht es in Uelis Buch „8000+ – Aufbruch in die Todeszone“, das ich euch wärmstens empfehle – und das nicht, weil ich ihm zum Geburtstag eine Freude machen will.

Der perfekte Tag 

Sehr bescheiden, uneitel und offen schildert der Schweizer – mit Unterstützung der Autorin Karin Steinbach (fast schon eine Garantie für Qualität) – seine Erlebnisse im Himalaya und Karakorum. Dort hat Steck als Bergsteiger schon Zeichen gesetzt. 2005 etwa durchstieg Ueli am Sechstausender Cholatse in Nepal als Erster die Nordwand im Alleingang. 2008 gelang ihm mit seinem Landsmann Simon Anthamatten am Sechstausender Teng Kampoche, ebenfalls in Nepal, die Erstbegehung der extrem schwierigen Nordwand – wofür beide mit dem Piolet d’Or, dem Oscar der Bergsteiger, belohnt wurden. Seinen bisher größten Coup aber landete der Schweizer 2011, als er für die Südwand des Achttausenders Shishapangma in Tibet gerade einmal zehneinhalb Stunden benötigte, solo und auf einer teilweise neuen Route. „Der perfekte Tag, die perfekte Begehung“, bilanziert Ueli und das, obwohl er doch ursprünglich nur in die Wand geklettert war, um sich mit einem Aufstieg bis auf etwa 7000 Meter weiter zu akklimatisieren. Doch dann macht er einfach weiter, immer der Nase nach, und steht irgendwann am Gipfel. 

Kontrollfreak 

Mehrfach hatte ich beim Lesen den Eindruck, als wäre Ueli selbst davon überrascht, zu welchen Leistungen er in der Lage ist. Doch er gilt nicht umsonst als einer der besten Bergsteiger weltweit: sehr erfahren, technisch versiert und dann auch noch extrem schnell. Steck hat es nicht nötig, seine Projekte schön oder über andere schlecht zu reden. „Das Einzige, wofür ich appelliere ist, dass wir ehrlich sein sollten, ehrlich mit jenen Leuten, die unsere Leistungen nicht einschätzen können.“ Ueli hat ein Problem mit der Bezeichnung Extrembergsteiger: „Für mich ist extrem gleichbedeutend mit unkontrolliert.“ Er sei ein Kontrollfreak: „Für mich ist es unvorstellbar, dass man auf dem Abstieg an Erschöpfung sterben kann. Ich glaube, ich hätte nicht die Nerven so weit zu gehen.“ 

Selbstverständlich geholfen

Wie schmal der Grat ist, auf dem sich Profibergsteiger im Himalaya bewegen, hat Steck mehrmals am eigenen Leib erfahren. Vor allem an der Annapurna, dem gefährlichsten Achttausender. Als er 2007 versuchte, die Südwand solo zu durchsteigen, traf ihn ein Stein am Kopf. Ueli verlor das Bewusstsein und fand sich 200 Meter tiefer wieder – wie durch ein Wunder fast unverletzt. Ein Jahr später kehrte er zur Annapurna zurück. Vergeblich versuchte er, in 7400 Meter Höhe den höhenkranken Spanier Iñaki Ochoa zu retten. „Ich brauchte lange, bis ich darüber hinwegkam, dass ich ihm nicht mehr hatte helfen können“, schreibt Steck. Und er hatte Mühe damit, von allen Seiten für eine Rettungsaktion gelobt zu werden, die für ihn selbstverständlich gewesen war. 

Erst der Anfang 

Gerne hätte ich noch ein bisschen mehr über seine erfolgreiche Besteigung des Mount Everest im Mai 2012 erfahren. Ohne Flaschensauerstoff, in einem Frühjahr, das vor allem wegen der langen Schlangen von Everest-Anwärtern und einiger Todesfälle für Schlagzeilen sorgte. Ueli ließ sich von diesen Umständen nicht irritieren. Und er verspricht: „Der Everest war nicht das Ende, sondern der Anfang.“ Ich bin gespannt.

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-8000/feed/ 1
Der Manaslu ist kein Killerberg https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-manaslu-ist-kein-killerberg/ Tue, 25 Sep 2012 12:33:55 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17083

Manaslu, „Berg der Seele“

Ist der „Berg der Seele“ nun zum „Killerberg“ mutiert? Dieser Eindruck könnte sich aufdrängen angesichts der Schlagzeilen zum Lawinenunglück am Manaslu. Vor fünf Jahren war ich selbst am achthöchsten Berg der Erde unterwegs. Im Basislager (4850 Meter) und bei einem Aufstieg bis Lager eins (5700 Meter) sammelte ich meine eigenen Manaslu-Erfahrungen. Dass jeder Achttausender tödliche Gefahren birgt, weiß jeder Bergsteiger. Und auch aus unserer Gruppe hatten damals zwei Teilnehmer großes Glück, dass sie dieses Abenteuer schadlos überstanden. Aber der Manaslu ein Killerberg? Nein, sage ich. Trotz des tragischen Lawinenunglücks vom Sonntag. Auch die Fakten sprechen eine andere Sprache. 

