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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Everest-Verhältnisse am Manaslu

Manaslu

Der „Berg der Seele“ liegt mir am Herzen. Ganz einfach deshalb, weil ich vor zehn Jahren selbst einen guten Monat zu Füßen des Manaslu verbracht habe. Seit damals habe ich eine persönliche Beziehung zu diesem beeindruckenden Achttausender in Nepal. Im Frühjahr 2007 berichtete ich aus dem Basislager auf 4850 Meter Höhe über eine kommerzielle Expedition, einmal stieg ich selbst auch bis Lager 1 auf 5700 Metern auf. Damals waren wir – Expeditionsleiter Ralf Dujmovits und elf Kunden sowie ein Zwei-Mann-Team aus Österreich – die einzigen Menschen am Berg. Damals hätten wir uns nicht vorstellen können (und mögen), dass der Manaslu einmal zum „Mount Everest der Herbst-Saison“ mutieren würde. In der aktuellen Saison bevölkerten zeitweise rund 500 Bergsteiger das Manaslu-Basislager. Knapp 200 Gipfelerfolge wurden bisher vermeldet – wobei auffiel, dass diesmal meist wirklich Bilder vom höchsten Punkt und nicht, wie in den Vorjahren, von einer Stelle darunter verbreitet wurden. Unter denen, die den 8163 Meter hohen Gipfel erreichten, waren auch zwei Bergsteiger, mit denen ich selbst an anderen Bergen unterwegs war.

Achttausender Nr. 7 für Stitzinger und von Melle

Alix von Melle (r.) und Luis Stitzinger

Luis Stitzinger, mein Expeditionsleiter bei der Erstbesteigung des Siebentausenders Kokodak Dome im Sommer 2014 im Westen Chinas, führte am vergangenen Samstag ein Team des deutschen Veranstalter Amical alpin auf den Gipfel des Manaslu. Laut Luis verzichteten alle acht Mitglieder seiner Gruppe auf Flaschensauerstoff. Für den 48-Jährigen war es der siebte Achttausender, allesamt ohne Atemmaske bestiegen. Diese Bilanz kann nun auch seine Ehefrau Alix von Melle aufweisen. Keine andere Frau aus Deutschland hat auf mehr Achttausender-Gipfeln gestanden als die 46-Jährige. Sechs ihrer sieben Achttausender haben Alix und Luis gemeinsam bestiegen.

Atemmaske teilweise ab Lager 2

Sergio Zigliotto auf dem Manaslu

Dass Besteigungen des Manaslu ohne Flaschensauerstoff inzwischen eher die Ausnahme als die Regel sind, bestätigte mir ein anderer meiner früheren Weggefährten. „90 Prozent nutzen Sauerstoff ab Lager 3 (auf 6800 Metern)“, schreibt Sergio Zigliotto. „Ich sah auch Chinesen, die schon ab Lager 2 (6400 Meter) zur Flasche griffen.“ Mit dem 51 Jahre alten Italiener hatte ich im Herbst 2011 am Siebentausender Putha Hiunchuli in Nepal das Zelt geteilt. Sergio hatte damals den Gipfel erreicht, ich dagegen hundert Meter unterhalb des Gipfels umdrehen müssen. Am Mittwoch vergangener Woche stand Zigliotto auf dem Manaslu. Sergio hatte ohne Atemmaske aufsteigen wollen, atmete wegen gesundheitlicher Probleme aber auf den letzten 200 Höhenmetern Flaschensauerstoff.

Am kurzen Seil

Schlange am Manaslu

„Es war sehr hart, aber wunderschön. Ich stand am 27. September um zehn Uhr auf dem höchsten Punkt des Manaslu auf 8163 Metern“, schreibt mir Sergio. „Ich erwischte den perfekten Gipfeltag. Es war ein klarer und sonniger Tag. Wir waren nur zu fünft oben, somit gab es keine Probleme wegen zu vieler Leute auf der Route.“ An jenem Tag hätten insgesamt rund 50 Personen den Gipfel erreicht. „Ich habe viele Chinesen beobachtet, die am kurzen Seil auf- und abstiegen. Das war wirklich traurig anzusehen.“ Everest-Verhältnisse am Manaslu. Deshalb liegt mir der „Berg der Seele“ nicht nur am Herzen, sondern auch ein wenig auf der Seele.

Datum

2. Oktober 2017 | 14:37

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