die Fastenzeit ist vorüber. Der Fasten-Blog hat seine Schuldigkeit getan. Das Experiment ist gelungen. Für alle, die sich gefragt haben, wie es uns, den drei „DW-Journalisten im Selbstversuch“ nach Ablauf der Fastenzeit gehen mag, für all jene veröffentlichen wir dieses Foto
Es zeigt Astrid, Klaus und Stefan beim sonntäglichen Grillen im Garten von Wolfgang, unserem theologischen Spritus Rector. Astrid, die Auf-Alkohol-Verzichterin, hat eine echt brasilianische Batida de Lemon gemixt. Stefan, der Ex-Raucher, hat sich in den Grill-Qualm gestellt. Und Klaus, unser Fleisch-Zucker-und-Koffein-auf-Zeit-Verächter hat Fleisch mitgebracht. Es wurde ein geselliger Abend mit anregenden Gesprächen, an dem jeder der Beteiligten so seine ganz eigene Bilanz zog. Ein Fazit aber trifft auf alle zu: Das Fasten hat sich gelohnt!
]]>Meine Herausforderung heute morgen war masochistischer Natur: Wie lange würde ich den Moment hinauszögern können, bis zum ersten Mal endlich wieder ein Cappuccino meine Lippen berührt, Zucker zwischen meinen Zähnen knirscht und ein Steak über meine Zunge spaziert?
Und noch eine Herausforderung hatte ich mir gestellt: Heute, da dieser Moment gekommen war, wollte ich Erkenntnisse aus meiner langen Fastenzeit ziehen. Weise Botschaften für alle, die nach mir auf die Idee kommen, auf Kaffee, Fleisch, Zucker oder andere Dinge 40 Tage lang zu verzichten.
Punkt acht Uhr morgens stand ich in der Küche, zugegebenermaßen etwas unschlüssig: Jetzt schon Kaffee aufsetzen? Und ihn dann allein trinken? Nein. Schließlich hatten wir Gäste zum Osterfrühstück eingeladen. Um zehn Uhr. Fastenerkenntnis Nummer eins an diesem Morgen: Nicht nur fasten sondern auch das Fasten brechen sollte man in Gemeinschaft. Es ist etwas Besonderes, das man feiern sollte.
Also erst einmal den Keller auf den Kopf stellen, um den Karton mit den Osternestern zu finden. Gefunden hat sie meine Frau, als ich nach einer halben Stunde immer noch dort unten wütete. Warum hatte mir mein früheres Eiersuchtalent beim heutigen Nestersuchen nicht geholfen? Aus diesem Vorfall leitete ich Fastenerkenntnis Nummer zwei ab: Man sollte sich auf vergangene Erfolge besser nichts einbilden. Dass man die Kraft hat zu verzichten, muss man sich jeden Tag aufs Neue beweisen.
Als unsere Gäste schließlich um zehn Uhr eintrafen, war es so weit: Mein erster Schluck Kaffee, mein erster Löffel Zucker, mein erstes Salami-Brötchen… umwerfend!!! Und mir schwante Fastenerkenntnis Nummer drei: Langer Verzicht steigert den Genuss. Die Fastenzeit ist eben das: ein 40 Tage langer Verzicht. Und wenn der Genuss-Kick noch größer sein soll, stellt man am Ostersonntag nicht den Wecker, um gleich kurz nach Mitternacht das Fasten zu brechen, sondern zögert den Moment hinaus. Sich von der Sonne wecken lassen, aufstehen, unschlüssig in der Küche herumstehen, eine halbe Stunde lang Osternester suchen – oder was einem sonst so in den Sinn kommt. Und erst dann, mit ruhiger Hand und wachem Geist, das genießen, worauf man so lange verzichtet hat.