Von Platz fünf auf sechs  

Um zu ermitteln, welcher der 14 Achttausender der gefährlichste ist, wird gewöhnlich die Zahl der Todesfälle in Relation gesetzt zur Zahl der Aufstiege. Danach war im Jahr 2008 die Annapurna der mit deutlichem Abstand gefährlichste Bergriese, gefolgt vom K 2, dem Nanga Parbat und dem Kangchendzönga. Erst auf Platz fünf rangierte damals der Manaslu. Zusammengetragen hatte diese Zahlen vor vier Jahren Eberhard Jurgalski, ein äußerst akribischer Himalaya-Chronist aus Lörrach in Baden. Ich habe Eberhard heute gefragt, ob der Manaslu in jüngerer Vergangenheit – rein faktisch betrachtet– gefährlicher  geworden sei. „Nein. 2011 ist er sogar auf den sechsten Platz abgerutscht“, antwortet Eberhard. Das liege auch daran, dass der Manaslu immer häufiger das Ziel kommerzieller Expeditionen sei. So habe es allein im Herbst 2011 mehr als 100 Besteigungen gegeben. Verglichen mit 2008 hat sich die Zahl der Gipfelerfolge mehr als verdoppelt, auf rund 670. 

Wie ein Schlachtfeld 

Dass bei dem Unglück am Manaslu so viele Menschen ums Leben gekommen sind (die Zahlen schwanken immer noch zwischen acht und zwölf), ist auch darauf zurückzuführen, dass sich zum Zeitpunkt des Lawinenabgangs viele Bergsteiger in den Hochlagern aufhielten. Elf Expeditionen hatten sich für die Nach-Monsun-Zeit am Manaslu angemeldet – viele davon, weil sie eine Alternative anbieten wollten, nachdem sie für die tibetischen Achttausender Cho Oyu und Shishapangma keine Genehmigung erhalten hatten. „In Lager drei (6800 Meter) standen 25 Zelte, alle wurden zerstört. Außerdem gingen zwölf Zelte in Lager zwei (6300 Meter) zu Bruch und wurden umhergewirbelt“, berichtet der US-Amerikaner Glen Plake, der die Lawine überlebte. „Es sah aus wie ein Schlachtfeld.“ 

Erste Hilfe 

Das Zelt der beiden Deutschen Benedikt Böhm und Sebastian Haag lag außerhalb der Reichweite der Lawine. „Manche hat es aus den Zelten rausgespült“, sagt Böhm. „Die saßen da ohne Schuhe, teilweise nur mit einer langen Unterhose. Sie waren völlig verzweifelt und haben um Hilfe gerufen.“ Böhm und Haag beteiligten sich sofort an der Rettungsaktion. Seht euch die Schilderung der beiden an (Quelle: Dynafit-Gore-Tex-Team/Greg Hill)!

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Nachgefragt: Gletscherschmelze https://blogs.dw.com/abenteuersport/nachgefragt-gletscherschmelze/ Thu, 06 Sep 2012 13:29:22 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=16607

Samuel Nussbaumer

Die Gletscher geben nun preis, was sie einst verschluckt haben. Auf dem Gauli-Gletscher in der Schweiz trat zuletzt der Propeller einer 1946 abgestürzten Maschine zutage. Auf dem Bosson-Gletscher im Mont-Blanc-Massiv fanden Bergsteiger eine seit einem Flugzeugunglück 1966 verschollene indische Diplomatentasche.  Und der Taschachferner in den Ötztaler Alpen gab die Leiche eines seit elf Jahren vermissten Münchner Bergsteigers frei. Grund für diese Funde ist die fortschreitende Gletscherschmelze in den Alpen. Aber nicht nur dort, sondern weltweit sind die Eisriesen auf dem Rückzug – nicht zuletzt eine Folge des Klimawandels. Ich habe darüber mit dem Schweizer Glaziologen Samuel Nussbaumer gesprochen. Der 31 Jahre alte Wissenschaftler arbeitet in Zürich für den World Glacier Monitoring Service (WGMS), der die Entwicklung der Gletscher beobachtet und analysiert.

Samuel Nussbaumer, Sie und Ihre Kollegen haben ein wissenschaftliches Auge auf die Gletscher unserer Welt. Wie steht es denn nun wirklich um die Gletscher im Himalaya?

Im Himalaya gibt es im Gegensatz etwa zu den Alpen noch sehr wenige Feld-Messungen über einen langen Zeitraum. Das bringt natürlich gewisse Probleme mit sich, weil noch viele Unsicherheiten bestehen. Es gab in der letzten Zeit durch diese IPCC-Geschichte (Anm.: Der Weltklimarat hatte irrtümlich prognostiziert, dass die Gletscher im Himalaya bis 2035 verschwunden sein würden.) kürzlich viele Studien zum Himalaya. Grundsätzlich gehen auch dort die Gletscher stark zurück, bis auf die Karakorum-Region, wo man ausgeglichene Massenbilanzen beobachtet hat.

Ziehen sich die Gletscher im Himalaya in einem sehr auffälligen, besorgniserregenden Maße zurück oder bewegt sich das Ganze in einem normalen Rahmen?

