Piolet d’Or – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Russen gelingt Erstbesteigung des Phungi https://blogs.dw.com/abenteuersport/russen-gelingt-erstbesteigung-des-phungi/ Mon, 06 Nov 2017 16:11:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38363

Aufstiegs- (rot) und Abstiegsroute (grün)

Da sage noch jemand, es gebe im Himalaya keine Spielwiesen für Spitzenkletterer mehr. Yury Koshelenko und Aleksei Lonchinskii haben einen weißen Fleck auf der Sechstausenderkarte getilgt. Den beiden Russen gelang am 28. Oktober in Nepal die Erstbesteigung des 6538 Meter hohen Phungi, westlich des Achttausenders Manaslu. Der 54 Jahre alte Koshelenko und der 35-jährige Lonchinskii kletterten auf einer ziemlich direkten Linie durch die rund 1500 Meter hohe Südostwand des Bergs. Für den Aufstieg im Alpinstil benötigten sie drei Tage, für den Abstieg auf anderer Route zwei weitere Tage.

Scharfer Grat

Am Gipfelgrat

Laut Yury stiegen die beiden am 26. Oktober bei gutem Wetter in die Wand mit Eispassagen von 60 bis 80 Grad Steigung ein. Nach dem zweiten Biwak, fünf Seillängen unterhalb des Gipfelgrats habe sich das Wetter rapide verschlechtert. Es sei sehr kalt und windig geworden, berichtet Koshelenko. Über den scharfen, überwechteten Firngrat arbeiteten sich die beiden zum Gipfel vor, den sie am 28. Oktober um 16.30 Uhr erreichten. Der Abstieg durch einen Eisfall im schlechten Wetter sei teilweise heikel gewesen, berichtet Yury.

Piolet d’Or-Preisträger

Yury Koshelenko (r.) und Aleksei Lonchinskii

Koshelenko und Lonchinskii gehören zur Elite der russischen Kletterer. Beide wurden bereits mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“: Koshelenko 2003 für seine Erstbesteigung des 7804 Meter hohen Nuptse East über den Südostpfeiler (mit Valerij Babanov), Lonchinskii für die Erstbegehung der Südwestwand des 6623 Meter hohen Thamserku (mit Alexander Gukov).

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Honnold: „Die größte Inspiration meines Lebens“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/honnold-die-groesste-inspiration-meines-lebens/ Sat, 14 Oct 2017 22:27:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38159

Alex Honnold

Spätestens seit heute weiß Alex Honnold, was das Gegenteil von einem Free Solo ist: der „Press Walk“ des International Mountain Summit. Der 32-Jährige kann sich weder frei bewegen, noch ist er allein. Rund 60 Reporter, Kameraleute und Fotografen wuseln an der Plose, dem Hausberg von Brixen, um den Topkletterer aus den USA herum. „Crazy“, entfährt es dem 32-Jährigen. Spätestens seit dem 3. Juni ist der Name Honnold nicht mehr nur unter Insidern, sondern weltweit in aller Munde. An jenem Tag stieß er in eine neue Dimension vor: Alex kletterte als Erster free solo, also im Alleingang und ohne Seilsicherung, in nur vier Stunden durch die 900 Meter hohe Granitwand des legendären El Capitan im Yosemite-Nationalpark in den USA – auf der Route „Freerider“, die 1995 von Alexander Huber eröffnet und 1998 von ihm und seinem Bruder Thomas erstmals frei geklettert worden war. Zum Vergleich: Die Huberbuam hatten damals – mit Seilsicherung – mehr als 15 Stunden für ihren Aufstieg gebraucht.

Moderner Nomade

Immer für einen Spaß zu haben

Alex Honnold entspricht so gar nicht dem Klischee eines Extremkletterers. Er trägt die Haare kurz, trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und ernährt sich vegetarisch. Seit vielen Jahren lebt er wie ein moderner Nomade, ganz bescheiden in einem Wohnmobil, mit dem er von Felswand zu Felswand fährt. Seit fünf Jahren unterstützt er mit seiner Stiftung Umweltschutzprojekte in aller Welt.

Schon während des Aufstiegs zur Rossalm, wo die Macher des IMS eine Pressekonferenz mit Honnold angesetzt haben, gelingt es mir, Alex ein paar Fragen zu stellen – getreu dem Motto „Walk and talk“. 😉

Alexander und Thomas Huber und auch Tommy Caldwell haben dein Free Solo am El Capitan mit der ersten Mondlandung verglichen. Wie hast du selbst deinen Erfolg empfunden?

Mir erging es ähnlich. Als ich jünger war, träumte ich davon, dass dies das Verrückteste sein würde, was ich jemals tun würde. Aber als ich es dann wirklich gemacht habe, empfand ich es als ziemlich normal, weil ich so viel Zeit in die Vorbereitung investiert hatte, dass es sich fast schon vernünftig anfühlte. Ich meine, es war schon etwas wirklich Besonderes für mich, aber doch irgendwie auch normal. Das ist echt kompliziert. Ich wäre ja gar nicht in der Lage gewesen, etwas derartiges zu tun, wenn ich es nicht geschafft hätte, dass es sich normal anfühlt. Gleichzeitig ist es aber auch ziemlich verrückt, ohne Seil den El Capitan zu klettern.

Alex Honnold: Pretty crazy

Gab es während des Kletterns einen Moment des Zweifels?

Nein, ich war zu 100 Prozent auf das Klettern fixiert. Ich wäre gar nicht erst losgeklettert, wenn ich nicht total darauf konzentriert gewesen wäre. Ich habe so lange daran gearbeitet. Neun Jahre lang habe ich davon geträumt.

Viele fragen sich, ob Free Solos überhaupt verantwortbar sind – besonders dieses in einer 900 Meter hohen, extrem steilen Wand. Was antwortest du ihnen?

Ich hatte das Gefühl, dass es verantwortbar war. Ich würde die richtigen Entscheidungen treffen und mein Bestes geben. Ich denke, ich bin mir der Risiken ziemlich bewusst, die ich eingehe.

Alex Honnold: Intentional about the risks

War es für dich so etwas wie das große Projekt deines Lebens?

Für mich hatte es wirklich viel von einem Lebenstraum, definitiv war es die größte Inspiration meines ganzen Lebens.

Kletterer am El Capitan

Musstest du, nachdem du dir diesen lange gehegten Traum erfüllt hattest, ein mentales Tal durchqueren?

Ich weiß nicht so recht. Sollte es wirklich so sein, bin ich genau jetzt in diesem Tal. Es ist schließlich erst ein paar Monate her, und ich verarbeitete es noch. Gleichzeitig suche ich aber schon nach meiner nächsten Inspiration, nach meinem nächsten Projekt. Im kommenden Jahr wird ein Film über das Ganze herauskommen. Derzeit tue ich nichts anderes, als über den El Cap zu reden. Es fühlt sich noch nicht wie Vergangenheit an.

