Nuptse – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Lebe wohl, Ueli! https://blogs.dw.com/abenteuersport/lebe-wohl-ueli/ Tue, 23 May 2017 22:22:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36381

Eiger-Nordwand im Abendlicht

Ich glaube, er war ein total glücklicher Mensch, als es passiert ist“, sagte Robert Bösch, der Schweizer Fotograf und Bergsteiger, bei der Gedenkfeier für seinen Freund Ueli Steck, der am 30. April am Nuptse aus einer Höhe von rund 7600 Metern in den Tod gestürzt war. Jede SMS von Ueli zuvor aus dem Everest-Basislager habe die Botschaft vermittelt: Alles stimmt, Motivation und Fitness. Bösch glaubt, dass es ein spontaner Entschluss des 40-Jährigen gewesen sei, zur Akklimatisierung nicht, wie ursprünglich geplant, zum Everest-Südsattel aufzusteigen, sondern auf den Nuptse. „Die Verhältnisse müssen gut gewesen sein, sonst wäre er nicht so schnell so weit oben gewesen“, sagte Robert. Ganz sicher sei Steck „im Flow“ geklettert. Warum er abgestürzt sei, lasse sich nicht klären. „Das ist egal, das ist eben Bergsteigen. Das Quäntchen Glück, das er gebraucht hätte, hat er diesmal nicht gehabt.“

Mensch wie du und ich“

Ueli Steck (1976-2017)

Rund 600 Menschen waren der Einladung der Familie Steck gefolgt, im Kursaal des Congress Centers Interlaken des tödlich verunglückten Topbergsteigers zu gedenken. Vielen stand der Schock auch nach über drei Wochen noch ins Gesicht geschrieben. Neben der Familie um Stecks Ehefrau Nicole, Uelis Eltern und die beiden Brüder waren auch viele Wegbegleiter aus der Bergsteiger-Szene gekommen: die Schweizer Stephan Siegrist, Roger Schaeli und Evelyne Binsack, die US-Amerikanerin Melissa Arnot-Reid, der Brite Jonathan Griffith, um nur einige zu nennen. Jon erinnerte daran, dass Ueli, selbst als er längst ein internationaler Star gewesen sei, keinerlei Allüren gehabt habe. „Er war ein Mensch wie du und ich. Er setzte sich einfach gerne hin und redete mit den Leuten“, sagte Griffith. Steck sei ein starker Mann gewesen, der seine Herausforderungen gelebt habe. „Sein Motto war: Nichts ist unmöglich. Ich vermisse seine Präsenz und Energie. Ich vermisse ihn als Freund und Mentor.“

Lieber Tiger als Schaf

Ueli Steck wenige Tage vor seinem tödlichen Absturz

Bei der bewegenden Gedenkfeier wurde auch an Uelis Lieblingsspruch erinnert, den er einst auf einem Schild an der Annapurna entdeckte und der ihn fortan durchs Leben begleitete: „Es ist besser, einen Tag lang ein Tiger zu sein, als tausend Jahre lang ein Schaf.“ Ueli – das belegten nicht nur die Redebeiträge, sondern auch die Bilder und Filmsequenzen, die gezeigt wurden – schlüpfte deutlich länger als einen Tag in die Rolle des Tigers. Steck inspirierte andere Menschen – ob beim Speedklettern in den klassischen Nordwänden der Alpen oder mit seinen Soloprojekten in den Südwänden der Achttausender Annapurna und Shishapangma. „Er hat eine riesige Lücke hinterlassen“, sagte sein früher Weggefährte Ueli Bühler. „Wenn es einen Trost gibt“, ergänzte Robert Bösch, „dann den, dass es im Tal des Schweigens passiert ist, umgeben von den höchsten Bergen.“ Dort, wo sich Ueli Steck am wohlsten fühlte.

]]>
Steck im Kloster Tengboche eingeäschert https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-im-kloster-tengboche-eingeaeschert/ Thu, 04 May 2017 19:43:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36079

Kloster Tengboche

Das hätte ihm sicher gefallen. Im Kloster Tengboche im Khumbu-Gebiet, auf fast 4000 Metern, mit Blick auf Mount Everest, Lhotse und Ama Dablam, hat die Familie Ueli Stecks bei einer buddhistischen Trauerfeier Abschied von dem Schweizer Topbergsteiger genommen. Der 40-Jährige war am Sonntag am 7861 Meter hohen Nuptse in den Tod gestürzt. „Wie es der nepalesischen Tradition entspricht, wurde der Verstorbene in einer rund drei Stunden dauernden eindrücklichen Zeremonie eingeäschert“, teilte Stecks Familie auf Facebook mit.  An der Zeremonie hätten Uelis Frau Nicole, seine Eltern und Schwiegereltern teilgenommen. „Die Familie empfand das Zeremoniell als ausgesprochen feierlich und eindrucksvoll, als traurig und zugleich erlösend.“ Einen Teil der Asche werde die Familie mit zurück in die Schweiz nehmen, wo eine öffentliche Abschiedsfeier für Freunde, Bekannte und Weggefährten geplant sei. Ort und Zeit stünden noch nicht fest. Auf der Homepage Ueli Stecks wurde ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet.

Akklimatisierungs-Plan kurzfristig geändert

Ueli Steck am Everest oberhalb von Lager 2

Die Familie äußerte sich auch zu dem Unfall. Steck sei am vergangenen Samstag bis Lager 2 auf 6400 Metern aufgestiegen. „Sein ursprünglicher Plan war, am nächsten Tag zur weiteren Akklimatisation auf der Everest-Normalroute zum knapp 8000 Meter hohen Südsattel aufzusteigen, um noch am gleichen Tag wieder ins Lager 2 zurückzukehren. Vom Lager 2 aus stellte Ueli fest, dass die Verhältnisse in der Nuptse-Wand ideal waren, weshalb er sich noch am Abend entschied, am folgenden Tag nicht zum Südsattel, sondern zum Nuptse aufzusteigen.“

Steck sei dann am Sonntag um 4.30 Uhr Ortszeit gemeinsam mit dem Franzosen Yannick Graziani von Lager 2 aus aufgebrochen. Während Graziani auf der Everest-Normalroute weiter aufgestiegen sei, sei Ueli in Richtung Nuptse abgebogen. „Uelis Unglück geschah auf rund 7600 Metern um etwa 9.00 Uhr (lokale Zeit). Seine Leiche wurde schließlich vom italienischen Helikopterpiloten Maurizio Folini auf einer Höhe von rund 6600 Metern geborgen und ins Spital von Kathmandu überführt. Die Absturzursache ist weiterhin unbekannt.“

Wo genau stieg Steck auf?

Nuptse-Nordflanke (vom Genfer Sporn am Everest aus)

Auch unter den Bergsteigern auf der Everest-Nordseite wird weiter über den tödlichen Unfall diskutiert. Ralf Dujmovits, der – wie berichtet – in diesem Frühjahr seinen achten und, wie er sagt, letzten Versuch macht, den höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske zu besteigen, hielt sich zur Akklimatisierung am Everest-Nordsattel auf 7000 Metern, als ihn die Nachricht von Stecks Unfall am Nuptse erreichte: „Sein Tod hat mich sehr berührt – ich bin unendlich traurig.“ Dem 55 Jahre alten Deutschen war am Nuptse im September 1996 zusammen mit Axel Schlönvogt die zweite Begehung der Route über den Nordpfeiler gelungen, die 1979 von einer britischen Expedition unter Leitung von Doug Scott eröffnet worden war und die inzwischen, so Dujmovits, „leider zu einer Art Normalweg“ verkommen sei. „Ob Ueli allerdings diese Route, die inzwischen während des Vormonsuns oftmals mit Fixseilen versichert wird, begehen wollte, weiß ich nicht bzw. erscheint mir etwas Ueli-unlike“, schreibt mir Ralf. „Die argentinischen Brüder Benegas haben rechts des Pfeilers (also westlich) 2003 ein sehr schönes Couloir erstbegangen (Route ‚The Crystal Snake‘). Das würde mehr Uelis Stil entsprechen. Oder hat er eine neue Route noch weiter westlich ausgekundschaftet?“ Letztlich, so Dujmovits, könne er jedoch nur spekulieren. Steck hatte sich die Überschreitung von Everest und Lhotse vorgenommen, hatte aber auch eine Besteigungsgenehmigung für den Nuptse.

