Krankenhaus – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Noch kein Licht am Ende des Tunnels https://blogs.dw.com/abenteuersport/noch-kein-licht-am-ende-des-tunnels/ Tue, 15 Mar 2016 16:40:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32127 Erdbeben-Wunden in Chautara

Erdbeben-Wunden in Chautara

Chautara wirkt, als hätte das verheerende Erdbeben hier erst vor kurzem zugeschlagen, nicht vor knapp elf Monaten. Gut 15.000 Menschen leben in der Stadt auf 1500 Metern Höhe, dem Verwaltungssitz des vom Beben am 25. April letzten Jahres besonders hart getroffenen Distrikts Sindhupalchowk. Auf der Hauptstraße zeugen immer noch viele Häuserruinen von der Katastrophe, die mehr als 3500 Menschen der Bergregion das Leben kostete. In vielen Dörfern stürzten rund 90 Prozent der Häuser ein. Die Aufräumarbeiten kommen nur schleppend voran. Zu schwer sind die Wunden, die das Erdbeben gerissen hat, nicht nur an den Gebäuden, sondern auch bei den Bewohnern der Stadt. „Wir haben hier immer noch große medizinische Probleme“, erzählt Ärztin Sabina Parajuli. „Jene, die sich damals verletzt haben, sind immer noch nicht vollständig genesen, sondern haben Probleme, vor allem an den Gliedmaßen. Sie wurden damals operiert und sind immer noch nicht in der Lage, wieder ihr normales Leben zu führen. Oft waren sie die einzigen, die für das Einkommen der Familie sorgten. Jetzt verdienen sie nichts. Und ihre Angehörigen sind damit beschäftigt, sich um sie zu kümmern.“ Außerdem breiteten sich infektiöse Krankheiten wie Erbrechen oder Durchfall schnell aus, weil in den Notunterkünften sehr viele Menschen auf engstem Raum leben.

Immer noch eine Zeltklinik

Notfallambulanz im Zelt

Notfallambulanz im Zelt

Sabina arbeitet im Krankenhaus von Chautari. Das große Gebäude wurde bei dem Beben so stark beschädigt, dass es ohne aufwendige Reparaturarbeiten nicht genutzt werden kann. Deshalb arbeiten Sabine und ihre Kollegen immer noch überwiegend in Zelten auf dem Gelände der Klinik. Nur ein kleines Gebäude mit einem Büro und einem Behandlungsraum wurde nach dem Beben neu gebaut.„Einige der Zelte sind durch die starken Winde in der letzten Zeit zerstört worden“, berichtet die 25-Jährige.

Die Ärzte behandeln nicht nur körperliche Leiden, sondern auch psychische. „Viele leiden unter post-traumatischen Störungen. Sie haben schon vor den kleinsten Dingen Angst, haben Schlaf- und Essstörungen.“ Einige seien hochgradig depressiv, weil sie Familienangehörige, ihr Haus oder das gesamte Eigentum bei dem Beben verloren hätten. Und dabei kämen nur etwa 30 bis 40 Prozent der psychisch Erkrankten überhaupt ins Krankenhaus, schätzt Sabina Parachuli: „In unseren Dorfgemeinschaften sind psychische Erkrankungen stigmatisiert, die Erkrankten werden häufig diskriminiert.“ Zudem seien sich viele gar nicht bewusst, dass sie an einer Krankheit leiden und dass diese geheilt werden könne.

Politik, Politik, Politik

Sabina Parachuli versorgt einen jungen Patienten

Sabina Parachuli versorgt einen jungen Patienten

Mit der Regierung ist die Ärztin, wie eigentlich alle, mit denen ich in Sindhupalchowk gesprochen habe, alles andere als zufrieden. „Eigentlich müsste sie uns so schnell wie möglich helfen. Doch die Regierung macht nur Politik, Politik, Politik, anstatt dort anzupacken, wo es nötig ist.“ Deshalb komme die Hilfe nur sehr schleppend auf Touren und es gebe kaum Fortschritte. „Wir setzen keine Hoffnung mehr auf die Regierung. Wir versuchen einfach, selbst unser Bestes zu geben.“

