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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Am langen Seil

Es schrieb sich so leicht, dass ein Rettungshubschrauber die angeschlagenen drei Bergsteiger einer spanischen Expedition vom höchsten Lager an der Annapurna ins Basislager zurückflog. Doch das war alles andere als selbstverständlich. Es handelte sich vielmehr um einen Rekord, die höchste Hubschrauber-Rettungsaktion aller Zeiten. Der Schweizer Pilot Dani Aufdenblatten steuerte den Helikopter. Sein Landsmann, der Bergführer Richard Lehner hing am langen Seil, mit dem die Bergsteiger, die erschöpft, höhenkrank und schneeblind waren, einer nach dem anderen aus 6950 Metern ins Tal gebracht wurden. Aufdenblatten hatte die Türen und die Sitze des Helikopters ausgebaut, um Gewicht zu sparen.


Rettungsflug an der 8091 Meter hohen Annapurna

Wenig Auftrieb, wenig Leistung

In großer Höhe gestalten sich Hubschrauberflüge schwierig, weil die Luftdichte abnimmt. In der dünnen Luft erzeugen die Rotorblätter weniger Auftrieb, und auch die Triebwerke verlieren an Leistung. Die Devise heißt also: möglichst starke Turbinen und wenig Gewicht. Normalerweise können Hubschrauber nur bis zu einer Höhe von etwa 5000 Metern landen. Im Jahr 2005 setzte ein Spezialhubschrauber ganz kurz auf dem 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest auf – ein Rekord. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass man von dort auch einen Bergsteiger retten könnte. Es ist nämlich unsicher, ob der Heli mit dem zusätzlichen Gewicht genug Auftrieb erhalten würde, um auch wieder abzuheben.

In luftiger Höhe

An der Annapurna wurde die sogenannte Longline-Technik eingesetzt. Schweizer Bergretter der legendären Air Zermatt wandten sie erstmals 1971 an, als sie einen Bergsteiger aus der berüchtigten Eiger-Nordwand bargen. Bei dieser Technik wird ein Retter, der an einem bis zu 220 Meter langen Seil hängt, zum Verunglückten geflogen. Dort klinkt er sich aus, übernimmt die Notfallversorgung und klinkt dann das Opfer ans Ende des langen Seils ein. Der so Geborgene wird dann, mit dem Retter in luftiger Höhe schwebend, zu einer sicheren Stelle geflogen. 2005 gelang es einem Team der pakistanischen Armee, mit der Longline-Technik den slowenischen Bergsteiger Tomaz Humar zu retten, der in rund 6000 Metern Höhe in der Rupal-Wand des Nanga Parbat festsaß. Im vergangenen Jahr wurde Humar erneut ins lange Seil eingeklinkt. Am Siebentausender Langtang Lirung in Nepal konnte er allerdings nur noch tot geborgen werden.


Dieser Hubschrauber setzte kurz auf dem Everest-Gipfel auf

Zwei Länder, ein Projekt

In diesem Frühjahr stehen in Nepal erstmals zwei Hubschrauber auf Abruf bereit, die schnell für Rettungsaktionen in großer Höhe eingesetzt werden können. Die Air Zermatt und die nepalesische Fishtail Air haben das Gemeinschaftsprojekt ins Leben gerufen. Nepalesische Piloten wurden in der Schweiz ausgebildet, Schweizer Piloten unterstützen sie jetzt in Nepal. Und die Teams hatten bereits einiges zu tun. So retteten sie am 26. April am Manaslu drei Koreaner und vier Sherpas aus 6200 und 6400 Metern Höhe. Dort konnten sie noch landen, brauchten also nicht das lange Seil. Bei der nächsten Aktion am 29. April an der Annapurna war es jedoch nötig. Pilot und Retter setzen übrigens nach Auskunft der Fishtail Air Atemmasken ein, wenn sie bei Einsätzen bis 7000 Meter Höhe fliegen.


Nichts für Schwindel-Anfällige

Teurer „Spaß“

Bergsteiger sollten sich jedoch nicht darauf verlassen, dass sie jetzt aus jeder kritischen Situation an einem Achttausender gerettet werden können. Schließlich kann der Hubschrauber nur bei passablem Wetter fliegen. Im Fall des Spaniers Tolo Calafat kamen die Retter deshalb zu spät.
Ob das Projekt von Air Zermatt und Fishtail Air auch nach der Frühjahrssaison fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. Es werden Sponsoren gesucht, die das Training der Piloten und Retter finanzieren. Billig sind Aktionen wie die an der Annapurna nicht. Auf Anfrage teilte mir Fishtail Air mit, dass ein solcher Einsatz 3000 Dollar pro Stunde koste. Beim vergeblichen Versuch, 2009 den Spanier Oscar Perez aus einer Wand des Siebentausenders Latok II zu retten, setzte die pakistanische Armee vier Hubschrauber ein. Die Kosten summierten sich auf rund 100.000 Dollar.

Datum

2. Mai 2010 | 12:05

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