Gelesen – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gelesen: Heute gehen wir Wale fangen https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-heute-gehen-wir-wale-fangen/ Wed, 10 Jan 2018 11:33:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39109 Sie ist eine Kidnapperin. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. Schon einmal hatte mich Birgit Lutz in die Arktis entführt, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Jetzt hat sie es wieder getan – diesmal nach Ost-Grönland. Anderthalb Tage lang saß ich gefesselt in meinem Wohnzimmersessel und war kaum ansprechbar. Nachts träumte ich von Grönland. Und konnte mich erst wieder anderen Dingen widmen, als ich die letzte der 437 Seiten von „Heute gehen wir Wale fangen …“  gelesen hatte. Das nenne ich ein gutes Buch.

Welt der Gegensätze

2013 durchquerte die deutsche Journalistin und Abenteurerin Grönland mit Skiern und Schlitten. Als Birgit Lutz am Ende der Expedition im Osten der Insel eintraf, schwor sie sich zurückzukehren, um dort in die Welt der Inuit einzutauchen. Dreimal innerhalb eines Jahres reiste sie nach Ostgrönland, für insgesamt drei Monate. In der Region leben gerade einmal 3000 Menschen – 2000 in der Kleinstadt Tasiilaq, der Rest verstreut in einigen mehr oder weniger verlassenen Dörfern. Lutz schildert eine Welt der Gegensätze: hier eine atemberaubend schöne Natur mit Fjorden, Eisbergen und Nordlicht, dort Müllkippen und verwaiste Militärstützpunkte, die vor sich hin gammeln und rosten; hier lebensfrohe, gastfreundliche Grönländer, dort eine der höchsten Selbstmordraten der Welt und Inuit, die ihre Angst vor der Zukunft mit Alkohol ertränken.

Reisende im besten Sinne

Birgit Lutz spricht nicht nur mit den Ostgrönlandern, sondern teilt auch ihr Leben, geht mit ihnen fischen und Robben jagen, Schlitten fahren, feiert und trauert mit ihnen. Mehr als einmal muss sie dabei über den Schatten ihrer eigenen Sozialisation springen, zum Beispiel wenn sie die gefangenen Fische selbst töten und ausnehmen soll. Die 43-Jährige ist eine Reisende im besten Sinne. Mit aufmerksamen Sinnen und offenem Herz lässt sie sich auf die neue Umgebung und die fremden Menschen ein. Sie trifft einen Jäger, der selbst noch in einem der längst verschwundenen traditionellen Erdhäuser aus Steinen und Torf aufgewachsen ist. Sie spricht mit dem Priester, dem Dorfpolizisten, der Ladenbesitzerin, der zweitjüngsten Abgeordneten des grönländischen Parlaments und vielen anderen.

Es geht um alles

Lutz lässt die Ostgrönländer ausführlich zu Wort kommen, unkommentiert, eins zu eins. Sie erzählen von ihrem Leben, ihren Erwartungen, Ängsten und Träumen. Und ihrer Zerrissenheit: Einerseits lieben sie ihre Heimat, andererseits spüren sie, wie ihnen das traditionelle Leben, das die Inuit seit Jahrhunderten geführt haben, unwiederbringlich durch die Finger rinnt. Selbst weggehen löst den Widerspruch nicht. „Wer von hier fortzieht, der zieht aus einem Zeitalter in ein anderes, und in dem einen Leben ist nichts so wie in dem anderen“, schreibt Birgit Lutz. „Hier geht es um viel mehr als um das Vermissen einer Landschaft. Es geht um alles.“ Eine Kultur stirbt.

Ich kann euch nur raten: Lasst euch auch von meiner Kidnapperin nach Ostgrönland entführen! Ihr werdet viel lernen und möglicherweise auch die eine oder andere vorgefasste Meinung, etwa zu Walfang oder Robbenjagd, revidieren.

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Gelesen: Meine Glückseligkeit an der Grenze zum Tod https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-meine-glueckseligkeit-an-der-grenze-zum-tod/ Wed, 06 Dec 2017 18:09:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38761 Ein Buch wie eine Direttissima durch eine Felswand – immer geradeaus, keine Ausflüchte, keine Kompromisse. Tamara Lunger mag vieles sein, aber sicher keine Diplomatin. „Ehrlichkeit“, schreibt die 31 Jahre alte Extrembergsteigerin aus Südtirol, stehe „ganz oben auf der Liste der Dinge, die für mich eine Bedeutung haben“. Das dürfte einerseits den Umgang mit ihr nicht immer bequem machen, andererseits wird wohl niemand behaupten können, er wisse nicht, woran er bei ihr sei. Das gilt auch für „Meine Glückseligkeit an der Grenze zum Tod“, Tamaras erstes Buch, dessen Lektüre ich euch – trotz des etwas sperrigen Titels – unbedingt empfehle. Weil es spannend, gut geschrieben und eben grundehrlich ist.

Gott im Ohr

Erfolgsteam: Alex, Tamara, Simone, Ali (v.l.)

Tamara Lunger ist die Fast-Wintererstbesteigerin des Nanga Parbat. Nur 70 Meter unter dem 8125 Meter hohen Gipfel in Pakistan kehrt sie um, weil ein Satz „dröhnend meinen Geist umschließt“, wie die Südtirolerin schreibt: „Wenn du auf den Gipfel steigst, wirst du nicht mehr nach Hause kommen …“.  Es geht ihr schlecht an diesem 26. Februar 2016. Alles, was sie isst oder trinkt, erbricht sie sofort wieder. Trotzdem kämpft sie sich weiter hoch – bis zu dem Umkehrpunkt knapp unterhalb des Gipfels. Gott habe in diesem Augenblick zu ihr gesprochen, ist Tamara überzeugt. Sie steigt ab – auch um ihre Teampartner Simone Moro, Alex Txikon und Muhammad Ali „Sadpara“, die an diesem Tag den Gipfel erreichen und Alpingeschichte schreiben, nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Zwischen Leben und Tod

Tamara Lunger

Kurz vor dem letzten Hochlager rutscht Tamara nach dem Sprung über eine Gletscherspalte aus und stürzt den steilen Hang hinab. Sie sieht dem Tod ins Auge. „Im Grunde habe ich immer gewusst, dass es eines Tages passieren könnte und jedes Mal, wenn ich auf Expedition gehe, bereite ich mich darauf vor. Aber meine Liebe zu den Bergen ist viel stärker. Die Berge geben mir so viel, um nicht zu sagen alles, und im Gegenzug bin ich bereit, für all dies zu sterben“, beschreibt Lunger diesen Moment zwischen Leben und Tod. „Ich schreie nicht, fluche nicht, ich stürze, aber in meinem Innern bin ich unbeschwert und gelassen.“

Dominante Liebe

Die Winterexpedition zum Nanga Parbat steht im Mittelpunkt von Tamaras Buch, doch der Leser erfährt auch, warum sie so geworden ist, wie sie heute ist. Offen beschreibt sie, wie sie als Kind eine Riesenangst vor Männern hatte; wie sie lernen musste, mit ihrem unbändigen Ehrgeiz umzugehen; wie schwer sie sich mit Beziehungen tut, weil ihre Liebe zu den Bergen so dominant ist. Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ein weiteres Zitat einfügen, lasse es aber. Lest das Buch doch einfach selbst! Es lohnt sich. Ehrlich!

