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Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Zwei Kölsch zu viel

Stefan beim Hypoxie-Training

Schweißtreibende Angelegenheit

„Heute machen wir Intervall-Training“, schlägt Sybille Pfau vor. Die Sportwissenschaftlerin überwacht mein Training im Institut Höhenbalance in Frechen vor den Toren Kölns. Oje, denke ich. Gestern abend im Brauhaus habe ich mindestens zwei Kölsch mehr getrunken, als es sich in der Vorbereitungszeit auf eine Expedition eigentlich gehört. Ich stehe auf dem Laufband, eine Atemmaske vor Nase und Mund. Ein Kompressor entzieht der Luft diesmal so viel Sauerstoff, dass eine Höhe von 2800 Metern simuliert wird. 40 Minuten dauert die Trainingseinheit. Nach einer zehnminütigen Phase des Einlaufens soll ich regelmäßig zwischen schnellem und normalem Tempo wechseln, in den letzten zehn Minuten dann auslaufen. Das Band startet.

Kontrollierter Diebstahl

Natürlich würde ich lieber in den Alpen Höhenluft schnuppern. Aber ein Flachland-Tiroler wie ich, der 600 Kilometer nördlich der Berge lebt und arbeitet, kann eben nicht permanent Richtung Süden düsen, um sich auf eine Expedition vorzubereiten. Das so genannte „Hypoxie -Training“ bietet mir eine brauchbare Alternative. Im Prinzip führe ich meinen Körper gezielt hinters Licht, indem ich ihm – natürlich kontrolliert – Sauerstoff stehle. Der Betrogene weiß sich keinen anderen Rat, als schneller zu atmen und die Durchblutung zu erhöhen. Es bilden sich neue rote Blutkörperchen – fast so, als stiege ich auf einen Berg.

Geißböcke in der Höhenkammer

„Es scheint wohl so eine Art Hypoxie-Gedächtnis zu geben“, erklärt Diplom-Sportlehrer Harry Mutschler, Mitarbeiter von Höhenbalance. „Die Sauerstoff-Armut wirkt ja im ganzen Körper, also auch im Gehirn. Dort gibt es offenbar Rezeptoren, die sich an den Mangel erinnern und entsprechend schneller reagieren.“ Das Prinzip wirkt wohl auch bei Geißböcken. Mein Leib-und-Magen-Fußballverein 1. FC Köln gehört jedenfalls zu den Kunden des Instituts. In einer Höhen-Trainingsanlage auf dem Vereinsgelände können Poldi und Co. sich auf bis zu 4000 Meter hinaufschwindeln. War dünne Luft womöglich der Grund für den gestrigen grandiosen 4:1-Erfolg im rheinischen Derby bei Bayer Leverkusen?

Harry Mutschler erklärt, wie Hypoxietraining funktioniert

Profibergsteiger noch zurückhaltend

Einige Leistungssportler vertrauen inzwischen auf Hypoxie-Training, neben Fußballern vor allem Radprofis und Triathleten. Auch bei Trekkingtouristen, die in der Ebene wohnen, wird diese Form der Vorbereitung auf große Höhen immer beliebter. Profibergsteiger hielten sich noch eher zurück, erzählt Mutschler. Sie hätten offenbar Bedenken, dass sich die Methode nicht mit der Ethik des sauberen Bergsteigens verbinden lasse. „Ich finde es viel verwerflicher, wenn sich Profis am Berg Tabletten einwerfen, als wenn sie sich in künstlicher Höhe vorbereiten“, sagt Mutschler. Vielleicht erwecken ja  die eingesetzten Atemmasken den Eindruck, als werde hier gedopt. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall. Beim Hypoxie-Training wird kein künstlicher Sauerstoff hinzugefügt, sondern natürlicher abgezogen.

Verstößt Hypoxie-Training gegen die Ethik des Sports?

Schweißgebadeter Elefant

Stefan zeigt Puls-Oxymeter nach Hypoxie-Training

Der Elefant lässt grüßen

Endlich, geschafft! Nach 40 Minuten, die gefühlt nicht enden wollten, wird das Laufband langsamer und bleibt schließlich stehen. Ich bin schweißgebadet. Sybille Pfau misst Puls und Sauerstoff-Gehalt im Blut. „84 Prozent Sättigung, perfekt!“, findet die Sportwissenschaftlerin. „Und wie fühlen Sie sich?“ Ich gestehe, dass ich ziemlich fertig bin und wahrscheinlich die Zeche für den Kneipen-Abend habe zahlen müssen. „Hypoxie-Training ist auch gut gegen Kater“, antwortet Sybille lächelnd.

Datum

17. September 2011 | 20:38

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