Matterhorn: „Zum Klettern okay, aber nicht sehr speziell“
Das Matterhorn war sein erster Viertausender. Dani Arnold war 18 Jahre alt, als er 2002 erstmals den Vorzeigeberg seines Heimatlands von der Hörnlihütte aus über die Normalroute bestieg. Heute gehört der 31-Jährige zu den besten Kletterer der Schweiz. Seitdem stand er „vielleicht acht Mal oben“ auf dem Matterhorn, schreibt mir Dani aus Pakistan, wo er mit den Huber-Brüdern und dem Österreicher Mario Walder derzeit versucht, erstmals die Nordwand des Siebentausenders Latok I zu durchsteigen. Für Furore sorgte Arnold bisher vor allem mit seinen Speedrekorden. Seit 2011 hält er den Rekord an der Eiger-Nordwand, die er über die Route der Erstbegeher in zwei Stunden und 28 Minuten durchstieg. Damit war Dani 20 Minuten schneller als der bisherige Rekordhalter Ueli Steck. Im April brach er auch Stecks Geschwindigkeitsrekord am Matterhorn: In einer Stunde und 46 Minuten kletterte Arnold durch die Nordwand, zehn Minuten schneller als Ueli im Jahr 2009. Das Matterhorn, 150 Jahre nach der Erstbesteigung, aus der Sicht eines Profi-Bergsteigers:
Dani, weltweit gilt das Matterhorn als Sinnbild für die Schweiz. Wie siehst du diesen Berg? Oder anders gefragt, was bedeutet er dir?
Es ist einer der schönsten Berge, von der Form her. Zum Klettern ist er okay, aber nicht sehr speziell. Der Fels ist auch nicht immer ganz fest.
Vor 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals durch die Seilschaft des Briten Edward Whymper bestiegen. Wie hoch war die sportliche Leistung, wenn man die damalige Ausrüstung berücksichtigt und bedenkt, dass die Gruppe ins Ungewisse stieg?
Es war natürlich eine beeindruckende Leistung! Respekt.
Die Erstbesteigung endete tragisch: Vier Bergsteiger stürzten in den Tod. Hat dieses Unglück den Mythos Matterhorn mitbegründet?
Ich denke schon. Meist sind Tragödien und Unglücke der Grund, dass die Berge diesen Mythos bekommen. Ist eigentlich übel, dass immer etwas passieren muss, bis die Öffentlichkeit Notiz nimmt.
Das Matterhorn ist ein kommerzieller Berg, rund 3000 Gipfelanwärter versuchen sich alljährlich an ihm. Teilt das Matterhorn das Schicksal anderer Prestigeberge wie Mont Blanc oder auch Mount Everest, an denen sich viele tummeln, die wegen mangelnder Fähigkeiten als Bergsteiger dort eigentlich nicht hingehören oder ist er dafür technisch zu schwierig?
Er gehört schon zu dieser Kategorie von bekannten Bergen, die viele Leute wegen des Namens anziehen. Dazu gehören schon auch viele Kletterer, die dort eigentlich nichts zu suchen haben.
Kein Jahr vergeht ohne tödliche Unfälle am Matterhorn. Würde es Sinn machen, die Zahl der Besteigungen zu beschränken?
Nein, das Wichtigste ist, dass das Bergsteigen frei bleibt. Das heißt, jeder kann dort klettern, wo er will. Dies ist ein Riesenprivileg. Jeder muss aber auch selber die Konsequenzen tragen.
Ist das Matterhorn, vor allem natürlich die Nordwand, nach wie vor ein Klassiker, der in der Vita eines Profibergsteigers nicht fehlen darf?
Jeder sollte die Wand geklettert haben. Jedoch muss man das schon relativieren. Die Nordwand ist eine klassische Tour, die viele Leute klettern können. Für uns (Profibergsteiger) ist sie aber eher einfach, verglichen mit jetzigen Projekten. Sonst hätte sich ja der Alpinismus seit der Erstdurchsteigung der Matterhorn-Nordwand nicht weiter entwickelt. 😉
Du hast im April einen neuen Speedrekord in der Nordwand aufgestellt, als du für die Route der Erstbegeher Franz und Toni Schmid (1931) nur eine Stunde und 46 Minuten gebraucht hast und damit zehn Minuten schneller warst als Ueli Steck. Warst du bei diesem Solo am Limit oder geht es noch schneller?
Es geht immer schneller. 🙂 Nein, es muss schon viel zusammenpassen. Ich muss fit genug sein. Die Verhältnisse müssen okay sein. Die Psyche muss stimmen, und ich muss motiviert sein. Meine Kletterzeit war zwar kurz, jedoch schon anstrengend. 😉
2010 und 2011 eröffnete der Italiener Herve Barmasse in der Südwand des Matterhorns noch zwei neue Routen. Doch solche Aktionen sind selten geworden. Ist das Matterhorn bergsteigerisch ausgereizt, sprich: Ist so gut wie alles gemacht, was machbar ist?
Das glaube ich nicht. Es ist schon so, dass die offensichtlichen Linien gemacht sind. Aber es gibt noch viel Platz. Viele denken, dass man nur noch im Himalaya etwas erleben kann. Und das stimmt nicht.
Wenn du dem Matterhorn etwas zum 150. Geburtstag der Erstbesteigung wünschen dürftest, was wäre das?
Ich habe eigentlich noch nie überlegt, was man einem Berg schenken kann. 🙂
P.S.: Damit endet meine kleine Serie zum 150-Jahr-Jubiläum der Matterhorn-Erstbesteigung.