Für die Ärzte im Krankenhaus von Chautara bedeutet das nach wie vor, bis an die Belastungsgrenze zu arbeiten. In den ersten Wochen nach dem Beben war Sabina fast rund um die Uhr im Einsatz. „Natürlich waren wir müde. Aber diese Menschen waren verletzt und viel gestresster als wir. Sie brauchten unsere Hilfe“, sagt die junge Ärztin. „Niemand hat mich dazu gezwungen, außer mein Herz. Ich tat es auch für mein Dorf Sangachok und die Menschen dort. Es war meine Möglichkeit, ihnen zu dienen.“

Hoffen auf die gerade Strecke

Leben im Wellblechschuppen

Leben im Wellblechschuppen

Nach wie vor gibt es Nachbeben in der Region. Die Menschen fürchten, dass sich ein weiteres, womöglich noch schwereres Beben wie jenes im April 2015 ereignen könnte. Von Normalität könne im Distrikt Sindhupalchowk noch keine Rede sein, sagt Sabina: „Natürlich gibt es ein Licht am Ende des Tunnels. Aber der Tunnel iverläuft nicht gerade, sondern hat Kurven. Deshalb können wir das Licht heute noch nicht sehen. Das können wir erst, wenn wir an die Stelle kommen, wo der Tunnel gerade wird. Diesen Punkt haben wir noch nicht erreicht, aber ich hoffe, dass wir es sehr bald schaffen werden.“

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Matthias Baumann (in Nepal): „Organisiertes Chaos“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/matthias-baumann-in-nepal-organisiertes-chaos/ Fri, 08 May 2015 09:53:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29423 Matthias Baumann im Krankenhaus Dhulikhel

Matthias Baumann im Krankenhaus Dhulikhel

Er hat nicht gezögert. Kaum waren die ersten Berichte über das verheerende Erdbeben in Nepal eingelaufen, packte der deutsche Arzt und Bergsteiger Matthias Baumann seine Sachen. Der Unfallchirurg aus Tübingen flog ins Katastrophengebiet, um zu helfen. Über eine Woche lang arbeitete der 43-Jährige in einem Krankenhaus in der Bergstadt Dhulikhel, 25 Kilometer östlich von Kathmandu gelegen. Vor seiner Heimreise am Sonntag will er sich noch einmal ein Bild von der Lage in den Bergdörfern der Region machen und helfen, so gut er kann.

Matthias, du bist jetzt anderthalb Wochen in Nepal. Wie lange hast du täglich gearbeitet?

Wir haben morgens um acht Uhr mit einem Treffen aller leitenden Ärzte und Krankenschwestern angefangen. Dabei wurde besprochen, was im Krankenhaus aber auch in den Krankenstationen auf dem Land an Hilfe benötigt wird. Dann legten wir los. Vorgegebene Zeiten gab es nicht. Jeder hat so lange gearbeitet, wie er es geschafft hat. Ich war meistens bis zehn, elf Uhr abends in der Klinik.

Geduldig Wartende

Geduldig Wartende

Wie sah die Arbeit konkret aus?

Ich war die meiste Zeit über im Operationssaal. Wir haben vor allem Knochenbrüche an Armen und Beinen versorgt. Ab und zu habe ich auch in der Notaufnahme mit angepackt.

Woher kamen die Patienten?

Dhulikhel liegt eine Stunde Autofahrt östlich von Kathmandu, es ist es schon sehr hügelig. Die Stadt liegt an der Straße, die nach Tibet führt. Daher treffen hier vor allem die Patienten aus den östlichen Bergregionen ein. Für sie ist es die erste große Klinik Richtung Kathmandu.

Sind diese Menschen traumatisiert?

Ja, eindeutig. Bewundernswert ist jedoch, dass sie sich nicht beklagen. Sie haben ein unglaubliches Schicksal erlitten: Sie haben ihre Angehörigen verloren; sie haben einen langen Weg hinter sich, um ins Krankenhaus zu kommen; sie müssen auf dem Gang oder sogar im Freien schlafen und unter Umständen stundenlang vor dem Operationssaal warten, bis sie dran sind. Und doch gehen sie geduldig damit um und beklagen sich nicht über die Umstände. Schließlich ist es ja doch ein organisiertes Chaos, weil der Patientenstrom so groß ist.