Vor diesem Free Solo hast du bereits viele andere Aufsehen erregende Klettertouren gemacht. Ich denke zum Beispiel an die Fitz-Traverse mit Tommy Caldwell. Für dieses Projekt in Patagonien im Februar 2014 wurdet ihr später mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. Wie stufst du das Free Solo am El Capitan ein, wenn du es mit der Fitz-Traverse vergleichst?

Die Fitz-Traverse war ein tolles Klettererlebnis, weil ich es mit Tommy geteilt habe. Er ist ein sehr guter Freund und Kletterpartner. Aber die Fitz-Traverse war niemals ein Lebenstraum wie die „Freerider“, an die ich jahrelang gedacht habe. Die „Freerider“ war mein ganz persönlicher Traum, die Fitz-Traverse eher Tommys Idee. Ich war ja vorher auch noch nie in Patagonien gewesen, deshalb hatte ich dort keine Pläne. Tommy sagte, wir sollten das machen. Wir haben es dann getan, und es war ein tolles Erlebnis. Aber ich habe es nicht mit vorbereitet.

Wie genau hast du dich denn auf dein Free Solo am El Capitan vorbereitet?

Viele Jahre im Vorfeld eher mental. Ich habe es mir vorgestellt, davon geträumt, darüber nachgedacht, ob es möglich ist. Im letzten Jahr davor habe ich mich dann körperlich vorbereitet. Ich habe mir die Moves eingeprägt, habe sie ausprobiert und dann mit dem eigentlichen Training begonnen, um fit genug zu werden.

Du hattest also jeden Kletterzug im Kopf, bevor du in die Wand eingestiegen bist?

Ich hatte definitiv die Stellen im Kopf, auf die es ankommt. Nicht die leichten, aber die harten hatte ich mir vollkommen eingeprägt.

Worin lag für dich die Hauptschwierigkeit im mentalen Bereich?

Der wahrscheinlich größte Schritt war, überhaupt daran zu glauben, dass es möglich ist. Jahrelang dachte ich, wie toll es wäre, es zu machen, aber so richtig glaubte ich nicht daran, dass ich es auch könnte. Deshalb war der größte mentale Schritt, wirklich daran zu glauben und dann mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen.

Alex Honnold: The biggest step

Und als du losgelegt hast, konntest du alles hinter dir lassen?

Ich wäre nicht losgeklettert, wenn ich nicht bereit gewesen wäre. In dem Augenblick, als ich in die Wand einstieg, war alles in Ordnung.

„Verglichen mit dem El Cap sehen die Dolomiten wie Müll aus“, sagt Alex

Warum hast du dich für die „Freerider“ und nicht irgendeine andere Route entschieden?

Es ist die leichteste Route am El Cap. (lacht) Na ja, ganz so leicht ist sie dann doch nicht, aber die anderen wären noch härter gewesen.

Thomas Huber sagte mir, er hoffe, dass du rechtzeitig mit dem Free-Solo-Klettern aufhörst, weil du sonst wahrscheinlich stirbst, wenn du deine Grenzen immer weiter hinausschiebst.

Thomas Huber: Wie Everest ohne Sauerstoff oder Mondlandung

Ich stimme in dem Punkt zu, dass es immer gefährlicher wird, wenn du die Latte kontinuierlich höher legst. Aber Alex (Huber) zum Beispiel hat sich auf verschiedene Weise auch immer weiter gesteigert und ist dabei trotzdem sicher geblieben. Ich denke, es ist möglich, die Herausforderung zu erhöhen, ohne zu weit zu gehen.

Honnold: Not going too far

Es war also nicht dein letztes Free Solo?

Nein, ich habe vor ein paar Tagen ein paar in den Dolomiten gemacht (lacht), aber die waren sehr leicht. Für mich war das Free Solo am El Cap das Härteste, was ich jemals gemacht habe, und ich kann mir im Augenblick noch nichts vorstellen, was inspirierender wäre. Aber in der Vergangenheit, etwa in den letzten zehn Jahren, hat es immer zwischen sechs Monaten und einem Jahr gedauert, bis ich nach Projekten, die hart waren und auf die ich stolz war, wieder etwas Neues gefunden habe, was mich gepackt hat. Wir werden sehen.

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Hayden Kennedy ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/hayden-kennedy-ist-tot/ Wed, 11 Oct 2017 09:01:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38105

Hayden Kennedy (1990-2017)

Was für ein tragisches Ende eines der besten Kletterer der Welt. Der US-Amerikaner Hayden Kennedy hat sich im Alter von 27 Jahren das Leben genommen. Hayden war am Samstag mit seiner Lebensgefährtin Inge Perkins, wie Kennedy eine erfahrene Kletterin und Skifahrerin, zu einer Skitour am Imp Peak im US-Bundesstaat Montana aufgebrochen. Dabei gerieten sie in eine Lawine. Perkins wurde von den Schneemassen verschüttet, die 23-Jährige konnte von Rettungskräften nur noch tot geborgen werden. Kennedy, der nur teilweise im Schnee steckte, überlebte. Am Sonntag beging er Selbstmord.

„Unerträglicher Verlust“

„Hayden überlebte die Lawine, aber nicht den unerträglichen Verlust seiner Lebenspartnerin“, schrieb sein Vater Michael Kennedy, über mehrere Jahrzehnte Herausgeber der Zeitschrift „Climbing“, auf  Facebook. „Er entschied sich dafür, sein Leben zu beenden. Ich selbst und seine Mutter Julie respektieren traurig seine Entscheidung.“

Zweimal Piolet d’Or

Im Januar 2012 hatte Hayden Kennedy weltweit für Aufsehen gesorgt, als er am Cerro Torre in Patagonien mit seinem Landsmann Jason Kruk die „Kompressor-Route“ des Italiener Cesare Maestri geklettert waren und anschließend einen Großteil der von Maestri 1970 gesetzten Bohrhaken aus der Wand entfernt hatte. Im selben Jahr eröffnete Kennedy im Karakorum in Pakistan mit Kyle Dempster und Josh Wharton eine neue Route durch die Südwand des 7285 Meter hohen Ogre. Mit Dempster erreichte er den Gipfel, es war erst die dritte Besteigung des Bergs. Für ihre Erstbegehung wurden die drei US-Kletterer mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. 2016 erhielt er die renommierte Auszeichnung zum zweiten Mal, für die erste Durchsteigung der Südwand des 6176 Meter hohen Cerro Kishtwar im indischen Himalaya mit den Slowenen Marko Prezelj und Urban Novak sowie dem Franzosen Manu Pellissier.