Dujmovits: „Einer der stärksten Allrounder“

Ralf Dujmoivts (im April am Cholatse)

„Ueli habe ich immer als sehr bodenständig, lebendig, ehrlich und freundlich erlebt“, schreibt Ralf über Steck. „Einer der stärksten Allround-Bergsteiger unserer Zeit, der sowohl bergsportspezifisches Training als auch Professionalität auf ein neues Niveau gehoben hat. Enttäuscht war ich über seinen Umgang mit dem Lawinen-Unfall 2014 an der Shisha Pangma. Sowohl der Öffentlichkeit als auch einem Kollegen gegenüber Fehler einzugestehen, hätte ihm sicher noch mehr Glanz verliehen.“

]]>
Ines Papert zu Ueli Stecks Tod: „Es war SEIN Leben!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ines-papert-zu-ueli-stecks-tod-es-war-sein-leben/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ines-papert-zu-ueli-stecks-tod-es-war-sein-leben/#comments Wed, 03 May 2017 09:36:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36059

Ueli Steck wenige Tage vor seinem tödlichen Absturz

Warum wählte Ueli Steck den Nuptse, um sich zu akklimatisieren? Das ist eine Frage, die ich mir stelle, seitdem sich am Sonntag die Nachricht vom Tod des Schweizers wie ein Lauffeuer verbreitete. Einige Tage zuvor war der 40-Jährige Richtung Everest-Westschulter geklettert. Das machte Sinn, schließlich plante er bei seiner Everest-Lhotse-Traverse den Aufstieg über Westgrat und Hornbein-Couloir zum höchsten Punkt. Aber der Nuptse? Nicht gerade die klassische Tour, um sich zu akklimatisieren. Und mit welchem Mehrwert, als nur weitere Höhenmeter zu machen?

Reinhold Messner mutmaßt, Ueli habe vielleicht nicht nur die angekündigte Traverse, sondern das „große Hufeisen“ im Visier gehabt, also die noch niemals versuchte Rundtour über Nuptse, Lhotse und Everest und die Grate dazwischen. Dafür sehe ich nach dem, was ich bisher gehört und gelesen habe, keinen Anhaltspunkt. Der Franzose Yannick Graziani schrieb in seinem Blog, dass Ueli ihn drei Tage vor seinem Tod gefragt habe, ob er nicht Lust habe, ihn auf den Nuptse zu begleiten. Der 43-Jährige, der in diesem Frühjahr den Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen will,  lehnte ab. Es sei wirklich nur um eine Akklimatisationstour gegangen, ließ mich Yannicks Team auf Nachfrage wissen: „Ueli hat niemals über das Hufeisen geschrieben oder geredet. Er wartete darauf, dass sich sein Sherpa-Freund Tenji von seiner Erfrierung erholte, um mit ihm zusammen zur Westschulter aufzusteigen.“

Ich hatte am Montag einige Topbergsteiger angeschrieben und gefragt, wie sie Ueli erlebt haben. Zwei weitere Antworten erreichten mich.

Auer: „Ueli hat uns inspiriert und ermuntert“

Hansjörg Auer

Der 33 Jahre alte Österreicher Hansjörg Auer wurde in den USA von der Nachricht über Stecks Tod überrascht:

„Ueli war jemand, der sein Tun am Berg mit voller Passion und hohem persönlichen Einsatz betrieben hat. Er hat nicht nur viele Alpinisten inspiriert, sondern uns auch immer wieder mit seinen Ideen ermuntert, diesen notwendigen Schritt weiter zu gehen, um unsere Kultur des Bergsteigens neu zu definieren. Ich durfte mit ihm einige Male darüber diskutieren und werde sein sehr persönliches, wertschätzendes und aufmunterndes Email nach meinem Verlust von Gerry [Fiegl] am Nilgiri South [Fiegl stürzte im Herbst 2015 beim Abstieg von dem 6839 Meter hohen Berg im Westen Nepals in den Tod] nie vergessen. Lebe wohl, Ueli!“

Papert: „An den Grenzen des Menschenmöglichen“

Ines Papert

Nachdenkliche Worte fand die 43 Jahre alte deutsche Spitzenkletterin Ines Papert:

„Ich verliere Tränen über Uelis Verlust. Er hat im Alpinismus Unglaubliches bewegt und neue Maßstäbe gesetzt.

Aber kein Mensch ist unsterblich, auch nicht Ueli. Die Nachricht hat mich dennoch sehr hart getroffen, auch wenn sie nicht völlig unerwartet kam. Ich war über die Jahre immer ein wenig in Sorge und fragte mich, wie weit man das Limit pushen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, sein Leben zu verlieren. Ich bin sicher, es war ihm bewusst, wie nah er sich an der Kante befindet. Dies zu kritisieren, ist absolut vermessen, denn es war SEIN Leben, das Leben in den Bergen. Er hat es ERLEBT und war dabei sicher glücklich. 

Doch hoffte ich immer, dass er mit seinem Zugang zum Alpinismus nicht zu viele Nachahmer finden würde. Leichtigkeit (light and fast) bis zu einem gewissen Maß kann das Risiko an hohen Bergen enorm reduzieren. Doch je weiter man das Spiel treibt, umso näher ist man dem Tod. Dessen war sich Ueli bewusst, denn er war nicht nur unglaublich motiviert und stark sondern auch ein intelligenter Mensch. 

Es liegt viele Jahre zurück, dass wir gemeinsam die Route „Blaue Lagune“ an den Wendenstöcken [Gebirgsgruppe in den Urner Alpen in der Schweiz] geklettert sind, dass wir uns in der Pizzeria im Val di Cogne [Seitental des Aosta-Tals in Italien] nach dem Klettern getroffen haben und über ethische Fragen im Mixed-Klettern diskutiert haben. Er stand damals ganz am Anfang seiner Karriere, doch seine Begeisterung oder fast Besessenheit für das Klettern und die Herausforderung grenzwertiger Ambitionen war deutlich spürbar. Seinen Erfolg konnte ich später nur noch aus den Medien verfolgen, er hatte sich komplett in eine andere Richtung entwickelt, als ich selber.

Ich habe ihn immer sehr bewundert, wie weit er seinen Körper und Geist an die Grenzen des Menschenmöglichen treiben konnte. Gleichzeitig hatte ich immer die Befürchtung, es würde eines Tages schief gehen. Ein wenig tröstlich ist, dass er dort geblieben ist, wo sein Zuhause war: in den Bergen der Welt.“ 

]]>
https://blogs.dw.com/abenteuersport/ines-papert-zu-ueli-stecks-tod-es-war-sein-leben/feed/ 3
Siegrist: „Nur das Schwierigste war Ueli gut genug“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/siegrist-nur-das-schwierigste-war-ueli-gut-genug/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/siegrist-nur-das-schwierigste-war-ueli-gut-genug/#comments Mon, 01 May 2017 14:22:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36039

R.I.P., Ueli!

Die Bergsteigerszene ist noch immer wie paralysiert. So richtig begreifen kann es noch niemand, dass Ueli Steck nicht mehr unter uns ist. Der 40 Jahre alte Schweizer war gestern in unmittelbarer Nähe des Mount Everest tödlich abgestürzt. Seine Leiche wurde zu Füßen des Nuptse West gefunden und nach Kathmandu geflogen. Dort werden seine Frau, seine Eltern und weitere Verwandte erwartet. Nach Informationen der Zeitung „Himalayan Times“ soll Ueli in Nepal beigesetzt werden. Warum Steck abstürzte, wird wahrscheinlich niemals geklärt werden können. Schließlich war er wieder alleine unterwegs, um sich weiter auf die geplante Everest-Lhotse-Überschreitung vorzubereiten. Sein Teampartner Tenjing Sherpa hatte sich Erfrierungen zugezogen und Ueli nicht begleiten können.

