Wissenschaft – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 DLR-Hypoxiestudie: Alle Symptome nach 30 Stunden verschwunden https://blogs.dw.com/abenteuersport/dlr-hypoxiestudie-alle-symptome-nach-30-stunden-verschwunden/ Tue, 18 Dec 2018 09:51:37 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42993

Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits im DLR

„Wir waren fünf Wochen lang die Mäuse“, beschreibt Nancy Hansen die Zeit, die sie und Ralf Dujmovits vor einem halben Jahr – wie berichtet – in einer Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln verbracht hatten. Bei einer Studie sollte nachgeprüft werden, ob unter Umständen auch beim Menschen – wie zuvor in den USA bei einem Experimenten  mit Mäusen festgestellt – extreme Hypoxie zu einer Stärkung des Herzens führen kann.  Nach einer Akklimatisierungsphase von rund zwei Wochen hatte das Bergsteiger-Paar 16 Tage auf einer simulierten Höhe von 6700 Meter oder höher verbracht, davon vier Tage bei einem Sauerstoffgehalt von nur acht Prozent, was 7112 Metern entspricht. „Ich habe wirklich gelitten“, räumt Nancy ein. „Aber es war ein Privileg, an der Studie teilzunehmen.“ Auch Ralf ist von der Erfahrung noch immer beeindruckt: „Ich war ziemlich am Limit. Ganz ehrlich, noch einmal würde ich es nicht machen. Ich habe die ganze Sache unterschätzt.“  In der vergangenen Woche waren die beiden erneut in Köln – zu einer von mehreren Nachuntersuchungen. Die ersten vorläufigen Ergebnisse der Studie liegen inzwischen vor.

Nur 56 Prozent Sauerstoffsättigung

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Die extreme Hypoxie wirkte auf die Körper Nancys und Ralfs zunächst unterschiedlich. Ralf, durch seine vielen Achttausender-Expeditionen offenbar besser an die Sauerstoffarmut gewöhnt, tat sich mit der Akklimatisierung deutlich leichter als Nancy. „Einer der DLR-Ärzte sagte zu mir: ‚Ich hoffe, du fühlst dich besser, als du aussiehst“, erinnert sich die 50-Jährige und schmunzelt. Einmal wurde bei der Kanadierin eine Sauerstoffsättigung von nur 56 Prozent gemessen, ein Krankenhauspatient wäre damit ein Fall für die Intensivstation. Rund um die Uhr war ein DLR-Team für die beiden Bergsteiger im Einsatz. Die Wissenschaftler nahmen Blut- und Urinproben, machten Ultraschall- und MRT-Untersuchungen oder führten kognitive Tests durch. Die Analyse der riesigen Datenmenge aus den vielfältigen Tests ist noch lange nicht abgeschlossen.

Beide Bergsteiger verloren Muskelmasse, beide schliefen schlechter. Verblüffend war, dass sowohl bei Nancy, als auch bei Ralf die Reaktions- und die Konzentrationsfähigkeit auf annähernd konstantem Niveau blieb, auch bei extremer Hypoxie. „Allerdings mit der Einschränkung, dass sie bei den entsprechenden Tests richtig gefordert wurden und sich konzentrieren mussten“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitete. Im normalen Gespräch habe man schon zuweilen einige „Aussetzer“ feststellen können.

Auch Nierenleistung ließ nach

Auszug aus der Hypoxiekammer nach fünf Wochen

Bei Nancy schwoll die rechte Herzhälfte an, die Pumpleistung ließ nach. In ihrem Gehirn bildeten sich kleinere Schäden an der so genannten „Weißen Substanz“ (White Matter Lesions), wie sie häufig bei älteren Menschen auftreten. In Ralfs Hirn schwollen mit der Zeit die Venen an, ohne dass der 57-Jährige deswegen an starken Kopfschmerzen litt. Zudem arbeiteten bei beiden Bergsteigern die Nieren unter Hypoxie deutlich schlechter – wenn auch immer noch ausreichend. „Die gute Nachricht ist, dass wirklich alle Symptome innerhalb von nur 30 Stunden verschwanden, nachdem Nancy und Ralf die Hypoxiekammer verlassen hatten und wieder normale Luft atmeten“, sagt Dr. Fabian Hofmann, einer der DLR-Ärzte.

Zu der Frage, ob ein geschädigtes menschliches Herz – wie bei den Mäusen im Experiment – durch extreme Hypoxie positiv beeinflusst wird, lässt sich noch keine Aussage machen. „Wir hatten es ja hier mit zwei gesunden Herzen von Hochleistungssportlern zu tun“, sagt Hofmann. „Aber es ist schon erstaunlich, was man dem Herz zumuten kann, ohne dass es strukturellen Schaden erleidet.“ Weitere Studien sollen folgen, dann nach Möglichkeit auch mit Herzpatienten.

P.S.: Nancy und Ralf werden in Kürze zu einer Expedion in die Antarktis aufbrechen – in deutlich niedrigere Höhen als im DLR simuliert.

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„Warmes“ Eis im Everest-Gletscher https://blogs.dw.com/abenteuersport/warmes-eis-im-everest-gletscher/ Fri, 23 Nov 2018 13:10:28 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42811

Khumbu-Gletscher

Der Khumbu-Gletscher zu Füßen des Mount Everest ist durch den Klimawandel offenbar noch gefährdeter als bisher angenommen. Darauf weisen britische Glaziologen hin, die 2017 und 2018 die Eistemperatur des Gletschers gemessen hatten. An drei Bohrstellen bis auf eine Höhe von rund 5200 Metern nahe dem Everest-Basislager leiteten sie mit einer umgebauten Apparatur aus einer Autowaschanlage unter hohem Druck heißes Wasser ins Eis. In die so entstandenen Löcher – das tiefste reichte etwa 130 Meter tief ins Eis – hängten die Wissenschaftler Schnüre mit Temperatursensoren. „Der Temperaturbereich, den wir gemessen haben, war wärmer, als wir erwartet – und auch vorzufinden erhofft – hatten“, sagt Duncan Quincey von der Universität Leeds, Leiter des „EverDrill“-Projekts.

Wärmer als die Außenluft

Bohrstellen nahe dem Everest-Basislager

Die minimale Eistemperatur habe bei minus 3,3 Grad Celsius gelegen, „selbst das kälteste Eis war damit zwei Grad wärmer als die mittlere jährliche Lufttemperatur dort“, heißt es in der Studie der Glaziologen. Bei einer ähnlichen Untersuchung nahe dem Everest-Basislager im Jahr 1974 habe man noch zwei bis drei Grad kälteres Eis vorgefunden. „‘Warmes‘ Eis ist besonders anfällig für den Klimawandel, da bereits kleine Temperaturanstiege dazu führen können, dass das Eis schmilzt“, erklärt Quincey. „Die Innentemperatur hat einen erheblichen Einfluss auf die komplexe Dynamik eines Gletschers – wie er sich bewegt, wie das Wasser abgeleitet wird und wie groß die Menge des Schmelzwassers ist.“ Millionen von Menschen im Himalaya und Hindukusch seien von diesen Vorgängen betroffen, weil sie auf das Gletscherwasser angewiesen seien.