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Japanern gelingt Coup am Shispare https://blogs.dw.com/abenteuersport/japanern-gelingt-coup-am-shispare/ Fri, 01 Sep 2017 14:30:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37357

Kazuya Hiraide (l.) und Kenro Nakajima

Legt mal die Achttausender-Brille zur Seite! An einem nur unwesentlich niedrigeren Berg im Westen des Karakorum in Pakistan ist zwei japanischen Bergsteigern am 22. August eine außergewöhnliche Besteigung gelungen. Nach Angaben des Weltverbands der Bergsteiger und Kletterer (UIAA) durchstiegen Kazuya Hiraide und Kenro Nakajima als Erste die Nordostwand des 7611 Meter hohen Shispare.  In vier Tagen seien die beiden im Alpinstil durch die 2700 Meter hohe Wand zum Gipfel geklettert und anschließend über den Nordostgrat abgestiegen, hieß es.

Dramatische Rettungsaktion

Neue Japaner-Route auf den Shispare

Vor allem Hiraide ist in der Szene eine bekannte Größe.  Für die erste Durchsteigung der Südostwand des 7756 Meter hohen Kamet in Indien 2008 wurden er und seiner Landsfrau Kei Taniguchi mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet. Taniguchi war die erste Frau, die den „Oscar der Bergsteiger“ erhielt.  Sie starb Ende 2015 im Alter von 43 Jharen bei einem Absturz in Japan.

In Deutschland wird sich vielleicht noch der eine oder andere im Zusammenhang mit Hiraide an eine dramatische Rettungsaktion im Herbst 2010 an der 6812 Meter hohen Ama Dablam im Khumbu-Gebiet erinnern:  Der Japaner und der deutsche Bergsteiger David Göttler waren nach der Durchsteigung der Nordwand über eine neue Route am Nordgrat in Bergnot geraten und hatten um eine Rettung per Hubschrauber gebeten.  Nachdem Göttler bereits sicher ins Tal gebracht worden war, touchierte der Hubschrauber beim Versuch, Hiraide an Bord zu nehmen, den Grat und stürzte ab. Die beiden Piloten kamen uns Leben. Der Japaner wurde einen Tag später von einer anderen Hubschrauber-Crew gerettet.

Viermal auf dem Everest

Am 25. Mai 2017 erreichte Kazuya als Kameramann einer japanischen Expedition exakt an seinem 38. Geburtstag bereits zum vierten Mal in seiner Karriere den Gipfel des Mount Everest. An der Nordostwand des Siebentausenders Shispare hatte sich Hiraide 2007 erstmals versucht,  2012 und 2013 an der Südwestwand. Jetzt wurde er für seine Hartnäckigkeit belohnt.

Todesfall nach Erstbesteigung

Shispare (hinten)

Der formschöne Shispare liegt im Hunza-Tal und ist ein echter Blickfang. Erstmals bestiegen wurde der Berg am 21. Juli 1974 von einer polnisch-deutschen Expedition  über den Nordostgrat.  Zu den sieben Erstbesteigern gehörten neben Leszek Cichy –  dem 1980 zusammen mit Krzysztof Wielicki die erste Winterbesteigung des Mount Everest gelang – auch die beiden Deutschen Hubert Bleicher und Herbert Oberhofer. Die beiden Letztgenannten schafften zwei Jahre später auch die Erstbesteigung des nahe gelegenen 7795 Meter hohen Batura Sar. Der Erfolg am Shispare 1974 wurde von einem Todesfall überschattet: Beim Gipfelversuch einer zweiten Gruppe wurde der deutsche Bergsteiger Heinz Borchers von einer Lawine erfasst und in eine Gletscherspalte geschleudert. Er blieb verschollen.

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Luka Lindic zieht es zum Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/luka-lindic-zieht-es-zum-latok-i/ Thu, 18 Jun 2015 20:22:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29891 Luka Lindic

Luka Lindic

„Das war weit unter meinem Limit”, sagt der Slowene Luka Lindic, als ich ihn nach der ersten Durchsteigung der Nordwand des 6515 Meter hohen Hagshu im indischen Himalaya frage. Immerhin sind Luka und seine beiden slowenischen Freunde Marko Prezelj und Ales Cesen in diesem Jahr für diese Kletterei mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet worden, dem „Oscar der Bergsteiger“. „Manchmal findest du eben so eine logische Linie durch eine Wand, der du wie selbstverständlich folgst. Bei dieser Tour sind wir eigentlich nie in wirklich schwieriges Terrain geraten“, erinnert sich Luka. Auf der Suche nach seinem persönlichen Limit zieht es den 27-Jährigen in diesem Sommer in den Norden Pakistans. Anfang Juli bricht Luka mit seinen Landsleuten Luka Krajnc, Martin Zumer and Janez Svoljsak in den Karakorum auf. „Wir werden einen Monat lang auf dem Choktoi-Gletscher bleiben. Wenn es die Verhältnisse zulassen und wir uns gut fühlen, werden wir uns am Latok I versuchen.“

Nordgrat? Nordwand?

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Was genau er dort mit seinem jungen slowenischen Team plant, verrät Lindic nicht. Der 7145 Meter hohe Granitriese Latok I hält einige Aufgaben bereit, an denen sich Spitzenkletterer aus aller Welt bisher die Zähne ausgebissen haben, etwa den extrem steilen Nordgrat. Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini  im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umkehren müssen, sind mehr als 20 Versuche, die Route zu meistern, gescheitert. Einen weiteren Anlauf haben für diesen Sommer die beiden US-Kletterer Kyle Dempster und Scott Adamson angekündigt. Auch die Nordwand des Latok I ist noch unbezwungen. Eigentlich hatten sich die Huber-Brüder Alexander und Thomas die Wand für 2014 vorgenommen, hatten das Projekt dann aber wegen der unsicheren Lage in Pakistan abgeblasen.

8000er im Hinterkopf

Luka in der Hagshu-Nordwand (© Marko Prezelj)

Luka in der Hagshu-Nordwand (© Marko Prezelj)

Luka Lindic gilt als einer der talentiertesten und vielseitigsten Bergsteiger Sloweniens. Als kommenden Star sieht sich der Logistik-Student aus der slowenischen Untersteiermark (Štajerska) aber nicht. „Ich will einfach immer besser werden, allein darum geht es mir“, sagt Luka. Im März 2014 gelang es ihm und Luka Krajnc, die schwierige Route „Rolling Stone“ in der 1000 Meter hohen Nordwand der Grandes Jorasses oberhalb von Chamonix erstmals frei zu klettern. Im Herbst folgte dann der preisgekrönte Coup am Hagshu. „Die Achttausender habe ich auch im Hinterkopf“, sagt Lindic. „Da gibt es noch eine Menge zu tun, vor allem im Alpinstil.“ Ich bin sicher, wir werden von Luka noch viel hören. Vielleicht schon in diesem Sommer.

