Everest-Shitstorm
Der „Herr der Düfte“. So hieß ein Artikel, den ich vor mehr als 20 Jahren einer Zeitschrift anbot, die sich an (werdende und schon) Eltern richtete. Zu jener Zeit wickelten meine Frau und ich gleich drei Kinder. Die Müllmänner drohten einmal sogar damit, unsere mit Windeln prall gefüllte Tonne stehen zu lassen, weil sie nicht nur stank, sondern auch noch sauschwer war. Unter dem Eindruck mehrerer übelriechender Windelladungen schrieb ich eines Tages besagten launigen Artikel über die Leiden eines wickelnden Vaters. Er wurde niemals veröffentlicht. „Lustig, aber zu anrüchig“, antwortete mir der Chefredakteur der Zeitschrift. Mittlerweile scheint die Öffentlichkeit weniger zart benast zu sein. Eine Äußerung von Ang Tshering Sherpa, dem Präsidenten des Nepalesischen Bergsteigerverbands, über das Fäkalien-Problem in den Hochlagern am Mount Everest sorgt jedenfalls derzeit im Internet für einen regelrechten „Shitstorm“.
Die Masse macht‘s
„Gewöhnlich graben die Bergsteiger einfach Löcher in den Schnee, um sich zu erleichtern, und dann lassen sie ihre Fäkalien dort“, sagte Ang Tshering vor Reportern in Kathmandu. Das wäre an sich noch kein Riesenproblem, doch im konkreten Fall Everest wird es durch die Masse zu einem. Schließlich erleichtern sich in einer Frühjahrssaison in den Hochlagern am höchsten Berg der Erde etwa 700 Bergsteiger. Schon auf der Jahrestagung der asiatischen Bergsteigerverbände im November 2014 in Hiroshima hatte Ang Tshering die ungelöste Fäkalienfrage als „eines der größten Probleme an den beliebtesten Bergen“ bezeichnet.
Verschließbare Beutel und Astronauten-Kost
„Es ist eine Gefahr für die Gesundheit, das Problem muss angegangen werden“, sagt auch Dawa Steven Sherpa, der Sohn Ang Tsherings. Seit 2008 leitet Dawa Steven die so genannten Eco-Everest-Expeditionen, die sich nicht nur Gipfelerfolge, sondern auch Umweltschutz auf die Fahne geschrieben haben. Dawa legt seinen Kunden nahe, in den Hochlagern umweltfreundliche, verschließbare Fäkalienbeutel zu nutzen, und diese dann wieder mit zurück ins Basislager zu bringen. Hilfreich könnte auch sein, sich am Berg von einer Art flüssiger Astronauten-Kost zu ernähren, die sehr kalorienreich ist, jedoch für wenig Stuhlgang sorgt. Solche speziell für Expeditionen entwickelte Produkte – z.B. Peronin (mit dem ich selbst am Kokodak Dome gute Erfahrungen machte) – sind bereits auf dem Markt.
Biogas aus Basislager-Fäkalien?
Im Basislager auf der Südseite des Mount Everest ist die Entsorgung seit vielen Jahren zumindest geregelt. Die Fäkalien aus den Toilettenzelten – pro Saison kommen etwa 12.000 Kilogramm zusammen – werden in Tonnen gesammelt und von so genannten „Shit portern“ talwärts getragen, etwa nach Gorak Shep, der etwa fünf Kilometer entfernten, nächsten kleinen Siedlung. Dort werden die Exkremente in Gruben gekippt – eine Gefahr für das Trinkwasser. Zwei US-Amerikaner, der Expeditionsleiter Dan Mazur und der Ingenieur Garry Porter, wollen dieses Problem lösen. In dichten Behältern sollen die Fäkalien gesammelt und für eine Biogas-Anlage genutzt werden. Das 2010 gegründete Projekt steht vor der Testphase.
P.S.: Das Fäkalien-Problem ist natürlich nicht nur auf die Südseite des Mount Everest beschränkt. Ralf Dujmovits erzählte mir einmal, dass er auf der tibetischen Seite in Lager 1 am Nordsattel wegen des überall herumliegenden Kots Mühe hatte, einen sauberen Platz für sein Zelt zu finden.