More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Schon über 600 Gletscher weggeschmolzen

Da schmilzt er dahin

Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Vor drei Jahren war der Weltklimarat (IPCC) auf dem Eis der Himalaya-Gletscher böse ausgerutscht. Im letzten Weltklimabericht hatte es geheißen, die Eismassen an den höchsten Bergen der Welt wären im Jahr 2035 mit großer Wahrscheinlichkeit komplett verschwunden. 2010 musste das IPCC kleinlaut einräumen, dass es sich um einen Zahlendreher handelte, gemeint war das Jahr 2350. Peinlich. Es hagelte Kritik. Kein Wunder, dass in der jetzt veröffentlichten Zusammenfassung des neuen Klimaberichts das Wort „Himalaya“ fehlt. Das IPCC verkündet lediglich, dass „die Gletscher in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast auf der ganzen Welt weiter geschrumpft“ seien. Auch in der über 2000 Seiten langen, ausführlichen Fassung hält sich der Weltklimarat mit Prognosen für den Himalaya auffallend zurück. 

Vorhersagen schwierig  

„In der Gebirgskette des Karakorum und Himalaya gibt es viele unterschiedliche Typen von Gletschern und klimatischen Bedingungen, und über die Eigenschaften der Gletscher ist immer noch wenig bekannt“, heißt es in dem Bericht. „Das macht Vorhersagen über ihre Entwicklung besonders unsicher.“ Während Studien zeigten, dass sich Gletscher im Himalaya und im Hindukusch zurückzögen, seien die Eismassen im Karakorum relativ stabil. Dort gebe es sogar – ebenso wie an den Küsten Norwegens, Neuseelands und im Süden Patagoniens – einzelne Gletscher, die zugelegt hätten. Ursache dafür seien dort besondere topographische oder klimatische Bedingungen, z.B. deutlich höhere Niederschläge. „Weitere Gletscher werden verschwinden, andere werden den Großteil ihrer tief gelegenen Abschnitte verlieren, wieder andere sich möglicherweise gar nicht großartig verändern“, resümiert der Weltklimarat.  

Einige Gebirge werden gletscherfrei

Spuren des Klimawandels (am 7000er Putha Hiunchuli)

Von einer Entwarnung kann jedoch keine Rede sein. Ganz im Gegenteil. Nach Einschätzung des IPCC geht es vielen Gletscher an den weißen Kragen: Ob in den Bergen Kanadas, den Rocky Mountains, den Anden, den Alpen, dem Tien-Shan-Gebirge oder sonst wo, mehr als 600 Gletscher seien in den vergangenen Jahrzehnten bereits verschwunden. „Und es ist wahrscheinlich, dass einige Gebirgsketten die meisten, wenn nicht sogar alle ihre Gletscher verlieren werden.“

Folgen für Hunderte Millionen Menschen

Schon vor der Veröffentlichung des Berichts hatte IPCC-Chef Rachendra Pachauri darauf hingewiesen, dass die Lage im Himalaya kritisch bleibe: „Unser Fehler damals war einzig, das Jahr 2035 anzuführen. Aber das schmälert in keiner Weise die Auswirkungen der Gletscherschmelze entlang der gesamten Himalaya-Kette, und über die muss man wirklich besorgt sein.“ Schon vor 2035 werde sich die Wasserversorgung der Region verändern, sagte der Inder. Geschätzte 500 Millionen Menschen in Südasien und 250 Millionen in China könnten davon betroffen sein. 

Verglichen damit wirken die Folgen für Bergsteiger geradezu belanglos. Nichtsdestotrotz müssen sich auch die Kletterer an den höchsten Bergen der Welt auf mehr Felspassagen als bisher und eine höhere Steinschlaggefahr einstellen. Und auf Extremwetterlagen, die bei der erwarteten weiteren Erwärmung des Weltklimas wohl häufiger auftreten werden.

Datum

1. Oktober 2013 | 14:44

Teilen