Riskante Suche am Nanga Parbat
Nüchtern betrachtet, kann es eigentlich keinen Zweifel geben: Der Spanier Alberto Zerain und der Argentinier Mariano Galvan sind vor gut zwei Wochen am Nanga Parbat bei einem Lawinenunglück am Mazeno Grat ums Leben gekommen. Auf Fotos, die der rumänische Bergsteiger Alex Gavan aus einem Rettungshubschrauber heraus gemacht hat, sieht man, dass die Spur der beiden genau an der Abrisskante einer Lawine endet. Die letzte Position, die der GPS-Tracker der Bergsteiger zeigte, ist eine Stelle weit unterhalb, in der mutmaßlichen Absturzlinie. (siehe auch das Video unten) Und doch sucht derzeit ein achtköpfiges pakistanisches Team an der Stelle, wo die Lawine abging, erneut nach den Vermissten. „Wir sind von der Südseite aus dem Grat entgegengestiegen und haben uns die Wand aus der Nähe angesehen“, ließ der Leiter des Suchteams heute wissen. „Wir können die Traverse erkennen, die Mariano genommen hat. Wir können auch den Grat sehen, von dem eine große Menge Eis abgebrochen ist, die wahrscheinlich die Bergsteiger in den sehr spaltenreichen Gletscher mitgerissen hat. Drei von uns werden versuchen, über den Südwestgrat, drei von Südosten her aufzusteigen.“
Schamane träumte von Galvan in Höhle
Familie und Freunde Galvans haben zusammengelegt, um die 38.000 Dollar teure neuerliche Suchaktion zu finanzieren. Spanische Medien berichteten, Galvans Mutter habe zuvor einen Schamanen konsultiert. Der habe geträumt, dass Mariano in einer Höhle eingeschlossen sei. Auch ein kubanischer Hellseher will Galvan lebend in einer Höhle visualisiert haben. Selbst wenn der Argentinier den eigentlichen Lawinenabgang auf diese Weise überlebt haben sollte, wäre er jetzt, mehr als zwei Wochen nach dem Unglück, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot – erstickt oder erfroren. Lawinenretter wissen, dass die Bergung Verschütteter ein Wettlauf gegen die Zeit ist. Bereits nach zwei Stunden leben, statistisch gesehen, nur noch etwa sieben Prozent der Lawinenopfer, und auch nur dann, wenn ihre Atemhöhle eine Verbindung nach außen hat.
Gavan: „Unverantwortlich“
Vor diesem Hintergrund erscheint die Suche in dem lawinengefährdeten, spaltenreichen Gebiet unterhalb des Mazeno-Grats nicht nur sinnlos, sondern auch fahrlässig. Alex Gavan, der die Rettungsbemühungen direkt nach dem Verschwinden Zerains und Galvans vom Basislager aus koordiniert hatte und in einem der Rettungshubschrauber mitgeflogen war, brachte es auf den Punkt: Die neuerliche Suche sei „unverantwortlich, weil sie das Leben weiterer Menschen gefährdet.“ Eine ähnliche Diskussion hatte es im vergangenen Frühjahr am Mount Everest gegeben, als Sherpas in einer höchst riskanten Aktion einen tödlich abgestürzten Inder aus einer Höhe von 8400 Metern geborgen hatten. Nicht nur die Familie des Bergsteigers, auch die indische Botschaft in Kathmandu hatte zuvor Druck auf den nepalesischen Expeditionsveranstalter ausgeübt.