„Wasserturm für Asien“

Bereits vor fünf Jahren hatten Wissenschaftler der Universität Mailand darauf hingewiesen, dass die Eismassen rund um den Everest in den vergangenen 50 Jahren um 13 Prozent geschrumpft seien. „Die Gletscher des Himalaya sind wie ein Wasserturm für Asien“, sagte damals der nepalesische Geowissenschaftler Sudeep Thakuri. „Sie speichern das Wasser und geben es in der Trockenzeit als Schmelzwasser wieder ab. Die Menschen in den niedrigeren Regionen sind davon abhängig, weil sie es als Trinkwasser, für die Landwirtschaft und für die Stromproduktion benötigen.“

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Expedition „Hypoxie“ erfolgreich beendet https://blogs.dw.com/abenteuersport/expedition-hypoxie-erfolgreich-beendet/ Mon, 18 Jun 2018 13:55:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41145

Mit Nancy Hansen (r.) und Ralf Dujmovits in der DLR-Hypoxiekammer

Und plötzlich kam der Anruf aus dem All: „Hier Alex“. Ralf Dujmovits wusste zunächst nicht, wer da am anderen Ende der Telefonleitung sprach: „Wie Alex? Dann habe ich plötzlich die Stimme wiedererkannt, die ich zwei Tage zuvor während der Übertragung des Raketenstarts gehört hatte.“ Alexander Gerst erkundigte sich von der Internationalen Raumstation ISS aus nach dem Befinden des deutschen Bergsteigers und seiner kanadischen Partnerin Nancy Hansen in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. „Es hat sich angehört, als säße er nebenan.“ Eine Viertelstunde lang sprach Ralf, der erste und bisher einzige deutsche Bergsteiger, der alle 14 Achttausender bestiegen hat, mit „Astro Alex“, dem ersten deutschen Astronauten, der das Kommando auf der ISS übernehmen wird. „Er hat sich sehr für unsere Erfahrungen im Labor interessiert. Das war große Klasse.“ Natürlich wechselte auch Nancy einige Worte mit Gerst. Für beide Bergsteiger sei es ein „echter Höhepunkt“ gewesen, sagt die 49 Jahre alte Kanadierin.

Belastung unterschätzt

Alexander Gerst schaut WM-Fußball auf der ISS

Nach fünf Wochen in der Hypoxiekammer, auf 110 Quadratmetern, öffnen sich am Dienstag die Türen für Dujmovits und Hansen. Dann ist das Experiment vorbei, bei dem getestet werden sollte, ob sich bei langem Aufenthalt in extrem dünner Luft Herzfunktionen verbessern. Die vergangenen beiden Wochen haben Ralf und Nancy durchgängig tagsüber auf einer simulierten Höhe von 6718 Metern verbracht und nachts auf 6490 Metern geschlafen. Das hat Spuren hinterlassen. „Du siehst uns hier ziemlich müde“, sagt Ralf, als ich die beiden am vergangenen Wochenende noch einmal (mit Atemmaske) besuche. „Ich hatte es anders erwartet. Ich war überzeugt, dass wir anfangs etwas müde wären, uns aber nach einiger Zeit so weit an die sauerstoffarme Luft gewöhnen würden, dass wir gut damit zurechtkämen. Ich habe unterschätzt, wie anstrengend das Ganze ist.“

„Ein Riesenerfolg“

Ein Grund für diese Müdigkeit dürfte sein, dass sich – wie sich bei Ralfs MRT herausstellte – das Blut in den Venen des Gehirns mit der Zeit extrem gestaut hat und die Adern angeschwollen sind. „So massiv habe ich das noch nie gesehen. Auf den ersten Blick ist man darüber nicht gerade glücklich“, sagt Dr. Ulrich Limper, der zusammen mit Prof. Jens Tank die DLR-Studie leitet. „Andererseits ist es aber auch keine direkte Gefahr. Wir gehen davon aus, dass es sich wieder zurückbildet.“ Bereits in vier Wochen werden Dujmovits und Hansen zur ersten Nachkontrolle ins DLR zurückkehren.

Die Wissenschaftler haben jede Menge Daten gesammelt, die jetzt ausgewertet werden. Voraussichtlich in einem halben Jahr werden die ersten Ergebnisse vorliegen. „Für uns ist es schon jetzt ein Riesenerfolg“, sagt Limper. „Das Konzept hat funktioniert, wir haben sehr viel gelernt. Wir sind noch vorsichtig, aber es sieht klinisch danach aus, als würde sich unsere Hypothese bestätigen, dass sich bestimmte Herzfunktionen unter Hypoxie-Einfluss verbessern. Wenn wir das mit den Daten untermauern können, wäre es toll.“ Möglicherweise könnten dann aus der Studie sogar neue Therapien für Herzinfarktpatienten hervorgehen.

Herz „angeschwollen“

Nancy an der mobilen Kletterwand

Ursprünglich war geplant gewesen, dass die beiden Bergsteiger nach einer Gewöhnungsphase zwei Wochen lang Tag und Nacht auf einer simulierten Höhe von 7112 Metern leben sollten. Doch die Wissenschaftler mussten umdisponieren. Bei Nancy war in dieser Höhe der Druck in den Lungenarterien – der Druck, mit dem das sauerstoffarme Blut vom Herz in die Lunge gepresst wird – stark erhöht. Die rechte Herzhälfte war deshalb, vereinfacht gesprochen, „angeschwollen“, Nancys Werte bewegten sich im Grenzbereich. „Es hätte aus unserer Sicht keinen Erfolg gebracht, sie ‚hochzuprügeln‘“, sagt Limper. „Wahrscheinlich wäre es ihr schlechter gegangen.“ Deshalb wurde die simulierte Höhe auf unter 7000 Meter gesenkt, nachts noch etwas weiter als tagsüber. „Damit ist Nancys Körper klargekommen. Ihre Werte verbesserten sich langsam und näherten sich gegen Ende wieder jenen von Ralf an.“

Nicht viel höher als 7000 Meter

Lernt der Körper durch häufige Aufenthalte in großer Höhe?

Man gehe davon aus, so Limper, dass es sich bei Nancy um eine „normale Reaktion eines Herzens handelte, das an die ganz großen Höhen einfach noch nicht gewöhnt ist“. Auch Ralf habe von gesundheitlichen Problemen bei seinen ersten Expeditionen erzählt, die bei seinen späteren Projekten nicht mehr aufgetreten seien. „Es könnte sein, dass es so etwas wie eine Langzeitadaption gibt“, sagt der Mediziner. Wissenschaftlich bewiesen sei das jedoch bisher nicht.