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Tommy Caldwell: “Mein Herz ist im Yosemite” https://blogs.dw.com/abenteuersport/tommy-caldwell-mein-herz-ist-im-yosemite/ Fri, 12 Jun 2015 17:29:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29831 Tommy Caldwell in Chamonix

Tommy Caldwell in Chamonix

Tommy hat einen Lauf. Der 36 Jahre alte US-Amerikaner Tommy Caldwell und sein Landsmann Alex Honnold wurden mit dem diesjährigen Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“: für ihre Erstbegehung der so genannten „Fitz-Traverse“ in Patagonien, eine mehr als fünf Kilometer lange Kletterroute über sieben Gipfel und einige messerscharfe Grate. Und Tommy ist auch im nächsten Jahr ein heißer Kandidat für den „Goldenen Eispickel“. Im vergangenen Januar gelang es ihm und Kevin Jorgeson, die extrem schwierige 900 Meter hohe Route „Dawn Wall“ im Granit des El Capitan im Yosemite-Nationalpark erstmals frei zu klettern – ein echter Meilenstein im Big-Wall-Klettern. Ich habe mit Tommy über beide Touren gesprochen.

Tommy, du und Alex Honnold seid mit dem Piolet d’Or für eure erfolgreiche Begehung der Fitz-Traverse in Patagonien ausgezeichnet worden. Wie hast du selbst diese herausragende Klettertour erlebt?

Es war für mich eine echt harte Kletterei. Sie war so weit fernab des Alltags. Wenn ich darauf zurückblicke, wirkt das Ganze fast irreal. Ich hatte das vorher gar nicht geplant. Wir gingen nach Patagonien, ohne zu wissen, was genau wir eigentlich klettern würden. Die Traverse war eine Idee, die ich allerdings für zu anspruchsvoll hielt. Ich dachte niemals, dass sie uns gelingen könnte. Aber dann gab es dieses große Schönwetter-Fenster und wir entschieden uns, dieses große Projekt anzugehen.

Für Alex war es die erste Expedition in Patagonien. Wie war es für dich, mit ihm die Fitz-Traverse zu klettern?

Es war großartig. Er ist der ultimative Kletterpartner. Ich war überzeugt, dass er seine Kletterkünste vom Yosemite nach Patagonien übertragen würde. Er mag allerdings die Kälte nicht, das machte mir ein wenig Sorgen. Aber weil es ein so intensives und unvergessliches Erlebnis war, hat er die Kälte in den paar Tagen gut weggesteckt. Manchmal sind wir eine Meile weit geklettert ohne uns überhaupt zu sehen, weil wir jeweils am anderen Ende des Seils waren. Aber wir sind beim Klettern so vertraut miteinander, dass wir ohne Worte auskommen.

Tommy und Alex in der Fitz-Traverse

Tommy und Alex in der Fitz-Traverse

Kann man die Fitz-Traverse in Patagonien und die Dawn Wall im Yosemite, die du zur Jahreswende mit Kevin Jorgeson erstmals frei geklettert bist, miteinander vergleichen?

Nein, sie waren so verschieden. Ich habe sehr hart für die Dawn Wall trainiert. Sieben Jahre lang hat sie ständig mein Denken beherrscht. Dieses Training war auch eine gute Vorbereitung für Patagonien, aber der Kletterstil war ein anderer. Die Fitz-Traverse passierte einfach, sie war nicht wirklich ein Plan. Die Dawn Wall war mehr als geplant, ich konzentrierte all meine Energie auf dieses Projekt. Dort haben uns Leute mit Essen und Tonnen von Ausrüstung versorgt, als wir dort oben in der Wand hingen. Die Fitz-Traverse war das krasse Gegenteil. Wir hatten nur einen 25- und einen 35-Liter-Rucksack, gerade eben genug Lebensmittel, nur einen Schlafsack.

Caldwell: So different in style

Was bedeutet es dir, die Dawn Wall frei geklettert zu haben?

Es bedeutet, dass eine Beziehung, die sieben Jahre dauerte, nun endet. Das ist ziemlich hart. Viele Leute denken, dass es ein großer Moment ist, ein Ziel zu erreichen. Für mich war es auch wirklich gut, dieses Projekt verwirklicht zu haben. Aber die Antriebskraft, die mein Leben so lange bestimmt hat, fehlt nun plötzlich.

Gehst du deshalb nun durch ein Tal?

(Lacht) Ja, wahrscheinlich. Im Augenblick schreibe ich ein Buch. So habe ich etwas, in das ich meine Energie stecken kann. Genauso bin ich, ich finde immer ein Ziel, dass ich dann intensiv verfolge. Jetzt muss ich also dieses Buch schreiben, aber ich erwarte, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt durch ein kleines Tal gehen muss. Eigentlich bin ich mir sogar ziemlich sicher.

Tommy Caldwell in der Dawn Wall

Tommy Caldwell in der Dawn Wall

Ihr wart 19 Tage in der Dawn Wall. Was war das Härteste an dieser extremen Freikletterei?

Für mich war die Vorbereitung auf die Dawn Wall der härteste Teil: immer wieder zu versuchen, noch besser zu klettern und dann manchmal zu merken, dass es nicht klappt. Als wir dann endlich in der Wand waren und 19 Tage dort blieben, lief es wirklich gut für mich. Doch mein Kletterpartner hatte Schwierigkeiten, er war nicht so gut vorbereitet wie ich. Er musste wirklich kämpfen, und ich musste auf ihn warten, was aber auch nicht schlimm war. Ich würde sagen, es war insgesamt keine allzu harte Erfahrung, aber es gab Augenblicke, in denen wir uns fragten, ob wir es gemeinsam bis oben schaffen.

Caldwell: The hardest part was the preparation

Dachtest du, als Kevin Probleme bekam, für einen Moment daran, das Ding alleine durchzuziehen?

Glücklicherweise ist es nicht so weit gekommen. Ich wollte einfach nicht ohne Kevin oben ankommen. Aber ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn er aufgegeben hätte. Wahrscheinlich hätte er mich aufgefordert weiterzumachen.

Hat sich eure Freundschaft dadurch verändert, dass ihr ein so außergewöhnliches gemeinsames Projekt erfolgreich beendet habt?

Jede Kletter-Partnerschaft ist anders. Alex Honnold ist zum Beispiel jemand, den ich anrufen würde, wenn es mir wirklich schlecht geht. Er ist wie ein wirklich enger Freund. Kevin auch, aber auf eine andere Weise. Wir reden auch ziemlich viel, aber nur wenn wir miteinander klettern. Das klappt wirklich ausgezeichnet und es macht einen Riesenspaß. Ich bewundere Kevin sehr, aber es ist eher so wie in einer Geschäftsbeziehung, während es bei den meisten anderen meiner Kletterpartner tiefe Freundschaft ist, fast als wären es Familienmitglieder.