Der zweite Kaffee übrigens – das hätte ich mir eigentlich denken können – schmeckte nicht mehr umwerfend wie der erste. Er schmeckte „nur“ gut. Wie er mir vor der Fastenzeit auch geschmeckt hatte. Ich trank sogar noch einen dritten Kaffee, später am Tag. Und auch der schmeckte nicht umwerfend. Fastenerkenntnis Nummer vier: Genuss lässt sich nicht mit der Menge steigern. Erst wenn man erneut Verzicht geübt hat, kann man auch erneut genießen.
Schließlich fiel mir noch etwas auf: Ich hatte zwar meine Familie und auch unsere Freunde, die uns heute besuchten, wochenlang mit meinen Fastengeschichten die Ohren gefüllt. Aber als dann mein magischer Moment gekommen war, übten die gefärbten Ostereier auf alle weitaus mehr Magie aus als ich. Kurzum: Wenn ich nicht darauf hingewiesen hätte, dass ich mit diesem Schluck Cappuccino 40 Tage Fastenzeit beende, hätte es möglicherweise keiner gemerkt. Daher Fastenerkenntnis Nummer fünf: Nur wer selbst gefastet hat, kann beim Fastenbrechen wahrhaft tiefen Genuss empfinden.
In diesem Sinne: bis Aschermittwoch!
]]>unser gemeinsamer Weg geht dem Ziel entgegen. Am Abend des Karsamstags liegt traditionell das Ende der Fastenzeit, wenn Jesus nach alter Tradition in der Hölle seinen Sieg verkündet hat und der Abend vor dem Ostermorgen anbricht. Dann wirft die Freude über die Auferstehung ihr Licht voraus (vom Schatten zu reden wäre wirklich unangebracht …).
Ich selber beende das Fasten, ähnlich wie Klaus, am Ostersonntag mit dem Gottesdienst um fünf Uhr früh und einem Frühstück in der Kirchengemeinde. Und ich freue mich darauf. Die letzten Tage ohne Fleisch, ohne Wein und Süßes sind mir noch einmal schwer gefallen. Eigenartig. Ich habe auch diese letzte Phase gebraucht.
Nein, Stefan, in der Tat: Wir sind keine neuen Menschen geworden. Im Neuen Testament werden die Christen in Ephesus aufgefordert, als es um das Neuwerden in Christus heißt: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Da schwingt etwas mit, was auch in Ihren Resümees zum Ausdruck kam. Wir bleiben wir selbst. Aber wir werden neu eingekleidet. Martin Luther hat es in die dialektische Formel gebracht, der Mensch sein „gerecht und Sünder zugleich“. Bei sich selbst Sünder, bei Gott gerecht. Aber weil wir bei Gott gerecht sind, können wir den neuen Menschen anziehen. Wir können uns entscheiden. Darin liegt unsere Freiheit. Und unsere Berufung. „Ich glaube“, hat Dietrich Bonhoeffer formuliert, „dass Gott kein zeitloses Faktum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“ Das, unser Handeln und das Warten wie auch die Antwort Gottes, lässt uns in unserem Leben Sinn erkennen. Astrid will gute Nachrichten entdecken. Gute Nachricht heißt auf Griechisch, der Grundsprache des Neuen Testaments: Evangelium.
Dietrich Bonhoeffer möchte ich auch ans Ziel des Weges stellen. Auf dem Weg begleitete uns die erste Strophe des Gedichts aus der Haft im Jahr 1944 „Stationen auf dem Weg der Freiheit“. Es ging darum, sich zu beherrschen und Nein zu sagen. Stefan half es, dass wir an seiner Seite standen. Freiheit, die für andere verlässlich bleibt, umfasst auch den Verzicht.
Doch jetzt folgt der nächste Schritt: Lerne handeln. Deshalb habe ich angeregt, ein Resümee zu ziehen. Mit der zweiten Strophe des Gedichts geht unser Weg weiter. Und das Jauchzen am Schluss werden wir gemeinsam ausprobieren, wenn wir das Fastenbrechen miteinander feiern:
Tat
Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen,
nicht im Möglichen schweben, sondern das Wirkliche tapfer ergreifen,
nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.
Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens
nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen,
und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend umfangen.
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Sieben Wochen gefastet, sieben Wochen nicht geraucht: Die List scheint aufgegangen. Denn eigentlich war es ein Verzicht auf Probe, nicht auf Zeit wie bei meinen Mitfastern Astrid, Klaus und Wolfgang. In meinen Überlegungen schwang von vornherein mit: Auf diesem Weg gibt es, soll er ans Ziel führen, kein Zurück. Ganz oder gar nicht: Raucher wissen, wovon ich spreche.
Das Nachdenken meiner Mitfaster über die Zeit danach und also das Gefälle zwischen der ausgehenden Verzichts-Zeit und der anbrechenden verzichtslosen Zeit, das lässt mich nicht unberührt. Einerseits schaue ich gelassen voraus: Warum soll denn, was bisher klappt, nicht weiter funktionieren? Andererseits fehlt mir, und das ist nicht gerade wenig, die Gewissheit, auf meinem Weg nicht allein zu sein. Keiner aus unserer Fasten-Gruppe würde das Fasten heimlich brechen, da war ich mir sicher. Jeder konnte sich an diesem Vertrauen wärmen. Vielleicht ist das, wie Wolfgang meint, der soziale Kern des Fastens. Ein schöner und beruhigender Gedanke jedenfalls im Zusammenhang mit freiwilligem und gemeinsamem Verzicht.
Für mich hat das Fasten, so seltsam es klingen mag, auch eine spirituelle, religiöse Dimension: Einhalt, Besinnung, Umkehr – gewichtige Worte, die doch meinen: Notbremse, Orientierung, Veränderung. Wohl nicht zufällig zwängt sich die Fastenzeit zwischen Karneval und Ostern, zwischen Tanz am Abgrund und Neubesinnung. Ich möchte meinem Leben Sinn geben. Sinn, der vor der Zeit, der vor Gott Bestand hat. Die sieben Wochen ohne Rauchen haben aus mir keinen neuen Menschen gemacht. Aber sicherlich einen, der seinen Kurs wahrhaftiger prüft.
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Jetzt mal ehrlich: Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, diese Schlagzeile gerne gelesen? Haben Sie heimlich darauf spekuliert, dass einer von uns drei Bloggern beim Fasten kapituliert? Dass uns der Sinn des Verzichts abhanden kommt und wir aufgeben? Publizistisch spannender wäre das wohl allemal. Schließlich ist auch ein Fasten-Blog nicht frei von der journalistischen Maxime „Bad news are good news“. Oder doch?
Ich gestehe: Oft war ich davor, die angebrochene Flasche Riesling „feinherb“ auch auszutrinken. Immer wieder schlich ich spät abends um den Kühlschrank herum und dachte mir: Habe ich nicht schon genug Tee aufgebrüht? Was bringt es überhaupt, auf Alkohol zu verzichten? Ist das nicht ungeheuer langweilig?
Für den Fasten-Blog wäre eine solche Schwäche-Attacke dramaturgisch sicherlich gut gewesen. Wenn es darum geht, in die Abgründe der menschlichen Seele zu schauen, das gebe ich gerne zu, gehöre auch ich zum interessierten Leserkreis. Ich stelle mir gerade die Schlagzeilen vor: „Rückfall vor dem Weinregal“, „Gescheitert: Autorin des Fastenblogs greift erneut zur Flasche“, oder „Ich gebe auf: Trinken statt fasten“.
Vor meinem geistigen Auge spielen sich dramatische Szenen ab. Ich schmeiße aus Wut über meine eigene Schwäche eine Flasche Rotwein an die Wand, sammle unter Tränen die Scherben vom Boden auf, verletze mich dabei an der Hand, Blut tropft aus meinen Fingern, die ganze Familie schaut fassungslos und erschrocken auf die verwirrte Mutter herab und versorgt diese mit Pflastern und tröstenden Worten, um Schlimmeres zu verhindern.