„Wir hatten mehr als einmal Glück“

Ueli Steck

„Uns verband die gleiche Passion und unzählige gemeinsame Erlebnisse“, schreibt mir Stephan Siegrist. Der 44-jährige Schweizer lebt im selben Dorf wie Steck, in Ringgenberg am Brienzer See. Gerade in jungen Jahren waren die beiden häufig als Team unterwegs. „Wir haben viele Tage und Monate im In- und Ausland zusammen verbracht, manche Biwak-Nächte gemeinsam ‚durchfroren‘. Einige Erstbegehungen sind uns zusammen gelungen. Wir hatten auch mehr als einmal Glück, dass wir nicht gemeinsam abgestürzt sind.“

Inspirierender Ausnahmesportler

Stephan Siegrist

Ueli und er hätten „viele lustige Stunden beim Bergsteigen wie auch privat“ verbracht, erinnert sich Stephan. „Solche Erlebnisse und Seilschaften verbinden – auch wenn unsere Wege im Sport  über die Jahre andere Richtungen einschlugen. Auch waren wir nicht immer gleicher Meinung und verstanden den Alpinismus nicht immer gleich.“ Dennoch habe er Ueli „für sein kompromissloses Verfolgen eines Projekts, seinen Ehrgeiz und seinen Durchhaltewillen“ bewundert, sagt Siegrist. „Nur das Schwierigste war ihm gut genug – bis zum Schluss. Das machte seine Persönlichkeit als Bergsteiger aus. Er war ein inspirierender Ausnahmesportler.“

Göttler: „Auf ihn war hundertprozentig Verlass“

Ueli Steck (l.) und David Göttler (2016)

Das würde auch der deutsche Bergsteiger David Göttler unterschreiben. „Ich schätze mich glücklich, die letzten zwei Jahre mit Ueli immer wieder unterwegs gewesen zu sein und von seiner Art gelernt zu haben“, schreibt mir der 38-Jährige aus dem Basislager zu Füßen der Shishapangma-Südwand, durch die er gemeinsam mit dem 39 Jahre alten Italiener Hervé Barmasse eine neue Route eröffnen will. Im Frühjahr 2016 war David mit Ueli Steck an diesem Projekt gescheitert, weil das Wetter nicht mitgespielt hatte. Göttler, Barmasse und Steck hatten sich in diesem Februar mit einem Intensivtrainingslager im Khumbu-Gebiet gemeinsam auf ihre jeweiligen Expeditionen vorbereitet. „Ich verliere mit Ueli einen Freund und Seilpartner, auf den immer hundertprozentig Verlass war und mit dem ich noch viele gemeinsame Träume teilen wollte. Danke Ueli, für dieses kurze Stück gemeinsamen Wegs!“

Der Preis des Abenteuers

Für Oswald „Bulle“ Oelz, einen alten Weggefährten Reinhold Messners, ist Ueli Steck ein weiterer Freund, den er am Berg verloren hat. „Irgendwann einmal passiert es auch den Allerbesten“, sagte der 74 Jahre alte gebürtige Österreicher, der in der Schweiz lebt, dem Sender SRF. „Das ist der Preis des wirklichen Abenteuers. Da ist das tödliche Scheitern immer inbegriffen.“

]]>
https://blogs.dw.com/abenteuersport/siegrist-nur-das-schwierigste-war-ueli-gut-genug/feed/ 1
Ueli Steck: „Ich akzeptiere das Risiko“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-ueli-steck-risiko/ Wed, 11 Feb 2015 09:35:16 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28383 Ueli Steck auf der ISPO

Ueli Steck auf der ISPO

Eigentlich wollte Ueli Steck im Herbst 2014 in Tibet nur ein bisschen Aktivurlaub machen. Der 38 Jahre alte Top-Bergsteiger aus der Schweiz plante, mit seiner Frau Nicole über die Normalroute den Achttausender Shishapangma zu besteigen. Schnell war klar: Ganz so einfach würde es nicht, weil zu viel Schnee lag. „Nur im Basislager rumsitzen, ist aber nicht mein Ding“, erzählte mir Ueli auf der ISPO in München. „Deshalb habe ich die Jungs bei ihrem Gipfelversuch begleitet.“ Die Jungs, das waren die deutschen Skibergsteiger Benedikt Böhm, Sebastian Haag und Martin Maier sowie der Italiener Andrea Zambaldi. Im Gipfelbereich löste sich eine Lawine: Haag und Zambaldi kamen ums Leben, Maier überlebte schwer verletzt. Nur Steck und Böhm wurden von der Lawine nicht mitgerissen. Grund genug, mit Ueli über Risiko und Glück zu reden:

Ueli, man sagt, eine Katze habe sieben Leben. Wie viele Leben hast du?

Ja, wie viele Leben habe ich? Ich habe jetzt schon ein paar Mal Glück gehabt. Aber ich zähle das nicht, da machst du dich nur verrückt. Es ist halt so, wenn man in die Berge geht, geht man ein gewisses Risiko ein. Und das muss man einfach akzeptieren.

Ueli Steck: Hatte schon ein paar Mal Glück gehabt

Vorgeschobenes Basislager an der Shishapangma

Vorgeschobenes Basislager an der Shishapangma

Im vergangenen Herbst hast an der Shishapangma hat eine Lawine im Gipfelbereich die Skibergsteiger Sebastian Haag und Andrea Zambaldi das Leben gekostet. Du warst dabei, wie knapp war es für dich?

Es war eigentlich nur Glück, dass Beni (Böhm) und ich uns noch etwas weiter oben aufhielten. Wir standen auch in der Lawine, aber eben ein wenig auf der Seite, wo nicht so viel wegrutschte. Wir konnten stehen bleiben, die anderen hat es weggefegt. Das war sehr knapp.

Wie viel ist in so einer Situation Glück, wie viel Instinkt?

Das ist schwierig zu sagen. Instinkt, das sind Entscheidungen, die du unbewusst triffst. Das kann man nicht messen. Es gibt schon Leute, die machen immer das Richtige. Man sagt dann auch, die haben immer Glück. Aber was ist Glück? Vielleicht trifft man einfach instinktiv die richtige Entscheidung und steht am richtigen Ort. Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, das war mein Instinkt, dass ich dort überlebt habe. Aber ich würde auch nicht sagen, es war nur pures Glück. Ich kann das irgendwie nicht erklären.

Du hast schon mehrere solcher Situationen erlebt. So wurdest du bei einem deiner ersten Versuche an der Annapurna-Südwand im Jahr 2007 von einem Stein am Kopf getroffen und kullertest 300 Meter tief den Berg hinunter.

Das war pures Glück. Pech war eigentlich nur, dass mich damals der Stein getroffen hat, der Rest war wirklich pures Glück. Das hatte nichts mit Instinkt oder was auch immer zu tun.

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Wie gehst du anschließend mit so einer Erfahrung um? Hast du irgendwelche professionellen Mechanismen entwickelt, damit du das nächste Projekt wieder unbefangen angehen kannst oder beschäftigt es dich genauso, wie es einen Laien beschäftigen würde?

Mich beschäftigt das sehr. Die Geschichte 2013 an der Annapurna (Ueli riskierte viel, als er solo durch die Südwand über eine bis dahin noch nicht vollendete Route zum Gipfel stieg und nach nur 28 Stunden wieder unten ankam) hat mich richtig aus der Bahn geworfen, das muss ich zugeben. Aber man kann das einfach herunterbrechen: Beim Bergsteigen probiert man, gute Entscheidungen zu treffen, nicht zu viel Risiko einzugehen. Am Schluss müssen wir jedoch einfach ganz klar sagen: Sobald wir in die Berge gehen, egal auf welchem Niveau du es betreibst, besteht ein gewisses Risiko, dass ein Unfall passiert. Da gibt es für mich nur Schwarz-Weiß. Entweder ich akzeptiere das oder eben nicht. Wenn ich es nicht akzeptiere, darf ich nicht mehr in die Berge fahren. Und da sind mir halt das Bergsteigen und die Erlebnisse, die ich dabei habe, einfach zu wichtig und geben mir zu viel. Deshalb akzeptiere ich das Risiko.

Ueli Steck: An der Annapurna, das war zu viel

Bist du als Profi gezwungen, ein größeres Risiko einzugehen, um ernst genommen zu werden?

Nein, ich bin zu absolut nichts gezwungen. Ich kann machen, was ich will. Ich treffe meine Entscheidungen für mich selber. Wenn ich in eine Wand einsteige, habe ich das Projekt so lange vorbereitet, dass es auch machbar ist. Es gibt bei mir nicht die Überlegung: Wenn ich es überlebe, mache ich ein gutes Geschäft daraus. Wenn ich gehe, ist für mich klar, ich komme auch wieder zurück. Das ist ein entscheidender Faktor. Aber ich bewege mich natürlich in einem anderen Bereich als jemand, der einfache Touren macht. Und sobald wir uns in diesem High-End-Bereich aufhalten, ist automatisch das Risiko viel höher.