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Ist die Lage außerhalb des Krankenhauses auch chaotisch?

Ich habe den Eindruck, dass man die Lage auf dem Land, vor allem in den Bergregionen, noch gar nicht im Griff hat. Unser Krankenhaus hat gerade zwei Tage lang die ganz abgelegenen Dörfer im Langtang-Gebiet mit Pendelflügen per Hubschrauber versorgt. Ich habe erschreckende Bilder gesehen. Diese Dörfer gibt es einfach nicht mehr. Aber auch diese Hilfe war ja nur punktuell. Ich denke, es gibt immer noch Dörfer, in denen seit dem Beben vor zwei Wochen noch niemand gewesen ist.

Werden aus diesen Gebieten noch Verletzte gebracht, oder nur noch Tote?

In den Bergdörfern wurden die meisten Leichen schnell verbrannt, um Seuchen vorzubeugen. Es treffen immer noch Verletzte aus den Bergdörfern ein, aber natürlich nicht mehr so viele wie anfangs.

Leben in Trümmern

Leben in Trümmern

Wie sehen die Menschen in Nepal ihre Zukunft?

Jemand hat mir kürzlich gesagt: Nepal wurde um 20 Jahre zurückgeworfen. Ich war auch mehrfach außerhalb der Stadt unterwegs. Es ist unglaublich, was dort alles kaputt gegangen ist. Ich denke, es wird auf jeden Fall Jahre dauern, das Land wieder aufzubauen. Auf der einen Seite spürt man den großen Zusammenhalt der Nepalesen. Auf der anderen Seite sind sie alle traumatisiert. Gestern sagte mir jemand: „We suffer!“ Wir leiden.

Haben die Nepalesen Angst davor, vergessen zu werden, wenn die Erdbeben-Katastrophe aus den Hauptnachrichten-Sendungen verschwindet?

Ab und zu höre ich das. Aber Nepal ist nicht nur wegen seiner schönen Berge, sondern vor allem wegen seiner Menschen in der ganzen Welt beliebt. Im Erdbebengebiet sind unglaublich viele internationale Hilfsorganisationen im Einsatz, an einigen Stellen fast schon zu viele. Und auch Privatpersonen sind hergekommen, die helfen wollen. Ich glaube nicht, dass die Nepalesen vergessen werden.

P.S. Matthias Baumann hat eine Spendenaktion für die Erdbebenopfer in Nepal gestartet. Hier ist die Kontoverbindung: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN: DE82 6545 0070 0007 8203 31, SWIFT-BIC:  SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“.

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Everest-Saison in Tibet beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-saison-in-tibet-beendet/ Wed, 29 Apr 2015 14:29:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29283 Die Nordseite des Mount Everest

Die Nordseite des Mount Everest

Eines möchte ich vorausschicken. Angesichts des Leids in Nepal nach dem Erdbeben vom vergangenen Samstag – inzwischen wurden mehr als 5000 Tote und 10.000 Verletzte gezählt – ist das, was auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest geschieht, eher belanglos. Doch ich berichte eben auch über die Folgen der schrecklichen Tragödie für die Bergsteiger in der Region – und in Tibet halten sich noch mehrere hundert auf, darunter auch viele Sherpas aus Nepal. Alle machen sich jetzt auf den Heimweg. Egal, ob sie wollen oder nicht, sie müssen. „Es ist offiziell: Der Everest ist für diese Saison geschlossen“, schreibt Expeditionsleiter Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical Alpin, aus dem „Chinese Basecamp“ auf der Nordseite des Mount Everest. Müller hatte bereits gestern seine Expedition abgebrochen, einen Tag vor dem entscheidenden Treffen der Expeditionsleiter mit Vertretern des chinesisch-tibetischen Bergsteiger-Verbands CTMA im Basislager auf 5150 Meter Höhe.