Caldwell about climbing relationships

Es gab einige Kritik an dem Medienwirbel um eure Kletterei. Kameraleute hingen in der Wand, in den letzten Tagen gab es sogar einen Video-Livestream. Was antwortest du den Kritikern?

Ich sage ihnen, dass wir den Medienwirbel nicht initiiert haben, es geschah einfach. Wir standen dem Ganzen offen gegenüber, wir ließen es geschehen, aber wir haben es nicht angestoßen. Es haben sich einfach so viele Leute dafür interessiert. Irgendwann sagte man uns: Da werden eine Menge Reporter am Gipfel stehen, wenn ihr dort ankommt. Und ich antwortete: Eigentlich will ich das gar nicht. Aber man kann das nicht kontrollieren. Der Yosemite- Nationalpark ist öffentliches Gelände. Jeder, der will, kann dort hinkommen.

Am Ziel! Caldwell (l.) und Jorgeson

Am Ziel! Caldwell (l.) und Jorgeson

Und was sagst du zu Leuten, die meinen: Dieser Mann ist verrückt, wenn er solche Dinge macht?

Das sagt ja keiner. (lacht) Dieser ganze Prozess, die Dawn Wall zu klettern, war solch eine Antriebskraft für mein Leben. Wenn du die ganze Zeit in meinem Kopf gesessen hättest, könntest du das voll und ganz verstehen. Aber die meisten Leute werden es nicht verstehen, das erwarte ich auch nicht.

Ist für dich das Kapitel Yosemite mit dem Ende des Projekts Dawn Wall jetzt abgeschlossen?

Der Yosemite-Nationalpark war immer und wird auch weiterhin Tiel meines Lebens bleiben. Ich weiß nicht, ob ich noch mal so ein großes Projekt wie die Dawn Wall angehen werde, aber ich klettere weiter im Yosemite. Rein physisch lebe ich zwar in Colorado, aber mein Herz ist im Yosemite.

Du hast 2001 bei einem Unfall mit einer Tischkreissäge einen Finger verloren. Wie ist es möglich, mit nur neun Fingern solche extremen Touren zu klettern?

Als ich mir den Finger abgetrennt habe, war ich schon ein ziemlich ernsthafter Kletterer. Ich wollte meinen Lebensstil als professioneller Kletterer nicht aufgeben. Und so fokussierte ich mich voll und ganz darauf, die Verletzung zu überwinden. Es hat mich mental stärker gemacht. Die größten Fortschritte als Kletterer habe ich gemacht, nachdem ich mir den Finger abgetrennt habe. Vorher war ich ein Sportkletterer und Boulderer, danach habe ich mich mehr den großen Wänden und Bergen zugewandt, weil mir klar war, dass ich mit neun Fingern niemals der beste Wettkampfkletterer sein könnte. Das Big-Wall-Klettern ist nicht ganz so intensiv, was die Fingerkraft anbelangt.

Du warst auch auf Expeditionen zu den hohen Bergen. Im Jahr 2000 wurdest du in Kirgistan entführt. Hat diese Erfahrung dazu geführt, dass du einen Bogen um die ganz hohen Berge gemacht hast?

Nein. Was in Kirgistan passiert ist, hatte nichts damit zu tun, dass wir in den Bergen unterwegs waren. Wir waren einfach mitten in einen politischen Konflikt geraten.

Tommy mit Ehefrau Rebecca und Sohn Fitz

Tommy mit Ehefrau Rebecca und Sohn Fitz

Aber du bist nur knapp mit dem Leben davongekommen.

Ja, aber ich fahre immer noch zu sicheren hohen Bergen überall auf fder Welt. Die ganz hohen Berge habe ich eher wegen der Lawinengefahr gemieden. Ich habe 25 Freunde in den hohen Bergen verloren. Ich bin Vater. Ich möchte lange leben. Deshalb suche ich mir Klettertouren aus, bei denen ich die Gefahr für kontrollierbar halte.

Also keine Achttausender?

Ich habe keine kontreten Pläne dafür. Aber sollte ich eine schöne Route an einem Achttausender finden, bei der ich die Gefahr von Steinschlag, großen Lawinen und Gletscherspalten für vertretbar halte, würde ich sie klettern.

Du bist Ehemann und Vater. Hat dich das vorsichtiger gemacht?

Ich glaube ich sehe mein Leben durch die Brille eines Mannes, der Menschen hat, die sich auf mich verlassen. Ich empfinde eine große Verantwortung, für sie da zu sein. Und deshalb suche ich mir nur Klettertouren aus, die ich für beherrschbar halte. Ich möchte nicht in den Bergen sterben.

Caldwell: I don’t want to die in the mountains

P.S. Ich habe das Interview mit Tommy Caldwell bereits im April bei den Piolet d’Or-Feierlichkeiten geführt. Dann aber kam das Erdbeben in Nepal dazwischen und so musste es warten …

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Piolet d’Or für lebende Legende Bonington https://blogs.dw.com/abenteuersport/piolet-dor-fuer-lebende-legende-bonington/ Tue, 27 Jan 2015 13:22:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28217 Sir Chris Bonington

Sir Chris Bonington

Keine Frage, der Mann hat den Preis verdient. Wenn vom 9. bis 12. April in Chamonix und Courmayeur zu Füßen des Mont Blanc die wichtigsten Besteigungen des Jahres 2014 mit dem Piolet d’Or, dem „Oscar der Bergsteiger“, prämiert werden, erhält Sir Chris Bonington für sein Lebenswerk den „Prix Walter Bonatti“. Er wird zum siebten Mal verliehen. Seit 2009 haben ihn Walter Bonatti, Reinhold Messner, Doug Scott, Robert Paragot, Kurt Diemberger und John Roskelley erhalten. „Chris Boningtons Projekte haben sowohl in den Alpen als auch im Himalaya Maßstäbe gesetzt“, teilten die Organisatoren des Piolet d’Or mit. „Ein herausragender und leidenschaftlicher Bergsteiger.“

Historische Besteigungen

Im vergangenen Jahr feierte Bonington seinen 80. Geburtstag standesgemäß: mit der Wiederholung einer seiner berühmten Routen: am Old Man of Hoy, einer spektakulären Felsnadel im Meer vor den Orkney-Inseln, die er 1966 erstmals kletterte. Später gelangen ihm weitere historische Touren, wie die Erstbesteigung der Annapurna II im Jahr 1960, des zentralen Freney-Pfeilers auf der Südseite des Mont Blanc 1961 und des 7285 Meter hohen Ogre im Karakorum zusammen mit Doug Scott 1977 (die zweite Besteigung folgte erst 2001). Aber Bonington erwies sich auch als ein großer Expeditionsleiter. 1970 leitete er die erfolgreiche Expedition zur Südwand der Annapurna, 1975 die Expedition zum Mount Everest, bei der Doug Scott und Dougal Haston erstmals durch die steile Südwestwand kletterten. Bonington selbst erreichte den Gipfel des Mount Everest 1985 als Mitglied einer norwegischen Expedition. Die Queen schlug ihn 1996 für seine Verdienste um den Sport zum Ritter. Eine lebende Legende!