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Gelesen: Schwarzes Wasser https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-schwarzes-wasser/ Sun, 04 Jun 2017 14:36:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36567 Ich war weit weg. Die Frau mit dem Ausweis am Band um den Hals stupste mich an. Ich entschuldige mich, kramte meine Bahnfahrkarte heraus und zeigte sie ihr. Ich saß im Zug, hörte auf dem Kopfhörer Musik, aber eigentlich auch wieder nicht. Denn ich las das kleine, aber feine Büchlein „Schwarzes Wasser“ von Thomas Ulrich und Birgit Lutz. Ich kannte diese wahre Geschichte. Schließlich war Thomas im Frühjahr 2009 mein Expeditionsleiter, der es mir ermöglichte, auf Skiern, einen Schlitten hinter mir herziehend, den Nordpol zu erreichen. Vor, während und nach unserem Ausflug auf das arktische Eis hatten wir viel Zeit, unsere Lebensgeschichten auszutauschen. Und diese war eine, die Ulrich tief geprägt hat.

Allein auf der Eisscholle

Im Frühjahr 2006 wollte der Schweizer die gesamte Arktis durchqueren, solo, ohne Unterstützung von außen, 1800 Kilometer von der russischen bis zur kanadischen Küste. Doch es ging gleich zu Beginn der Expedition so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte. Der Hubschrauberflug zum Startpunkt seines Marsches verzögerte sich. Damit verschlechterten sich die Eisbedingungen. Trotzdem zog Ulrich los. Einen Tag später saß der Abenteurer fest. Im Sturm, auf einer gerade mal 20 Zentimeter dicken Eisscholle, die – soviel war klar – nicht mehr allzu lange halten würde. Per Satellitentelefon versuchte Thomas, Hilfe herbeizurufen. Doch die Mühlen der russischen Bürokratie mahlten langsam. Ulrich war klar, er würde sehr viel Glück brauchen, um dieses Abenteuer zu überleben. 89 Stunden schlief er nicht. Dann …

Schleimigschmierigschwappend“

Nein, mehr wird nicht verraten. Es war nicht nur das Eis, das unter Ulrich wegbrach. Sein ganzes Leben geriet aus den Fugen, weil ihm plötzlich klar wurde, dass er auch im normalen Alltag nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher. Die Journalistin Birgit Lutz, selbst eine Arktis-Abenteurerin, erzählt Thomys spannende Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl und einer bildgewaltigen Sprache. Habt ihr schon mal ein „schleimigschmierigschwappendes Geräusch“ gehört, das entsteht, wenn Eisschollen „aneinanderreiben, quietschen und sausen“?

Die Frau im Zug mit dem Ausweis um den Hals war übrigens gar keine Kontrolleurin, sondern eine Frau auf Dienstreise. Sie wollte mich nur bitten, meinen Rucksack wegzunehmen, damit sie sich neben mich setzen konnte. Als ich ihr meine Fahrkarte zeigte, sorgte ich für Heiterkeit im Abteil. „Da sehen sie mal, wie weit ich gerade weg war“, erklärte ich mein verpeiltes Verhalten und zeigte auf mein Buch: „Ich war in der Arktis, auf einer Eisscholle.“

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Gelesen: Der nächste Schritt https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-der-naechste-schritt/ Sun, 04 Dec 2016 16:08:45 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34363 Buch_Steck_Der_Naechste_SchrittGestern war wieder mal so ein Abend in meiner Heimatstadt Köln. Nebel, keine fünf Meter Sicht, dazu knackig kalt, glatte Straßen. Ein Wetter, wie es herrschte, wenn in den Edgar-Wallace-Filmen meiner Kindheit die Mörder ihr Unwesen trieben. Ein Wetter, bei dem du keinen Hund vor die Tür schicken, geschweige denn einen Fuß vor dieselbe setzen würdest. Ein Wetter, um sich einen Jagertee aufzugießen, sich in den Sessel zu setzen und zu einem guten Buch zu greifen. Wie dem neuen Buch von Ueli Steck, „Der nächste Schritt“, das er in bewährter Zusammenarbeit mit der Autorin Karin Steinbach verfasst hat.

Leben geriet aus dem Ruder

Seit vielen Jahren ist Ueli eine feste Größe im Extrembergsteigen, sei es wegen seiner Speedbegehungen in den Alpen oder seinen großartigen Projekten im Himalaya. Der Schweizer, der Anfang Oktober seinen 40. Geburtstag feierte, gehört unbestritten zu den besten Bergsteigern der Welt. Steck hat viele Glanzlichter gesetzt. Dass ausgerechnet sein bisher wohl größter Erfolg, die Solodurchsteigung der Annapurna-Südwand im Herbst 2013  auf einer im oberen Bereich neuen Route, ihn in eine tiefe persönliche Krise stürzte, dürfte vielen so noch nicht bekannt sein. „Ich hatte Angstzustände“, schreibt Ueli. „Mein Leben geriet aus dem Ruder, für Monate.“

Auge in Auge mit dem Tod

Steck war sich bewusst, dass er die Schraube bei diesem Projekt eigentlich überdreht hatte. Dass er „Auge in Auge mit dem selbst verschuldeten Tod gestanden“ hatte. Wenige Monate zuvor, im Frühjahr 2013, war Ueli im Everest-Hochlager von einem aufgebrachten Sherpa-Mob beinahe gelyncht worden. Auch damals hatte er dem Tod ins Gesicht geblickt, jedoch auf eine andere Art und Weise. Steck beschreibt in seinem Buch offen und ehrlich, wie er sich in extremen Situationen wie diesen gefühlt hat. Und es gab weitere in den vergangenen Jahren.

Der Mensch hinter der „Maschine“

Auch seine alpinen Leistungen kommen in dem Buch nicht zu kurz, etwa wenn Ueli von seinen Besteigungen der 82 Viertausender der Alpen in 61 Tagen berichtet. Der Leser erfährt, wie Steck tickt und kann möglicherweise hinterher auch besser nachvollziehen, dass Ueli schon einige Kletterpartner „verschlissen“ hat, weil sie schlicht seinem Tempo, seinen Fähigkeiten am Berg oder auch seinen hohen Ansprüchen an sich selbst nicht gewachsen waren. Und doch wird ihm nach der Lektüre auch klar geworden sein, dass hinter der „Swiss Machine“, wie Ueli gerne genannt wird, ein sensibler Mensch steckt.

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Gelesen: Besser Tiger als Schaf https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-besser-tiger-als-schaf/ Mon, 19 Sep 2016 15:23:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33611 Gelesen_Porter_MacIntyreHeute möchte ich euch zu einer Zeitreise einladen. Nicht ins Jahr 1991, in dem heute vor 25 Jahren Ötzi aus dem Gletschereis gesägt wurde (das könnt ihr heute überall nachlesen 😉 ). Nein, noch weiter zurück: in die 1970er Jahre, als Himalaya-Bergsteiger noch „Freibeuter“ waren, wie es John Porter beschreibt. Der gebürtige US-Amerikaner ging damals nach Großbritannien, um nicht nach Vietnam zu müssen, und tauchte in die britische Kletterszene ein, die damals wirklich wie ein Piratenschiff wirkte: ein Haufen junger Kerle, wild, frech, ambitioniert, mittellos, auf Berg-Beute aus. Porter freundete sich mit Alex MacIntyre an und begann mit ihm zu klettern – bis zu MacIntyres Tod 1982 an der Annapurna-Südwand. Alex wurde nur 28 Jahre alt. John Porter hat lange mit sich gerungen, ehe er zur Feder griff, um seine Erinnerungen an seinen alten Freund und Bergpartner mit der Öffentlichkeit zu teilen. Im englischsprachigen Original ist das Buch bereits preisgekrönt, dank Jochen Hemmlebs Übersetzung liegt es jetzt auch in deutscher Sprache vor.