Es ist „normal“ im weltweiten Vergleich, aber insofern nicht mehr normal, weil es eine so rasche Veränderung in der Vergangenheit – d.h. seit Beobachtungen vorhanden sind – noch nie so gegeben hat. Das bringt natürlich Probleme mit sich, etwa für die Wasserversorgung. Auch die Situation von Naturgefahren verändert sich.

Welche Rolle spielt der Klimawandel bei dieser Entwicklung?

Gletscher reagieren grundsätzlich auf das Klima, also auf Temperaturen, Niederschläge und auch Strahlung. Wenn es wärmer wird, schmelzen die Gletscher mehr und ziehen sich entsprechend zurück. Insofern kann man sagen, dass der Rückgang der Gletscher im Himalaya auch auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Es stellt sich jedoch die Frage, wie viel davon anthropogen bedingt (Anm.: vom Menschen verursacht) ist. Es gibt auch natürliche Klimaschwankungen, aber die werden durch den anthropogenen Teil deutlich überlagert. Das zeigt die Simulation der Klimaentwicklung seit den 1950er Jahren durch Klimamodelle.

Blicken wir auf die Alpen, auf unsere Berge. Werden Ihre Enkel Gletscher in der Schweiz, Österreich oder Bayern noch erleben?

Man geht davon aus, dass bis 2050 etwa noch ein Viertel der heutigen Gletscherfläche vorhanden ist und im Jahr 2100 die Gebiete unterhalb von 3500 Metern im Sommer schneefrei sind – regional gibt es sicher Unterschiede. Das heißt, dass es auch unterhalb dieser Grenze keine Gletscher mehr geben kann, weil der Schnee als Nachschub für das Eis fehlt. Die Gletscher reagieren allerdings mit einer gewissen Verzögerung. Der Große Aletschgletscher zum Beispiel, der größte Gletscher der Alpen, braucht 50 oder noch mehr Jahre, bis er sich ans Klima angepasst hat. Deshalb wird es wohl auch in 100 Jahren noch Teile des Aletschgletschers geben.

Hat sich das Eis denn in den vergangenen Jahren schneller zurückgezogen?

Ja. Vor allem 2003 mit seinem Hitzesommer war für die Alpengletscher ein fatales Jahr. Damals ist bis auf eine Höhe von über 3500 Meter aller Schnee geschmolzen. Deshalb gab es keine Anhäufung von Schnee, der später zu Firn und dann zu Eis wird. Auf den Gletschern kamen Staub oder kleine dunkle Partikel zum Vorschein. Durch die dunklere Oberfläche wurde die Wärme besser aufgenommen und die Schmelze noch einmal verstärkt.

Der Tsho Rolpa-Gletschersee ist einer der größten und gefährlichsten im Himalaya

Welche Folge hat der Rückzug der Gletscher für die Bergwelt?

Die Gletscher speichern den Niederschlag des Winters, der als Schnee fällt und zu Eis wird und dann im Sommer als Gletscherwasser wieder zur Verfügung steht. Sie sorgen also für eine Verlagerung des Abflusses vom Winter auf den Sommer. Wenn das wegfällt, besteht im Frühling die Gefahr von Hochwasser, weil das Wasser zu rasch abfließt. Und im Sommer kann es Wasserknappheit geben.

Wenn sich die Gletscher zurückziehen, hinterlassen sie außerdem instabile Moränen oder Gletschervorfelder mit viel Schutt. Dort können sich bei Gewittern Schlammströme entwickeln. Oder es bilden sich neue Gletscherseen, bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich plötzlich entleeren. Das ist übrigens auch im Himalaya ein großes Problem.

Treten diese Phänomene schon jetzt vermehrt auf?

Ja, so ein See hat sich etwa am Unteren Grindelwaldgletscher gebildet. Um die Gefahr zu entschärfen, hat man für einen zweistelligen Millionenbetrag seitlich einen Stollen durch den Fels gegraben, damit das Wasser abfließen konnte. In Europa können wir so etwa finanziell bewältigen, aber im Himalaya sind diese Geldmittel nicht vorhanden.

Das ist ja eigentlich auch nur ein Arbeiten an den Symptomen. Die Ursachen kann man kurzfristig wohl nicht mehr drehen?

Genau das ist das Problem. Das Klimasystem ist sehr träge. Auch wenn wir ab heute die CO2-Emissionen drastisch reduzierten, würde sich trotzdem in den nächsten 50 Jahren noch eine Erwärmung ergeben.

Da könnte man versucht sein zu sagen: Wir können ohnehin nicht wahnsinnig viel machen, am Ende sind die Gletscher doch weg.

Das sehen wir als Gletscherforscher mit Wehmut. Noch vor 150 Jahren gab es eine regelrechte Eispracht und jetzt sieht man nur noch diese kümmerlichen Reste. Und in der Zukunft wird es vielleicht überhaupt keine Gletscher mehr geben. Meine Enkel wissen vielleicht gar nicht mehr, was Gletscher sind und werden sie deshalb auch nicht vermissen. Aber es gibt eben auch die beschriebenen negativen Folgen des Gletscherrückzugs. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.

