More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

„Mückenstich“ Everest-Regeln

StechmueckeVerdammt, es juckt. Unvermeidlich wie der Mückenstich an einem schwülen Sommertag ist die alljährlich wiederkehrende Ankündigung der nepalesischen Regierung, neue Regeln für die Bergsteiger am Mount Everest aufzustellen. Wohlgemerkt die Ankündigung, nicht die Umsetzung. Auch dieses Jahr macht da keine Ausnahme. Sudarshan Prasad Dhakal vom nepalesischen Tourismus-Ministerium sagte dieser Tage der in Kathmandu erscheinenden Zeitung „The Himalayan Times“, die seit 2002 geltenden „Regeln für Bergsteiger-Expeditionen“ sollten geändert werden: Nach der Vorlage dürften Bergsteiger, die älter als 75 Jahre sind, den höchsten Berg der Erde künftig ebenso wenig besteigen wie beidseitig beinamputierte oder auch blinde Bergsteiger. Außerdem solle jeder Everest-Aspirant vorher mindestens schon einen Siebentausender bestiegen haben. Na, klingelt es? Déjà-vu?

Versandet

Genau! Im September 2015 hatte der damalige (inzwischen wieder ausgetauschte) Tourismusminister Kripasur Sherpa ziemlich genau diese Änderungen schon einmal ins Spiel gebracht. Wie eigentlich alle Everest-Reformvorschläge der Jahre zuvor war auch jener irgendwo auf dem weiten und beschwerlichen Weg durch die Regierungs-Instanzen hängen geblieben und versandet. Die Everest-Frühjahrssaison begann, ohne dass neue Regeln in Kraft getreten waren.

Dawa Steven Sherpa

Dawa Steven Sherpa

„Jedes Mal, wenn neue Bürokraten ihren Dienst antreten, bringen sie ihre eigene Interpretation der Politik ein und erlassen neue Regeln, fast immer irgendwelche Einschränkungen. Als wenn sie nun ihre Macht verspüren und ihre Spuren hinterlassen wollen“, schreibt mir Dawa Steven Sherpa, Geschäftsführer des nepalesischen Expeditionsveranstalters „Asian Trekking“. „Und üblicherweise rudert man irgendwann wieder zurück und findet einen Kompromiss. Das Traurige ist, dass man das Ganze auch erreichen könnte, indem man den Dialog mit den Interessenvertretern sucht und den nötigen Kompromiss erreicht, ohne weltweit Schlagzeilen zu machen und ohne das Bild einer rückwärts gewandten und törichten Regierung zu vermitteln.“

Keine Solos mehr?

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Nach dem „neuen“ Entwurf sollen Hubschrauberflüge oberhalb des Basislagers nur für Materialtransporte und Rettungsaktionen erlaubt sein. Letzteres war seit jeher so; Ersteres hatte die Regierung in der vergangenen Saison erstmals zugelassen.
Was die Verfasser der Vorlage damit meinen, dass jeder Everest-Bergsteiger nun auch einen Bergführer dabei haben müsse, erschließt sich nicht ganz. Sind damit nur Mitglieder kommerzieller Expeditionen gemeint oder wirklich alle? In dem Fall wären Solos wie das legendäre Reinhold Messners auf der Everest-Nordseite während des Monsuns 1980 auf der Südseite des Bergs für alle Zeiten ausgeschlossen.

Treppenwitz

Ach, und dann will die Regierung auch noch festschreiben, dass Sherpas, die den Everest bestiegen haben, ein Gipfelzertifikat erhalten. Das ist nun wirklich ein Treppenwitz. Bis zu diesem Jahr war genau das gängige Praxis – bis sich das Tourismusministerium plötzlich einfallen ließ, dass Sherpas nach den Buchstaben der geltenden Regeln keine regulären Expeditionsmitglieder seien und deshalb keinen Anspruch auf ein Zertifikat hätten. Und jetzt verkauft man es als großartige Neuerung, dass Sherpas doch ihre Urkunde erhalten sollen? Ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Dieser „Mückenstich“ juckt wirklich entsetzlich.

P.S.: Ich verabschiede mich nun für ein paar Tage ans Meer. 🙂 Ab Mitte nächster Woche bin ich wieder für euch da.

Datum

22. Juli 2016 | 15:30

Teilen