Fels wie Marmorkuchen

Nachdem sie an den Felswänden Großbritanniens und der Alpen zu starken Kletterern gereift sind, schließen sich MacIntyre und Porter Ende der 70er Jahre – mitten im kalten Krieg – mit den polnischen Bergsteiger-„Freibeutern“ um Wojciech, genannt „Voytek“ Kurtyka zusammen, um gemeinsam den Hindukusch und den Himalaya unsicher zu machen. 1977 durchsteigen sie als Erste die Nordostwand des über 6800 Meter hohen Kuh-e Bandaka, über Fels „wie krümeliger alter Marmorkuchen“ (Porter), während um sie herum so viele Steine herunterdonnern, dass sie sich vorkommen wie in einem „Zyklotron“, einem Teilchenbeschleuniger. Beinahe noch gefährlicher wird das Nachspiel der Expedition in Afghanistan, über das ich an dieser Stelle jedoch nichts verrate.

Nur Pech?

MacIntyre wird als Kletterer immer besser, besonders im Eis. Er progagiert und praktiziert den Alpinstil: sauber, schnell, leicht, im kleinen Team. Weitere Erfolge schließen sich an: Die Erstbegehung des Südsporns am Changabang in Indien (6864 Meter), der Ostwand des Dhaulagiri (8167 Meter) – und der Südwand der Shishapangma (8027 Meter). Spätestens mit diesem letztgenannten Coup ist Alex in der absoluten Weltspitze der Kletterer angekommen. Und er will noch eins draufsetzen: an der Annapurna-Südwand. Ist es wirklich nur Pech, dass ihn ein Stein tödlich am Kopf trifft? Zu Füßen des Achttausenders erinnert eine Gedenktafel an Alex MacIntyre, darauf die Aufschrift: „Es ist besser, einen Tag als Tiger gelebt zu haben, als tausend Jahre lang als Schaf.“ Die Kurzfassung dieser tibetischen Weisheit („Lieber Tiger als Schaf“) ist der Titel von John Porters Buch, das ihr euch wirklich nicht entgehen lassen solltet.

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Gelesen: Leidenschaft fürs Leben https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-leidenschaft-fuers-leben/ Fri, 11 Sep 2015 09:26:24 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30553 Gelesen_Leidenschaft-fuers-Wieder einmal bin ich befangen. Schließlich hat mich Luis Stitzinger als Expeditionsleiter im Juli 2014 auf den 7129 Meter hohen Gipfel des Kokodak Dome im Westen Chinas geführt. Seitdem darf ich mich „Erstbesteiger“ nennen, sogar einen Eintrag im renommierten American Alpine Journal hat uns die Expedition eingebracht. Kann ich vor diesem Hintergrund das Buch verreißen, das Luis und seine Ehefrau Alix von Melle über ihre Bergabenteuer geschrieben haben? Natürlich nicht, aber – Luis, ruhig Blut, war nur ein Scherz! 🙂 – das ist auch gar nicht nötig. Ganz im Gegenteil. Das Buch ist gut geschrieben und extrem kurzweilig.

Berg-Liebesbeziehung

Seinen besonderen Reiz bezieht „Leidenschaft fürs Leben“ durch die beiden unterschiedlichen Perspektiven, aus denen die Berggeschichten erzählt werden. Hier Luis, aus einer Bergsteiger-Familie, ein Kind der Berge, dem Klettern und Skifahren in die Wiege gelegt waren. Dort Alix, geboren und aufgewachsen im hohen deutschen Norden, nahe Hamburg, wo man die Berge nur vom Hörensagen kennt. Alix‘ Liebe zu den Bergen wuchs langsam, dann aber umso heftiger. 1997 kreuzten sich die Wege der beiden. In den Bergen, wo sonst? Und aus der gemeinsamen Leidenschaft für das Bergsteigen entwickelte sich eine Liebesbeziehung.

Auf Skiern durch die Diamir-Flanke

Alix von Melle und Luis Stitzinger

Alix von Melle und Luis Stitzinger

Heute sind die 44 Jahre alte Alix und der 46-jährige Luis ein bergsteigendes Ehepaar, haben jeweils sechs der 14 Achttausender bestiegen, fünf davon gemeinsam. Alix ist damit, gemessen an der Zahl der Achttausendergipfel, auf denen sie gestanden hat, die erfolgreichste Höhenbergsteigerin Deutschlands. Luis hat mit Skiabfahrten von den Bergriesen im Himalaya und Karakorum für Schlagzeilen gesorgt. So gelang ihm 2008 in Pakistan die erste Skiabfahrt durch die zentrale Diamir-Flanke des Nanga Parbat – nachdem er erst eine Gruppe auf den Gipfel geführt und dann auch noch mit einem Freund die Überschreitung des legendären Mazeno-Grates angegangen war, ein Projekt, das sie erst kurz vor dem Gipfel des Nanga Parbat hatten abbrechen müssen.

Mit Verstand und Gefühl

Wenn sie gemeinsam versuchen, Achttausender zu besteigen, sind Alix und Luis auf den Normalwegen unterwegs, verzichten aber auf Flaschensauerstoff. 2014 mussten sie am Makalu am geplanten Gipfeltag umkehren, weil Alix Symptome eines lebensbedrohlichen Höhenlungenödems zeigte. Es ist spannend, zu lesen, wie beide als Ehepartner mit solchen kritischen Situationen umgehen, wie die Gefühle füreinander die Entscheidungen beeinflussen. Alix und Luis sind erfrischend bodenständig geblieben, keine Spur von Star-Allüren, zu denen der eine oder andere Profibergsteiger zuweilen neigt. Vielleicht liegt das auch daran, dass die beiden allenfalls „Halbprofis“ sind: Sie haben zwar Sponsoren, müssen aber immer noch kräftig aus der eigenen Kasse draufzahlen, um ihre Expeditionen zu finanzieren.

Kurzum, ich kann euch das Buch – wenn auch befangen, aber wirklich guten Gewissens – ans Herz legen. Und das, obwohl die Erstbesteigung des Kokodak Dome mit keinem Wort erwähnt wird. Aber auf der Innenseite des hinteren Buchkartons ist „unser“ Berg immerhin markiert. 😉

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Gelesen: Herausforderung 8000er https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-herausforderung-8000er/ Mon, 27 Jan 2014 10:29:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25181 Herausforderung-8000er.nwuDas Problem von Nachschlagewerken ist, dass ihre Halbwertzeit kurz ist. Kaum in Druck gegangen, sind sie in Details schon wieder überholt. Dieses Dilemma hat sich im elektronischen Zeitalter verstärkt. Veränderungen vollziehen sich immer rasanter. Das hat dazu geführt, dass traditionsreiche Lexikon-Verlage pleite gegangen sind. Das Internet scheint das einzige Medium zu sein, das in der Lage ist, diese Kurzatmigkeit abzubilden. Dennoch empfehle ich euch heute mit „Herausforderung 8000er“ ein Buch, das zwar im Augenblick auf aktuellem Stand ist, womöglich in ein paar Wochen – sollten etwa Simone Moro und David Göttler bei ihrer Winterexpedition am Nanga Parbat erfolgreich sein – schon nicht mehr ganz.