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Umleitung zum Manaslu https://blogs.dw.com/abenteuersport/umleitung-zum-manaslu/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/umleitung-zum-manaslu/#comments Fri, 17 Aug 2012 15:28:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=16261

Manaslu, der „Berg der Seele“

Der „Berg der Seele“ wird in diesem Herbst seine eigene Seele wohl nicht baumeln lassen können. Der Achttausender Manaslu in Nepal ist nämlich zu einem beliebten Ausweichziel für Expeditionen in der Nach-Monsun-Zeit geworden. Grund ist die nach wie vor unklare Situation in Tibet. Wie hier im Blog berichtet, hatten die chinesischen Behörden Anfang Juni zunächst eine generelle Einreisesperre für ausländische Touristen in die seit 1951 besetzte Himalaya-Region verfügt, um sie dann wieder etwas zu lockern. Nach wie vor werden Visa jedoch nur für Gruppen ab sechs Personen mit derselben Staatsangehörigkeit ausgestellt. Weiter schlechte Chancen hat darüber hinaus jemand, der aus einem Land kommt, über das sich die Führung in Peking geärgert hat.

Ungewissheit zu groß

Die Frage etwa, ob Österreicher nun nach Tibet einreisen dürfen oder nicht, sei nicht ganz klar, schreibt mir Dominik Müller, Chef von Amical Alpin. Österreich war bei den chinesischen Machthabern durch den Besuch des Dalai Lama in der Alpenrepublik in Ungnade gefallen. Doch es trifft auch andere und nicht nur bei geplanten Reisen nach Tibet: „Uns liegen auch Fälle von deutschen Staatsbürgern vor, die ohne Begründung kein Visa für den Muztagh Ata in China erhalten haben“, berichtet Dominik. „Trotz mehrmaliger Versuche und Anfragen wurden die Ausweise ohne Angabe und Informationen zurückgesandt.“ Statt der ursprünglichen Expedition zum Achttausender Cho Oyu in Tibet organisiert Amical nun eine Besteigung des Manaslu in Nepal. „Uns ist die Ungewissheit zu groß, an der Grenze zu China/Tibet zu stehen und abgewiesen zu werden“, begründet Dominik seine Entscheidung.

Cho-Oyu-Expeditionen abgesagt

Einsamer Cho Oyu im Herbst

Damit steht er nicht allein. „Aufgrund der derzeit brüchigen Lage in Tibet ist der Zugang für unsere Expeditionen nicht garantiert“, heißt es bei Himalayan Experience, dem Unternehmen des neuseeländischen Bergführers Russell Brice. „Deshalb bieten wir keine Expedition zum Cho Oyu an, sondern zum Manaslu.“ Der Veranstalter Adventure Consultants, ebenfalls aus Neuseeland, erklärt zum ursprünglich geplanten Cho-Oyu-Trip kurz und bündig: „Tibetische Grenzen geschlossen, 2012er Trip abgesagt, ersatzweise Manaslu, 8163 Meter.“ Und auch im Herbstangebot des Schweizer Veranstalters Kari Kobler fehlen diesmal die Achttausender Tibets, der Manaslu dagegen gehört zum Portfolio.

Munter an der Preisschraube gedreht

Die Veranstalter scheinen den Ärger mit den Chinesen langsam, aber sicher leid zu sein. Neben der ungeklärten Frage der so genannten Permits, also der Erlaubnis einzureisen und die hohen Berge Tibets zu besteigen, müssen sie sich mit immer weiter steigenden Gebühren herumschlagen. Ende 2011 sollten Expeditionen zu den 7000ern und 8000ern Tibets um 30 Prozent, zur Nordseite des Everest gar um 60 Prozent teurer werden. Ganz so schlimm kam es zwar nicht, doch die Preise stiegen. Amical-Chef Dominik Müller hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Chinesen „sich wieder ihrer Bergwelt besinnen und zu einer verlässlichen Partnerschaft zurückkehren.“ Es könne doch nicht sein, dass „unterzeichnete Verträge kurzfristig für nichtig erklärt werden und wir als Veranstalter jeden Monat nachverhandeln müssen.“

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Mario Merelli tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/mario-merelli-abgesturzt/ Thu, 19 Jan 2012 12:27:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=12865

Mario Merelli (1962-2012)

Die internationale Bergsteigerszene trauert um einen weiteren Spitzenalpinisten. Der Italiener Mario Merelli verunglückte gestern tödlich am 3038 Meter hohen Pizzo Redorta nahe der norditalienischen Stadt Bergamo. Merelli wurde von einem herabfallenden Stein getroffen, verlor das Gleichgewicht und stürzte 300 Meter tief ab. Der 49-Jährige konnte nur noch tot geborgen werden. Mario Merelli hatte an zahlreichen Expeditionen im Himalaya und Karakorum teilgenommen. Neun Achttausender hatte er seit 2001 bestiegen, den Mount Everest gleich zweimal – dazu ebenfalls zweimal den 8008 Meter hohen „Zentralgipfel“ der Shishapangma, der fünf Meter niedriger als der Hauptgipfel dieses Achttausenders ist.