Ja, der Kick des Negativen verfügt über eine ganz besondere Kraft. Was wären wir ohne Waldsterben, Schweinepest und Rinderwahn, ohne Flüchtlingselend und Hungerkatastrophen? Was ohne Müllhalden im Meer, Korruptionsskandale, illegale Waffengeschäfte und die Drogenmafia? Was ohne Schadenfreude?
Unser Fastenblog kämpft weiter gegen die Allmacht der „bad news“ an. Auch der DW bleibt ja nichts anderes übrig, als im Strom der negativen Nachrichten mit zu schwimmen. Letztere haben bekanntlich Flügel. Doch ich bleibe dabei: Schlechte Nachrichten können der Sehnsucht nach einer besseren Welt nichts anhaben. Schwarze Nachrichtenkrümel prallen an ihr ab, die Sehnsucht kommt immer wieder hinten den dunklen Wolken globaler Schreckgespenster hervor.
„Bad news are good news“ – an diesem scheinbar zynischen journalistischen Grundsatz wird dieser bescheidene Fastenblog sicherlich nichts ändern. Doch die Tage des Verzichts haben meinen Blick um eine andere, zusätzliche Maxime erweitert: Es lohnt sich, hinter all den negativen Schlagzeilen auch nach guten Nachrichten zu suchen. Und zu machen: Wir halten durch!
]]>auf der letzten Strecke löst das Fasten Glücksgefühle aus. Wie beim Marathon. Anders als bei Sprint und Mittelstrecke braucht Marathon keinen Schlussspurt. Über den Sieg entscheidet die Ausdauer: der Weg ist das Ziel. Sie drei haben sie gezeigt. Jetzt ist das Ziel nah und die Versuchung gering, noch auf den letzten Metern auszusteigen. Jetzt steigt Vorfreude auf den Genuss oder, bei Stefan, auf dass Bewusstsein, durchgehalten zu haben, was die nach dem Fasten beginnende Strecke leichter macht.
Mich beschäftigt immer noch die Frage nach dem Wert des Fastens. Und nach seinem Ertrag. Sie haben ihn für sich selbst definiert. Astrid hat den Sinn gefunden, dass Fasten, ihr Fasten, für viele Menschen normal ist. Damit gewinnt Fasten eine soziale Bedeutung. So zu fasten bringt mich anderen Menschen näher. Deshalb auch hat Astrid den Wunsch geäußert, dass Fasten auch für sie zu einer normalen Sache wird. Und dass sie das Gefühl überwindet, damit etwas Besonderes zu tun. Fasten wird zu einem Zeichen der Solidarität.
Bisher haben wir den Sinn des Fastens überwiegend für uns selbst formuliert. Doch etwa Stefan, der begonnen hat, das Rauchen aufzugeben, zeigt Verantwortung, nicht nur für sich, sondern auch für andere.
Den Gedanken finde ich auch im neuen „Lexikon des Dialogs“ wieder. Es stellt christliche und islamische Überzeugungen einander gegenüber. Aus islamischer Sicht ist Fasten vorgeschrieben und schult die Willenskraft. Es hilft, geistig zu reifen. Seinen Kern „macht die Erfahrung einer inneren Reinigung sowie der Wunsch nach Gottesnähe aus“, sagt der Islamgelehrte Talip Türcan. Dieses Verständnis haben wir schon bei Gregor von Nyssa kennen gelernt. (Nyssa ist das heutige Nevşehir in der Türkei. Vielleicht hat Gregor da sein Erbe hinterlassen.)
Aus christlicher Sicht ist Fasten dagegen ein Mittel zum Zweck. „Entscheidend ist“, schreibt der katholische Theologe Martin Thurner aus München, „dass das Fasten aus einer inneren Intention heraus geschieht und auch von tätigen Werken der Umkehr und Nächstenliebe begleitet wird.“
Das heißt also: Niemand fastet nur für sich allein. Wer es mit Gott und vor Gott tut, der gewinnt dabei auch einen Blick für andere. Freiheit ist nicht nur Freiheit von: Vom Alltag, vom Genussbedürfnis. Sondern auch Freiheit zu: zur Hingabe, zum Engagement, zur bewussten Entscheidung. Zugunsten von Menschen, die uns brauchen.