Topaktuell (Stand jetzt)

Jochen Hemmleb ist zu verdanken, dass „On Top of the World”, das Standardwerk zu den Achttausendern aus der Feder der US-Autoren Richard Sale und George Rodway, jetzt endlich auch auf Deutsch erschienen ist. Hemmleb hat das Original nicht nur übersetzt, sondern auch so ergänzt, das es bei Drucklegung im Oktober 2013 topaktuell war und, Stand jetzt, auch noch ist. Selbst Ueli Stecks Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand hat Hemmleb noch verarbeitet. Dieser Meilenstein der jüngsten Geschichte des Himalaya-Bergsteigens findet sich auch im umfangreichen, übersichtlichen Statistik-Teil, den der akribische Chronist Eberhard Jurgalski beigesteuert hat. Jeder, der sich intensiver mit Achttausender-Bergsteigen beschäftigt, kennt Eberhards Internetseite 8000ers.com, die ein wahres Füllhorn an Informationen ist.

Alle Achttausender-Routen

In diesem Buch findet ihr also nicht nur spannende Geschichten aus allen Epochen des Achttausender-Bergsteigens, sondern auch jede Menge Datenmaterial. So könnt ihr zum Beispiel nachschlagen, welcher Achttausender die höchste Todesrate hat, wer wann welche Route eröffnet hat und wer im kalendarischen oder meteorologischen Winter an den höchsten Bergen erfolgreich war. Freuen werdet ihr euch sicher auch über die großformatigen Bilder der Achttausender, auf denen alle Routen eingetragen sind, die bis zum Herbst 2013 eröffnet wurden. Wer sich diese Übersichten im Internet zusammensuchen will, hat lange zu tun.

Winziger Wermutstropfen

Ich sage voraus, dass ihr auch nach der erstmaligen Lektüre immer wieder zu „Herausforderung 8000er“ greifen werdet. Es hat wegen seiner Informationsfülle das Zeug zum 8000er-Buch der Bücher – vorausgesetzt, es gibt spätestens alle ein bis zwei Jahre eine aktualisierte Neuauflage. Dann sollte man vielleicht auch im Kapitel über den Manaslu die verheerende Lawine im September 2012 am Manaslu erwähnen, in der elf Bergsteiger ihr Leben ließen. Ein winziger Wermutstropfen.

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Gelesen (und mit dem Autor gesprochen): Das größere Wunder https://blogs.dw.com/abenteuersport/glavinic-das-groessere-wunder-interview/ Wed, 16 Oct 2013 08:23:03 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23777

Thomas Glavinic auf der Buchmesse

Für einen guten Roman bin ich immer zu haben – und wenn er dann noch am Everest spielt! Dass beides zusammen kommt, ist selten. Ich möchte euch „Das größere Wunder“ aus der Feder von Thomas Glavinic ans Herz legen. Romanheld Jonas will als Kunde einer kommerziellen Expedition den Mount besteigen. Seine Erlebnisse am höchsten Berg der Erde bilden den Rahmen für eine starke Geschichte, in der gelebt, geliebt und auch gestorben wird. Mehr verrate ich nicht. Immerhin: Glavinics Roman gehörte zu den 20 Werken, die für den Deutschen Buchpreis 2013 nominiert wurden. Ich habe den 41 Jahre alten Österreicher auf der Frankfurter Buchmesse getroffen.

Thomas Glavinic, zunächst einmal Glückwunsch! Ich glaube, das ist das erste Everest-Buch, das es auf die Kandidatenliste des Deutschen Buchpreises geschafft hat.

Ich glaube, es gibt auch nicht so wahnsinnig viele Romane, die am Everest spielen. Da gab es nicht so viel Konkurrenz.

Wie hoch war der höchste Berg, den Sie bestiegen haben?

Das muss die Rax gewesen sein, 2500 Meter oder so ähnlich.  (Anm. Der höchste Punkt des Massivs an der Grenze zwischen Steiermark und Niederösterreich, die Heukuppe, ist 2007 Meter hoch.)

Ihr Romanheld Jonas besteigt den Mount Everest. Warum musste es denn gleich der höchste Berg der Erde sein?

Erstens weil mich der Everest schon seit der Kindheit fasziniert und ich über keinen anderen Berg so viel gelesen habe. Zweitens weil diese Geschichte ja von einem Menschen handelt, der die Welt bereist und sehr viele Abenteuer erlebt. Geführte Touren gibt es zwar auch an anderen Achttausendern, aber die meisten meines Wissens nach doch am Everest. Da kann man schon mal reinstolpern, so wie er es tut. Dann zahlt man 50.000 Dollar oder Euro oder etwas in dieser Preiskategorie und kann sich de facto auch hochschleppen lassen.

Sie sagen der Everest hat Sie schon immer fasziniert. Was genau daran?

Ich war sechs Jahre alt, als Messner und Habeler da oben die ersten Menschen ohne künstlichen Sauerstoff waren. Das wurde damals in den Sportnachrichten im Fernsehen gezeigt. Mich haben diese Menschen fasziniert, die so anders waren. Wenn sie geredet haben, hat man gemerkt, dass sie psychisch ein bisschen anders strukturiert waren als Skifahrer, die sich einfach nur einen Berg herunterschmeißen. Das waren denkende, tiefsinnige Menschen. Und dann kommt so einer mit einem eisverkrusteten Gesicht herunter und sagt: Na ja, es war so und so und wir hätten es fast nicht geschafft. Also, ein Kind findet das faszinierend.

Thomas Glavinic: Das waren denkende, tiefsinnige Menschen

Jonas ist von Kind auf ein Abenteurer. Er wagt lebensgefährliche Dinge, verliert sogar bei einem Abenteuer seinen besten Freund.  Er ist eigentlich immer auf der Überholspur, auf der Kante und man fragt sich: Wie kann er das überhaupt überleben? Liegt für Sie der Reiz des Abenteuers darin, dass es in gewisser Weise sinnfrei ist?

Sinnfrei? Das stelle ich infrage. Wenn ich selbst etwas gemacht habe, was ein bisschen an der Kante war, hat es mich weitergebracht. Das heißt nicht, dass ich jeder Art von Adrenalinkick das Wort reden möchte. Ich kann mit sehr vielen Dingen, wie Bungeejumping oder so, nichts anfangen. Aber ich glaube, dass man an die eigenen Grenzen gehen sollte, immer wieder mal. Das ist nicht sinnfrei, sondern macht einen zu einem anderen Menschen. Ich glaube, das ist nicht das Schlechteste.

Sie beschreiben in Ihrem Buch sehr eindringlich und detailgetreu, wie man sich als Bergsteiger in großer Höhe fühlt. Woher haben sie diese Informationen?