Im Zelt an der Annapurna

Im Zelt an der Annapurna

Ihr versucht, eure persönlichen Grenzen immer ein Stück weiter zu verschieben. Besteht dann nicht die Gefahr, die Schraube zu überdrehen? Ist es möglich, irgendwann zu sagen: Das war das Riskanteste, was ich gemacht habe, ab jetzt drehe ich die Schraube ein Stück zurück?

Das ist ja genau das Schwierige, und das weiß ich auch für mich selber. Nehmen wir die Annapurna. Ich habe das reflektiert, es hat mich sehr beschäftigt. Ich bin eigentlich der einzige, der wirklich beurteilen kann, wie viel Risiko ich dort eingegangen bin und wie viel Commitment (Einsatz) dabei war. Es war sehr viel. Ich habe dort sogar akzeptiert, dass ich wahrscheinlich nicht lebend zurückkomme. Und das ist zu viel. Es ist ganz einfach, jetzt hier am Tisch zu sagen, ich drehe die Schraube ein bisschen zurück. Aber es ist ein Riesenprozess, das auch zu fühlen, zurückstehen zu können, ohne immer das Gefühl zu haben, man sollte doch noch weiter gehen. Bei mir ist es auch noch nicht so, dass ich sagen kann: Ich gehe jetzt nicht mehr in den Himalaya. Ich weiß, sobald ich in dieser Situation bin, treffe ich die Entscheidung wieder genauso wie an der Annapurna, und ich akzeptiere das Risiko.  

Ueli Steck: Schwierig, die Schraube zurückzudrehen

Du hast vor nicht allzu langer Zeit einmal gesagt: Die Zeit der Solos ist vorbei, ich möchte jetzt auch wegen des Risikofaktors mehr im Team unterwegs sein. An der Shishapangma 2011 seid ihr zu zweit aufgebrochen, letztlich bist du aber alleine durch die Südwand gestiegen. An der Annapurna 2013 dasselbe. Hast du Schwierigkeiten, gleich starke Partner zu finden?

Zumindest probiere ich es. (lacht) Zweimal hat es nicht geklappt. Es ist schon schwierig, jemand zu finden, der auf demselben Niveau ist und das auch umsetzen kann. Ich habe eben diese Erfahrung der Sologänge, und damit ist es auch immer eine Option. Das wird in meinem Leben auch immer so bleiben. Es ist mir auch schon passiert, als ich mit einem Partner zur Eiger-Nordwand wollte. Am Einstieg sagt er, ich fühle mich schlecht, ich komme nicht mit. Dann habe ich halt die Option zu sagen: Das Wetter ist schön, ich gehe trotzdem und wir sehen uns dann am Nachmittag auf der Kleinen Scheidegg im Bahnhofsbuffet und trinken was zusammen.

Andere würden umdrehen.

Ja, weil sie diese Option nicht haben. Daher gerate ich immer wieder in diese Situationen.

Was machst du als nächstes?

Ich probiere auch wirklich, die Schraube ein bisschen zurückzudrehen. Ich plane zusammen mit (dem deutschen Bergsteiger) Michi Wohlleben eine Traverse in den Alpen, alle Viertausender. Dabei wollen wir einfach auch Spaß haben zu klettern. Im Herbst gehe ich zum Nuptse, wo ich mit Colin Haley die Route von Valeri Babanov im Alpinstil wiederholen möchte.

Zur Erklärung: Den Russen Valerij Babanov und Yuri Kosholenko gelang es 2003 erstmals, den Gipfel des 7804 Meter hohen Nuptse East (in der Nachbarschaft des Mount Everest) über den Südpfeiler zu besteigen. Bis auf eine Höhe von 6400 Meter legten sie Fixseile – was in der Kletterszene zu einer Kontroverse über ihren Stil führte. Die Route sei durch Haken und Fixseile „entweiht worden“, kritisierte der US-Kletterer Steve House, der 2002 im Alpinstil auf derselben Route eine Höhe von 7200 Metern erreicht hatte. Babanov konterte: „Der Berg wartet. Du brauchst einfach nur hinzugehen und zu klettern!“ Genau das will Ueli nun machen.

]]>
Everest de luxe https://blogs.dw.com/abenteuersport/everest-de-luxe/ Tue, 11 Jun 2013 14:45:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22157

Geld regiert den Berg

Einen Tata Nano gibt es nicht unter den Expeditionen zum Mount Everest, wohl aber einen Rolls Royce. So billig wie der indische Kleinwagen – der Tata Nano kostete 2009 bei seiner Markteinführung umgerechnet 1700 Euro, erwies sich aber trotzdem als Ladenhüter – ist das Abenteuer am höchsten Berg der Erde eben nicht zu haben. Nach oben aber scheint es kaum Grenzen zu geben. Bislang hielt ich eigentlich schon das Angebot eines Veranstalters aus den USA für extrem teuer, der in diesem Frühjahr für eine „Elite Expedition“ 85.000 Dollar pro Person verlangte und dafür mit Zeitersparnis und Komfort warb: „Du kletterst niemals mit mehr als einem Tagesrucksack.“ Doch dieser Preis ist – um einen früheren Deutsche-Bank-Chef zu zitieren – geradezu eine Erdnuss im Vergleich zu dem, was jetzt der britische Bergsteiger Kenton Cool verlauten ließ.

In den Schoß gefallen

In einem Interview mit dem Magazin der altehrwürdigen „Times“ gab Cool preis, dass ihn in diesem Frühjahr ein nigerianischer Milliardär für eine Summe „im mittleren sechsstelligen Bereich“ als persönlichen Everest-Bergführer engagiert habe. Nehmen wir einmal die genaue Mitte, 500.000 Pfund, macht 585.000 Euro. Cooler Lohn, Herr Cool! Und dann musste der reiche Afrikaner auch noch passen und Kenton durfte plötzlich tun und lassen, was er wollte. „Manchmal fallen dir Chancen einfach in den Schoß“, schrieb Cool auf seiner Facebook-Seite.

Drei in einem Rutsch

„Ohne einen  Kunden, um den ich mich kümmern musste, konnte ich nun einfach zum Spaß klettern, ganz egoistisch“, erzählte der Engländer später. Wegen seines Bergführer-Auftrags stand sein Name gleich auf drei Besteigungsgenehmigungen: für Everest, Lhotse und Nuptse. Wahrscheinlich hatte sich der Kunde aus Nigeria alle Optionen offen halten wollen. Cool ergriff die Gelegenheit beim Schopfe und bestieg innerhalb von sechs Tagen, gewissermaßen in einem Rutsch, alle drei Berge. Eine Premiere – bei der jedoch nicht unerwähnt bleiben darf, dass Sherpas nicht nur am Everest, sondern auch am Lhotse und Nuptse Fixseile bis nach oben gelegt hatten.

Halb so wild?

Cool stand bereits elf Mal auf dem Gipfel des Everest, so oft wie kein anderer Brite. Sein hohes Honorar findet der 39-Jährige nicht verwerflich. Mit solchen Arrangements werde der Everest nicht abgewertet, sagte Kenton der „Times“. „Der Berg hatte eine mitunter schlechte Presse, ist aber immer noch ein fantastischer Ort. Du kannst mit Bankern von UBS oder Anleihenhändlern aus New York zusammen sein. Aber wenn ihr alle das gleiche Ziel habt, den Everest zu besteigen, ist es ganz egal, wie reich du bist.“ Oder wie reich du deinen Bergführer machst.

P.S. Ich würde gerne wieder im Wettbewerb um den „Online-Star 2013“ meinen Hut in den Ring werfen. Im letzten Jahr schaffte es „Abenteuer Sport“ unter die Top Ten der Blogs und landete dort schließlich im Mittelfeld. Die genaue Platzierung darf ich nicht bekannt geben :-(, weil nur die ersten drei veröffentlicht werden sollen. Es handelt sich um eine Publikumswahl. Wenn euch mein Blog gefällt, stimmt bitte für ihn. So geht’s: Auf die Wettbewerbsseite (hier) gehen und den Button „Zur Vorwahl“ drücken. Der Rest ergibt sich eigentlich von selbst. Die Kategorie wäre „Private blogs“ (im Gegensatz zu Commercial Blogs). Da müsstet ihr dann die Blog-Adresse http://blogs.dw.com/abenteuersport eingeben. Die Vorrunde endet am 30. Juni. Bitte weitersagen! Tausend Dank!

