More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Gemeinsam radelt es sich leichter

Nicht so alleine wie es aussieht

Es war der Tag der Begegnungen. Erst radelte ich – übrigens zur Abwechslung mal bei Sonnenschein – eine Weile neben einem Schweizer aus der Stadt Zug her, Mitte 60, braungebrannt, auf einem Mountainbike, das schon bessere Tage gesehen hatte. „Ich habe 45 Jahre gearbeitet“, erzählte mir der Radler. „Und jetzt erfülle ich mir einen Lebenstraum. Ich wollte schon immer eine große Radreise machen.“ Ich fragte nach, wieviel Zeit er sich für den Weg entlang des Rheins genommen habe. „Ich schaue mal, wie weit ich bis zum Winter komme“, antwortete er grinselnd. Im weiteren Gespräch stellte sich heraus, dass er auch ein passionierter Bergsteiger war. Er habe alle Viertausender seines Heimatlandes bestiegen, sagte der Schweizer: „Eigentlich hatte ich auch immer davon geträumt, eines Tages den Mount Everest zu besteigen. Aber der Tourismus an diesem Berg hat nichts mehr mit dem Bergsteigen zu tun, dass ich mag.“

Mit der Fähre übergesetzt

Auch ein Begleiter

Schweren Herzen musste ich den Schweizer davonziehen lassen, sein erstaunlich hohes Tempo konnte ich auf Dauer nicht mithalten. Doch ich fuhr nicht lange allein. Mein nächster Begleiter war ein 77-jähriger Einheimischer, der – bei gutem Wetter – noch täglich einen halben Tag lang Rad fuhr. „Um spätestens ein Uhr muss ich wieder zu Hause sein“, erzählte er mir. „Sonst macht sich meine Frau Sorgen.“ Ihm verdanke ich, dass ich etwa auf Höhe des Ortes Rust (den die meisten wegen des dortigen Vergnügungsparks kennen) nicht einen weiten Bogen fahren musste. Dies sei eine Halbinsel, erklärte mir der Ortskundige an der entscheidenden Weggabelung. Deshalb sei es besser, auf die französische Seite zu wechseln und auf Höhe von Kappel mit der Fähre wieder überzusetzen. Gesagt, getan. Der Tipp war nicht Gold, aber Zeit wert. Und nebenbei fügte ich nach der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland mit Frankreich meiner Rhein-Tour die fünfte Nation hinzu.

Über den Bach

Von Stein zu Stein

Kurze Zeit, nachdem ich mit von dem rüstigen Senior verabschiedet hatte, landete ich in einer Sackgasse. „Haben Sie nicht das Schild gesehen?, fragte ein Mann, der mit seinem alten klapprigen Rad am Rhein stand. Ich hatte das Schild übersehen. Ich habe jetzt zwei Alternativen, meinte der Mann: entweder anderthalb Kilometer zurückfahren oder ihm auf einen Schleichweg folgen: „Da müssen Sie jedoch über ein Bachbett. Mein Rad bekomme ich dort herüber. Aber ich weiß nicht, ob Sie das mit ihrem bepackten Rad schaffen.“ Was der kann, kann ich auch, dachte ich und folgte ihm auf den Trampelpfad mit Brennesseln und Dornengestrüpp. Das Bachbett war nicht trocken, wie ich vermutet hatte. Stattdessen musste ich das Faltrad über einige Wackermänner tragen, dazwischen floss Wasser. Ich sattelte meine Taschen ab und brachte erst das Rad und dann das Gepäck über die Brücke aus Steinen. Immerhin konnte ich so meine Fahrt ohne großen Umweg fortsetzen.

Moralische Unterstützung

Mit Nancy Hansen (l.) und Ralf Dujmovits (r.)

Die vierte Begegnung des Tages war eine verabredete. In der Stadt Kehl empfingen mich Ralf Dujmovits – der einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat – und seine Lebensgefährtin, die kanadische Kletterin Nancy Hansen. Sie wollten mich auf ihren Mountainbikes ein Stück meines Weges den Rhein hinunter begleiten und damit auch moralisch unterstützen. Mit Ralf und der österreichischen Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hatte ich Ende Juni 2015 die Aktion „School up!“ ins Leben gerufen, um die beim Erdbeben in Nepal am 25. April jenen Jahres zerstörte Schule im kleinen Bergdorf Thulosirubari so schnell wie möglich wieder aufzubauen. Meine Spenden-Radfahrt „School up! River down“ soll ja weiteres Geld in die Kassen des Projekts spülen, mit dem wir die laufenden Bauarbeiten an der neuen Schule bezahlen können.

Feierabend nach 125 Kilometern

Wasser von oben und unten

Ich genoss es sehr, mit Ralf und Nancy ein Stück des Weges zu teilen. Zudem vergaß ich über die guten Gespräche fast meine müden Beine. Selbst ein heftiger Regenguss, der erste des Tages, konnte unsere gute Laune nicht trüben. Im Ort Söllingen beendeten wir den Radtag – für mich nach 125 Tageskilometern, für Nancy und Ralf nach 45 Kilometern. Die heutige Nacht verbringe ich bei den beiden in Bühl. Morgen früh bringen sie mich dann wieder nach Söllingen, wo ich meine Fahrt den Rhein hinunter fortsetzen werde. 589 Kilometer habe ich inzwischen erradelt. Einige waren ziemlich anstrengend, aber Begegnungen wie die heutigen entschädigen für alle Strapazen.

Datum

16. September 2017 | 0:17

Teilen