Nancys Schwierigkeiten haben ihr und Ralf zu denken gegeben. „Einen Siebentausender anzugehen, bei dem wir die letzte Nacht auf 6300 oder 6500 Metern verbringen, dürfte kein Problem sein“, sagt Ralf. „Aber in Höhen darüber könnte es schon sein, dass sich Nancy einen gesundheitlichen Schaden zuzieht. Das haben wir gelernt, und darauf werden wir natürlich Rücksicht nehmen.“

Ständig gefroren

Muskelmasse verloren

Beide haben während der Zeit in der Hypoxiekammer jeweils gut zwei Kilogramm Körpergewicht verloren, in erster Linie wohl Muskelmasse. „Die Oberarme sind dünner geworden“, stellt Ralf fast. „Und wo normalerweise die Hosen an den Oberschenkeln straff sitzen, schlabbert jetzt alles.“ Der Gewichtsverlust der Bergsteiger sei geringer gewesen als gedacht, sagt Ulrich Limper. „Wir führen es darauf zurück, dass sie außer der Hypoxie keine Stressfaktoren hatten wie normalerweise im Gebirge: keine Kälte, kein Zeltaufbau, keine andauernde körperliche Belastung. Im Endeffekt haben sie sich ja sehr wenig bewegt.“ Auf einem Laufband und einem Ergometer sowie an einer mobilen Kletterwand versuchten Nancy und Ralf, halbwegs fit zu bleiben. Zu den auch für die Wissenschaftler überraschenden Erkenntnissen gehörte, dass Ralf nach 50 Minuten auf dem Ergometer zwar erschöpft war, aber überhaupt nicht schwitzte. Auch dass es Nancy und Ralf bei 24 Grad Raumtemperatur durchgehend so sehr fröstelte, dass sie noch zwei Jacken über ihre T-Shirts zogen, wirkte ungewöhnlich. Es gibt also noch einige Fragezeichen.

Ab in die Sonne!

„Es war die Anstrengung wert“

Nancy und Ralf bedauern es nicht, sich auf das DLR-Experiment eingelassen zu haben. Ganz im Gegenteil. „Ich würde es noch einmal machen“, sagt Nancy. „Wissenschaftlich gesehen, fand ich es unglaublich interessant. Natürlich war es nicht in jedem Moment das reine Vergnügen, doch insgesamt war es eine tolle und einzigartige Erfahrung.“ Auch für Ralf „war es die Anstrengung unbedingt wert“: „Wir gehen gesund aus der ganzen Geschichte heraus. Und wenn wir noch einen Beitrag dazu leisten, dass vielleicht künftig eine Therapie für Herzinfarktpatienten entsteht, dann ist doch alles perfekt.“

Und worauf freuen sich die beiden jetzt am meisten? „Sonnenschein“, sagt Nancy, wie aus der Pistole geschossen. Ralf sehnt besonders das Wiedersehen mit seiner Familie und den Freunden herbei und freut sich darauf, im Garten zu sitzen, durch die Wälder zu laufen oder mit dem Mountainbike stundenlang durch die Gegend zu radeln: „Wir hatten hier ein unglaublich engagiertes Wissenschaftler- und Ärzteteam um uns herum. Wir haben es genossen, es war spannend, und wir haben sehr viel dazugelernt. Aber jetzt ist es gut, dass wir wieder heimkommen.“

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Prinz und Prinzessin in der Hypoxiekammer https://blogs.dw.com/abenteuersport/prinz-und-prinzessin-in-der-hypoxiekammer/ Wed, 30 May 2018 22:10:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40971

Mit Maske zu Besuch bei Ralf Dujmovits (r.)

Flaschensauerstoff an einem Berg kam und kommt für mich nicht in Frage. Aus Prinzip. Heute habe ich jedoch eine Ausnahme gemacht – für einen „virtuellen Berg“. Um Ralf Dujmovits, den einzigen deutschen Bergsteiger, der alle 14 Achtttausender bestiegen hat, und seine Lebensgefährtin, die kanadische Kletterin Nancy Hansen, besuchen zu können, ist es Vorschrift, eine Atemmaske zu tragen. Schließlich sind die beiden in der Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln nach gut zwei Wochen schon auf der simulierten Zielhöhe von 7112 Metern angekommen. Der Sauerstoffanteil in der Luft,  normalerweise 21 Prozent, wurde durch Zugabe von Stickstoff schrittweise auf acht Prozent gesenkt.  „Es ist wie bei der Besteigung eines Bergs. Die Akklimatisation ist fast geschafft, jetzt geht es auf den Gipfel zu“, sagt Ralf. „Die Zeit am Gipfel zieht sich natürlich deutlich länger hin.“

Kurze Erholung, dann wird es ernst

Nancy Hansens Blutdruck wird überprüft

In den kommenden Tagen dürfen Ralf und Nancy noch einmal kurz „absteigen“, um dickere Luft zu atmen. Am 4. Juni beginnt dann jedoch die entscheidende Phase der Studie, in der sich die beiden Bergsteiger zwei Wochen lang konstant in einer simulierten Höhe von 7112 Metern aufhalten sollen. Dabei soll getestet werden, ob extreme Hypoxie dazu führt, dass das Herz gestärkt wird und sich unter Umständen sogar neue Zellen bilden. Sollte sich diese Erkenntnis aus Experimenten mit Mäusen auch bei Menschen bestätigen, wären völlig neue Therapieansätze bei Herzinfarkt-Patienten denkbar.

Wie stark wird der körperliche Verfall

Acht Prozent Sauerstoffanteil

„Wir sind beide gespannt“, verrät Nancy. „Ich denke, die ersten paar Tage wird es okay sein. Danach wird es sich entweder normal anfühlen oder aber wir beginnen zu verfallen. Das weiß wirklich noch niemand.“ Ralf erinnert an den französischen Bergsteiger Nicolas Jaeger, der 1979 in einem Selbstversuch zwei Monate lang alleine im Gipfelbereich des 6768 Meter hohen Huascaran in Peru verbrachte: „Kognitiv war er gar nicht so schlecht beieinander. Zum Schluss wurde für ihn der körperliche Verfall zum ganz großen Problem. Das erwarte ich auch bei uns. Wahrscheinlich werden wir sehr viel Muskulatur abbauen.“

Richtig atmen

Bisher haben Hansen und Dujmovits die sauerstoffarme Zeit in der DLR-Hypoxiekammer gut verkraftet. Man sieht ihnen die Belastung jedenfalls noch nicht an. „Ich hatte drei, viermal ziemlich heftige Kopfschmerzen, meistens in der Nacht“, erzählt Nancy. „Aber es ist deutlich besser geworden.“  Die 49 Jahre alte Kanadierin findet es faszinierend, zu sehen, „was in unseren Körpern passiert, auch im Vergleich zwischen Ralf und mir.“ Ihr Partner akklimatisiere sich viel besser als sie, sagt Nancy: „Die Art, wie seine Lunge den Sauerstoff mit dem Herzen austauscht, unterscheidet sich sehr von meinem Körper. Ralf bringt mir bei, hier auf die richtige Weise zu atmen.“

Zurzeit kein Kletterwand-Training

Lungenfunktionstest an der Kletterwand

Dujmovits schätzt, dass er inzwischen „40 bis 45 Prozent Leistungsfähigkeit“ verloren habe. Dosiertes Ausdauertraining auf dem Fahrrad-Ergometer oder dem Laufband sei in der aktuellen simulierten Höhe von rund 7000 Metern noch möglich, sagt der 56-Jährige. Um die mobile Kletterwand in der Hypoxiekammer machen die beiden derzeit jedoch einen Bogen. „Die Beanspruchung der Muskulatur ist dabei sehr viel größer, und wir sind sehr schnell im anaeroben Bereich (in dem die Muskeln „übersäuern“). Wir wollen aber Sauerstoffnot vermeiden, die sofort zu Kopfschmerzen führen würde“, sagt Ralf.