]]>
Billi, die schreibende Bergsteigerin https://blogs.dw.com/abenteuersport/billi-bierling-everest/ Thu, 14 Mar 2013 16:00:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=20317

Billi Bierling

Sie ist viel mehr als nur rechte Hand. Häufig wird Barbara Bierling, die alle nur „Billi“ nennen, auf ihre Rolle als Assistentin der legendären Elizabeth Hawley reduziert, jener 89 Jahre alten US-Amerikanerin, die seit einem halben Jahrhundert das Bergsteigen an den Himalaya-Riesen dokumentiert. Dabei blickt Billi Bierling schon jetzt mit 45 Jahren auf ein ziemlich bewegtes Leben als Journalistin und Bergsteigerin zurück. Sie hat nicht nur für die Chronistin Miss Hawley gearbeitet, sondern auch für die Vereinten Nationen in der israelischen Hauptstadt Jerusalem und in Pakistans Kapitale Islamabad. Billie hat Expeditionen in Nepal geleitet und bis jetzt drei Achttausender bestiegen.

Dreimal mit, einmal ohne Maske

2009 stand die gebürtige Garmischerin auf dem Mount Everest. 2010 erreichte Billi als erste deutsche Bergsteigerin den Gipfel des Manaslu, 2011 den des Lhotse. Während sie bei diesen ersten drei Achttausender-Erfolgen jeweils mit Flaschensauerstoff unterwegs war, verzichtete Billi im Herbst 2011 am Manaslu erstmals auf die Atemmaske und erreichte erneut den Gipfel. Im vergangenen Herbst versuchte sie sich, wieder ohne Maske, am Makalu, musste jedoch auf 7900 Metern umkehren. 

Zu viele Blender 

Als schreibende Bergsteigerin liebäugelt Billi in diesem Frühjahr mit einem Aufstieg zum Fast-Achttausender Nuptse, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Everest. Als bergsteigende Schreiberin wird sie erneut aus dem Basislager zu Füßen des Khumbu-Eisbruchs berichten. „Es scheint immer mehr Menschen zu geben, die den höchsten Berg der Erde nur deswegen besteigen, um andere zu beeindrucken“, schreibt mir Billi, als ich sie um ihren Beitrag zum 60-Jahr-Jubiläum der Everest-Erstbesteigung bitte (unbedingt auf den beiden Pinnwänden auf der rechten Blogseite nachlesen!).

Ehrfurcht und Bescheidenheit

„Ich habe das Gefühl, dass es heutzutage einfach nicht mehr ausreicht, ‘nur‘ den Everest zu besteigen“, meint Billi. „Viele wollen der Erste, der Schnellste, der Schönste, der Jüngste etc. sein. Und wenn man das nicht ist, dann suchen sich viele Everest-Aspiranten in der Umgebung noch einen anderen Berg, den sie auch noch ‚einpacken‘ können.“ Da eine Auszeit für Chomolungma, die ‚Göttinmutter der Erde’, eher unrealistisch sei, wünscht Billi ihr, „dass diejenigen, die auf ihrem Gipfel stehen wollen, dies mit Ehrfurcht und Bescheidenheit tun, und ihr den Respekt zollen, den sie verdient“.

]]>
Stopp, es reicht! https://blogs.dw.com/abenteuersport/stopp-es-reicht/ Mon, 29 Oct 2012 13:07:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17677 Gerlinde Kaltenbrunner

Gerlinde in den Südtiroler Bergen

 „Schlimm, furchtbar, erschreckend, ein trauriger Anblick.“ Gerlinde Kaltenbrunner ist noch immer schockiert über das, was sie im vergangenen Frühjahr am Mount Everest gesehen hat: Hunderte von Bergsteigern, die in einer langen Reihe über die Lhotse-Flanke am Fixseil zum Everest-Südsattel aufstiegen. „Da sind so viele Leute unterwegs gewesen, die dort nichts verloren gehabt hätten. Die meisten mit Flaschensauerstoff, mit Sherpas, die ihre Lasten getragen haben. Einige hatten mit Sicherheit vorher noch nie Steigeisen angelegt.“ Dass am nächsten Tag auf der Südseite des höchsten Bergs der Erde im Gipfelbereich vier Menschen ums Leben kamen, hat Gerlinde nicht überrascht.

Taube Ohren 

Viel Verkehr auf der Normalroute

Eine Steigerung des Wahnsinns sei kaum noch möglich. „In Lager zwei haben wir eine Kanadierin gesehen, die sich mit den Steigeisen nicht ordentlich bewegen konnte. Wir haben noch zueinander gesagt: Wenn die weiter aufsteigt, kommt sie sicher nicht mehr herunter.“ Gerlinde und ihr Seilpartner David Göttler sollten Recht behalten. Die 33 Jahre alte Kanadierin Shriya Shah-Klorfine starb in der „Todeszone“, höhenkrank und völlig erschöpft. „Für meine Begriffe fehlt da wirklich der Respekt vor dem eigenen Leben, aber auch vor dem Berg und vor der Natur“, findet Gerlinde. Nach der Rückkehr nach Kathmandu hat sie nepalesischen Regierungsvertretern vorgeschlagen, künftig nur noch Bergsteiger für den Everest zuzulassen, die vorher schon einmal eigenständig einen anderen Achttausender bestiegen haben: „Da stößt man auf taube Ohren. Die sagen schon, man muss etwas machen. Aber sie sind nur an den Einnahmen interessiert und werden ganz bestimmt nicht die Zahl der Genehmigungen reduzieren.“ 

Gerlinde: Respekt vor dem Leben und dem Berg fehlt

„Everest wehrt sich“ 

Die Profibergsteiger könnten allenfalls an die Vernunft der Everest-Anwärter appellieren, sagt die 41 Jahre alte Österreicherin, die als erste Frau alle Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestieg: „Dass sich die Leute endlich besinnen und sich Ziele aussuchen, die sie aus eigener Kraft schaffen können und nicht mit allen Mitteln.“ Vielleicht regle der Mount Everest das Problem aber auch selbst. Im Khumbu-Eisbruch habe es so viel Eisschlag, in der Lhotse-Flanke so viel Steinschlag gegeben wie niemals vor. „Das war für mich wirklich ein Zeichen, dass der Berg jetzt sagt: Stopp, es reicht!“ Gerlinde war in diesem Frühjahr in unmittelbarer Nachbarschaft des Everest mit David Göttler die erst sechste Besteigung des 7861 Meter hohen Nuptse gelungen. „Das war eine superschöne Expedition. Ein Berg knapp unter 8000 Meter, den deswegen kaum noch jemand kennt. Wir haben den ganzen Berg und die Route für uns gehabt, und das habe ich wirklich sehr genossen.“ 

Der Everest wehrt sich, glaubt Gerlinde

Klappe Nordwand, die dritte?

Gemeinsam unterwegs: Gerlinde und Ralf

Auch künftig wollen sich Gerlinde und ihr Ehemann Ralf Dujmovits eher anspruchsvollen Sechs- und Siebentausendern zuwenden. Doch das bedeutet nicht unbedingt, dass die Achttausender für alle Zeiten abgehakt sind. „Ich muss zugeben, dass die Kraft, die von diesen ganz hohen Bergen ausgeht, wirklich enorm ist“, räumt Gerlinde ein. Selbst der Mount Everest beschäftigt sie noch. Ein neuerlicher Aufstieg über eine der Normalrouten komme für sie wegen des Massenansturms nicht mehr in Frage, sagt Gerlinde. Doch der Plan, die Nordwand über die so genannte „Supercouloir“-Route zu durchsteigen, habe trotz zweier gescheiterter Anläufe noch nicht seinen Reiz verloren. „Die Everest-Nordwand ist noch immer genauso schön wie 2010 und 2005. Eine faszinierende Wand und eine beeindruckende Route, wo kein Mensch unterwegs ist. Diesen Traum habe ich immer noch im Kopf.“ Spruchreif sei das aber noch nicht.