Ich habe 15 Jahre so ziemlich alles gelesen, was es darüber zu lesen gibt und jede Dokumentation gesehen, die es zu sehen gibt. Außerdem war ich mit einem in Österreich durchaus bekannten Höhenbergsteiger befreundet, mit Gerfried Göschl, der auch ohne künstlichen Sauerstoff auf dem Everest war. (Anm. Göschl wird seit März 2012 am Achttausender Gasherbrum I in Pakistan vermisst). Aber seine Erzählungen haben mir interessanterweise nicht sehr viel Neues gebracht, sondern mir eher – und das war extrem wichtig –  das Gefühl vermittelt, wie so jemand tickt. Aber die sachlichen Details kann man sich zusammenlesen. So wie Karl May das gemacht hat, auch wenn es bei dem ein bisschen schief gegangen ist. (lacht)

Haben Sie Ihr Buch von Bergsteigern gegenlesen lassen?

Ich habe es versucht. Ich habe mehreren geschrieben, ich habe keine Antwort erhalten. Aber da es nach dem Erscheinen schon einige Bergsteiger gelesen haben, bin ich mir relativ sicher, dass es weitgehend fehlerfrei ist.

Ich bin beim Lesen über die „Inford-Skala“ gestolpert , mit der man angeblich die Lebensgefahr eines Abenteuers einordnen kann. Gibt es die wirklich?

Nein, reine Erfindung.

Sie haben sich ja überhaupt einige Freiheiten genommen. Manchmal habe ich gedacht, in Ihrem Roman steckt ein bisschen Märchen, andererseits wirkt es aber auch sehr realistisch. Wollten Sie diese Mischung?

Darüber habe ich mir nicht wirklich den Kopf zerbrochen. Ich wollte, dass das Buch in sich funktioniert, dass es stimmig ist. Mir persönlich gehen Märchen schrecklich auf die Nerven. Als Kind habe ich mich vor eigentlich jedem Märchen nur gefürchtet. Vielleicht hat das Buch auch diesen märchenhaften Zug, weil darin vieles vorkommt, was mir ein bisschen Angst macht. Klar war, dass es ein Liebesroman sein muss. Ich wollte viel über Liebe erzählen und außerdem etwas über die Überwindung von Angst. Das musste zusammen stimmen. Ob jetzt alles „reality-proved“ ist, überlasse ich anderen. Es ist Literatur, da kann man schon ein paar Sachen machen.

Große Angst hat Ihre Hauptfigur Jonas aber nicht. Er steigt ja wider alle Vernunft auf. Er ist eigentlich krank. Man sagt ihm, er solle unten bleiben und er geht trotzdem los.

Ja, aber Leute machen ständig Sachen, die sie nicht machen sollten, wo andere sagen: Bitte tu das nicht! So sind wir. Ich kenne fast niemanden, der das nicht schon gemacht hat, wider alle Vernunft ein hohes, vielleicht zu hohes Risiko einzugehen. Und manchmal zahlt man halt dafür einen Preis. Aber mein Gott, was wäre die Welt, wenn wir es nicht tun würden? Ich mag solche Leute.

Thomas Glavinic: Wider alle Vernunft

(An dieser Stelle führte ich einige Details vom Schluss des Buchs an, bis Glavinic rief: Spoiler-Alarm! Sie verraten zu fiel! Deshalb lasse ich die Einzelheiten hier weg.) Das Ende wirkt fast schon ein bisschen kitschig.

Es ist ein Liebesroman. Wenn das jemand kitschig findet, soll es so sein. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass Liebe immer ein bisschen kitschig ist. Es gehört dazu. Ich finde das keinen schlimmen Vorwurf.

Es gibt auch Kritiker, die ihnen vorhalten, sie hätten in ihrem Buch viele Klischees bedient. Denken Sie, dass der Everest so etwas wie ein Wirklichkeit gewordenes Klischee ist?

Viel Verkehr auf der Normalroute

Ich frage ich mich, wie viel Ahnung die Leute haben, die mir Klischees vorwerfen. Ich habe mich über die Realität erkundigt. Ich weiß ein bisschen darüber Bescheid und habe ja mit Leuten geredet, die dort waren. Der Everest ist nun einmal ein Feld, auf dem sich Leute verwirklichen wollen und nicht nur das, sie wollen sich profilieren. Sie wollen, dass auf ihrer Visitenkarte Everest-Besteiger steht. Da gibt es einen Haufen Glücksritter, Leute, die als Bergsteiger dort oben nichts verloren haben. Mich faszinieren die echten Bergsteiger, die alleine hinaufsteigen, ohne Kilometer von Fixseilen und Sherpas, die sie hochtragen, ihren Rucksack oder was auch immer. Ich war noch nicht dort, aber ich glaube, dass es sich wirklich nicht um Klischees handelt. Deswegen prallt der Vorwurf ein bisschen an mir ab.

Thomas Glavinic: Ein Haufen Glücksritter

Nachdem Sie sich jetzt 15 Jahre mit der Materie beschäftigt und ein Buch darüber geschrieben habe. Juckt es Sie nichts, wenigsten einmal in dieses Everest-Basislager zu gehen, um zu gucken, wie nahe sie an der Wirklichkeit waren?

Ja, ungeheuer. Das Problem ist nur, dass mein Lebenswandel es vermutlich nicht zulässt. Ich glaube, es gehört eine gewisse körperliche Fitness dazu, und wenn man ständig nur auf Lesereisen ist, kriegt man das nicht hin. Von meiner ganzen Psychostruktur bin ich so gebaut, dass ich so etwas nur mit einem Freund angehen würde, zu dem ich dann sage: Jetzt machen wir diesen Quatsch! Denn eigentlich habe ich keine Ahnung, warum ich da hochsteigen soll. Ich muss anderen nicht erzählen können, dass ich irgendwo gewesen bin. Wenn überhaupt, mache ich es für mich. Und momentan bin ich noch nicht so weit zu sagen, ich brauche das für mich. Bei dem Gedanken an einen zwei oder dreiwöchigen Trek wird mir ganz anders. Mir wird, ehrlich gesagt, schon schlecht, wenn ich nur daran denke, zwei Stunden zu gehen.

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Gelesen: Machtkampf am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-machtkampf-am-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-machtkampf-am-everest/#comments Wed, 25 Sep 2013 11:11:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=23361 Warnung: Das ist keine Rezension! Ich bin diesmal völlig distanz-, scham- und prinzipienlos, befangen, verwickelt. Deshalb dürfte ich euch diese Anthologie (für alle Nichtgriechen: eine Blütenlese, sprich Sammlung ausgewählter Texte verschiedener Autoren) zum Sherpa-Angriff am Mount Everest eigentlich gar nicht ans Herz legen. Ich mache es trotzdem. Warum? Lupenreine PR.