Kein Lagerkoller

Ich frage, ob die Beziehung der beiden Probanden durch die lange Zeit in der Hypoxiekammer nicht auf eine ernste Probe gestellt wird? „Noch nicht“, antwortet Nancy und lacht. „Wir verbringen so viel Zeit zusammen. Aber es gibt wirklich keine Probleme, und ich erwarte auch keine.“  Ralf nickt. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man Stress aus einer Beziehung heraushält. Das haben wir bisher ganz gut geschafft.“

Kein Big Brother

Nancy und Ralf in der DLR-Hypoxiekammer

Selbst die ständige Kamera-Überwachung stört die beiden nicht mehr. „Wir machen hier ja kein Big Brother“, sagt Dujmovits. „Wir wissen, dass die Forscher mit allem, was hier zu sehen ist, vertrauensvoll umgehen.“ Er habe die Kameras mittlerweile schon völlig ausgeblendet. „Heute Morgen bin ich nur in Unterhose durch die Räume gelaufen. Erst auf dem Rückweg ist mir eingefallen, dass mich ja jeder im Überwachungsraum so sehen kann.“ Das ganze Experiment, betont Ralf, sei „eine Mannschaftleistung“. Der Bergsteiger lobt ausdrücklich die engagierten Wissenschaftler im DLR, die „24 Stunden im Rundum-Schichtdienst für uns da sind“.  Auch Nancy ist von dem Team begeistert. „Das gesamte Personal behandelt uns so gut. Wir fühlen uns wirklich wie Prinz und Prinzessin.“

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Dujmovits: „Wir sind hier in besten Händen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dujmovits-wir-sind-hier-in-besten-haenden/ Thu, 17 May 2018 12:35:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40767

Ralf Dujmoivits und Nancy Hansen

Die Türen haben sich geschlossen hinter Ralf Dujmovits und Nancy Hansen. Der einzige Deutsche, der bisher alle 14 Achttausender bestiegen hat, und seine kanadische Lebensgefährtin bezogen am Dienstag eine 110 Quadratmeter große Hypoxiekammer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Wie berichtet, nehmen die beiden Bergsteiger an einer Studie des DLR in Kooperation mit der Universität Texas teil, bei der untersucht werden soll, ob extreme Hypoxie bei Menschen auch einen positiven Nebeneffekt haben kann. US-Forscher aus Texas hatten bei zwei Experimenten mit Mäusen festgestellt, dass sich Herzmuskelzellen teilten, wenn die Tiere zwei Wochen lang einem Sauerstoffmangel ausgesetzt waren, der den Verhältnissen auf 7000 Metern entsprach. Bei Mäusen, bei denen man vorher einen Herzinfarkt verursacht hatte, verbesserte sich die Herzfunktion nach zwei Wochen Hypoxie.

Medizinische Kontrolle rund um die Uhr

Monitor im Kontrollraum

Ralf und Nancy, beide kerngesund, sind die Probanden der Pilotstudie. Gut einen Monat sollen sie sich in der Hypoxiekammer aufhalten. In den ersten Wochen wird eine Akklimatisierung wie bei einer Himalaya-Expedition simuliert. Der Sauerstoffanteil in der Atemluft wird schrittweise gesenkt und nur zweimal zwischendurch vorübergehend erhöht – so als würden die beiden Bergsteiger nochmal absteigen, um wieder dickere Luft zu atmen. Die letzten beiden Wochen sollen der 56 Jahre alte Deutsche und die 49-jährige Kanadierin dann in einer simulierten Höhe von 7000 Metern verbringen. Das Experiment kann jederzeit abgebrochen werden, sollten schwerwiegende Probleme auftauchen. Ein Forscherteam des DLR überwacht rund um die Uhr den Gesundheitszustand von Dujmovits und Hansen. Auf dem Tagesplan stehen unter anderem Kontrollen der Herz- und Lungenfunktion, Blut- und Urintests, Fitness-Checks und so genannte „Cognition Tests“, bei denen Reaktions- und Wahrnehmungsvermögen der Probanden überprüft werden.

Ich besuchte gestern die beiden Bergsteiger in ihrem neuen „Zuhause“. Das war am Mittwoch letztmals ohne Atemmaske möglich. Nach einer guten halben Stunde in einer simulierten Höhe von rund 3700 Metern fühlte ich mich allerdings ein wenig benommen. Das Interview mit Ralf führte ich dann doch lieber anschließend in dicker Luft, per Telefon.

Ralf, ihr könnt nicht raus, ihr habt kein Tageslicht, und euch wird quasi der Sauerstoff abgedreht. Das klingt nicht gerade nach Ferienwohnung.

Lungenfunktionstest bei Nancy

Nein, es ist keine Ferienwohnung. Aber wir haben uns ja über einen langen Zeitraum darauf eingestellt. Wir haben es so angenommen. Wir haben uns fast ein Dreivierteljahr mental darauf vorbereitet. Jetzt sind wir hier und fühlen uns auch eigentlich ganz wohl.

Dujmovits: Wir fühlen uns hier ganz wohl.

Wie fühlt sich die Aussicht an, wochenlang gewissermaßen eingesperrt zu sein und nicht an die frische Luft zu können? Das muss doch für einen Bergsteiger fast wie Folter sein.

Gar nicht mal so. Ich habe das große Privileg, dass ich sehr viel draußen sein durfte. Ich sehe kein großes Problem darin, dass ich jetzt mal fünf Wochen drinnen bin. Wir wurden darauf schon oft angesprochen. Aber weder Nancy, noch ich haben große Sorgen, dass wir nicht damit umgehen können. Wir beiden können uns sehr auf etwas fokussieren. Wir haben uns darauf eingelassen und nehmen es so an, wie es ist.

Wie habt ihr euch auf dieses Experiment vorbereitet? Habt ihr noch einmal so viel Frischluft und Natur wie möglich getankt?

Skiabfahrt zur Monte-Rosa-Hütte

Wir waren noch einmal eine Woche lang im Wallis. Wir haben zum Schluss zwei Nächte auf der Gnifetti-Hütte auf 3700 Metern verbracht und anschließend eine Nacht im Winterraum der Capanna Margherita auf der Signalkuppe auf 4550 Metern. Wir haben quasi Natur pur für uns gehabt. Auf der Capanna Margherita waren wir 24 Stunden lang völlig für uns alleine. Wir standen schon um halb sechs auf, um den tollen Sonnenaufgang zu genießen. Anschließend fuhren wir bei schönstem Pulverschnee mit Skiern zur Monte-Rosa-Hütte ab. Wir haben wirklich noch einmal aufgetankt, es uns dort gut gehen lassen und uns damit natürlich auch schon ein Stück weit vorakklimatisiert.

Was motiviert euch denn überhaupt, an dieser Studie teilzunehmen?