Nicht nur unsere vom Alltag oder vom Nikotin betäubten Papillen werden geöffnet, um neu zu schmecken, sondern auch unsere Sinne, um neu wahrzunehmen: Wozu tue ich, was ich tue, wozu will ich es tun?
Was werden Sie mit der neuen Freiheit anfangen, wem soll sie zugute kommen? Wenn Sie mögen, lassen sie uns das zum Schluss zusammentragen.
]]>Dass ich ausgerechnet an diesem horizontalen Nullpunkt der Welt meine letzten Fastentage vor Ostern verbringe, ist Zufall. Die Reise war längst geplant, als ich mich zum Fasten entschloss. Und dennoch ein schöner Zufall, denn der Karsamstag, an dem wir nach Deutschland zurückkehren, ist der letzte Fastentag, ebenfalls eine Demarkationslinie. Dann drehe ich auch meine innere Uhr auf Null: Am Ostersonntag beginnt die Ära des bewussten Genusses.
Wie leicht man sich doch in dieses euphorische Geschwafel hineinsteigern kann! Wie war das noch: Euphorie kommt vor dem Sündenfall? Ja, vielleicht erwartet mich ein Nullpunkt der ganz anderen Art: moralisch, religiös oder – was noch viel schlimmer wäre – fastentechnisch? Vielleicht kommen mir plötzlich Worte meiner Kollegen in den Sinn, dass Reisende gar nicht fasten müssen? Oder meinem inneren Engelchen wachsen beim Anblick von Cadbury’s Schokoriegeln Teufelshörner?
Nein, ich bleibe hart, schließlich kann ich neue Erfolge vorweisen: Bei der Party am Samstag habe ich mich sehr angenehm mit Grillfisch über Wasser gehalten. Und dem vorher und nachher angebotenen Kaffee und Kuchen habe ich auch getrotzt.
Was soll mir da eine Woche London anhaben? Zumal es ja eine Urlaubswoche sein wird…! Und doch: Es ist wohl der erste Urlaub, bei dem ich mich, je näher das Ende rückt, aus ganzem Herzen freuen kann: auf den ersten Kaffee, das erste Stück Schokolade und das erste Steak seit Karneval!
]]>Was ist schon Staffage, was echt? Die Machtzentrale der katholischen Kirche lässt so manche Frage offen. Männergesellschaft? Letzte Monarchie Europas? Geistliches Zentrum? Bezeichnungen für den Vatikan gibt es viele, für die Welt voller Wunder. Der sie täglich erklären muss, ist Pater Federico Lombardi, der Pressechef des Heiligen Stuhls. Den 72jährigen bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Seine Bulletins, die Vorgänge und Entscheidungen des Papstes verkünden, strotzten vor nüchterner Pragmatik. Spricht er über Heikles, blickt der Jesuit Lombardi schon mal hilfesuchend gen Himmel. In diplomatische Worte kleidet er sogar, was ihm widerstrebt. Manche interpretieren das als Verschwiegenheit. Doch Lombardis Botschaften stecken zwischen den Zeilen.
Lombardis Job ist schwieriger geworden, seit Jorge Bergoglio alias Papst Franziskus die Katholiken regiert. Ein Pontifex, der eigene Termine macht, der spricht, wann und mit wem es ihm passt, der Nachrichten produziert ohne Rücksicht auf seine Beraterstäbe? Das streut Sand ins vatikanische Getriebe. Das setzt Hierarchien außer Kraft. Das muss beunruhigen. Einer, der die päpstliche Sprunghaftigkeit uns Journalisten freundlich als „Spontanität“ verkauft, so einer ist Pressechef Lombardi: ein loyaler Diener seines Herrn.
