Temba Tsheri Sherpa – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Zu jung für Todesgefahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/zu-jung-fuer-todesgefahr/ Thu, 06 Aug 2015 13:30:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30253 Tyler Armstrong (2013 am Aconcagua)

Tyler Armstrong (2013 am Aconcagua)

Tyler Armstrong will den Rekord. Oder sind es vielleicht doch eher seine Eltern, die es wollen? Oder alle drei? Wie auch immer, die Familie des elfjährigen (!) US-Amerikaners hat angekündigt, dass Tyler im nächsten Frühjahr versuchen werde, den Mount Everest zu besteigen. Verrückt! Dann wäre Tyler zwölf Jahre und vier Monate alt, anderthalb Jahre jünger als sein Landsmann Jordan Romero, der 2010 den Everest von Tibet aus bestieg und seitdem als jüngster Besteiger des höchsten Bergs der Erde geführt wird.

Tränen im Hochlager

Jordan Romero (2010)

Jordan Romero (2010)

Schon damals gab es – wie ich finde, absolut notwendig – eine Debatte darüber, ob es verantwortbar ist, dass ein so junger Mensch auf den Everest steigt und dabei sein Leben riskiert, womöglich noch angetrieben von überehrgeizigen Eltern. Ein Bergsteiger, der 2010 auch am Everest unterwegs war, erzählte mir, dass Jordan im Zelt auf 7000 Metern Höhe bitterlich geweint habe und seine Eltern ohne Unterlass auf ihn eingeredet hätten. Später wiederholte Romero gebetsmühlenartig, es sei sein eigener Wunsch gewesen, den Everest zu besteigen.

Butterweiche Regel

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Als Reaktion auf die weltweite Kritik am Aufstieg des Teenagers verkündete die China Tibet Mountaineering Association im Sommer 2010, dass sie künftig nur noch Everest-Permits für Bergsteiger ausstellen werde, die älter als 18 Jahre sind. Allzu lange wurde die Regel jedoch nicht eingehalten. 2014 bestieg die Inderin Malavath Poorna von Tibet aus den Everest. Mit 13 Jahren und elf Monaten war sie nur einen Monat älter als Romero und wurde so die jüngste Frau oder eher das jüngste Mädchen, das jemals auf dem Dach der Welt stand.

Wenn Tyler Armstrong sich im nächsten Frühjahr wirklich auf den Weg zum Everest machen sollte, wird er – wenn überhaupt – wohl auch nur auf der tibetischen Nordseite eine Chance erhalten. In Nepal gilt nach den Regeln für Expeditionen, die seit 2002 unverändert Bestand haben, ein Mindestalter von 16 Jahren.

Temba Tsheri: „Zu wenig Erfahrung“

Temba Tsheri Sherpa

Temba Tsheri Sherpa

So alt, nämlich 16 Jahre, war im Mai 2001 Temba Tsheri Sherpa, als er von Süden aus als damals jüngster Bergsteiger aller Zeiten zum Gipfel des Everest aufstieg. „Ich denke, ich hatte damals nicht genug Erfahrung. Das war mein erster Versuch überhaupt an einem Achttausender“, sagt mir der 30-Jährige im Rückblick selbstkritisch. „Ich hätte eigentlich vorher mehr Bergerfahrung sammeln müssen.“ Auf meine Frage, ob er sein eigenes Kind so früh auf den Everest steigen lassen würde, antwortet Temba Tsheri: „Vielleicht nicht.“

Der Sherpa war immerhin ein Jugendlicher, als er den Everest bestieg. Tyler Armstrong wäre dagegen als Zwölfjähriger immer noch ein Kind. Als solches verspricht ihm die UN-Kinderrechtskonvention „wegen seiner mangelnden körperlichen und geistigen Reife“ besonderen Schutz und besondere Fürsorge. „Wenn man die Gefahr als Kriterium nimmt, müsste Tylers Aufstieg verboten werden. Denn sein Leben ist am Everest gefährdet”, findet Temba Tsheri.

