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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Nach der Lawine der Gipfel

Manaslu

Wo hört gesunder Ehrgeiz auf und fängt Pietätlosigkeit an? Eine Woche nach dem schweren Lawinenunglück am Manaslu, das mindestens elf Bergsteiger das Leben kostete, füllt sich das Internet mit Erfolgsmeldungen vom achthöchsten Berg der Erde. Am vergangenen Samstag erreichten fünf Mitglieder einer Schweizer Expedition den 8163 Meter hohen Gipfel. Am heutigen Montag wurde es dann richtig eng auf dem höchsten Punkt. Nach meiner Zählung (Stand 16.30 Uhr MESZ) müssten mindestens gut 30 Bergsteiger aus verschiedenen Expeditionen oben gestanden haben.

Glück?

„Kaum sind die Leichen weggeschafft, wird am nächsten Tag schon zum Gipfelgang geblasen“, regte sich vor einigen Tagen ein Internetnutzer in einem Alpin-Forum auf. Er bezog sich auf die Worte des Leiters der Schweizer Expedition. „Die große Lawine hat fast die gesamte Flanke vom Neuschnee befreit, und der Berg sieht nun von unten sehr sicher aus“, hatte der Österreicher Stephan Keck einen Tag nach dem Unglück festgestellt. „Na wenn das mal kein Glück ist!“, kommentierte der Kritiker mit bitterer Ironie.

„In Gedanken bei ihnen“

Ich habe mir daraufhin den besagten Tagesbericht des Expeditionsleiters genauer angesehen. Keck schreibt darin auch, dass sich der größere Teil seiner Gruppe (die bei dem Unglück keine Opfer zu beklagen hatte) für einen weiteren Gipfelversuch ausgesprochen habe: „Das mag jetzt eventuell nicht sehr menschlich ausschauen, wenn man den Verlauf der Dinge betrachtet. Doch haben wir feststellen müssen, dass es niemanden mehr lebendig macht, wenn wir nach Hause fahren. Auch wir haben Freunde und Bekannte bei diesem Unglück verloren. Falls wir den Gipfel erreichen, werden wir in Gedanken bei ihnen sein.“

Ungutes Gefühl

Ich hoffe, es war wirklich so. Kecks detaillierter Bericht über den Gipfelgang steht noch aus. In den zahlreichen Kommentaren zur Meldung über den Erfolg des Teams habe ich bisher noch kein Wort der Erinnerung an die Lawinenopfer gefunden. Stattdessen ist häufig von „Gipfelsieg“ oder „Gipfeleroberung“ die Rede. Das hinterlässt dann doch ein ungutes Gefühl. Bei mir jedenfalls.

Datum

1. Oktober 2012 | 16:41

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