Straße nach Nepal gesperrt

Andere Bergsteiger bestätigen, dass die chinesischen Behörden alle weiteren Aktivitäten am höchsten Berg der Erde und auch den anderen Bergen Tibets untersagt hätten. „Träume sind gerade geplatzt“, schreibt der österreichische Bergsteiger Alois Fuchs in seinem Internet-Tagebuch. „Es wird angenommen, dass sich die Erdbebentätigkeit Richtung Mount Everest (Tingri) verschiebt und noch nicht abgeschlossen ist. Die Gefahr von Steinschlag und Lawinen kann niemand genau abschätzen, und deshalb wurden alle Berge in dieser Gegend gesperrt. Das bedeutet für uns: Mount Everest gestrichen, Gepäck sammeln, Flüge umbuchen und im BC (Basislager) auf die Kollegen warten, welche sich noch im ABC (Vorgeschobenes Basislager) befinden.“ Dort hält sich derzeit auch noch Ralf Dujmovits auf, der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger. Auch Ralf werde jetzt seine Sachen packen, bestätigt sein Büro in Deutschland. Nach Angaben von Adrian Ballinger, Chef des US-Veranstalters Alpenglow Expeditions, ist die Straße von Tibet nach Nepal gesperrt. Sein Team wird deshalb wie viele andere auch über die tibetische Hauptstadt Lhasa ausreisen.

Zu wenig Operationsmaterial

Matthias Baumann bestätigt, dass die Straßenverbindung zwischen beiden Ländern erneut unterbrochen sei. „Es hat neue Erdrutsche gegeben, einige Regionen sind abgeschnitten“, berichtet mir der deutsche Arzt und Bergsteiger telefonisch aus Nepal. Der Unfallchirurg hilft in einem Krankenhaus vor den Toren Kathmandus. „Wir operieren vor allem Arm- und Beinbrüche, auch Rückenbrüche.“ Es fehle an OP-Materialien wie Platten, Nägeln und Schrauben. Er versuche jetzt, Nachschub aus Deutschland zu organisieren. „Wir haben hier so viele Brüche, da ginge jedem Krankenhaus auf der Welt das Material aus.“ Matthias schläft im Zelt. „Das machen hier sehr viele Menschen.“ Er habe bereits am ersten Tag seines Aufenthalts drei Nachbeben gezählt. Die Versorgung der Erdbebenopfer in Kathmandu sei nach seiner Einschätzung „ganz ordentlich, aber in viele Bergregionen ist man noch gar nicht vorgedrungen. Es gibt viel zu wenige Hubschrauber.“ Jene Helikopter, die bei der gestern abgeschlossenen Rettungsaktion am Mount Everest im Einsatz waren, werden also dringend benötigt. Am Dienstagabend wurde gemeldet, dass in der Region Langtang eine Matschlawine abgegangen sei, mindestens 250 Menschen würden vermisst.

Erst wenn die Hubschrauber frei sind

Obwohl sich viele Bergsteiger auf den Heimweg gemacht haben, ist die Saison auf der nepalesischen Seite des Mount Everest offiziell noch nicht beendet – trotz des schlimmen Lawinenunglücks nach dem Beben. „Unser Team wird in den nächsten Tagen im Basislager bleiben und dann entscheiden, ob wir weitermachen oder nicht“, schreibt etwa Russell Brice, Leiter des neuseeländischen Veranstalters Himalayan Experience. Er habe sich heute am Flughafen von Kathmandu mit Vertretern des Nepalesischen Bergsteigerverbands NMA und dem Tourismusminister getroffen. „Er erlaubte uns, Material nach Lager eins zu fliegen – aber erst, wenn die Hubschrauber nicht mehr für Rettungseinsätze benötigt werden. Das sehen wir natürlich ganz genauso.“

P.S.: Matthias Baumann sagte mir, dass sich auf seiner Facebook-Seite der Fehlerteufel eingeschlichen habe. Die richtige Kontoverbindung seiner Hilfsaktion für die Erdbebenopfer in Nepal sei jene, die auf seiner Homepage  stehe: Himalayan Project e.V., Kreissparkasse Biberach, IBAN DE82 6545 0070 0007 8203 31, BIC: SBCRDE66, Kennwort: „Erdbeben Opfer“.

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