Aber nicht nur den Presseleuten – vielen am päpstlichen Hof ist Franziskus ein Mysterium. Er lehnt Pomp und Hybris ab.
Er predigt Bescheidenheit. Er setzt auf Diskussionsprozesse und Demokratisierung statt auf einsame päpstliche Entscheidungen. Franziskus ist Monarch, der aber, wie der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper feststellt, höfisches Gebaren ablehnt. Sicher ist: Draußen kommt das gut an. Selten war ein Papst beliebter. Doch hinter den Mauern des Vatikan? Da gärt es. Vielen ist der Heilige Vater, der seine Kirche zum Aufbruch nötigt, nicht geheuer.
Wer genau ist für, wer gegen Papst Franziskus? Einen Machtkampf im Vatikan will Marco Politi beobachtet haben. Der italienische Journalistenkollege ist in Kirchenkreisen bestens vernetzt. In seinem Buch „Benedikt – Krise eines Pontifikats“ zog er unlängst Bilanz unter eine „Amtszeit der verpassten Chancen“. Jetzt hat er „Franziskus – Papst unter Wölfen“ geschrieben, das bald erscheint. Ein vielsagender Titel. Sieben Jahre gibt Politi Papst Franziskus, dem Hoffnungsträger der Katholiken, um seinen Erneuerungskurs unumkehrbar zu machen. „Dann ist Franziskus 85 Jahre alt“, grinst Politi, „und vielleicht ja auch schon zurück getreten.“
Was das alles mit dem Fasten zu tun hat? Wer fastet, orientiert sich neu. Nicht nur die Kirche unter Franziskus tut das. Am Ende meiner Rom-Reise, nach vier Tagen voller Einblicke in vatikanische Gemächer, Büros, Galerien, Säle und Kapellen, kann ich stolz sagen: Ich habe Kurs gehalten – und nicht geraucht.
]]>wir fangen an, Resümee zu ziehen und unsere Absichten und unseren Ertrag zu definieren. Wir beginnen zu spüren, dass uns ein Gewinn an Freiheit winkt. Weil sich das Maß verschoben hat, ist aus Genuss Gewohnheit geworden. Durch den Verzicht wird das deutlich. Wir können das Maß neu justieren. Graduell wie Astrid und Klaus oder radikal wie Stefan.
Dabei sollen wir uns nicht besser fühlen, sagt Astrid. Verzicht ist normal. Denn vielen bleibt nichts anderes übrig. Also ist Fasten auch ein Akt der Solidarität mit anderen, die zum Verzicht gezwungen sind. Das entspricht dem Tweet von Papst Franziskus am 31. März: „Die Fastenzeit ist die Zeit zum Kurswechsel, um gegen das Böse und das Elend anzugehen.“
Es hat mich auch an die Sätze erinnert, die Jesus in Matthäus 6 zum Fasten gesagt hat: Keine nach Anerkennung fischende Leichenbittermiene. Normalität. Und ein bisschen preußische Pflichterfüllung. Auch die geht auf ein Wort zurück, das Jesus seinen Jüngern sagte: „Wenn ihr getan habt, was euch aufgetragen ist, dann sagt: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.“ Das Maß bewahren, nicht zu viel Wind um die eigene Leistung machen.
Kann man trotzdem das Ende feiern? Den wieder gewonnenen Genuss? Oder die Freiheit, wie Stefan? Oder noch mehr?
Der Katechismus der katholischen Kirche bestätigt unsere Erfahrung. Die Fastentage tragen dazu bei, sagt er, „dass wir uns die Herrschaft über unsere Triebe und die Freiheit des Herzens erringen.“ Er stellt Jesus in der Wüste als Vorbild der Fastenden hin. Seinen Gehorsam gegenüber seiner Berufung. Seine Standhaftigkeit gegen das Angebot der Macht und des Einflusses. Dreimal wehrt er sich gegen Angebote und Argumente des Teufels. Dann zieht der Teufel sich zurück, und beim Evangelisten Matthäus heißt es: Engel kamen und dienten ihm. Im katholischen Katechismus folgt der Satz: „Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste“. Braucht man zum Fasten die Kirche? Gewinnt es dadurch an Tiefe?
