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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Lhotse-Südwand: Ehrenvoll gescheitert

Geplante Route der Koreaner

Geplante Route der Koreaner

Scheitern gehört zum Bergsteigen dazu. Wer noch nie erfolglos von einem Berg zurückgekehrt ist, hat entweder die Latte zu niedrig gelegt, geflunkert oder einfach nur verdammt viel Glück gehabt. Eine Beinahe-Garantie zu scheitern, bietet die Südwand des 8516 Meter hohen Lhotse in Nepal. Dutzende von Expeditionen blieben dort erfolglos. In diesem Herbst haben sich Bergsteiger aus Südkorea die Zähne an der Wand ausgebissen. Dennoch können sie erhobenen Kopfes zurückkehren. Sie haben wirklich alles versucht.

Hartnäckig

Sung Taek Hong

Sung Taek Hong

Geleitet wurde die Expedition von Sung Taek Hong. Der 48-Jährige hat bereits die drei Pole erreicht: 2005 den Nordpol, 1994 und 1997 den Südpol sowie im Herbst 1995 den „dritten Pol“, den Mount Everest, von der tibetischen Nordseite aus. Der Mann kennt sich also mit Kälte aus. Im November 2013 scheiterte Sung mit dem Versuch, den Achttausender Lhotse im Alleingang über die Normalroute zu besteigen. Und auch jetzt, ein Jahr danach, kehrte Sung ohne Gipfelerfolg vom Lhotse zurück. Sein sechsköpfiges Team hatte sich vorgenommen, die legendäre Südwand auf einer teilweise neuen Route zu durchsteigen. Seit August belagerten die Koreaner den Berg, wurden aber wiederholt durch schlechtes Wetter zurückgeworfen. Dennoch gaben sie nicht auf, stiegen immer wieder in die Wand ein und trotzten der permanenten Lawinengefahr (siehe Video unten).

Aufgabe nach drei Monaten

Sung und Co. quälten sich förmlich den Lhotse hinauf, kamen jedoch nur langsam voran. Immerhin gelang es ihnen, drei Hochlager auf 5800, 6800 und 7500 Meter zu errichten. Zuletzt lief ihnen die Zeit davon. Die Koreaner wagten einen Gipfelvorstoß, in dem Bewusstsein, dass dieser erste Versuch gleichzeitig der letzte sein würde. Doch auf knapp 7800 Metern Höhe mussten sich die Bergsteiger wegen starken Windes geschlagen geben. „Nach etwa 90 Tagen an der Lhotse-Südwand ist die ganze Mannschaft sicher zurückgekehrt“, schreibt Sung Taek Hong und wirkt erleichtert. „Zweimal traf uns die Hauptlast einer Lawine.“

Messner scheiterte zweimal an der Wand

Sung und seine Teamkollegen sollten sich nicht grämen. Mit ihrem Scheitern an der Lhotse-Südwand befinden sie sich in prominenter Gesellschaft. So musste sich 1975 ein starkes italienisches Team mit Reinhold Messner und Riccardo Cassin geschlagen geben. 1989 scheiterte Messner erneut an der Wand, im selben Jahr stürzte der Pole Jerzy Kukuczka aus etwa 8200 Meter Höhe in den Tod. 1990 verkündete der Slowene Tomo Cesen, er habe die Südwand als Erster durchstiegen, und das im Alleingang. Dokumentieren konnte der Bergsteiger diesen Erfolg nicht. Erste Zweifel an den Angaben Cesens äußerten der Ukrainer Sergej Bershov und der Russe Vladimir Karatayev, die im selben Jahr auf einer anderen Route durch die Wand stiegen. Ende 2006 meisterten Mitglieder einer japanischen Expedition die Lhotse-Südwand erstmals im Winter. Sie mussten 41 Meter unterhalb des Gipfels umdrehen, hatten jedoch den Gipfelgrat erreicht. Damit galt die Wand als durchstiegen.

Datum

19. November 2014 | 17:49

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