Vielschichtiges Bild

Weil es auch zwei Artikel aus meinem Blog „Abenteuer Sport“ in die Sammlung geschafft haben: ein damals, Ende April, aktueller Beitrag kurz nach der Attacke gegen Simone Moro, Ueli Steck und Jonathan Griffith sowie ein Interview, das ich Anfang Mai mit Hans Kammerlander führte. Dazu gibt es noch jede Menge andere Ansichten und Draufsichten. Die direkt Betroffenen äußern sich, Sherpas, Expeditionsveranstalter, berühmte Bergsteiger. In der Summe ergibt sich ein vielschichtiges Bild des Ereignisses, das weltweit für Schlagzeilen sorgte. Also kauft euch gefälligst dieses wunderbare, einmalige, unverwechselbare, bahnbrechende, literaturnobelpreisverdächtige Büchlein! 😉

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Gelesen: Die Besteigung des Rum Doodle https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-die-besteigung-des-rum-doodle/ Fri, 14 Jun 2013 14:57:55 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22233 Ich gestehe, dass ich die Bar eher kannte als das Buch. Das „Rum Doodle“ in Thamel, dem Touristenviertel Kathmandus, ist ein beliebter Treffpunkt für Bergsteiger aus aller Welt. Dort kannst du die Unterschriften vieler Everest-Helden bewundern. Wer den höchsten Berg der Erde bestiegen hat, speist im „Rum Doodle“ lebenslang umsonst. Ihren Namen hat die Bar von einem echten Klassiker unter den Bergbüchern, den es jetzt endlich auch in deutscher Übersetzung gibt. 1956, drei Jahre nach der Erstbesteigung, erschien „The Ascent of Rum Doodle“. Der Autor hieß William E. Bowman und war ein englischer Bauingenieur, der gerne auf der Insel wanderte und dem die damals üblichen heroisierenden Expeditionsberichte ziemlich auf den Senkel gegangen sein müssen. In seinem Buch zog Bill nämlich alles, was den Himalaya-Bergsteigern seiner Zeit als heilig galt, gnadenlos durch den Kakao: Heldenmut, Kameradschaft, political correctness. 

Ein Haufen Anti-Helden 

Bei Bowman ist nichts korrekt, vielmehr alles albern und herrlich überzeichnet. Die Helden sind gleichzeitig Antihelden: Expeditionsleiter „Binder“ (wir erfahren nur seinen Codenamen für den Funkverkehr), der seine Führungsrolle überaus ernst nimmt, aber eigentlich nie im Bilde ist; der starke Mann Burley, der an allen nur möglichen Schwächezuständen leidet; der Fotograf Shute, der jede Aufnahme versaut; der Pfadfinder Jungle, der sich permanent verläuft; oder auch Expeditionsarzt Prone, der als Einziger ständig krank ist. Ein Haufen skurriler Gestalten, die sich nun aufmachen, erstmals den Rum Doodle zu besteigen, den höchsten Berg der Erde. 

Rülpsen gehört zum guten Ton 

40.000 ½ Fuß (12192,15 Meter) misst der Rum Doodle und liegt in Yogistan. Die Sprache der Menschen dort gehört zur „aneroid-megalithischen“ (flüssigen, aus großen Steinen bestehenden) Familie,  kommt ohne Verben aus und wird ganz aus dem Magen gesprochen. Rülpsen gehört also zum guten Ton. Auch sonst werdet ihr viel lernen. Dass ein Spaltensturz als Champagner-Sauforgie enden kann. Oder dass ein Expeditionskoch zuweilen zur größten Gefahr wird, vor der es nur eine Rettung gibt: die Flucht nach oben.

Mehr wird nicht verraten. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert. Ich lache auch über die Marx Brothers oder Mr. Bean – nur damit ihr wisst, auf welche Art Humor ihr euch einstellen müsst. Darauf könnt ihr jetzt einen Rum doodeln.

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Gelesen: Briefe vom Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-briefe-vom-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-briefe-vom-everest/#comments Mon, 10 Jun 2013 13:22:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22137 Das 60-Jahr-Jubiläum der Erstbesteigung hat auf dem Buchmarkt eine regelrechte Lawine von Everest-Büchern ausgelöst, aus der ich mich erst peu à peu befreie. Ans Herz legen möchte ich euch heute George Lowes „Briefe vom Everest“. Dort gibt es das Abenteuer von 1953 aus erster Hand. Der Neuseeländer Lowe war ein enger Freund Edmund Hillarys. Ihm galten Eds legendäre erste Worte, nachdem er mit Tenzing Norgay vom Gipfel zurückkehrte: „George, wie knocked the bastard off!“ (George, den Bastard haben wir erledigt!) Lowe schrieb regelmäßig an seine älteste Schwester Betty. Diese hatte den Auftrag, per Hand je zwei Kopien der Briefe anzufertigen, für den Fall, dass das Original verloren gehen sollte. Weitere Kopien per Schreibmaschine gingen an enge Freunde. Ein früher Newsletter.

Über 20 Kilo auf dem Rücken

Lowes Briefe dokumentieren eindrucksvoll, wie gut die Expeditionsmannschaft als Team funktionierte. An keiner Stelle findet sich auch nur ein Anflug von Neid, weil George nicht zu einem der beiden Gipfelteams gehörte. Dabei leistete Lowe Außergewöhnliches, vor allem beim Spuren und Lastentransport in der Lhotse-Flanke, meist ohne Flaschensauerstoff. „Ich war erpicht darauf, auf den South Col zu gelangen“, räumt George allerdings ein. Vier Tage und fünf Nächte verbrachte er schließlich auf dem Südsattel und brachte eine Last von 22 Kilogramm hinauf zu Hillarys und Tenzings letztem Lager auf 8500 Metern. Hillary schulterte sogar 29(!) Kilo.

Bergnässer

Mit viel Humor und Selbstironie beschreibt Lowe das Expeditionsleben am Everest und lässt keinen Zweifel daran, dass er daran vor allem eines hatte: einen Riesenspaß. Schmunzeln musste ich über die von George zitierten Worte des Expeditionsleiters John Hunt, nachdem dieser völlig erschöpft aus einer Höhe von 8340 Metern zum Südsattel zurückgekehrt war: „Weißt du, was am schlimmsten ist, wenn man völlig kaputt ist? Man pinkelt sich in die Hose und kann nichts dagegen tun.“

Aus anderem Holz gestrickt

Ein Foto im Buch zeigt George Lowe auf dem Südsattel, nicht ausgezehrt wie die meisten anderen Bergsteiger in dieser großen Höhe, sondern freundlich lächelnd wie auf Sommerfrische – und das nach allen Strapazen, die schon hinter ihm lagen. Als alter Mann erlebte Lowe aus der Ferne auch noch die langen Schlangen von Bergsteigern auf der Everest-Normalroute mit. „Vielleicht ist das bis zu einem gewissen Grad unsere Schuld – wir öffneten ihnen die Tür, wiesen den Weg“, schreibt George im Nachwort, lässt aber gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass er und seine Gefährten 1953 aus anderem Holz gestrickt waren. Sie hätten die Herausforderung auf eine „unverbildete Art“ angenommen: „mit Bedacht und Entschlossenheit, hoch erhobenen Hauptes, einen Schritt vor den anderen setzend.“ George Lowe starb – wie berichtet – am 20. März im Alter von 89 Jahren. Schön, dass seine Briefe in diesem Buch fortbestehen.

P.S. Ich würde gerne wieder im Wettbewerb um den „Online-Star 2013“ meinen Hut in den Ring werfen. Im letzten Jahr schaffte es „Abenteuer Sport“ unter die Top Ten der Blogs und landete dort schließlich im Mittelfeld. Die genaue Platzierung darf ich nicht bekannt geben :-(, weil nur die ersten drei veröffentlicht werden sollen. Es handelt sich um eine Publikumswahl. Wenn euch mein Blog gefällt, stimmt bitte für ihn. So geht’s: Auf die Wettbewerbsseite (hier) gehen und den Button „Zur Vorwahl“ drücken. Der Rest ergibt sich eigentlich von selbst. Die Kategorie wäre „Private blogs“ (im Gegensatz zu Commercial Blogs). Da müsstet ihr dann die Blog-Adresse http://blogs.dw.com/abenteuersport eingeben. Die Vorrunde endet am 30. Juni. Bitte weitersagen! Tausend Dank!

