Neue Kategorie: Flugunterstützte Everest-Besteigung?
Die Frühlingssaison am Mount Everest ist zu Ende, nicht aber die Diskussion darüber, was am höchsten Berg der Erde passiert ist. In Nepal hat die Luftfahrtbehörde eine Kommission eingesetzt, die genau klären soll, ob, wann und wie oft Hubschrauber eingesetzt wurden, um Teammitglieder der Chinesin Wang Jing und der brasilianisch-amerikanischen Bergsteigerin Cleo Weidlich nach Lager 2 auf 6400 Metern zu fliegen. Wang war am 23. Mai die Erste, die in diesem Frühjahr den Gipfel des Mount Everest erreicht hatte, kurz bevor die ersten Erfolge von der Nordseite aus vermeldet wurden. Weidlich hatte ursprünglich den Lhotse besteigen wollen, nach eigenen Worten aber nicht ernsthaft versucht, den Gipfel zu erreichen.
Pilot bestätigt Personentransport nach Lager 2
Der italienische Pilot Maurizio Folini hat nach Informationen der Zeitung Himalayan Times bestätigt, dass er Wang Jing am 10. Mai vom Basislager aus nach Lager 2 geflogen hat und sie am 25. Mai auch wieder mit dem Hubschrauber von dort abgeholt hat. Nach der Rückkehr nach Kathmandu soll die Chinesin angeblich gegenüber dem Tourismusministerium bestritten haben, selbst den Hubschrauber benutzt zu haben. Lediglich zwei Sherpas seien hinaufgeflogen worden. „Das klingt sehr nach Haarspalterei“, schreibt mir die legendäre Chronistin des Himalaya-Bergsteigens, Elizabeth Hawley. „Schließlich haben sie ihr beim Aufstieg geholfen.“ Bisher waren nur Rettungsflüge oberhalb des Basislagers zugelassen. Eine Ausnahme hatte die Regierung in diesem Frühjahr lediglich gemacht, um nach dem vorzeitigen Ende aller Expeditionen Material aus Lager zwei ausfliegen zu lassen.
Gute Idee
Ich hatte Elizabeth Hawley angeschrieben, weil ich mich scheute, Wang Jings Gipfelerfolg eine vollständige Everest-Besteigung zu nennen und wissen wollte, wie die 90 Jahre alte US-Amerikanerin in ihrer Chronik „Himalayan Database“ damit verfährt. „Du hast einen wichtigen Punkt ins Spiel gebracht, dass Bergsteiger Hubschrauber nutzen, um bei ihren Besteigungen gefährliches Terrain zu überfliegen“, schreibt mir Miss Hawley. „Wir bei Database denken, dass wir eine neue einschränkende Kategorie hinzufügen müssen, die wir vielleicht ‚flug-unterstützte Besteigung‘ nennen. Die würde auch auf Yuichiro Miuras Besteigung des Everest im Frühjahr 2013 zutreffen, als er sich von Lager 2 ins Basislager fliegen ließ, um den Eisbruch zu umgehen.“ Ich finde die Idee gut. Ich hatte schon damals nach der Aktion des 80-Jährigen Japaners, der im vergangenen Jahr einen Altersrekord aufgestellt hatte, hier im Blog gefragt, wie viel Heli denn am Everest sein dürfe. Nach dem Lawinenunglück vom 18. April stellt sich die Frage möglicherweise bald dringender denn je.
Update 8. Juni: Wang Jing hat inzwischen den Hubschrauberflug eingeräumt. „Die Sherpas standen unter großem mentalen Druck und hätten den Eisbruch nur widerwillig betreten“, sagte die 41-Jährige in einem Interview. „Mir war klar, dass unsere Entscheidung die Besteigung abwerten könnte, aber aus Sicherheitsgründen habe ich das in Kauf genommen.“