„Everest kein Platz mehr für Pioniere“

Kongur Thak

Kongur Thak

Ich traf Chris Bonington zuletzt 2013, bei der 60-Jahr-Feier der Erstbesteigung des Mount Everest in der Royal Geographical Society in London. Natürlich fragte ich ihn damals nach seiner Meinung zu dem heutigen Massenansturm auf den höchsten Berg der Erde. „Der Everest wird diesen Menschen nicht geschenkt, es ist für sie immer noch ein hartes Brot: 2000 Personen im Basislager, 200 in der Lhotse-Flanke, 100 pro Tag auf dem Gipfel, verbunden durch das Fixseil, das die Sherpas gelegt haben“, antwortete Sir Chris. „Der Everest ist, wenn man so will, kein Platz mehr für die Pioniere. Die Pioniere sind anderswohin gegangen.“

Sir Chris Bonington über kommerzielles Bergsteigen am Everest

Vor einem halben Jahr, während unserer Erstbesteigung des 7129 Meter hohen Kokodak Dome in der Kongur-Bergkette im Westen Chinas, musste ich an Bonington denken. 1981 hatte er mit den berühmten britischen Kletterern Al Rouse, Peter Boardman und Joe Tasker den 7719 Meter hohen Kongur Tagh erstbesteigen. Er ist der höchste Berg des Massivs – und viel schwerer als „unser“ Kokodak Dome.

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Und die Gewinner sind: Raphael, Ian und Ueli https://blogs.dw.com/abenteuersport/piolet-dor-2014/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/piolet-dor-2014/#comments Sun, 30 Mar 2014 20:24:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25613 Steck, Welsted, Slawinski (v.l.)

Steck, Welsted, Slawinski (v.l.)

Nun hat Ueli Steck seinen Golden Eispickel. Aber nicht nur er. Die Jury hat an zwei der nominierten fünf Expeditionen den begehrten Piolet d’Or verliehen, den „Oscar der Bergsteiger“. Die Juroren unter Leitung des früheren US-Topbergsteigers George Lowe ehrten nach eigenen Worten „zwei sehr unterschiedliche Besteigungen, um den Geist des modernen Bergsteigens wiederzugeben“. Der Goldene Pickel geht an die Kanadier Raphael Slawinski und Ian Welsted für ihre Erstbesteigung des 7040 Meter hohen K 6 West im Karakorum über eine neue Route durch die Nordwestwand und – wie von vielen erwartet – an den Schweizer Ueli Steck für seine Solodurchsteigung der Südwand des Achttausenders Annapurna in Nepal. Die Auszeichnungen wurden am Samstagabend während einer Gala in Courmayeur in Italien verliehen, zu Füßen des Mont Blanc.

Nicht über einen gleichen Kamm

Der Siebentausender K 6 West

Der Siebentausender K 6 West

„Raphael Slawinski und Ian Welsted wurden mit schwierigen technischen Kletterproblemen konfrontiert, inklusive einer überhängenden, eisigen Schlüsselstelle“, heißt es in der Erklärung der Jury. „Am vierten Tag wurde ihnen klar, dass sie nicht über den Grat weitersteigen konnten, weil er sich als messerscharfe Kante aus glattem Granit entpuppte. Nach sorgfältiger Abwägung fanden sie eine andere Möglichkeit, indem sie sich auf einen Eisvorsprung auf der Südseite abseilten und von dort aus zu einer Stelle oberhalb der nicht kletterbaren Passage stiegen, um den Weg zum Gipfel fortzusetzen.“ Die Jury beschrieb die kanadische Expedition außerdem als „ein wunderbares Beispiel dafür, Rücksicht auf das Wohl der einheimischen Bevölkerung zu nehmen”, weil die beiden Bergsteiger ihr Projekt trotz des Mordanschlags am Nanga Parbat fortgesetzt hätten. „Ian und Raphael wollen andere Bergsteiger ermuntern, nicht alle Pakistaner über einen Kamm zu scheren.”

Großes Risiko akzeptiert

Ueli an der Annapurna

Ueli an der Annapurna

Der andere Gewinner des Piolet d’Or war gleichzeitg der Topfavorit. Ueli Steck wurde für seine herausragende Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand geehrt. Der Schweizer vollendete die schwierige Route, die Pierre Béghin und Jean-Christophe Lafaille 1992 bis auf eine Höhe von 7300 Metern eröffnet hatten. Schlechtes Wetter hatte die beiden Franzosen gezwungen umzukehren. Beim Abstieg war Béghin in den Tod gestürzt. Ueli Steck kletterte nachts, er brauchte nur 28 Stunden für Auf- und Abstieg. „Indem er im Alleingang in die Annapurna-Südwand einstieg, akzeptierte Ueli Steck ein großes Risiko“, befand die Jury. „28 Stunden lang blieb er absolut konzentriert, weil er wusste, dass ein falscher Schritt seinen Tod bedeuten würde. Ueli berichtete, dass er sehr nah an seinem Limit geklettert sei.”

Auf dem neuesten Stand

John Roskelley

John Roskelley

Beide Projekte stünden für “Bergsteigen auf dem neuesten Stand”, fasste die Piolet-d’Or-Jury ihre Entscheidung zusammen. Außerdem sprach sie eine “besondere Erwähnung” für Stephane Benoist und Yannick Graziani aus. Die beiden Franzosen hatten Uelis Route durch die Annapurna-Südwand nur zwei Wochen später wiederholt, unter deutlich schwierigeren äußeren Bedingungen. Die Jury lobte auch die drei anderen nominierten Expeditionen: die beiden Tschechen Zdenek Hrudy und Marek Holecek, die erstmals durch die Nordwand des Talung (7439 m) in Indien geklettert waren (Hrudy starb später am Gasherbrum I), die österreichischen Brüder Hansjoerg und Matthias Auer und den Schweizer Simon Anthamatten, denen die Erstbesteigung des Kungyang Chhish East (7400m) in Pakistan gelungen war – und zu guter Letzt Mark Allen aus den USA and Graham Zimmerman aus Neuseeland, die den Mount Laurens (3052 m) in Alaska erstmals über die Nordwand und den Nordgrat bestiegen hatten.