Nancy hatte in ihrem familiären Umfeld einige Fälle von Herzinfarkten, die entweder tödlich ausgingen oder nach denen sich die Angehörigen nur sehr schwer erholen konnten. Daher ist für sie die Motivation wirklich, im Bereich der Forschung etwas vorwärts bringen zu können. Ähnlich ist es auch bei mir. Das Interesse an der Medizin war immer da und wird auch weiterhin bleiben. Jetzt dabei sein zu können, wie sich unter Umständen eine neue Behandlungstechnik für Herzinfarktpatienten entwickelt, ist doch eine klasse Geschichte.

Vielleicht trägt ja auch zu eurer Motivation zusätzlich bei, dass dieser „Siebentausender“, den ihr jetzt besteigt, noch unbestiegen ist.

Natürlich ist es ein Stück weit eine Erstbesteigung. (lacht) Aber es ist gar nicht so diese Erstlingstat, die uns motiviert, sondern vielmehr die Unterstützung, in der Herzinfarkt-Forschung ein Stück weiter zu kommen.

Stickstofftank im DLR-Außengelände

Habt ihr auch Befürchtungen, sei es psychischer oder körperlicher Art, wenn ihr an die Wochen in der Hypoxiekammer denkt?

Es gab eine Unbekannte, mit der wir uns beide schwer getan haben. Es ist nicht ganz einfach, die Prozentteile Sauerstoff in der Umgebungsluft auf die (virtuelle) Höhe umzurechnen. Wir müssen uns auf das verlassen, was Jens und Uli (die Leiter der Studie, Prof. Jens Tank und Dr. Ulrich Limper vom DLR) uns vorgerechnet hatten. Aber wir haben hier auch die Möglichkeit,  über Sensoren, die in allen Räumen angebracht sind, zu sehen, wie die Luft zusammengesetzt ist. Von meinem Gefühl her passt das ganz gut. Daher ist das Vertrauen, dass wir der Mannschaft hier entgegenbringen müssen, absolut gerechtfertigt. Wir haben das Gefühl, wir sind hier wirklich in besten Händen.

Dujmovits: Wir sind hier in besten Händen.

Ihr seid jetzt den ersten kompletten Tag in der Hypoxiekammer und befindet euch auf einer Quasi-Höhe von rund 3700 Metern. Fühlt sich das anders an als auf dem Berg?

Natürlich ist es anders, weil die Härtefaktoren wie starke Sonneneinstrahlung, Wind, Kälte, Sturm oder Schneefall, wegfallen. Von daher ist es natürlich deutlich leichter. Aber die dünne Luft fühlt sich so an, wie wir das von der Höhe her kennen. Und das, obwohl die Höhe simuliert wird, indem man den Sauerstoffanteil reduziert. Normalerweise ist dieser prozentuale Anteil ja immer gleich hoch, egal auf welcher Höhe man sich befindet. (Die Hypoxie entsteht durch den geringeren Druck, mit der der Sauerstoff in die Lungen gepresst wird.) Hier ist es so, dass Stickstoff in die Räumlichkeiten hineingepumpt wird und damit der Sauerstoffanteil zurückgeht.

Glaubst du, dass du in den nächsten Wochen auch etwas über dich selbst lernen wirst?

Mobile Kletterwand im Wohnbereich

Ich habe schon jetzt einiges dazugelernt. Es sind viele, viele Kleinigkeiten. Wir haben zum Beispiel gestern an der mobilen Kletterwand trainiert. Sie wurde extra für uns hier hereingestellt, weil es unser Wunsch war, auch beim Klettern fit zu bleiben. Wir haben sofort gemerkt, dass hier nicht die fehlende Kraft in den Armen oder den Fingern der limitierende Faktor sein wird, sondern die Ausdauer in der dünnen Luft. Das haben wir unterschätzt. Wenn wir hier den Überhang an der Wand klettern, kommen wir wahrscheinlich nie an den Punkt, dass uns die Kräfte ausgehen, sondern wir werden in Sachen Ausdauer am Anschlag sein.

Hilft es euch, die ganze Sache zu zweit durchzustehen?

Das macht es auf jeden Fall viel einfacher. Ich habe mir gestern beim Abendessen mal kurz vorgestellt, wie es wäre, wenn ich alleine hier sitzen, mir vielleicht noch die Tagesschau ansehen und dann alleine ins Bett gehen würde. Das wäre ja furchtbar. Man hat niemanden, mit dem man sich darüber austauschen kann, was am Tag passiert ist. Das jetzt gemeinsam mit der Partnerin machen zu können, ist wirklich klasse. Wir haben viel zu lachen. Wir haben aber in der Nacht auch schon die ersten schwierigen Momente gehabt. Nancy hatte Kopfschmerzen, ich hatte einen leichten Druck im Kopf. Man unterhält sich darüber, und dann geht es gleich wieder ein bisschen leichter.

Dujmovits: Zu zweit geht es leichter.

Ist es nicht ein bisschen so, wie in einem Basislager bei schlechtem Wetter zu sitzen und sich nicht aus dem Weg gehen zu können?

Man kann das durchaus vergleichen. Ich erinnere mich z.B. an 2009, als wir drei Wochen am Stück bei extrem schlechtem Wetter am Lhotse im Basislager festsaßen und nur zwischen persönlichem und Mannschaftzelt hin und her wechseln konnten. Das ist hier auch nicht viel anders. Wir haben eigentlich sogar mehr Auslauf, weil die Räumlichkeiten doch sehr weitläufig sind. Außerdem haben wir am Tag sehr viele Aufgaben zu erledigen.

EKG bei Ralf

Was erwartest du, wie ihr aus diesem Experiment herauskommt? Als körperliche Wracks?

Das ist die ganz große Unbekannte. Wir hatten ursprünglich vor, hinterher auf Expedition zu gehen und damit diese extrem gute Akklimatisation zu nutzen.  Nachdem wir aber keine Ahnung haben, ob wir noch so fit sind, dass wir noch einen interessanten Berg besteigen können, haben wir unsere Pläne erst einmal auf die Alpen beschränkt. Es gibt z.B. auf der Südseite des Mont Blanc so viele hoch gelegene Ziele. Wenn wir noch fit genug sind, würden wir eher dorthin gehen, statt ein Permit zu kaufen, einen Verbindungsoffizier vorneweg bezahlen zu müssen, um dann hinterher vielleicht sagen zu müssen: Wir sind zu schwach, es geht einfach nicht.

Es kann aber auch sein, dass ihr euch einfach faul in die Sonne legt?

Auch das könnte sein. Nach der Zeit hier in der Kammer findet sofort die Messe „Outdoor“ in Friedrichshafen statt. Danach haben wir uns etwas Freiraum gelassen. Vielleicht legen wir uns dann auch in die Sonne.

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Zwei Wochen auf einem Quasi-7000er https://blogs.dw.com/abenteuersport/zwei-wochen-auf-einem-quasi-7000er/ Tue, 23 Jan 2018 14:51:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=39265

Ralf Dujmovits (l.) und Nancy Hansen im noch leeren DLR-Wohnbereich

Dieser Siebentausender hat weder einen Gipfel, noch bietet er eine beeindruckende Aussicht. Er erstreckt sich auf eine Fläche von nur rund 110 Quadratmetern – und steht auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Eine Hypoxiekammer innerhalb des medizinischen DLR-Forschungslabors „:envihab“ – der Name steht für environment (Umwelt) und habitat (Lebensraum) – wird in den kommenden Monaten wohnlich eingerichtet.