Noch weiter geht der zweithöchste Jurist im Bistum Eichstätt, Alexander Pytlik, der sich auch als Internetpfarrer betätigt. In einer Predigt zum Fastensonntag erinnert er an die katholische Ablasslehre: Durch Fasten, Beten und durch andere fromme Übungen wie den Besuch bestimmter Kirchen können Katholiken sich selber oder anderen die Zeit im Fegefeuer verkürzen oder ganz ersparen. Denn dann genießen sie sozusagen ihre persönliche Rendite des Kirchenschatzes, der aus den Verdiensten Jesu und der Heiligen besteht und aus dem die Kirche austeilen kann.
Das ist konfessionell vermintes Gelände. Luthers 95 Thesen richten sich genau gegen den Ablass. Protestanten lehnen wenige Lehren so strikt ab wie diese. Doch sie gehört zur katholischen Kirche. Und die Ablasslehre stellt uns eine interessante Frage: Gefallen wir Gott mit Fasten, kommen wir ihm näher, unabhängig davon, ob wir das empfinden oder nicht? Und macht es also die Welt ein bisschen besser, auch wenn das niemand wahrnimmt?
]]>Die ehrliche Antwort lautet: Weniger als ich dachte. Aber immerhin soviel ist sicher: Ich faste nicht allein für den Blog, nein. Doch ich räume ein: Ohne den Blog hätte ich nicht angefangen zu fasten. Schon lange hatte ich das Gefühl, dass ich ein Gläschen Wein zu viel trinke. Allein, es fehlte die Motivation, daran etwas zu ändern. Schließlich ist es sehr entspannend, den Tag mit einem Rotwein ausklingen zu lassen.
Der Blog brachte diese gemischten, aber verdrängten Gefühlen wieder zum Vorschein. Ich entschied, mich selbst unter Beobachtung zu stellen. Bislang betrachte ich das Ergebnis dieser alkoholischen Enthaltsamkeit als positiv. Ich leide nicht unter Entzugserscheinungen, und finde neuerdings sogar Gefallen an exotischen Fruchtsäften wie Maracuja und Rhabarber. Auch für blumige Teesorten wie „Arabische Nacht“ kann ich mich mittlerweile erwärmen.
Überschwängliche Glücksgefühle blieben allerdings bisher aus. Der vermeintlich starke Geist kostet seinen Triumph über das schwache Fleisch nicht aus. Vielmehr macht sich eine gewisse Normalität bemerkbar. Ich frage mich: Ist Verzicht überhaupt ein Verdienst? Schließlich gibt es so viele Menschen, die unfreiwillig Verzicht üben und darüber kein Wort verlieren. Weil sie krank sind und eine rigorose Diät einhalten müssen, weil sie nach einem Unfall im Rollstuhl sitzen oder weil sie schlicht kein Geld haben, um sich ihre Wünsche zu erfüllen, sondern ihr Leben von Armut und Entbehrungen gezeichnet ist. Verzicht gehört für sie zum Leben wie Krankheit und Tod. Er ist alltäglich und normal.
An dieser Stelle spüre ich, dass ich meiner Kollegin Greta noch eine zweite Antwort auf die Frage schuldig bin, warum ich faste. Ich möchte nämlich dabei das Gefühl überwinden, etwas besonderes zu tun. Die siebenwöchige Fastenzeit soll Verzicht für mich zur normalsten Sache der Welt machen, genauso wie dies für die Mehrheit der Menschheit der Fall ist. Natürlich trägt mein Verzicht nicht dazu bei, dass es weniger Leid und Armut auf dieser Welt gibt. Doch er hilft zumindest, Fasten als eine luxuriöse Übung wahrzunehmen und schafft neue Perspektiven. Kurz: Ich faste, weil Verzicht normal ist.
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