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Gelesen: Everest 1953 https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-everest-1953/ Fri, 26 Apr 2013 07:56:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21249 Wäre ich ein Lehrer und behandelte im Unterricht die Erstbesteigung des Mount Everest 1953, würde ich dieses Buch zur Pflichtlektüre machen. Viel mehr als der Gipfelerfolg an sich und die Tatsache, dass die Meldung darüber rechtzeitig zur Krönungsfeier von Queen Elizabeth II. in London eintraf, ist im allgemeinen Bewusstsein kaum hängen geblieben. Das dürfte sich nach der Lektüre von „Everest 1953“ ändern. Der Schriftsteller, Filmemacher und Bergsteiger Mick Conefrey hat in bester britischer Reportermanier alle Fakten der Expedition zusammengetragen, die letztlich am 29. Mai 1953 zur Erstbesteigung durch den Neuseeländer Edmund Hillary und den Sherpa Tenzing Norgay führte.

Nicht gentlemanlike

Conefrey schildert detailreich die Begleitumstände der Expedition, die alles andere als geradlinig verlief: Fast wären den Briten die Schweizer 1952 zuvorgekommen. Dann wurde der ursprünglich als Expeditionsleiter vorgesehene große Entdecker Eric Shipton auf eine Weise ausgebootet, die nicht gerade gentlemanlike war. Der neue Mann an der Spitze, der Offizier John Hunt, erwies sich letztlich jedoch als Glücksfall. Es gelang ihm, allen Spannungen und Widrigkeiten zum Trotz eine schlagkräftige Mannschaft an und auf den Everest zu bringen.

Politischer Spielball

Doch auch nach dem Gipfelerfolg wurde nicht nur gefeiert, sondern auch gestritten. Plötzlich wurde Tenzing Norgay zum Spielball politischer Interessen. Nepal und Indien wollten den Sherpa für sich vereinnahmen und den Briten die Erstbesteigung abspenstig machen. Sie lancierten die Behauptung, Tenzing sei vor Hillary am Gipfel angekommen. Auch wenn dies nicht der Wahrheit entsprach, knisterte es gewaltig innerhalb des Expeditionsteams.

Gefährliches Katapult  

Conefrey hat die Geschichte der Expedition 1953 sauber recherchiert und spannend erzählt. Dabei hat er einige Details zu Tage gefördert, die selbst Everest-Fans verblüffen dürften. Schmunzeln musste ich über die skurrilen Vorschläge, die Tüftler und Erfinder vor dem Beginn der Expedition machten. Einer wollte eine Gummischlauchleitung vom Südsattel bis zum Gipfel verlegen, um die Bergsteiger mit Sauerstoff zu versorgen. Ein anderer regte an, mit einem Katapult ein Seil mit Enterhaken über Gletscherspalten hinweg zu schießen. Bei einem Test in London verhinderte nur ein Baum, dass sich der Haken in ein vorbeifahrendes Taxi bohrte. Das Katapult blieb zu Hause.

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Gelesen: Die Radsport-Mafia https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-die-radsport-mafia/ Thu, 22 Nov 2012 16:56:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=18245 Eigentlich wollte ich dieses Buch nicht lesen. Denn ich bin immer noch sauer auf die Herren Ullrich, Armstrong, Landis, Hamilton und wie sie alle heißen. Jahrelang habe ich, ein Freund des Radsports im Allgemeinen und der Tour de France im Besonderen, über die „Große Schleife“ berichtet – im guten Glauben, es gebe einige schwarze Schafe, aber doch nicht eine ganze Dopingherde. Wie sich herausstellte, hatten Fahrer und Offizielle des Teams Telekom und später der T-Mobile-Mannschaft mir, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Gesicht und Mikrofon gelogen. Das geht mir bis heute nach. War ich zu naiv? Bestimmt. Immer wieder habe ich mich aber auch gefragt, wie diese Leute abends noch in den Spiegel schauen konnten. 

Nun also lag dieses Buch von Tyler Hamilton (geschrieben mit Unterstützung des Sportjournalisten Daniel Coyle) vor mir. Der US-Amerikaner, der 2004 Olympia-Gold im Zeitfahren gewann, wurde im selben Jahr zweimal des Dopings mit Fremdblut überführt. Hamilton war einer der Kronzeugen im Dopingverfahren gegen Lance Armstrong, dem inzwischen alle sieben Tour-Erfolge aberkannt worden sind. Sollte ich wirklich mit der Lektüre dieses Buchs wieder in den tiefen Sumpf eintauchen, der mir die Freude am Radsport so vergällt hat? Widerwillig begann ich zu lesen – und hörte nicht mehr auf. 

Von wegen Wasser und Brot 

Hamilton beschreibt eindringlich, wie er als Jungprofi realisiert, dass die Stars der Szene allesamt mit EPO und anderem nachhelfen. Wer „paniagua“, sprich nur mit Brot und Wasser fährt, hat kaum eine Chance auf eine vordere Platzierung: „Ich sah die Kluft zwischen dem, der ich war und dem, der ich sein konnte. Der ich sein sollte. Es war ungerecht. Es war unfair und gemein. In diesem Augenblick sah ich meine Zukunft klar vor mir. Wenn sich nichts änderte, war ich raus.“ Auch Hamilton beginnt zu dopen. Testosteron, EPO, später dann Bluttransfusionen. Zunächst versorgen noch die Teams ihre Fahrer mit den unerlaubten Mitteln. Später dann, nach den ersten großen Skandalen, müssen die Profis selbst für Nachschub sorgen. 

Hamilton belügt die eigenen Eltern und erschrickt darüber, wie leicht ihm das fällt. Wie selbstverständlich steigt er Schritt für Schritt die Dopingleiter hinauf, bis er herunterfällt. Erst kostet ihn eine Transfusion aus einem offenkundig unreinen Blutbeutel fast das Leben. Dann wird er als Dopingsünder enttarnt. „Da hat man nun seine ganze Laufbahn mit dieser elitären Bruderschaft verbracht, in dieser Familie, und das Spiel mit allen gemeinsam gespielt – und plötzlich wird man in eine Welt aus Scheiße gespült.“

Schlussdemontage

Und Lance Armstrong? Er hat laut Hamilton in großem Stile gedopt, andere dazu animiert, mit Funktionären herumgekungelt und sich als Teamkapitän und auch sonst fast wie ein Diktator aufgeführt. Der Ex-Teamkollege demontiert auch noch die letzten Reste eines gestürzten Denkmals. Auf meine Frage nach dem Blick in den Spiegel hat Hamilton auch eine Antwort parat: Selbst Lügendetektor-Tests hätten die Sünder nicht überführt „und zwar nicht, weil wir uns etwas vormachten – wir wussten, wir brachen die Regeln –,  sondern weil wir das nicht für Betrug hielten. Es schien uns nur fair, die Regeln zu brechen, weil wir wussten, alle anderen taten es auch.“ Das deckt sich mit meiner Beobachtung vom 26. Februar 2007, als Jan Ullrich sein Karriere-Ende verkündete. Er sagte damals nicht ein einziges Mal „Ich habe nicht gedopt“, aber mehrfach „Ich habe nicht betrogen“.