„Alle Nominierten sollten gefeiert werden, weil sie für die höchsten ethischen Ideale des Bergsteigens stehen”, erklärte die Jury. Das gilt ebenfalls für den früheren US-Topbergsteiger John Roskelley, der mit dem Piolet d’Or für sein Lebenswerk als Bergsteiger ausgezeichnet wurde.

Auch die Jury selbst verdient Applaus – ganz einfach, weil sie ihren Job erledigte. Die Jury des vergangenen Jahres hatte alle sechs nominierten Expeditionen ausgezeichnet. Das sollte wirklich eine Ausnahme bleiben.

Update 31.3.: Hansjörg Auer hat sich bitter über die Jury beschwert. „Wenn ein Mitglied der Piolet-d’Or-Jury kritisiert, dass mein Bruder Matthias bis jetzt niemals über seine Klettertouren berichtet hat, ist es Zeit, etwas zu ändern”, schreibt Hansjörg auf Facebook. „Und das ist nur ein Hinweis,wie oberflächlich sie beim Piolet d’Or mit unserem Abenteuer umgegangen sind.” Lediglich Jury-Präsident George Lowe und die französische Kletterin Catherine Destivelle hätten verstanden, welch große Herausforderung die Besteiung des Kunyang Chhish East gewesen sei. „Die Tränen von George und Catherine, als sie sich bei uns für die Entscheidung der Jury entschuldigten, bedeuten mehr als die Schlagzeilen der Zeitungen morgen.”

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Goldener Pickel für Ueli? https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-pioletdor-gala-2014/ Fri, 28 Mar 2014 15:15:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25593 piolet-dorDieser Oscar ist ein Pickel. Ein goldener Eispickel. Am Samstagabend wird in Courmayeur, auf der italienischen Seite des Mont Blanc, der Piolet d’Or verliehen , der „Oscar der Bergsteiger“.  Oder werden wieder sechs Pickel vergeben, wie 2013? Vor einem Jahr hatte die Jury alle nominierten Teams mit der begehrten Auszeichnung bedacht, was gegenüber den Beteiligten zwar nett war, die ganze Veranstaltung aber eher ad absurdum geführt hatte. In diesem Jahr leitete der frühere US-Spitzenkletterer George Lowe die sechsköpfige Jury. Zu ihr gehörten außerdem Frankreichs legendäre Kletterin Catherine Destivelle, der russische Top-Bergsteiger Denis Urubko, der koreanische Bergsteiger Sungmuk Lim sowie die Publizisten Karin Steinbach aus Deutschland und Erri de Luca aus Italien. Sie haben fünf erfolgreiche Bergprojekte für den Piolet d’Or nominiert, ein weitere Besteigung wird außer Konkurrenz „besonders erwähnt“. Im Gegensatz zu 2013 gibt es diesmal unter den fünf Kandidaten einen eindeutigen Favoriten.

Meilenstein im Himalaya-Bergsteigen

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Gemessen an den Schlagzeilen, die sein Erfolg weltweit produzierte, dürfte es eigentlich keinen anderen Gewinner geben als Ueli Steck. Der Schweizer hat mit seiner Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand im Oktober 2013 einen Meilenstein im Himalaya-Bergsteigen gesetzt. Der 37-Jährige brauchte für Auf- und Abstieg nur 28 Stunden. Ueli vollendete am gefährlichsten der Achttausender die schwierige Route, die die Franzosen Pierre Béghin und Jean-Christophe Lafaille 1992 bis auf eine Höhe von 7300 Metern eröffnet hatten, ehe schlechtes Wetter sie zur Umkehr gezwungen hatte. Béghin war beim Abstieg in den Tod gestürzt.

Die Franzosen Stéphane Benoist and Yannick Graziani wiederholten Stecks Route nur zwei Wochen später bei schwierigen Verhältnissen, wofür sie bei der Piolet-d’Or-Gala am Samstag mit einer „besonderen Erwähnung“ geehrt werden.

Vier weitere Hochkaräter

Am Gipfel des Kunyang Chhish East

Am Gipfel des Kunyang Chhish East

Auch die neben Stecks Solo-Besteigung der Annapurna nominierten vier anderen Projekte hatten es wirklich in sich. Die beiden Tschechen Marek Holecek und Zdenek Hruby durchstiegen im Alpinstil erstmals die Nordwand des 7439 Meter hohen Talung in Indien. Den beiden österreichischen Brüdern Hansjörg und Matthias Auer und ihrem Schweizer Freund Simon Anthamatten gelang im Karakorum die Erstbesteigung des 7400 Meter hohen Kunyang Chhish East über die Südwestwand. Die Kanadier Raphael Slawinski und Ian Welsted eröffneten am 7040 Meter hohen K 6 im Karakorum eine elegante Linie durch die Nordwestwand. Nicht ganz so hoch, aber darum nicht weniger spektakulär kletterten der US-Amerikaner Mark Allen und der Neuseeländer Graham Zimmerman. Sie bestiegen den 3052 Meter hohen Mount Laurens in Alaska erstmals über den Nordpfeiler und den Nordgrat. 

Piolet d’Or für Roskelleys Lebenswerk   

Roskelley 1979 am Gaurishankar

Roskelley 1979 am Gaurishankar

Ein Preisträger steht schon fest. Heute abend erhält in Chamonix der US-Amerikaner John Roskelley den Goldenen Eispickel für sein Lebenswerk als Bergsteiger. Der heute 65-Jährige hatte vor allem in den 1970er Jahren im Himalaya und Karakorum für Furore gesorgt. So gehörte Roskelley 1977 zu den Erstbesteigern des Großen Trango-Turms (6782 Meter) und ein Jahr später zu der US-Expedition, die am K 2 eine neue Route über den Nordostgrat eröffnete.

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Ein Sturz, der vieles änderte https://blogs.dw.com/abenteuersport/ein-sturz-der-vieles-anderte/ Fri, 05 Nov 2010 18:51:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/11/05/ein-sturz-der-vieles-anderte/ Selten habe ich so viele verblüffte Menschen auf einem Fleck erlebt. Der Vortragssaal im Brixener Forum war gestern abend bis auf den letzten Platz gefüllt, als Steve House die Bühne betrat. Reinhold Messner adelte House einmal mit dem Lob, er sei der „derzeit beste Höhenbergsteiger der Welt“. 2005 hatte der US-Amerikaner mit seinem Landsmann Vince Anderson die Rupalwand am Achttausender Nanga Parbat, die mächtigste Fels- und Eiswand der Welt, erstmals im Alpinstil durchstiegen, also ohne Atemmaske, Fixseile und Hochlager.

Ein Mensch ist mehr als nur ein Bergsteiger

Die Besucher seines Vortrags beim International Mountain Summit erwarteten spektakuläre Bilder und Erzählungen von dieser und anderen extremen Expeditionen zu den höchsten Bergen der Welt.