Der Traum Everest-Nordwand ist noch immer in Gerlindes Kopf

]]>
Über ihnen nur der Himmel https://blogs.dw.com/abenteuersport/uber-ihnen-nur-der-himmel/ Sun, 20 May 2012 14:27:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=14741

David am Gipfel des Nuptse

Exklusiv, und doch so nahe am Trubel. Während sich auf den Normalrouten am Mount Everest die Gipfelanwärter stauten, haben Gerlinde Kaltenbrunner und David Göttler am Donnerstag (17. Mai) den 7861 Meter hohen Hauptgipfel des Nuptse erreicht. Außer ihnen war niemand an diesem formschönen Berg unterwegs, der zusammen mit Everest und Lhotse das berühmte „Hufeisen“ rund um das „Tal des Schweigens“ formt. „Dort oben am Nuptse-Gipfel, zusammen mit Gerlinde, bei absolut super Wetter, warm, kein Wind, auf diesem winzigen Punkt, ein Ausblick gefühlt über die ganze Welt!“, schwärmt David auf seiner Internetseite. „ Ein Moment, der alle Anstrengung vergessen lässt!“  Gerlinde und David gelang die erst sechste Besteigung des Nuptse-Hauptgipfels.

Auf Scotts Spuren

Ursprünglich hatten sie geplant, den höchsten Punkt gemeinsam mit Ralf Dujmovits über den noch nicht begangenen Ostgrat zu erreichen. Doch Ralfs Erkrankung und hohe Lawinengefahr bewog sie (wie berichtet), auf eine andere Route auszuweichen. Sie wählten den Weg über den Nordpfeiler, der im Herbst 1979 erstmals von einem Team um den Briten Doug Scott durchstiegen worden war. Auch Gerlindes Mann Ralf hatte 1996 mit Axel Schlönvogt über diese Route den Gipfel erreicht.

Gerlinde bärenstark

Gerlinde auf dem Nuptse (l. der Lhotse)

Felskletterei, dann Spurarbeit durch den Schnee – der Nuptse wurde Gerlinde und David nicht geschenkt. Wieder einmal erwies sich die Österreicherin, die als erste Frau alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestieg, als bärenstark. „Gerlinde ist hier unersetzlich. Generell muss ich an dieser Stelle sagen, es ist so einfach, entspannt und perfekt, mit ihr unterwegs zu sein“, berichtet David. Nach einem Biwak auf 7250 Metern stiegen sie am nächsten Morgen bei zunächst kaltem, aber sonnigem Wetter zum höchsten Punkt auf.  David machte seinen Emotionen Luft: „Ich lasse einen Schrei los, gefüllt mit Erleichterung, Freude, Glück, Dankbarkeit, packe alles rein! Er ist es, der Gipfel, rundherum nur Tiefe, über uns nur Himmel! Danke!“

]]>
Blindflug https://blogs.dw.com/abenteuersport/blindflug/ Tue, 08 May 2012 16:56:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=14407

Richie "überleitert" eine Gletscherspalte

Dicke Luft in dünner. „Inzwischen ist die Stimmung bei den kommerziellen Anbietern und deren Sherpas im Basislager aufgrund der gefährlichen Gesamtsituation am Berg gereizt“, schreibt Richard Stihler vom Fuße des Mount Everest. „Heute hat ein großer Anbieter bereits aufgegeben, er wird seine Lager in diesen Tagen ohne Gipfelversuch abschlagen.“ Mein alter Kumpel vom Manaslu will in diesem Mai den höchsten Berg der Erde besteigen, seinen vierten Achttausender. Richie berichtet, die Route durch die Lhotse-Flanke habe in mehrtägiger Arbeit verlegt werden müssen, nachdem mehrere Bergsteiger in der ursprünglichen Spur durch Steinschlag verletzt worden seien.

Ins sichere Basislager gemogelt

Dass auch heute noch nicht jede Wetterprognose für den Everest wirklich zutrifft, erlebt Richie beim Versuch, mit seinem Sherpa Pasang bis zu Lager 3 auf 7300 Metern aufzusteigen: „Statt klarem Wetter schneit es stark, und der Wind wird zunehmend stärker.“ Auf einer Höhe von 6600 Metern beschließen die beiden umzukehren. Im dichten Nebel gerät der Abstieg durch den Khumbu-Eisbruch zum Blindflug. „Mit zwei Sherpas, die sich mir inzwischen angeschlossen haben, lege ich sämtliche auffindbaren Seile frei, wir sichern uns daran und mogeln uns Richtung rettendes Basislager“, erzählt Richie.

Raus aus der Mausefalle

David am Nuptse-Lagerplatz

Auch Gerlinde Kaltenbrunner und David Göttler geraten in den überraschenden Wetterumschwung. Eigentlich hatten sie in die Nuptse-Nordwand einsteigen wollen, nachdem sie auf 6900 Metern im Schutz eines Felsens ein paar Stunden geschlafen hatten. „Um 3.00 Uhr früh standen wir angezogen in voller Montur vorm Zelt. Es schneite ganz leise, ruhig und beständig dahin. Das durfte doch nicht wahr sein“, schreibt Gerlinde auf ihrer Homepage. „Würden wir hier länger zuwarten, würden wir in einer Mausefalle sitzen.“ Auch ihnen schlossen sich Sherpas an, die sich im Nebel verlaufen hatten. Mit GPS-Hilfe fanden sie den Weg zurück ins sichere Basislager. Dort erwartete sie Ralf (Dujmovits), dem es nach einer Nasennebenhöhlen-Entzündung wieder besser geht. Ralf will Gerlinde und David jedoch auch bei ihrem nächsten Anlauf zum Nuptse nicht begleiten, sondern versuchen, zum Everest-Südsattel auf 8000 Metern aufzusteigen. Der Mount Everest ist der einzige der 14 Achttausender, den der 50-Jährige mit Flaschensauerstoff bestieg. 1992 war das. Wenn alles passt, will Ralf es diesmal ohne Atemmaske schaffen.

]]>
Spirituosen verboten https://blogs.dw.com/abenteuersport/spirituosen-verboten/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/spirituosen-verboten/#comments Sat, 21 Apr 2012 17:54:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=14151

Basislager für Everest, Lhotse und Nuptse

Keine Trunkenheit am Fixseil! Im Basislager auf der nepalesischen Seite des Mount Everest darf kein hochprozentiger Alkohol mehr verkauft und auch nicht getrunken werden. Das berichten Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits, die inzwischen im Basislager auf 5300 Metern Höhe eingetroffen sind. „Die für Umweltschutz-Belange zuständige Behörde SPCC (Sagarmatha Pollution Control Committee) hat neue Regeln aufgestellt, – was uns gut gefällt“, schreiben die beiden. Neben Spirituosen dürften „auch keine großknochigen Fleischstücke mehr hier hoch transportiert werden“. Gerlinde und Ralf räumen mit dem weit verbreiteten Vorurteil auf, das Everest-Basislager gleiche einer Müllkippe. Sauerstoffflaschen, Gaskartuschen und Batterien seien wieder mitzunehmen, die Notdurft müsse „in eine Plastiktonne“ verrichtet werden, letzteres bereits seit 1996.

Grandioser Blick

Gerlinde (l.) und Ralf am Lobuche

Gerlinde und Ralf teilen sich das Lager mit vier weiteren Bergsteigern, darunter meinen alten Freunden vom Manaslu, Richard Stihler und Rolf Eberhard. Richie will – wie berichtet – auf  den Everest, Rolf auf den Lhotse. Gerlinde und Ralf versuchen sich gemeinsam mit David Göttler am noch nicht begangenen Ostgrat des Fast-Achttausenders Nuptse. Um sich zu akklimatisieren, stiegen die drei auf die 6000 Meter hohe Ostschulter des Lobuche, wo sich ihnen bei Sonnenuntergang und auch früh am nächsten Morgen ein grandioser Blick auf die Bergriesen des Khumbu-Tals bot. „Die großartige Dimension unserer Natur, ihre Einzigartigkeit und ihr Wert, wird uns hier, weit weg von jeglichem Komfort, jeglicher Ablenkung, wieder stark bewusst“, schwärmen Gerlinde und Ralf. „Wir nehmen diese Momente einfach bewusst und voller Freude auf und schätzen es immer wieder, diesen Weg gehen zu dürfen.“

Tödlicher Spaltensturz

(v.l.) Everest, Nuptse und Lhotse (in Wolken)

Derweil ist schon der zweite Tote der Frühjahrssaison am Mount Everest zu beklagen. Nach Angaben der nepalesischen Tourismusbehörde rutschte Namgyal Tshering Sherpa auf knapp 6500 Metern aus und fiel in eine tiefe Gletscherspalte. Der 30-Jährige konnte nur noch tot geborgen werden. 2010 und 2011 hatte Namgyal den Gipfel des höchsten Bergs der Erde erreicht. Am Mittwoch war der 40 Jahre alte Karsang Namgyal Sherpa, Sohn der Everest-Legende Ang Rita, im Basislager gestorben, allem Anschein nach an den Folgen der Höhenkrankheit.