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Neun Gipfelstürmer https://blogs.dw.com/abenteuersport/neun-gipfelsturmer/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/neun-gipfelsturmer/#comments Thu, 20 Oct 2011 19:00:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=10895

Das war 'mein' Gipfel

Natürlich gibt es immer Ausreden. Da war zunächst das kleine Zelt für Lager 3, das es Sergio und mir schwer machte, rechtzeitig zum Aufbruch um zwei Uhr nachts fertig zu sein. Dann stahl mir die dünne Luft die Kraft, um die Innenschuhe in die Expeditionsschuhe zu drücken. Und schließlich machte ich noch einen Kardinalfehler.

Minus 27 Grad

Als ich die Steigeisen an die Expeditionsschuhe anlegen wollte, wählte ich die Merino-Handschuhe, die sich prompt voll Schnee beziehungsweise Wasser sogen. Als wir mit Stirnlampen bewaffnet loszogen, realisierte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Das Thermometer zeigte minus 27 Grad Celsius. Am Tag zuvor war die Haut am Daumen aufgeplatzt. Ich hatte ein Pflaster darauf geklebt. Jetzt merkte ich, dass es gefror und anschwoll. Einen Daumen zu verlieren, war mir der Putha Hiunchuli dann doch nicht wert. Ich sagte Pemba, der auf mich wartete, dass ich zurückkehren werde. Schweren Herzens ließ ich die Gruppe ziehen. Joachim hatte nach den windigen, eiskalten Stunden im Zelt ebenfalls auf einen Start verzichtet.

Noch gut in der Zeit

Schnell besorgte ich mir ein Wärmekissen und wickelte den malträtierten Daumen hinein. Der Zustand des Fingers besserte sich. Hatte ich vorschnell reagiert? Als mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, sah ich zwei Lichter aufsteigen: Brigitte und Hans, die um Mitternacht von Lager 2 aufgebrochen waren. Hans hatte Bauchweh und wollte sich eine Weile in einem Zelt erholen. Brigitte schlug vor, mich mitzunehmen: „Du liegst doch noch gut in der Zeit. Wichtig ist nur, dass du die kalte Zeit bis zum Sonnenaufgang gut überstehst.“ Warum eigentlich nicht? Umkehren konnte ich ja jederzeit.

Uneinholbar 

Schlechtwetter naht

Schnell war klar, dass ich mit Brigittes Tempo nicht würde mithalten können. Und auch Hans, der sich rasch erholt hatte, zog schließlich an mir vorbei. Ich sah die Stirnlampen der anderen uneinholbar vor mir. Das beunruhigte mich kaum. Schließlich galt die Umkehrzeit zehn Uhr und die schien realistisch.

Ängstlich befühlte ich immer wieder meine Fingerkuppen. Bei der Last-Degree-Expedition zum Nordpol hatte ich sie mir angefroren.

Um 5:30 Uhr ging endlich die Sonne auf. Der Gipfel erschien noch sehr weit, aber nicht unerreichbar. Ich machte kleine Schritte, atmete gleichmäßig und versuchte, das tolle Himalaya-Panorama nicht zu ignorieren. Was für ein Erlebnis! Doch der Grund für den vorgezogenen Umkehrtermin war die erwartete Schneefront. Aufmerksam beobachtete ich den Morgenhimmel. Wolken zogen auf, der Wind frischte auf. 

Doch nicht der Gipfel

Ich wusste, dass der letzte Weg bis zum Gipfel elendig lang war. Doch dieser Hang musste doch der letzte sein. Aus der Ferne beobachtete ich, wie die Bergsteiger fast senkrecht heraufklommen und, wenn sie oben angelangt waren, kurz stehen blieben, als ließen sie sich fotografieren. Nun stand ich am Fuße des Aufschwungs, um circa 9.40 Uhr. Als ich etwa auf der Hälfte angekommen war, entwickelte sich der Wind zum Sturm und mir war gar nicht wohl zumute. Doch gleich würde ich ja den Gipfel erreichen. Denkste! Als ich auf der Kuppe eintraf, ging es weiter bergan. In diesem Augenblick kamen Brigitte, Hans und Pemba herangeschossen, mit Skibrillen und Sturmbekleidung. „Das solltest du dir sparen. Das ist noch elendig weit“, rief Brigitte. „And the storm is really dangerous“, ergänzte Pemba.

Sergio: Der härteste Berg, den ich jemals bestiegen habe

Wieder werde ich also ohne Gipfel heimkehren. Immerhin habe ich es also bis auf 7100 Meter geschafft. Ich gratuliere allen ganz herzlich, die den Gipfel erreicht haben: Brigitte und Hans, Helmut, Norbert, Roland, Sergio, Herbert und den beiden Pembas. Dass der Putha Hiunchuli ein leichter 7000er sei, bestreiten alle Expeditionsteilnehmer. Vielleicht technisch leicht. Aber wenn man so viel Schnee treten muss wie wir in diesem Jahr …

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Der oder die Putha Hiunchuli? https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-oder-die-putha-hiunchuli/ Sat, 03 Sep 2011 10:24:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/09/03/der-oder-die-putha-hiunchuli/ Bergsteiger auf dem Weg zum Putha Hiunchuli

Herr oder Frau Hiunchuli?