Steve House, locker, aber alles andere als oberflächlich

Stattdessen forderte Steve House die Zuschauer auf, sich ein paar Minuten lang Gedanken darüber zu machen, ob man einen Menschen wirklich nur darüber definieren sollte, welche Leistungen er als Bergsteiger gebracht habe. Es folgte, während Steve schwieg, auf der Leinwand eine Auflistung von etwa 25 seiner bahnbrechenden Kletterpartien in den letzten 15 Jahren, begleitet nur von einigen wenigen Bildern.

Geteilte Meinung

Ausführlich schilderte Steve anschließend, wie er bei seinem Sturz am Mount Temple im vergangenen März dem Tod gerade eben so von der Schippe gesprungen war. Dieser Unfall habe sein Leben geändert, sagte Steve. Er wolle künftig mehr Wert auf die Beziehungen zu seinen Mitmenschen legen und sein Wissen über das Klettern an die nächste Generation weitergeben. Nach einer Stunde beendete House seinen Vortrag – ohne viele Worte über seine spektakulären Touren vor dem Sturz verloren zu haben.
Die Meinung im Publikum war geteilt. Die einen fanden es toll, wie offen Steve über seine Gedanken und Gefühle gesprochen hatte. Die anderen waren enttäuscht, weil sie sich um die erwartete akustische und optische Reise zu den Bergriesen des Himalaya und Karakorum betrogen fühlten.


Steve (2.v.l.) bei der Wanderung zum Astjoch

Vielleicht ein bisschen weniger intensiv

„Ich habe keine Anerkennung des Publikums finden oder Applaus ernten wollen“, erzählt mir Steve House heute bei unserer Wanderung im Pustertal zum Astjoch, einem 2194 Meter hohen Aussichtsberg mit einem beeindruckenden 360-Grad-Panorama. „In den letzten 15 Jahren habe ich mein Leben dem Klettern verschrieben. Aber meine Einstellung hat sich jetzt eben gewandelt. Und so wird es in den nächsten Jahren vielleicht ein bisschen weniger intensiv zugehen.“ Wir reden über seinen Sturz im Frühjahr, bei dem er dem Tod so nahe war, über den Verlust vieler Freunde, die in den Bergen ums Leben gekommen sind, und über seine Pläne für die Zukunft. (Diese Geschichte erzähle ich euch später.)


Dass Steve und Stefan mal einen Berg gemeinsam besteigen würden …

Zu 80 Prozent wiederhergestellt

Dass wir überhaupt gemeinsam auf einen kleinen Berg wie das Astjoch steigen können, grenzt fast schon an ein Wunder. Steves Brustkorb glich nach dem Unfall einem Trümmerfeld, die Lunge war kollabiert. „Ich bin jetzt bei 80 Prozent“, sagt der 40-Jährige, der inzwischen auch wieder geklettert ist. Die Ärzte haben ihm Hoffnung gemacht, dass er zwölf Monate nach seinem Sturz wieder vollständig hergestellt sein werde. Physisch. Und psychisch? Steve ist ein anderer als früher. Und er hat gestern in Brixen sicher nicht zum letzten Mal verblüffte Zuhörer zurückgelassen.


Das Panorama wollte ich euch nicht vorenthalten

Steve House über seinen Vortrag in Brixen

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Gelesen: Jenseits des Berges https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-jenseits-des-berges/ Mon, 27 Sep 2010 13:07:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport2/2010/09/27/gelesen-jenseits-des-berges/ Besser als Steve House hätte ich es nicht auf den Punkt bringen können: „Eine große alpinistische Unternehmung hat alles, was zu einer guten Geschichte gehört: ein würdiges Ziel, Einsatzbereitschaft und Hingabe, Krise, Kampf und Entschluss.“

Der 40 Jahre alte US-Amerikaner liefert seit Jahren Stoff für gute Geschichten. Denn Steve House ist einer der besten Bergsteiger der Welt. So durchstieg er mit seinem Seilpartner Vince Anderson 2005 die mächtige Rupalwand am Achttausender Nanga Parbat in Pakistan erstmals im Alpinstil, also ohne Atemmaske, Hochträger und Lagerkette. Völlig zu Recht erhielten die beiden dafür den Piolet d’Or, den Goldenen Eispickel, den „Oscar“ der Profibergsteiger.

“Fixseile und Lager sind eine Katastrophe“

Immer wieder taucht der Nanga Parbat in Steves preisgekröntem Buch „Beyond the mountain“ auf, das jetzt in deutscher Übersetzung („Jenseits des Berges“) erschienen ist. Schon als 19-Jähriger versuchte sich House als Mitglied einer slowenischen Expedition an dem Achttausender – vergeblich. Damals schrieb er in sein Tagebuch: „Ich muss so gut werden, dass ich keine Fixseile mehr brauche. Was für eine Katastrophe die Fixseile und die Lager sind!“ House setzte seinen Schwur um, trainierte wie ein Besessener und sorgte bald für Furore.

Erfrischend offen

Steve macht keinen Hehl daraus, dass er die Lobeshymnen auch genossen hat. Mehr noch: „Auf meinem Tiefpunkt habe ich die Leistungen anderer kritisiert, um mich selbst zu erhöhen“, räumt House ein. „Auch diese negativen Dinge gehören zu der Person, die ich heute bin.“ Nicht nur an dieser Stelle wirkt der US-Bergsteiger erfrischend offen. Nichts wird schöngeredet, nichts verklärt. „Ich überwinde meinen Stolz und hänge mich in die nächste alte Eisschraube ein, die ich entdecke“, schreibt House etwa in einer Passage über den Abstieg vom Nanga Parbat.

An so viel Ehrlichkeit sollten sich manche schreibenden Bergsteiger ein Beispiel nehmen. „Diese Geschichten sind keine Märchen. Es sind die Gedanken und die Taten eines fehlbaren Menschen und seiner sehr menschlichen Partner“, resümiert Steve House am Ende seines Buchs. „Im schmalen Rahmen des Alpinismus streben wir nach Transzendenz und suchen nach dem, was uns auf ebener Erde verborgen bleibt: unser wahres Ich.“ Das Buch von Steve House kann ich euch nur wärmstens ans Herz legen. Und so viel sei verraten: der Epilog gehört zum Besten, was ich seit langem aus der Feder eines Bergsteigers gelesen habe.

Carpe diem

Als treue Leser meines Blogs werdet ihr euch erinnern, dass Steve House Ende März mit sehr viel Glück und einigen schweren Verletzungen einen 25-Meter-Sturz am Mount Temple in den kanadischen Rockies überlebt hat. Inzwischen klettert er wieder. „Carpe diem (lat. Nutze den Tag) ist nicht länger nur ein Ausruf bei einer Studenten-Party“, schreibt Steve in seinem Blog. „Heute, das bedeutet alles.“

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