]]>
https://blogs.dw.com/abenteuersport/spirituosen-verboten/feed/ 1
Der Ostgrat ruft https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-ostgrat-ruft/ Mon, 02 Apr 2012 11:43:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13937

Route über den Nuptse-Ostgrat

Nur 139 Meter fehlen dem Nuptse zum Achttausender. Mit dem Mount Everest und dem Lhotse bildet der 7861 Meter hohe Gipfel ein beeindruckendes Hufeisen um das sogenannte „Tal des Schweigens“, durch das die nepalesische Normalroute auf den Everest führt. Nicht weniger beeindruckend ist der dreieinhalb Kilometer lange Nuptse-Ostgrat, der bisher noch nicht durchstiegen wurde. Genau das haben sich Ralf Dujmovits, seine Frau Gerlinde Kaltenbrunner und David Göttler in diesem Frühjahr vorgenommen. „Es ist sehr viel ausgesetzte, exponierte Kletterei. Das macht die Sache doch enorm spannend“, sagt Ralf, als ich ihn und Gerlinde kurz vor der gestrigen Abreise nach Nepal noch telefonisch erwische.

Ralf beschreibt die Route über den Nuptse-Ostgrat

Endlich kein Telefonklingeln mehr

„Wir haben das Gefühl, dass wir konditionell sehr gut vorbereitet sind“, erzählt Deutschlands erfolgreichster Höhenbergsteiger. Noch am vergangenen Donnerstag waren die beiden auf einer Skitour in den Schweizer Bergen. Auch Gerlinde sieht der Expedition optimistisch entgegen: „Wir haben uns die Taktik gut überlegt und uns wirklich intensiv in diese Expedition hinein gedacht.“ Die Österreicherin hat einen Marathon an Terminen hinter sich, nachdem sie es als erste Frau schaffte, alle 14 Achttausender ohne Atemmaske zu besteigen. „Ich freue mich, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt, ohne Handy, ohne Telefon und ich wieder dort unterwegs sein kann, wo ich am allerliebsten bin.“

Gerlinde verspürt keinen Erfolgsdruck

Nichts überreißen

Gerlinde und Ralf

Gut zwei Monate haben sich Gerlinde und Ralf für ihre Expedition freigeschaufelt. Sollte am Nuptse-Ostgrat alles nach Plan laufen, will sich Ralf vielleicht anschließend noch einmal am Mount Everest versuchen – im Gegensatz zu seiner Besteigung 1992 diesmal ohne Flaschensauerstoff. Die anderen 13 Achttausender hatte er ohne Atemmaske bestiegen. Nach den zu erwartenden Strapazen am Nuptse-Ostgrat komme für ihn „nur“ der Normalweg in Frage, sagt Ralf. „Wenn ich wirklich das Gefühl habe, es passt alles, dann würde ich noch einen Versuch machen. Ich werde aber sicher nichts überreißen oder unnötig anschieben.“

Bergsteiger am Everest-Westgrat

Das von mir vermutete Mount-Everest-Team mit dem Schweizer Topbergsteiger Ueli Steck wird es wohl nicht geben, so Ralf, „weil wir doch unterschiedliche Ziele haben. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, möchte Ueli an den Westgrat, bzw. von dort aus ins Hornbein-Couloir auf der tibetischen Seite hinüber.“ Das klingt ebenfalls sehr spannend, zumal am Everest-Westgrat, der in den vergangenen Jahren meist verwaist war, auch eine hochkarätig besetzte US-Expedition unterwegs sein wird. Zu dem von Conrad Anker geleiteten Team gehört auch der Kanadier Cory Richards, dem 2011 am Gasherbrum II gemeinsam mit dem Italiener Simone Moro und dem Kasachen Denis Urubko die erste Winterbesteigung eines Achttausenders in Pakistan gelungen war.

Gerlinde und Ralf freuen sich auf das Wiedersehen mit vielen alten Bekannten wie Ueli Steck und Conrad Anker im wieder einmal gut gefüllten Basislager zu Füßen des Khumbu-Eisbruchs. „Die schlichte Anzahl der Leute ist natürlich erschreckend“, sagt Ralf, „ aber es sind auch immer nette Momente dabei.“

P.S. Die gestrige Geschichte war natürlich ein Aprilscherz 🙂 – obwohl ich die Idee, Kölsch in Tablettenform zu überführen, vielleicht ernsthaft verfolgen sollte.

]]>
Alte Freunde https://blogs.dw.com/abenteuersport/alte-freunde/ Fri, 30 Mar 2012 14:10:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13867

Manaslu-Team 2007

In diesen Tagen brechen viele Bergsteiger in den Himalaya auf. Ihr Ziel: die höchsten Berge der Welt. Mit besonderem Interesse blicke ich in diesem Frühjahr in Richtung Mount Everest. Auf gut 5300 Metern Höhe werden sich dort gleich drei Bergsteiger das Basislager teilen, mit denen ich 2007 am Achttausender Manaslu unterwegs war. Der damalige Expeditionsleiter Ralf Dujmovits will mit seiner Frau Gerlinde Kaltenbrunner und David Göttler versuchen, den 7861 Meter hohen Gipfel des Nuptse über den noch nicht durchstiegenen Nordost-Grat zu erreichen (mehr dazu bald hier).  Und dann sind da noch Rolf Eberhard und Richard Stihler, die vor vier Jahren ebenfalls zum Manaslu-Team gehört hatten. 

Lhotse ohne Atemmaske

Rolf (r.) auf dem Gipfel des Mount Everest

Rolf Eberhard, Marketingleiter eines bekannten Sportschuh-Herstellers, war 2007 bis auf eine Höhe von 8120 Metern gelangt. Knapp 50 Meter unterhalb des Gipfels kehrte er um. Die Zeit war ihm davon gelaufen. Wie er sich damals fühlte, kann ich nach meinem Erlebnis am Putha Hiunchuli gut nachvollziehen. Rolf will in diesem Frühjahr den 8516 Meter hohen Lhotse besteigen, den direkten Nachbarn des Mount Everest. Auf dessen Gipfel hatte er, von der tibetischen Nordseite kommend, am 24. Mai 2010 gestanden und damit sein großes Ziel erreicht, vor seinem 50. Geburtstag den höchsten Berg der Erde zu besteigen.

Als wir dieser Tage miteinander telefonierten, erinnerte ich Rolf an seine Worte, dass der Everest doch eigentlich sein letzter ganz hoher Berg sein sollte. Er lachte. Im vergangenen Jahr habe er während einer Trekkingtour auf dem Aussichtsberg Kala Pattar gestanden, erzählte Rolf. „Da habe ich zum Lhotse hinübergeschaut und gedacht: Mensch, da möchte ich doch noch mal rauf!“

2010 am Everest hatte Rolf Flaschen-Sauerstoff benutzt. Diesmal will der 51-Jährige auf die Atemmaske verzichte. „Der Lhotse liegt immer im Schatten. Damit wird die Kälte das Haupt-Problem.“ Unterstützt wird Rolf von einem Sherpa.

Auf den Höchsten

Richie auf dem Gipfel des Manaslu

Richard Stihler, ein selbständiger Architekt aus Lahr im Schwarzwald, versucht sich am Mount Everest. Richie hatte 2007 den Gipfel des Manaslu erreicht. Es war sein dritter Achttausender. Der Everest spukt schon lange in seinem Kopf herum. Einmal musste Richie wegen einer schweren Erkrankung die geplante Expedition absagen. Jetzt also ist es so weit. „Wie man es dreht und wendet: Der Mount Everest ist halt doch der höchste Berg der Welt“, sagte der 43-Jährige in einem Zeitungsinterview. „Ich will versuchen, so weit wie möglich ohne Sauerstoff hoch zu kommen.“ Auch Richie wird wahrscheinlich mit einem Sherpa aufsteigen. Im Hinterkopf hat er die „Seven Summits“, die höchsten Berge aller Kontinente. Neben dem Everest fehlt Richie in dieser Sammlung nur noch der Mount Vinson in der Antarktis. Ich drücke meinen Teamkollegen vom Manaslu natürlich besonders fest die Daumen.