Was macht einen Berg zur Frau? In knapp vier Wochen brechen wir nach Nepal auf, um uns am 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli zu versuchen. Oder sollte ich sagen: „an der … Putha Hiunchuli“? Ins Grübeln gebracht hat mich Joachim, einer der Teilnehmer unserer Expedition (ich werde euch die Bergsteiger vor Beginn der Reise noch vorstellen). „Über die weite Distanz erscheint mir dieser Berg irgendwie weiblich zu sein“, schrieb mir der Duisburger in einem Nebensatz. Meinte er vielleicht die anmutige Form des Bergs?

Egal warum, mir geht es wie Joachim. Ich bin versucht, die – statt wie überall niedergeschrieben – der Putha Hiunchuli zu sagen. Liegt es an meiner Vergangenheit als Lateiner? In dieser toten Sprache, die an den Schulen lebendig gehalten wird und mich bis in die mündliche Abiturprüfung begleitete, ist der Vokal „a“ am Ende eines Wortes ein deutlicher Hinweis auf feminin. Möglich, dass ich deshalb dazu neige, den Berg zu „verweiblichen“.

Mal so, mal so

Ein System, warum ein Himalaya-„Berg-a“ im Deutschen mit dem Artikel „die“ versehen wird, ist kaum zu erkennen: Die Annapurna, aber der Chomolungma (tibetischer Name des Mount Everest); die Shishapangma, aber der Kangchendzönga; die Ama Dablam, aber der Kangtega. Daraus soll einer schlau werden. Es hat nichts damit zu tun, dass die wörtliche Übersetzung auf eine Frau oder eine Göttin hinweist. Für die Ama Dablam („Mutter und ihre Halskette“) oder Annapurna („Göttin der Fülle“) mag das zutreffen, nicht aber für die Shishapangma („Bereich oberhalb der grasbewachsenen Ebene“). Dann müsste es auch die und nicht der Chomolungma („Göttinmutter der Erde“) heißen.

Dreimal „a“ macht weiblich?

Gestatten, die Baum! (nahe Priener Hütte)

Vielleicht muss der Buchstabe „a“ im Bergnamen ja auch mindestens dreimal enthalten sein, damit wir zum weiblichen Artikel greifen. Die drei Beispiele aus Nepal sprechen dafür. Aber warum bezeichnen wir dann den höchsten Berg Südamerikas als den Aconcagua? Ich gebe auf. Wahrscheinlich entscheidet blanke Willkür, welchen Artikel wir verwenden. Und irgendwann bürgert er sich dann eben in unserem Sprachgebrauch ein. Eigentlich ist es auch schnurzpiepegal, ob mir nun an dem oder an der Putha Hiunchuli die Luft wegbleibt. Wobei ich es doch sympathischer fände, wenn mir eine Frau den Atem nähme.

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Nützlicher Dreck https://blogs.dw.com/abenteuersport/nutzlicher-dreck/ Tue, 29 Mar 2011 14:02:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2011/03/29/nutzlicher-dreck/ Wie habe ich das Geröll verflucht! Sogar ein Klagelied habe ich 2004 über die Steine des Baltoro geschrieben, als ich den Gletscher im Karakorum (was übersetzt „schwarzes Geröll“ bedeutet) auf meinem Weg zum Basislager des K 2 überquerte. Jetzt muss ich mein Urteil wohl revidieren. Die Felsbrocken, die sich auf dem Eis zur Ruhe gesetzt haben, sind in Zeiten des Klimawandels durchaus nützlich.


Steine bedecken den Baltoro-Gletscher

Die einen so, die anderen so

Das Geröll wirke ab einer gewissen Dicke „wie eine Wärmedämmschicht“, erklärt Dr. Dirk Scherler (Das Gespräch könnt ihr unter dem Artikel nachhören). „Die Schmelzrate des Eises verringert sich stark.“ Der Wissenschaftler hat mit Kollegen des Instituts für Geowissenschaften an der Universität Potsdam Satellitenbilder von 286 Gletschern im Himalaya und Karakorum ausgewertet. Die Aufnahmen entstanden in einem Zeitraum von acht Jahren. Sie belegen, dass sich derzeit 70 Prozent der Himalaya-Gletscher zurückziehen. „Einige langsamer, andere schneller. Das hängt unter anderem mit der Steilheit des Gletschers und der Schuttbedeckung zusammen.“

Trugschluss möglich

Mit anderen Worten: Gletscher können nicht über einen Bergkamm geschoren werden. Im zentralen Himalaya etwa gibt es laut Scherler Gletscher, die sich nicht zurückziehen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es ihnen gut geht. Vielmehr sorgen der Schutt an der Oberfläche und eine schwache Neigung dafür, dass das Eis nicht mehr fließt. „Das lässt darauf schließen, dass diese Gletscher stagnieren“, erklärt der Wissenschaftler. „Sie werden nicht mit genügend Eis von stromaufwärts gefüttert.“

Schwierige Prognosen

Ganz anders viele Gletscher im Karakorum. 58 Prozent der großen Eisbänder gelten nach der Studie der Potsdamer als stabil oder wachsen sogar um bis zu zwölf Meter pro Jahr. „Diese Gletscher fließen im Gegensatz zu jenen im zentralen Himalaya zum Teil mit sehr hohen Geschwindigkeiten“. Das könne nicht allein mit der Geröllauflage erklärt werden.
Es gibt also noch jede Menge zu erforschen. „Prognosen weit in die Zukunft greifen nicht. Schon gar nicht im Himalaya, wo die Datengrundlage so dürftig ist“, meint Geowissenschaftler Dirk Scherler. Eines aber stehe fest. „Der Klimawandel kann nicht wegdiskutiert werden.“ Steine hin oder her.