P.S. Zur Versöhnung mit dem Radsport biete ich euch hier einen Eindruck meiner Auffahrt hinauf nach Alpe d’ Huez im Jahr 2003 – bei laufendem Mikro, garantiert paniagua, inklusive Krampf (ca. bei 14:20 Min.):

Stefans Auffahrt nach Alpe d’Huez 2003

 

 

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Gelesen: 2 x 14 Achttausender https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-2-x-14-achttausender/ Wed, 26 Sep 2012 20:17:27 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=17125 Ich lege euch dieses Buch von Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits ans Herz, obwohl ich es streng genommen nicht dürfte. Mir fehlt nämlich die journalistische Distanz, ich bin eindeutig befangen. Seit vielen Jahren kenne und schätze ich Gerlinde und Ralf sehr. Nicht nur als Bergsteiger, sondern auch als Menschen. 

 

Genauso war es 

2005 öffneten mir die beiden das Tor zum Expeditionsbergsteigen, als sie mich als Reporter zu ihrer Expedition zur Mount-Everest-Nordwand in Tibet mitnahmen. Für ihr Vertrauen, ihre Offenheit und Hilfsbereitschaft bin ich ihnen bis heute dankbar. 2007 war ich erneut mit Ralf im Himalaya unterwegs, diesmal am Achttausender Manaslu. Ich war dabei, als die beiden am Everest um das Leben unseres japanischen Freundes Hirotaka Takeuchi kämpften und erlebte auch den Tag mit, als sich Ralf im Manaslu-Basislager große Sorgen um Gerlinde machte, weil sie sich nicht vom Dhaulagiri meldete. Nach endlos erscheinenden Stunden erfuhr Ralf, dass Gerlinde nur mit viel Glück eine Lawine überlebt hatte. Das waren nicht nur Randepisoden im Leben der beiden, sondern einschneidende Erlebnisse. Ralf beschreibt sie, wie es auch sonst seine Art ist: offen, ehrlich, ungeschminkt. Zu diesen beiden Expeditionen kann ich aus erster Hand sagen: Ja, genauso war es. 

Einblick in Gefühle 

Das Buch „2 x 14 Achttausender“ zeichnet die Karriere zweier außergewöhnlicher Bergsteiger nach. Hier Ralf, der erste Deutsche, der die 14 höchsten Berge der Welt bestieg, und zu den erfahrensten Höhenbergsteigern weltweit gehört. Dort Gerlinde, die Österreicherin, die als erste Frau alle Achttausender-Gipfel erreichte, ohne dabei auf Flaschen-Sauerstoff zurückzugreifen. Und dann sind die beiden auch noch ein Liebes- und Ehepaar. Auch über die Beziehung der beiden Extremsportler verrät das Buch viel. Ralf macht aus seinen Gefühlen kein Geheimnis. Er beschreibt, wie er mit der Sorge um Gerlinde umgeht, welche Absprachen sie getroffen haben, um in Grenzsituationen nicht endlos diskutieren zu müssen, wie schwer es ihnen trotz allem fällt, wenn sie getrennt unterwegs sind. 

Großformatig, großartig 

Ich habe das Buch an einem Abend regelrecht verschlungen. Nicht nur wegen der sehr persönlichen Texte, sondern auch wegen der großformatigen und großartigen Bilder von Gerlindes und Ralfs Expeditionen zu den Achttausendern. Auf Seite 82 findet ihr unten links übrigens auch einen Schnappschuss, den ich 2005 gemacht habe. Sagte ich, dass ich befangen bin? 

P.S. Einen kleinen Wermutstropfen habe ich dann doch noch: Entgegen der Ankündigung auf dem Einband wird der überwiegende Teil der Geschichte aus der Ich-Perspektive Ralfs erzählt. Ein bisschen mehr Gerlinde im Original hätte nicht geschadet. Aber ein solches Buch gibt es ja schon: Gerlindes Autobiografie „Ganz bei mir“.

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Gelesen: Der Klang des freien Falls https://blogs.dw.com/abenteuersport/gelesen-der-klang-des-freien-falls/ Fri, 06 Jul 2012 09:47:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=15813 Wenn jemand das Buch seines Lebens bereits geschrieben hat, wird es schwer, neue nachzulegen. Immer werden die Folge-Werke am berühmtesten gemessen. Vor diesem Dilemma steht auch der britische Bergsteiger Joe Simpson. Sein Buch „Sturz ins Leere“ über seine unglaubliche, aber wahre Überlebensgeschichte am Sechstausender Siula Grande in den Anden gehört zu den Klassikern der Alpinliteratur. 1985 hatte sich Simpson beim Abstieg vom Gipfel im Unwetter das Knie zerschmettert. Sein Partner Simon Yates versuchte, Simpson abzuseilen. Doch an einem Eisüberhang blieb ihm nichts anderes übrig, als das Seil zu kappen. Andernfalls wäre er gemeinsam mit Simpson in eine Gletscherspalte gefallen. Doch wie durch ein Wunder konnte sich Simpson aus der Spalte retten und dann auch noch ins Basislager schleppen.

Trauma in der Wand

Diese mehr als extreme Erfahrung dürfte Simpson auch zu seinem Roman „Der Klang des freien Falls“ inspiriert haben. Der englische Bergsteiger Patrick McCarty muss in einer Nordwand irgendwo in den Alpen miterleben, wie seine Lebensgefährtin nachts an ihm vorbei in den Tod stürzt. Nur kurz hat er sie mit einer Hand halten können, ehe sie in der Tiefe verschwindet. Als wäre dieses schreckliche Erlebnis nicht traumatisch genug, schlägt auch noch das Wetter um. Patrick kämpft sich nach oben aus der Wand. Mit erfrorenen Fingern erreicht er den Gletscher. In einer Spalte findet er die zerschmetterte Leiche der Frau.

Und wieder ein Wettersturz

25 Jahre später: Patrick betreibt in Sichtweite der Nordwand eine kleine Hütte, um mit seinem Lebenstrauma klar zu kommen. Noch immer gibt er sich die Schuld am Tod seiner großen Liebe. Dann tritt plötzlich eine neue Frau in sein Leben. Eine Bergsteigerin, die Patrick vor dem Tod durch Erfrieren bewahrt. Und wie vor einem Vierteljahrhundert schlägt auch diesmal das Wetter um. Ein weiterer Überlebenskampf beginnt.

Spannungsbogen hält

Joe Simpson versteht es meisterhaft, Spannung aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Irgendwie schafft es der Brite immer wieder, einen je nach Situation mitfiebern oder mitzittern zu lassen. Und es fällt schwer, das Buch wieder aus der Hand zu legen. „Der Klang des freien Falls“ eignet sich wunderbar als Lektüre für einen verregneten Tag in den Bergen und nicht nur dort. Wer Simpsons Klassiker „Sturz ins Leere“ kennt, steht jedoch vor der schweren Aufgabe, sich davon frei zu machen und sich unbefangen auf diese neue spannende Geschichte einzulassen.

P.S. Nein, ich habe den heutigen 100. Geburtstag von Heinrich Harrer (gestorben 2006) nicht vergessen. Aber über ihn hatte ich ja erst kürzlich an dieser Stelle geschrieben.

P.S. Heute endet die Abstimmung zum „Online-Star 2012“. Also wer noch nicht hat und will, sollte jetzt noch für meinen Blog stimmen (Kategorie ‚Private blogs‘). Vielen Dank allen, die mitgemacht haben!
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