Vier Wochen in der Kammer

Mitte Mai werden dann Ralf Dujmovits, der bisher einzige deutsche Bergsteiger, der auf allen 14 Achttausendern stand, und seine Partnerin, die kanadische Kletterin Nancy Hansen, dort für vier Wochen einziehen. Sie nehmen an einer hochinteressanten Hypoxiestudie teil, die das DLR in Kooperation mit der Universität Texas durchführt. Die Vermutung: Obwohl extremer Sauerstoffmangel das Leben bedroht, gibt es wohl auch einen positiven Effekt  auf den Körper.

Stärkeres Herz durch Hypoxie?

Ralf wird für die Magnetresonanztomographie (MRT) verkabelt …

US-Forscher aus Texas stellten bei zwei Experimenten mit Mäusen fest, dass sich Herzmuskelzellen teilten, wenn die Tiere zwei Wochen lang einem Sauerstoffmangel ausgesetzt waren, der den Verhältnissen auf 7000 Metern entsprach. Bei Mäusen, bei denen man vorher einen Herzinfarkt verursacht hatte, verbesserte sich die Herzfunktion nach zwei Wochen Hypoxie.

Jetzt soll getestet werden, ob dieser Effekt auch bei Menschen eintritt. Dazu werden Dujmovits und Hansen, beide kerngesund, als Probanden der Pilotstudie zwei Wochen in einer sauerstoffreduzierten Umgebung verbringen, die vergleichbar mit 7000 Meter Meereshöhe ist. „Wir erwarten auch bei ihnen als gesunde, trainierte Probanden, dass die Herzleistung steigt“, sagt DLR-Mediziner Dr. Ulrich Limper beim ersten von mehreren Voruntersuchungsterminen in Köln. Für eine weiterführende Studie wird derzeit als Testperson ein erfahrener Bergsteiger gesucht, der sich zum einen bereits in Höhen von deutlich über 7000 Metern aufgehalten, zum anderen einen Herzinfarkt erlitten hat. Auch er soll dann zwei Wochen unter hypoxischen Bedingungen verbringen – natürlich erst, nachdem er sich von dem Infarkt vollständig erholt hat.

Sofortiger Abbruch möglich

… und für die Untersuchung seines Gehirns vorbereitet

Ralf und Nancy wollen sich zunächst an Bergen im Schweizer Wallis vorakklimatisieren und sich dann Mitte Mai in die Hypoxiekammer in Köln begeben. In den ersten zwei Wochen wird die simulierte Höhe von gut 3000 auf 7000 Meter gesteigert, indem Stickstoff zugeführt und damit die Sauerstoffkonzentration langsam auf acht Prozent (normalerweise liegt sie bei 21 Prozent) gesenkt wird. Die letzten beiden Wochen sollen Dujmovits und Hansen dann gewissermaßen auf 7000 Metern durchstehen. Anders als auf den Bergen bleibt der Luftdruck in der Kammer dabei jedoch konstant, sodass das Experiment bei Komplikationen sofort beendet werden könnte.

„Eigentlich total verrückt“

Blutabnahme bei Nancy

Er habe sich über die bisher vorliegenden Erkenntnisse zu langer Höhenexposition schlau gemacht, sagt Ralf Dujmovits. „Zudem bin ich aus der eigenen Erfahrung zahlreicher Nächte in Serie oberhalb von 7000 Metern zur Überzeugung gekommen, dass sich das Risiko in überschaubaren Grenzen hält. Und falls es überraschend doch Probleme geben sollte, können wir jederzeit den Roten Knopf drücken und die Studie abbrechen.“ Nancy Hansen räumt ein, dass sie ein mulmiges Gefühl hat. „Natürlich bin ich wegen des Risikos nervös. Es ist eigentlich total verrückt, zwei Wochen lang quasi auf 7000 Metern zu leben“, sagt die 49-Jährige. „Auf der anderen Seite können Ralf und ich jederzeit aussteigen, sollte es uns schlecht gehen. Ich frage mich eher, ob es langfristige negative Folgen gibt.“

Herzattacken in der Familie

Messung des Lungenvolumens

Dujmovits hatte als junger Mann begonnen, Medizin zu studieren, ehe er sich voll und ganz den Bergen verschrieb. Das Interesse insbesondere an Fragen der Höhenmedizin sei geblieben, sagt der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger. „Eventuell zu neuen Erkenntnissen im Bereich der Herzinfarktforschung beitragen zu können, finde ich faszinierend und spannend zugleich. Zudem habe ich die Möglichkeit, nochmal deutlich mehr über meinen Körper und seine Reaktion auf Hypoxie zu erfahren.“ Darauf verweist auch Nancy Hansen, die zusätzlich noch ein familiäres Argument für ihre Teilnahme an der Studie anführt: “Mein Vater hatte vor 14 Jahren eine massive Herzattacke. Mein Onkel starb an einem Infarkt. Mein junger Neffe hatte zwei 16-stündige Operationen am offenen Herzen. Das Thema ist mir wirklich sehr wichtig.“

Interessant für Erde und Weltall

Das gilt auch für das DLR. „Wir lernen nicht nur etwas über die Grenzen des Körpers von hochtrainierten und spezialisierten Personen, die mit Piloten oder Astronauten vergleichbar sind und für diese als Studienmodell dienen können, in unserem Fall Nancy und Ralf“, sagt Ulrich Limper, „ sondern wir haben auch die Chance, die Therapie einer akuten Herzerkrankung zu verbessern, was vor allem den Patienten auf der Erde helfen würde.“

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Der „dritte Mann“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-dritte-mann/ Sat, 16 Dec 2017 14:54:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38879

Nach der Begegnung mit dem „Dritten Mann“ am Putha Hiunchuli (2011)

Ich habe es selbst erlebt. Es geschah im Herbst 2011 bei meinem gescheiterten Gipfelversuch am 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli im Westen Nepals, auf gut 7000 Metern. Meine Teamgefährten waren außer Reichweite vorneweg, ich kämpfte mich alleine weiter nach oben, körperlich und geistig am Limit. „Please!“, hörte ich plötzlich hinter mir Pemba Nuru sagen, einen unserer beiden Climbing Sherpas. „Bitte was?“, fragte ich und drehte mich um. Aber dort war niemand. Seltsam. Wissenschaftler sprechen vom Phänomen des „Dritten Manns“. Schilderungen derartiger Halluzinationen gibt es zuhauf in Expeditionsberichten von den höchsten Bergen der Welt. Psychiater der Medizinischen Universität Innsbruck und Notfallmediziner des privaten Forschungszentrums Eurac Research in Bozen haben jetzt rund 80 derartige Beschreibungen aus der Alpinliteratur untersucht und nach eigenen Angaben eine neue Krankheit entdeckt: die „isolierte höhenbedingte Psychose“.

