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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Dauerlabor am Mount Everest

Tief einatmen!

Die Eroberung des Nutzlosen, wie der französische Pionier Lionel Terray einmal das Bergsteigen genannt hat, ist doch für etwas von Nutzen: für die Medizin. Die Justus-Liebig-Universität Gießen und die Universität Lhasa in Tibet haben vereinbart, am Mount Everest auf über 6000 Metern Höhe ein Höhenforschungslabor einzurichten – und das auf Dauer. Die Wissenschaftler wollen besser verstehen, wie sich menschliche Zellen an den Sauerstoffmangel anpassen. Von den Erkenntnissen könnten viele profitieren: die Bewohner des Himalaya, Bergsteiger, die auf Expedition in große Höhe gehen, aber auch Menschen im Flachland. Schließlich gibt es Lungenkrankheiten, die durch Sauerstoffmangel ausgelöst werden.

Freiwillige vor

Das neue permanente Labor auf der tibetischen Seite des Everest werde ab diesem Mai eingerichtet, schreibt mir Professor Friedrich Grimminger von der Uniklinik Gießen, einer der Initiatoren des Projekts, „200 Höhenmeter über dem Basislager“. Regelmäßig sollen Wissenschaftler und Studenten aus Gießen vor Ort sein. „Auch freiwillige Höhenbergsteiger werden wie 2003 und 2004 als Probanden untersucht“, so Grimminger. Damals leitete der Lungen-Forscher das „Gießener Mount-Everest-Experiment“ auf der nepalesischen Seite des Everest. 50 Jahre nach der Erstbesteigung des höchsten Bergs der Erde stellten sich Bergsteiger der „Deutsch-Schweizerischen Jubiläumsexpedition 2003“ als „Versuchskaninchen“ zur Verfügung.  

Viagra für die Lunge

Tibetische Nordseite des Mount Everest

Das Ergebnis machte Schlagzeilen: Sildenafil, der Wirkstoff des Potenzmittels Viagra, erweitert die Lungengefäße, entlastet den Herzmuskel und verbessert die Sauerstoff-Aufnahme. In der Folge wurde ein Sildenafil-Medikament zugelassen, mit dem heute weltweit Menschen behandelt werden, die an Lungenhochdruck leiden. Die Lungengefäße der Patienten sind verengt, zu wenig Sauerstoff gelangt hinein, das Herz muss stärker pumpen. Atemnot, Herzrasen und Schwindelanfälle sind die Folge, im schlimmsten Fall ist das Herz überfordert und versagt.

Kein Dopingmittel

Der Viagra-Wirkstoff sei zwar eine große Chance für chronisch Lungenkranke und tauge auch am Berg für den Notfall, sei  „aber kein Dopingmittel für Bergsteiger“, warnte Grimminger schon damals. Und auch heute noch wird in den Standardwerken über Höhenkrankheit darauf verwiesen, dass weitere Untersuchungen nötig seien, um Viagra in großer Höhe wirklich empfehlen zu können.

Datum

29. Februar 2012 | 17:18

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