Ausnahme-Permits

Tylers Eltern scheinen sich nicht um die Gesundheit ihren Filius‘ zu sorgen. Armstrong bestieg 2012 schon als Achtjähriger den Kilimandscharo, den mit 5895 Metern höchsten Berg Afrikas, ausgestattet mit einem „Special Permit“, weil die Altersgrenze dort eigentlich bei zehn Jahren liegt. Auch am 6962 Meter hohen Aconcagua, dem höchsten Berg Südamerikas, erwirkten die Eltern eine Ausnahme vom Alterslimit 14 Jahre. Ende 2013 wurde Tyler der jüngste Aconcagua-Besteiger aller Zeiten: mit neun Jahren. Und jetzt auf den Everest? Wenn das so weiter geht, wird bestimmt demnächst im Basislager eine Kindertagesstätte aus der Taufe gehoben, für die ganz jungen Gipfelaspiranten. Direkt neben dem Seniorenzentrum, für die Ü80er, die sich den Altersrekord schnappen wollen.

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Temba Tsheri Sherpa: „Die Menschen haben immer noch Angst“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-temba-tsheri-sherpa-erdbeben/ Wed, 27 May 2015 11:22:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29673 Temba Tsheri Sherpa

Temba Tsheri Sherpa

Als Temba Tsheri den Gipfel des Mount Everest erreichte, war er gerade einmal 16 Jahre und 14 Tage alt.  Der nepalesische Schüler aus dem Rolwaling-Tal hatte sich einem französischen Team angeschlossen, das von der tibetischen Nordseite auf den Gipfel des Everest kletterte. Damals, im Jahr 2001, war er der jüngste Bergsteiger aller Zeiten auf dem höchsten Berg der Erde. (Neun Jahre später wurde er vom 13-jährigen US-Amerikaner Jordan Romero abgelöst.) Bereits im Frühjahr 2000 hatte Temba versucht, den Everest von der Südseite aus zu besteigen. Kurz unterhalb des Gipfels hatte er umkehren müssen, weil ihn ein Stau am Hillary-Step zu viel Zeit gekostet hatte. Er bezahlte das Abenteuer mit dem Verlust von fünf Fingern, an denen er sich Erfrierungen zugezogen hatte.

Später studierte Temba Tsheri Sherpa an der Universität der chinesischen Stadt Wuhan, anschließend machte er sich selbstständig und organisierte Expeditionen. Als am 25. April das verheerende Erdbeben Nepal traf, war er Geschäftsleiter von „Dreamers Destination“, einem Veranstalter in Kathmandu, der gerade mit einer großen Expeditionsgruppe am Everest war. Die riesige Lawine, die durch die Erdstöße am Pumori ausgelöst wurde und das Everest-Basislager traf, kostete drei von Tembas ausländischen Kunden und zwei seiner nepalesischen Mitarbeiter das Leben. Ich habe den 30 Jahre alten Sherpa nach der Lage in seinem Heimatland einen Monat nach dem Erdbeben gefragt.

Temba, wie sieht deine persönliche Bilanz der Erdbebenkatastrophe aus?

Ich blicke zum ersten Mal in meinem Leben einer solchen Katastrophe ins Auge. Ich habe es mir niemals vorstellen können. Wir haben zwei Häuser verloren, eines im Dorf Tashinam-Gauri Shankar, in dem ich geboren wurde, und eines in Jagat, wo meine Eltern ein kleines Gasthaus für Trekkingtouristen betrieben. Zusätzlich habe ich mein Geschäft verloren, meine Freunde und Kunden im Everest-Basislager. Ich habe die komplette Ausrüstung verloren, für die wir fünf Jahre lang hart gearbeitet hatten.

Das Basislager nach der Lawine vom Pumori

Das Basislager nach der Lawine vom Pumori

Was bedeutet das für deine Zukunft und für jene deines Unternehmens „Dreamers Destination”?

