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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Rückblick am Tag, der in Samoa keiner ist

Sonnenuntergang im Südpazifik

Die spinnen, die Samoaner. Klauen sich selbst einen Tag, nämlich den heutigen. Der Staat im Pazifik wechselte über die Datumsgrenze, sparte sich also ganz einfach den 30. Dezember. Angeblich aus wirtschaftlichen Gründen, doch wahrscheinlich eher, weil die Samoaner stets die Letzten waren, die Silvester feierten. Jetzt gehören sie zu den Ersten, haben also die Prophezeiung  „Die Letzten werden die Ersten sein“ eigenmächtig erfüllt. Mir ist der Tag viel zu schade, als dass ich ihn einfach wegschenken würde. Eigentlich ist der Jahresausklang doch eine herrliche Zeit. Selbst die Arbeit ist wie Urlaub. Das Telefon steht (fast) still, Konferenzen fallen aus. Zeit darüber nachzudenken, was das ablaufende Jahr an großen Abenteuern gebracht hat.

Gerlindes großer Coup

Gerlinde am Ziel

Im Profibergsteigen war Gerlinde Kaltenbrunners Erfolg am K 2 für mich der absolute Höhepunkt 2011. Die inzwischen 41 Jahre alte Österreicherin, die in Deutschland lebt, bestieg mit dem Polen Darek Zaluski und den Kasachen Vassiliy Pivtsov und Maxut Zhumayev den zweithöchsten Berg der Erde: von der chinesischen Seite aus, auf der anspruchsvollen Route über den Nordsporn. Gerlinde ist damit die erste Frau, die alle 14 Achttausender ohne Flaschen-Sauerstoff bestiegen hat – eine großartige Leistung. Nicht verschweigen will ich, dass auch Pivtsov und Zhumayev ihre Achttausendersammlung vervollständigten. Zu dem exklusiven Club der 28, die alle 8000er – ob mit oder ohne Atemmaske – bestiegen, gehören seit diesem Jahr auch mit Mingma Sherpa der erste Nepalese sowie der Italiener Abele Blanc und der Südkoreaner Kim Jae-Soo, die beide schon über 50 Jahre alt sind.

G II im Winter, Putha Hiunchuli im Herbst

Während des Gipfelversuchs am Putha Hiunchuli

Herausheben will ich auch die erste Winterbesteigung eines Achttausenders im Karakorum. Die gelang dem Italiener Simone Moro, dem Kasachen Denis Urubko und dem Kanadier Cory Richards am Gasherbrum II. Ich bin gespannt, wie weit Simone und Denis in diesem Winter am Nanga Parbat kommen. Der „Nackte Berg“ ist bisher in der kalten Jahreszeit unbestiegen.

Für mich persönlich war natürlich die Expedition zum Siebentausender Putha Hiunchuli das große Abenteuer des Jahres 2011 – auch wenn ich am 20. Oktober nicht den Gipfel erreichte, sondern auf 7150 Metern umkehren musste. Wäre ich ein Samoaner, würde ich die Erdachse so weit für gekippt erklären, bis der von mir erreichte Punkt auf dem Gipfelgrat der höchste wäre. Aber erstens bin ich kein Samoaner, und zweitens spinne ich.

Datum

30. Dezember 2011 | 18:30

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