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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

„Forrest Gump der Berge“ will auf den Everest

Kilian Jornet

Kilian Jornet

Es klingt, als würde sich da jemand gnadenlos übernehmen. Der Spanier Kilian Jornet will am Sonntag kommender Woche (7. August) Richtung Tibet starten, um den Mount Everest zu besteigen. Nicht einfach so, sondern im Eiltempo, in einem Zug, ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Unterstützung, auf einer selten begangenen Route und auch noch während der Monsunzeit. Das Ganze, ohne dass der 28-Jährige bisher ein einziges Mal oberhalb von 8000 Metern unterwegs war. Jede Menge Gründe, skeptisch zu sein. Der Verdacht liegt nahe, es könnte sich nur um einen geschickt eingefädelten PR-Gag handeln – wären da nicht Kilian Jornet und sein Partner am Berg, Jordi Tosas.

Rekorde pulverisiert

Extrem schnell unterwegs

Extrem schnell unterwegs

Der Katalane ist so etwas wie der „Forrest Gump der Berge“. Er läuft und läuft und läuft – und feiert Erfolge in Serie, ob als Skibergsteiger, Trailrunner oder Skyrunner. Jornet stellte diverse Rekorde auf. So benötigte er Ende 2014 für die Normalroute von Horcones auf 2900 Metern bis zum 6962 Meter hohen Gipfel des Aconcagua, des höchsten Bergs Südamerikas, acht Stunden und 45 Minuten, für die Strecke bergab rund vier Stunden. Nach zwölf Stunden und 49 Minuten erreichte Jornet wieder den Ausgangspunkt. Jornet bricht nicht nur Rekorde, er pulverisiert sie geradezu. So benötigte der 1,71 Meter große Spanier 2013 von Chamonix aus für Auf- und Abstieg auf den Mont Blanc nur vier Stunden und 57 Minuten, das Matterhorn lief er von der italienischen Seite aus in zwei Stunden und 52 Minuten hinauf und wieder herunter. Elf Stunden und 48 Minuten brauchte er im Sommer für 2014 Aufstieg und Skiabfahrt vom Denali, dem mit 6194 Metern höchsten Berg Nordamerikas.

Vorakklimatisierung in den Alpen

Jetzt hat er sich im Rahmen seines Projekts „Summits of my life“ den höchsten aller Gipfel vorgenommen. „Der Everest wird wahrscheinlich einer der anspruchsvollsten Besteigungen, die ich jemals in Angriff genommen habe“, sagt Kilian. „Ich werde jede Menge lernen, angefangen davon, wie mein Körper in großer Höhe reagiert bis zu der Frage, wie ich meinen alpinen Ansatz auf diesen Berg anwenden kann. Ich habe mich monatelang auf diese Herausforderung vorbereitet und ich freue mich darauf loszulegen.“ Jornet und sein Team werden sich einige Tage lang in den Alpen in Höhen oberhalb von 4000 Metern aufhalten, ehe sie nach Asien starten. „Es macht dich unter Umständen schwächer, wenn du einige Tage damit verbringst, dich am Berg zu akklimatisieren“, sagt Kilian. „Mit dieser Art der Akklimatisierung können wir uns der Herausforderung mit mehr Energie und einer größeren Erfolgschance stellen.“

Mit allen Wassern gewaschen

Jordi Tosas

Jordi Tosas

Begleitet wird Jornet von dem spanischen Spitzen-Bergsteiger Jordi Tosas. Der 48-Jährige bezeichnet sich selbst als „Nomaden, der sein Leben in den Bergen unseres Planeten verbringt“. Jordi ist mit allen Himalaya- und Karakorum-Wassern gewaschen. 2004 gehörte er zum spanischen Team, dem am K 2 die erste Wiederholung der 1986 erstbegangenen „Magic Line“ über den Südsüdwestgrat gelang, einer der schwierigsten Routen am zweithöchsten Berg der Erde.  Später eröffnete Tosas unter anderem neue Routen an den Siebentausendern Palung Ri (2006) und Jannu (2007) sowie in der Nordwand des Achttausenderes Cho Oyu (2011), jeweils im Alleingang. „Wir denken, dass am Tag unseres Gipfelversuchs niemand sonst am Everest sein wird“, sagt Jordi, „Dank Monsun werden die Fixseile mit Schnee bedeckt sein, und der Everest wird uns nur eine einzige Chance gewähren.“ Außerdem gehören die französischen Kameraleute und Bergführer Sébastien Montaz-Rosset und Vivian Bruchez zum Team.

Leicht und schnell

Tibetische Nordseite des Everest

Tibetische Nordseite des Everest

Kilian Jornet will in der letzten dauerhaft bewohnten Ansiedlung auf der Everest-Nordseite starten, am Kloster Rongbuk. Von dort sind es rund 30 Kilometer zum vorgeschobenen Basislager unterhalb des Nordsattels. Je nach den Verhältnissen am Berg planen Jornet und Tosas, durch das Norton- oder das Hornbein-Couloir zum höchsten Punkt auf 8850 Metern aufzusteigen. Beide wollen so wenig wie möglich mitnehmen. „Mit leichter Ausrüstung kommen wir schneller voran, auch wenn wir wissen, dass dies das Risiko erhöht“, sagt Kilian. „Wir nehmen es bewusst in Kauf, weil es letztlich die Art und Weise ist, in der wir uns dem Berg nähern wollen.“ Egal wie es ausgeht, es klingt extrem spannend.

Datum

29. Juli 2016 | 11:01

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