Quo vadis, Everest?
Die Lawine im Khumbu-Eisbruch am Karfreitag könnte zum tiefen Einschnitt in der Geschichte des Mount Everest werden. Erstmals seit dem Beginn kommerzieller Expeditionen zum höchsten Berg der Erde Ende der 1980er Jahre wird in diesem Frühjahr so gut wie sicher kein zahlender Kunde von der nepalesischen Seite aus den Gipfel erreichen. Die Saison ist beendet, nicht offiziell, aber de facto. Alle großen Expeditionsmannschaften haben das Basislager geräumt, viele Bergsteiger sind inzwischen in Kathmandu eingetroffen. Dort mehren sich Berichte, dass es massive Drohungen einer kleinen Gruppe von Sherpas gegen jene Landsleute gegeben habe, die trotz des Lawinenunglücks mit 16 Toten am Berg bleiben wollten. Auch westliche Bergsteiger wurden offenbar bedroht.
Kleine gewaltbereite Gruppe
“Den Sherpas der Teams wurde gesagt, ihre Beine würden gebrochen, wenn sie Kunden auf den Everest führten“, schreibt der US-Amerikaner Greg Paul, der mit Himalayan Experience unterwegs war, in seinem Blog. „Die Expeditionen wurden mit Verweis auf die Macht der Sherpas aufgefordert, das Basislager innerhalb von Tagen zu verlassen, andernfalls werde es Konsequenzen geben, möglicherweise einschließlich Gewalt.“ Auch Mitglieder anderer Expeditionen berichten über eine kleine gewaltbereite Gruppe, die Druck ausgeübt habe.
Nicht abgeschreckt
Schon 2013 hatten sich Risse in der früher so homogenen Gemeinschaft der Sherpas gezeigt. Nach einem Streit am Berg waren die europäischen Bergsteiger Ueli Steck, Simone Moro und Jon Griffith in Lager 2 von einem Sherpa-Mob getreten, geschlagen und mit dem Tod bedroht worden. Die nepalesische Regierung hatte daraufhin angekündigt, 2014 einen Wachposten im Basislager zu etablieren. Der sollte jedoch erst Anfang Mai öffnen. Die wenigen Sicherheitskräfte, die schon im April vor Ort waren, schreckten die gewaltbereite Clique offenkundig nicht ab.
Keine Rechtfertigung für Gewalt
Der 18. April war ein schwarzer Freitag in der Geschichte des Everest und eine Tragödie für die Familien der 16 Opfer. Völlig zu Recht wurde innegehalten, um zu trauern. Und auch mit Recht wurde von Seiten der Sherpas eine bessere finanzielle Absicherung für solche Unglücksfälle gefordert. Durch nichts zu rechtfertigen ist jedoch Gewalt am Everest – und auch nicht, damit zu drohen. Möglicherweise schneidet sich jene aggressive Sherpa-Minderheit nicht nur ins eigene Fleisch, sondern auch in das der friedlichen Mehrheit. Einige Veranstalter denken laut darüber nach, ob sie in Zukunft auf die tibetische Nordseite wechseln oder sogar den Everest ganz aus ihrem Programm nehmen.