Sieben von acht

Bisher waren Höhenmediziner davon ausgegangen, dass organische Ursachen dafür verantwortlich sind, wenn Höhenbergsteiger plötzlich Personen sehen und hören oder Gerüche wahrnehmen, die eigentlich gar nicht da sind. Die Forscher aus Österreich und Südtirol fanden jedoch heraus, „dass es eine Gruppe von Symptomen gibt, die rein psychotisch sind, das heißt, dass sie zwar mit der Höhe zusammenhängen, jedoch weder auf ein Höhenhirnödem noch auf andere organischen Faktoren wie Flüssigkeitsverlust, Infektionen oder organische Erkrankungen zurückzuführen sind“, erklärt Hermann Brugger, Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin in Bozen. Brugger hatte in einer früheren Studie festgestellt, dass sieben von acht Weltklasse-Bergsteigern, die oberhalb von 8500 Metern ohne Flaschensauerstoff unterwegs waren, schon einmal halluziniert hatten.

Beinahe gesprungen

Dhaulagiri

Die gute Nachricht der neuen Studie: Die „nackten“ Psychosen in der Höhe sind nur vorübergehend und hinterlassen keine Folgeschäden. Die schlechte: Am Berg können sie die Alpinisten in ernsthafte Gefahr bringen. So beschreibt der Slowene Iztok Tomazin, einer der Autoren der Studie, eine Halluzination, die er selbst während eines Gipfelversuchs am Achttausender Dhaulagiri im Dezember 1987 hatte. Mehrere Bergführer(-Geister) hätten ihm geraten, die Ostwand hinunterzuspringen. Innerhalb von wenigen Sekunden würde er einen flachen und sicheren Platz 2000 Meter tiefer erreichen und wäre alle Probleme los. „Ich wäre beinahe gesprungen, und das hätte hundertprozentig meinen Tod bedeutet“, schreibt Tomazin. Doch dann besann er sich und machte einen Test: Er sprang nur zwei Meter tief und stieß sich prompt an einem Felsband. Der Schmerz öffnete ihm die Augen, dass es vielleicht doch keine so gute Idee wäre, die ganze Wand hinunterzuspringen.

Weitere Forschungen in Nepal

„Vermutlich gibt es eine Dunkelziffer von Unfällen und Todesfällen infolge von Psychosen“, sagt Notfallmediziner Brugger. Deshalb sei es wichtig, Extrembergsteiger über die möglicherweise auftretenden Halluzinationen zu informieren. Außerdem sollten ihnen Strategien an die Hand gegeben werden, wie sie mit dem „Dritten Mann“ umgehen könnten, ohne in Gefahr zu geraten, ergänzt Katharina Hüfner, Psychiaterin an der Medizinischen Universität Innsbruck. Im nächsten Frühjahr wollen die Wissenschaftler zusammen mit nepalesischen Ärzten im Himalaya weiterforschen. So wollen sie unter anderem herausfinden, wie häufig diese Psychosen in großer Höhe auftreten. „Die höchsten Berge der Welt sind wahnsinnig schön“, sagt  Hermann Burger. „Wir wussten nur nicht, dass sie uns auch in den Wahnsinn treiben können.“

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Der Yeti ist tot, es lebe der Yeti! https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-yeti-ist-tot-es-lebe-der-yeti/ Fri, 01 Dec 2017 11:21:04 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38707

Yeti-Schädel im Kloster Khumjung

Als Kind hat wahrscheinlich jeder diese Phase erlebt. Eigentlich weißt du, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt und dass es deine Eltern sind, die die Geschenke unter den Baum legen. Und doch verdrängst du diese Tatsache – einfach, weil der Weihnachtsmann zum Fest dazugehört. So ähnlich ergeht es mir mit dem Yeti. Eigentlich glaube ich nicht daran, dass es dieses riesenhafte Bergungeheuer auf zwei Beinen gibt, und doch gehören der Mythos und die zahllosen Legenden über den Yeti für mich einfach zum Himalaya dazu. Deshalb finde ich es – ehrlich gesagt – ziemlich doof, dass sich US-Wissenschaftler von der Universität Buffalo nun hinstellen und sagen: Der Yeti ist eigentlich ein Bär.

Bärenhaare und Hundezahn

Himalaya-Braunbär

Sie untersuchten 24 Proben, die Yetis zugeschrieben wurden und in diversen Klöstern und Museen lagerten oder bei Reisen nach Pakistan gesammelt worden waren – u. a. Knochen, Haare, Kotreste – und verglichen sie mit der DNA bekannter Tierarten. Das Ergebnis: Fast alle konnten Bären zugeordnet werden: Himalaya-Braunbären, Tibetischen Braunbären, Eurasischen Braunbären oder Asiatischen Schwarzbären. Lediglich ein vermeintlicher Yeti-Zahn aus einem der Messner-Bergmuseen entpuppte sich als Beißwerkzeug eines Hundes. Reinhold Messner fühlt sich bestätigt – allerdings nicht wegen des Hundezahns, sondern wegen der Bärenreste. Er selbst hatte schließlich bereits vor fast 20 Jahren ein Yeti-Buch geschrieben (und daran nicht schlecht verdient), in dem er das Bergungeheuer als Braunbären enttarnt hatte.

Drei tote Yaks

Der Machhermo Peak

Ob in Tibet, Nepal oder Bhutan, im ganzen Himalaya wurden über Jahrhunderte Geschichten über Yetis überliefert, die Yak-Herden und Hirten überfielen oder auch Menschen entführten. Angeblich gab es sogar 1974 im Everest-Gebiet noch einen Zwischenfall: Lhakpa Doma Sherpa behauptete, sie sei von einem knapp 1,50 großen (oder eher kleinen) Yeti angegriffen worden, als sie ihm Gokyo-Tal ihre Yak-Herde hütete. Der Yeti habe ihr die Zöpfe ausgerissen und das Kleid zerfetzt, erzählte die damals 19-Jährige Sherpani. Nur weil sie sich tot gestellt habe, habe sie überlebt. Der Yeti habe drei Yaks getötet.

Lachen mit aufgestellten Nackenhaaren

Yeti-Spuren? (fotografiert 1937 vom britischen Bergsteiger Frank Smythe)

Der Zwischenfall ist sogar auf meiner Trekking-Karte von National Geographic aus dem Jahr 2000 vermerkt, die ich noch im letzten Jahr benutzte, als wir durch das Gokyo-Tal wanderten. Als wir an der Stelle des vermeintlichen oder tatsächlichen Yeti-Überfalls nahe der 4470 Meter hohen Siedlung Machhermo vorbeikamen, machte ich meinen Sohn und unseren Guide auf die mögliche Gefahr aufmerksam. Wir lachten – und doch war eben da diese kleine Spur Ungewissheit dabei, die dafür sorgen kann, dass sich deine Nackenhaare kurzzeitig aufstellen: Hat es sich vielleicht doch so zugetragen?

Der Yeti lebt!