Ich habe ein wenig Sorgen, dass Trekkingtouristen und andere Reisende befürchten könnten, dass Nepal kein sicheres Reiseziel mehr ist. Aber ich bin sicher, dass sich alles wieder zum Guten wendet. Wir haben immer noch viele Dinge anzubieten, die Touristen genießen können.  Jetzt ist unser kleines Land noch bekannter geworden, die Menschen wissen nach der Katastrophe mehr über Nepal. Deshalb bin ich mir sicher, dass noch mehr Leute hierher kommen wollen. Aber für „Dreamers Destination” arbeite ich nicht mehr. Aus persönlichen Gründen.

Du lebst in Kathmandu, aber du kommst aus dem Rolwaling-Tal und hast Kontakt zu Menschen überall im Land. Wie ist die Lage einen Monat nach dem verheerenden Erdbeben?

Die Menschen haben immer noch Angst, deshalb leben sie draußen in Zelten. Tag für Tag spüren wir die Erdstöße, weiterhin fallen Gebäude in sich zusammen, immer noch sterben Menschen. Die Straßen sind blockiert. Meine Familienmitglieder, die im Dorf leben, haben bisher keine ausreichende Hilfe erhalten. Bald geht ihnen das Essen aus. Sie sind wirklich besorgt, weil der Monsun vor der Tür steht.

Zerstörtes Haus in Sangachok

Zerstörtes Haus in Sangachok

Kommt die Hilfe dort an, wo sie am meisten gebraucht wird? Und wenn nicht, warum?

Ehrlich gesagt, habe ich keine Zeit gehabt, mich intensiv mit den Hilfsaktionen zu beschäftigen, weil ich zu viel mit dem Everest zu tun hatte. Ich musste mich um die Verletzten kümmern, die ganze Angelegenheit regeln, damit bin ich immer noch beschäftigt. Aber natürlich höre ich einiges über die Hilfsaktionen. Ich weiß, dass es viele INGOs (Internationale Nicht-Regierungsorganisationen) und NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) gibt, die helfen wollen. Aber das können sie nur dort, wo ihnen Fahrzeuge zur Verfügung stehen, um die vom Beben betroffenen Orte zu erreichen und ihre Hilfsgüter zu transportieren. Einige Leute verschaffen sich einen Vorteil: Sie horten Geld und Hilfsgüter und verteilen sie an ihre Familien.

Im vergangenen Jahr endete die Bergsteiger-Saison am Everest, nachdem bei einer Lawine im Khumbu-Eisbruch 16 Nepalesen ums Leben gekommen waren. In diesem Jahr war vorzeitig Schluss, weil eine durch das Beben ausgelöste Lawine das Basislager traf und 19 Menschen tötete. Kein Bergsteigen, das bedeutet auch kein Einkommen für viele Familien. Wie ist die Stimmung unter den Sherpas?

In der derzeitigen Lage machen sie sich mehr Sorgen um das Erdbeben, weil sie jetzt ihr Obdach verloren haben.

Zwei Katastrophen in zwei aufeinander folgenden Jahren, wie geht es mit dem Everest-Bergsteigen auf der nepalesischen Seite weiter?

Ich glaube nicht, dass es einen negativen Effekt geben wird. Die Menschen mögen das Bergsteigen immer noch und werden es auch weiterhin tun, weil jeder weiß, das Klettern gefährlich ist und möglicherweise auch Leben kosten kann. Alljährlich sterben Menschen in den Bergen, es mag sein, dass es im vergangenen und in diesem Jahr einige mehr als sonst waren. Aber Jahr für Jahr sterben Menschen in Lawinen.

Der neue nepalesische Tourismusminister (Kripa Sur Sherpa wurde am vergangenen Freitag ernannt.) ist wie du ein Sherpa. Was erwartest du von ihm?

Ich hoffe, dass er für die Sherpa-Bergsteiger kämpft. Sherpas klettern seit Generationen. Sie riskieren ihr Leben und andere streichen den Profit ein. Und dabei werden Sherpas nur als Träger wahrgenommen, was falsch ist. Sie haben ihr Leben verloren, und niemand kümmert sich um ihre Familien und Kinder. Ich erwarte von der Regierung, dass sie ihnen angemessene Unterkünfte verschafft und für die Erziehung der Kinder sorgt.

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