Interview mit Geowissenschaftler Dr. Dirk Scherler

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Land der verbotenen Berge https://blogs.dw.com/abenteuersport/land-der-verbotenen-berge/ Thu, 27 May 2010 14:51:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/05/27/land-der-verbotenen-berge/ Schokoladentäfelchen, Kamellen – vor dem buddhistischen Altar steht noch ein Körbchen mit der Beute aus dem Rosenmontagszug. Die beiden Mönche aus Bhutan, die vor dem Altar eine religiöse Reinigungszeremonie durchführen, schließen die Bevölkerung Kölns in ihre Gebete mit ein.


Die Mönche Kinzang Thinlay (l.) und Nima waren zu Gast in Köln

Geheimtipp Bhutan

Drei Monate lang war die Domstadt gewissermaßen ein Teil Bhutans. Im Museum für Ostasiatische Kunst wurden kostbare Statuen und sogenannte Thangkas, buddhistische Rollbilder, aus den Klöstern Bhutans gezeigt. Die Ausstellung war ein Renner, rund 40.000 Besucher wurden gezählt. Etwa so viele Touristen kommen derzeit auch in den ostasiatischen Staat – pro Jahr. Das kleine Königreich im Osten des Himalaya gilt immer noch als Geheimtipp. Das Land pflegt einen sanften Tourismus. Jeder Besucher muss 200 Dollar pro Tag berappen, dafür erhält er jedoch „Bhutan all inclusive“: Quartier, Verpflegung und Fremdenführer.

Nicht die Götter stören

Der höchste noch unbestiegene Berg der Erde, der 7541 Meter hohe Gangkar Puensum liegt in Bhutan. Besteigen darf man ihn allerdings genauso wenig wie alle anderen Berge des Landes. Geführte Trekking-Touren werden angeboten, Bergsteigen aber ist verboten. „In Bhutan geht man davon aus, dass die Berge die Wohnstätten der Götter sind“, erklärt Museumsführer Gregor Verhufen. Der 55-Jährige hat lange in dem asiatischen Staat gelebt und ist auch Mitglied der Deutschen Bhutan Himalaya Gesellschaft : „Wenn man die Berge besteigen und die dort wohnenden Götter stören würde, könnte es Naturkatastrophen zur Folge haben. Davon gibt es schon wirklich genug und man will Schlimmeres vermeiden.“


Nima streute dieses Sand-Mandala, das am Ende der Ausstellung aufgelöst und dem „Kreislauf der Elemente“ zurückgegeben wurde

Pflicht: 60 Prozent Wald

1994 etwa sei der natürliche Damm eines Gletschersees gebrochen. Die Wassermassen, die talwärts geschossen seien, hätten unter anderem eines der größten Klöster der alten Hauptstadt Punakha weitgehend zerstört. Und daran sollen die Bergsteiger schuld gewesen sein? „Nein“, antwortet Verhufen, „aber es ist die Konsequenz, die man in Bhutan erwartet, solange das Bergsteigen grundsätzlich erlaubt ist und auch praktiziert wird“.
Menschen aus dem Westen mag diese Haltung vielleicht exotisch vorkommen. Doch in Bhutan ist der Buddhismus Staatsreligion und hat auch im täglichen Leben einen sehr hohen Stellenwert. Umweltschutz wird ebenfalls groß geschrieben. In der vor zwei Jahren verabschiedeten Verfassung ist festgeschrieben, dass mindestens 60 Prozent der Fläche Bhutans bewaldet bleiben müssen. Derzeit sind es laut Gregor Verhufen noch 68 Prozent.


Gregor Verhufen kennt und liebt Bhutan

Glück als Staatsziel

Auch in anderer Hinsicht ist die Verfassung Bhutans außergewöhnlich, um nicht zu sagen, weltweit einzigartig: In Artikel 9 ist das „Brutto-National-Glück“ (Gross National Happiness) als Staatsziel festgeschrieben. Eine der vier Säulen, erläutert Verhufen, sei, „dass zum Glücklichsein auch der Erhalt der natürlichen Ressourcen gezählt wird“.
Es ist also das Gesamtpaket aus Religiosität, sanftem Tourismus und Umweltschutz, das Bergsteigen in Bhutan unmöglich macht. Also Füße weg von Bhutan, wenn ihr euer Glück einzig auf den Gipfeln sucht! Aber nur dort würdet ihr es sowieso nicht finden.