]]>
Die Amsel, die sich putzt statt zu fliehen https://blogs.dw.com/abenteuersport/die-amsel-die-sich-putzt-statt-zu-fliehen/ Wed, 15 Feb 2012 23:25:19 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13157

Ralf hat jetzt mehr Zeit

Ralf Dujmovits hat sein Leben nach einem halben Jahrhundert neu geordnet. Kurz nach seinem 50. Geburtstag trennte sich der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger nach über zwei Jahrzehnten von seiner Expeditions- und Trekkingagentur Amical alpin. Die Übergabe an Bergführer Dominik Müller aus dem Kleinwalsertal war von langer Hand geplant. Doch als Dominik mit einem vollgepackten LKW in Bühl wegfuhr, „da war es mir schon ein wenig weh ums Herz“, gesteht Ralf. Inzwischen aber freut sich der Bergsteiger aus dem Schwarzwald über seine neu gewonnene Freiheit.

Neuer Versuch am Everest?

Fotografieren, filmen, Bücher schreiben will Ralf in der nächsten Zeit – und natürlich weiter mit seiner Frau Gerlinde Kaltenbrunner auf Expedition gehen. Am 1. April, kein Scherz, starten die beiden Richtung Nepal. Im Gebiet um den Mount Everest wollen sie den schwierigen Nordostgrat des 7861 Meter hohen Nuptse erstbegehen. Vielleicht ist anschließend sogar noch ein besonderes Schmankerl fällig: „Wenn es die Kraft zulässt und ich mich gut fühle, würde ich schon gerne noch einmal einen Versuch am Everest machen.“ 1992 hatte Ralf den höchsten Berg der Erde bestiegen, dabei allerdings auf dem letzten Stück zum Gipfel zur Sauerstoff-Flasche gegriffen. Das empfindet er heute als Makel. Schließlich schaffte er die anderen 13 Achttausender ohne Atemmaske. „Als Profi sollte man die höchsten Berge ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen haben“, findet Ralf.

Lauter Ruf des inneren Schweinehunds

Achttausender werden einem nicht geschenkt

Auch an ihm sind die Jahre nicht spurlos vorüber gegangen. Die Regeneration dauere länger und er gehe auch nicht mehr so bereitwillig trainieren wie früher, räumt der 50-Jährige ein. „Ich spüre, dass der Ruf meines inneren Schweinehunds kräftiger geworden ist.“ Da passt es Ralf gut, dass er sich nun nicht mehr jede Minute für das Training zusammenklauben muss, sondern freier über seine Zeit verfügen kann. Ich frage ihn (unser Gespräch könnt ihr unter dem Artikel nachhören), ob er inzwischen nicht eher als Gerlindes Ehemann wahrgenommen wird denn als erfolgreicher Bergsteiger. „Das passt schon. Ich habe kein Problem damit“, antwortet Ralf. „Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich nicht mehr so im Rampenlicht stehen muss wie derzeit Gerlinde, weil das auch ganz schön anstrengend ist.“ 

„Brutal Sorgen gemacht“

Alles gut gegangen

Als seine Frau im vergangenen August mit dem K 2 ihren letzten der 14 Achttausender bestieg, wartete Ralf im Basislager auf sie. Weil ihm die Lawinengefahr zu hoch erschien, war er umgekehrt. Gerlinde schätzte die Situation anders ein und stieg weiter auf. „Eine sehr schwierige emotionale Entscheidung“ sei das für beide gewesen, sagt Ralf. Eigentlich habe er erwartet, dass auch Gerlinde wenig später absteigen würde. Als dies nicht geschah, habe er „zum ersten Mal richtig verstanden, was es heißt, sich um einen Menschen ganz brutal Sorgen zu machen“. Ralf stürzte sich in die Arbeit, schrieb Berichte für den Expeditions-Blog, versorgte Gerlinde und ihre Mitstreiter per Funk mit Wetterinformationen und gab ihnen Tipps zur Aufstiegsroute. So gelang es Ralf, mit der Sorge um seine Frau fertig zu werden: „Ich war wie eine Amsel, die auf ihren Eiern sitzt. Da taucht plötzlich eine Katze auf. Und anstatt zu fliehen, beginnt die Amsel, sich zu putzen.“

Interview mit Ralf Dujmovits, Deutschlands erfolgreichstem Höhenbergsteiger

]]>
Gerlindes Emotionen https://blogs.dw.com/abenteuersport/gerlindes-emotionen/ Thu, 02 Feb 2012 16:35:16 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13043

Gerlinde macht kein Geheimnis aus ihren Gefühlen

Wie schön, dass es noch Spitzensportler gibt, die nicht versuchen, immer nur cool daher zu kommen! Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle 14 Achttausender bestiegen, ohne zu Flaschen-Sauerstoff gegriffen zu haben. Viele Male hat die Österreicherin schon von dem Moment erzählt, als sie am 23. August 2011 den Gipfel des K 2 erreichte, des letzten Achttausenders, der noch in ihrer Sammlung fehlte. Und doch bricht Gerlinde die Stimme, als ich sie bei unserem Gespräch auf der ISPO in München (unten nachzuhören) danach frage. „Mit jedem Schritt habe ich gespürt, jetzt ist es so weit, ich darf jetzt gleich ganz oben stehen. Das war für mich sehr emotional.“ Ein paar Tränen fließen. Die Gefühle, vor über fünf Monaten durchlebt, brechen wieder auf.

K 2 war Dauerthema

Gerlinde und Ralf reden jetzt seltener über den K 2

Der K 2 hatte Gerlinde und ihren Mann Ralf Dujmovits in den vergangenen Jahren mehr als nur beschäftigt. Fast hatte er das Bergsteiger-Ehepaar im Griff. „Es hat natürlich Tage gegeben, in denen wir gar nicht vom K 2 gesprochen haben“, sagt Gerlinde, „aber die hat man zählen können.“ In den vorhergehenden drei Jahren hatte sie vergeblich versucht, den mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Erde über die pakistanische Südseite zu besteigen. Jetzt probierte sie es mit Ralf, dem Polen Darek Zaluski sowie den Kasachen Vassiliy Pivtsov und Maxut Zhumayev über die chinesische Nordseite.

Ralf gab entscheidende Tipps

Geschenkt wurde Gerlinde der K 2 weiß Gott nicht. Immer wieder schneite es – für Ralf der Grund, beim entscheidenden Gipfelversuch wegen zu großer Lawinengefahr umzukehren. „Als wir uns getrennt haben, hatte ich schon einen Kloß im Hals“, gesteht Gerlinde. Keiner habe jedoch versucht, den anderen zu überreden. „Er hat auf sein Bauchgefühl gehört und ich auf meines.“ Möglicherweise war die Trennung sogar der Schlüssel zum Erfolg. Als Gerlinde und ihre Begleiter im Gipfelbereich im tiefen Schnee nach einer sicheren Route suchten, gab Ralf per Funk die entscheidenden Tipps. „Wenn wir Ralf nicht im Basislager gehabt hätten, hätten wir den Gipfel ziemlich sicher nicht erreicht“, ist Gerlinde überzeugt.

„Ich wollte es einfach nur schaffen“

Großes Ziel erreicht

Die 41-Jährige genießt es, das Projekt der 14 Achttausender abgeschlossen zu haben. „Das war mein großes Ziel, mein großer Traum, und darüber freue ich mich jeden Tag.“ Dass die Koreanerin Oh Eun Sun und die Baskin Edurne Pasaban bereits 2010 die Sammlung komplettierten (allerdings hatten beide bei einigen Aufstiegen Atemmasken benutzt), stört Gerlinde nicht. „Mir ging es nie darum, die Erste zu sein. Ich wollte es einfach nur schaffen. Auf meine Weise.“ Und sie schiebt nach: „Das glauben mir immer noch wenige Leute.“

Jetzt zum Nuptse

Anfang April wird Gerlinde wieder mit Ralf nach Nepal aufbrechen. Sie wollen sich am noch nicht durchstiegenen Nordost-Grat des 7861 Meter hohen Nuptse versuchen, in unmittelbarer Nachbarschaft des Mount Everest. Von den 8000ern hat Gerlinde noch nicht die Nase voll. „Es wird mich immer wieder zu diesen Bergen hinziehen. Sie strahlen für mich so viel Kraft aus. Mit ihnen verbindet mich so viel, auch emotional.“

Interview mit Gerlinde Kaltenbrunner auf ISPO 2012

]]>