Interview mit dem Bhutan-Kenner Gregor Verhufen

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Schlaflos in Innsbruck https://blogs.dw.com/abenteuersport/schlaflos-in-innsbruck/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/schlaflos-in-innsbruck/#comments Wed, 12 May 2010 22:24:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/05/12/schlaflos-in-innsbruck/ Wer einen Achttausender besteigen will, muss nicht nur das Bergsteigen beherrschen, sondern auch geduldig sein. Tagelang, manchmal wochenlang warten die Gipfelanwärter auf das kleine Wetterfenster, das eine Chance für einen Gipfelversuch bietet. Auch Gerlinde (Kaltenbrunner) und Ralf (Dujmovits) müssen sich im vorgeschobenen Basislager auf dem zentralen Rongbukgletscher auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest in Geduld üben. Starker Wind und extreme Kälte im Gipfelbereich lassen es noch nicht zu, dass die beiden wie geplant in die Nordwand einsteigen. „Die ersten Tage nach unserer Rückkehr (von einer Akklimatisierung-Tour auf der Normalroute bis auf eine Höhe von 7600 Metern) waren notwendig, um auszurasten und uns zu regenerieren nach den Tagen und Nächten in der Höhe“, schreibt Gerlinde in ihrem Tagebuch. „Nun aber wären wir mehr als erholt und warten sehnlich auf gute Nachrichten von Charly Gabl.“


Karl Gabl an seinem Arbeitsplatz in Innsbruck

Präziser Wetterfrosch

Dieser Name fällt häufig, wenn Extrembergsteiger im Himalaya, im Karakorum, in den Anden, den Rocky Mountains oder sonstwo auf ihre Gipfelchance warten. Der 63 Jahre alte Meteorologe aus Innsbruck gilt in der Szene als Wetter-Guru, als Koryphäe für Wettervorhersagen bei Expeditionen. „Ich möchte mich nicht als Guru bezeichnen“, sagt Karl, genannt Charly Gabl bescheiden, als ich ihn im vergangenen Herbst an seinem Arbeitsplatz in der Wetterdienststelle Innsbruck besuche. „Eigentlich interpretiere ich nur die Wettermodelle.“
Charly Gabl irrt sich bei seinen Vorhersagen ganz selten. Unfehlbar sei er aber nicht, schränkt er ein – und nennt als Beispiel eine plötzlich auftauchende „Gewitterzelle“ am Manaslu 2007, die für 60 Zentimeter Neuschnee in zwei Stunden sorgte. Ich erinnere mich noch genau. Während die anderen zum Gipfelversuch aufgebrochen waren, wartete ich damals im Basislager.
Nachts sackte vor meinen Augen unser Mannschaftszelt unter den Schneemassen in sich zusammen. Stundenlang buddelten unser Koch Sitaram, ein Küchenhelfer und ich anschließend alle Zelte aus.


Basislager nach Durchzug der ‚Gewitterzelle‘

Zeltnachbar mit Ärmelschonern

Von meinen beiden Expeditionen zur Everest-Nordwand und zum Manaslu weiß ich, dass Ralf und Gerlinde Charly Gabl fast hundertprozentig vertrauen. „Er hat uns zum Teil halbe Tage herausgefischt, an denen das Wetter gut war und wir tatsächlich als Einzige auf dem Gipfel standen“, erzählte mir Ralf einmal. Erst wenn der Österreicher grünes Licht gibt, steigen Ralf und Gerlinde auf. Auf die beiden hält Gabl große Stücke, besonders mit seiner Landsfrau Gerlinde verbindet ihn eine jahrelange Freundschaft: „Ich rühme mich immer, ihr Zeltnachbar zu sein; leider mit Ärmelschonern, 3000 Kilometer entfernt im Büro sitzend.“
Im Gegensatz zu einigen Kollegen bietet der Innsbrucker Meteorologe seine Dienste übrigens kostenlos an. Schließlich bezahle ihn ja der Staat, sagt Gabl. Warum sollte er also seine Freunde zur Kasse bitten?

Tod als Begleiter

Gabl ist selbst Bergführer, war 15 Mal im Himalaya und Karakorum unterwegs, ist vom 7492 Meter hohen Noshaq, dem höchsten Berg Afghanistans, mit Skiern abgefahren und hat eine Route am 6768 Meter hohen Huascaran in den Anden erstbegangen. Bergsteiger-Profi ist er dennoch nicht geworden. Als Vater zweier Kinder war ihm das Risiko zu hoch.
Charly Gabl ist ein verantwortungsvoller Mensch. Und darum lässt es ihn auch nicht kalt, wenn ein Bergsteiger schließlich seiner Empfehlung folgt und zum Gipfelversuch aufbricht. „Ich bin 24 Stunden im Dienst. Manchmal schlafe ich auch schlecht. Ich fiebere dann mit, weil ich Angst habe, dass der Bergsteiger am nächsten Tag nicht mehr anrufen kann.“ Gabl hat viele Freunde in den Bergen verloren. „Der Tod ist bei diesem Risikosport ein Begleiter.“

Interview mit Charly Gabl im Herbst 2009

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