Yeti-Bären-Knochen aus einer Höhle in Tibet

Wenn man genau liest, lassen sich ja auch die US-Wissenschaftler ein kleines Hintertürchen offen, wenn sie bilanzieren: „Es deutet stark darauf hin, dass die biologische Grundlage der Yeti-Legende lokale Braun- und Schwarzbären sind.“ Der Hauch eines Zweifels bleibt. Vielleicht haben die Leute ja auch einfach nur Bärenhaare oder -knochen als Yeti-Relikt ausgegeben, weil die richtigen Schneemenschen zu stark und clever waren, sie sich abluchsen zu lassen. Der Yeti lebt – wie der Weihnachtsmann!

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Abstimmen für den Everest im All https://blogs.dw.com/abenteuersport/abstimmen-fuer-den-everest-im-all/ Wed, 15 Nov 2017 15:57:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38565

Mount Everest

Wenn ihr wollt, gibt es bald auch im Weltall einen Chomolungma/Sagarmatha. Der tibetische und der nepalesische Name des höchsten Bergs der Erde stehen zusammen auf einer Auswahlliste der NASA. Die amerikanische Raumfahrtbehörde sucht einen Spitznamen für ein Raumobjekt, das jetzt noch den schmucklosen Namen „2014 MU69“ trägt. Anfang 2019 wird die NASA-Raumsonde „New Horizons“ in einer Entfernung von rund 3000 Kilometern an dem Objekt vorbeifliegen und Daten zur Erde funken.

295 Jahre für einen Umlauf um die Sonne

So könnte MU69 aussehen …

Noch weiß man wenig über MU69, das erst 2014, acht Jahre nach dem Start von „New Horizons“,  entdeckt wurde. MU69 dreht sich in einer Entfernung von knapp 6,5 Milliarden Kilometern um die Sonne – noch weit jenseits des Pluto, den die Sonde im Sommer 2015 passiert hatte. Rund 295 Jahre braucht der Himmelskörper für einen Umlauf auf seiner Bahn. Es wird erwartet, dass er seit der Entstehung des Sonnensystems wie ein tiefgefrorener Klotz die Zeiten unverändert überdauert hat. MU69 könnte wie ein platt geklopftes Ei aussehen, weniger als 30 Kilometer lang, glauben die Wissenschaftler. Möglicherweise könnte das Objekt auch aus zwei Teilen bestehen. In diesem Falle hätte man auch Verwendung für gleich zwei Spitznamen. Wie Chomolungma und Sagarmatha.

Abstimmen bis 1. Dezember

… oder auch so

Ihr fragt euch, was das alles mit dem Mount Everest zu tun hat? Die NASA begründet es so: “Wie MU69 ist der Everest ein kalter, entlegener Ort, der schwer zu erreichen ist. Chomolungma heißt übersetzt ‚Göttinmutter der Erde‘, was unsere Hoffnungen widerspiegelt, dass MU69 uns dabei helfen kann, die Anfänge unseres Sonnensystems zu verstehen.“ Derzeit liegt Chomolungma/Sagarmatha übrigens bei der Abstimmung der NASA auf Platz drei. Es führt ein anderer Bergname: Uluru, der heilige Berg der Aborigines in Australien. Bis zum 1. Dezember könnt ihr noch hier abstimmen – auch mehrmals, laut NASA aber bitte höchstens einmal am Tag.

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Keilkissen in den Rucksack? https://blogs.dw.com/abenteuersport/keilkissen-in-den-rucksack/ Wed, 05 Jul 2017 21:13:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36889

Olympus Mons, Mars-Bergriese

Gegen den höchsten Berg des Mars ist der Mount Everest ein Zwerg. Der Olympus Mons ragt 26 Kilometer über die Oberfläche des roten Planeten hinaus. Das ist jedoch nicht der Grund, warum sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der Höhenkrankheit befasst. Für eine – wie ich finde, sehr interessante – Studie werden Bergsteiger gesucht, die zwischen dem 7. und 20. August nach einer Nacht auf der Gnifetti-Hütte (3647 Meter) zur Margherita-Hütte aufsteigen. Die „Capanna Regina Margherita“ steht auf dem Gipfel der Signalkuppe in den Walliser Alpen und ist mit 4554 Metern das höchstgelegene Gebäude Europas. Die Wissenschaftler des DLR wollen herausfinden, ob es gegen die Höhenkrankheit hilft, wenn man mit erhöhtem Oberkörper schläft. Die Probanden sollen Keilkissen nutzen, die dafür sorgen, dass sie um 30 Grad erhöht liegen. Auf Intensivstationen in Krankenhäusern werden solche Kissen seit langem erfolgreich eingesetzt.

Bergsteiger, die im August 2017 zur Schutzhütte Regina Margherita aufsteigen und an der Studie teilnehmen möchten, können sich entweder vorab per Mail unter ams@dlr.de anmelden oder sich an der Talstation in Alagna sowie der Gnifetti-Hütte bei den DLR-Mitarbeitern melden. Ich habe mit Dr. Ulrich Limper gesprochen, der die Studie leitet. Der 35-jährige Arzt arbeitet seit drei Jahren beim DLR.

Dr. Limper, warum interessiert sich überhaupt ein Zentrum für Luft- und Raumfahrt für die gesundheitlichen Probleme von Bergsteigern? Gibt es etwa Gemeinsamkeiten zwischen Astronauten und Bergsteigern?

Aufstieg zur Margherita-Hütte

Beginnen wir mit den Astronauten: Sie haben Probleme mit ihren Augen, wenn sie von Langzeitmissionen in der Raumstation zurückkehren. Das wird als „VIIP-Syndrom“ bezeichnet, das steht für Visual Impairment and Intracranial Pressure (Sehbeeinträchtigung und erhöhter Hirndruck). Die Sehkraft ist eingeschränkt. Man hat herausgefunden, dass in der Schwerelosigkeit das Blut in den Kopf steigt und dort oben verweilt, weil die Schwerkraft fehlt, um es wieder herunterzuziehen. Die Höhenerkrankung hat eine ganz ähnliche Ursache. Wenn Sauerstoffmangel herrscht, weiten sich die Gefäße zum Gehirn hin, die Arterien, um noch mehr Blut zum Gehirn zu transportieren. Die Venen, die das Blut wieder vom Kopf wegführen, haben offenbar nicht die Fähigkeit, sich entsprechend zu weiten. Daher staut sich das Blut im Kopf, und es kommt zu den üblichen Symptomen der Höhenkrankheit wie Übelkeit und Kopfschmerz.

Außerdem werden sich Astronauten in der Zukunft, etwa wenn man an die Mission zum Mars denkt, in künstlichen Atmosphären aufhalten, die jenen im Hochgebirge ähneln: niedriger Druck, bis zu einem bestimmten Level auch Sauerstoffmangel. Das macht es für uns als Weltraummediziner so spannend, über Bergsteiger nachzudenken.

Die Capanna Regina Margherita auf 4554 Metern

Da liegt der Schluss nahe, dass Bergsteiger eigentlich super qualifiziert sein müssten, ins All zu starten.

Natürlich sind das noch einmal ganz andere Herausforderungen. Aber prinzipiell haben Sie recht. Höhenbergsteiger sind oft sehr kontrollierte Menschen, die auch mit Extremsituationen umgehen und sehr rational handeln können. Immer wenn die Europäische Weltraumorganisation neue Astronauten sucht, gibt sie in einem ersten Schritt einen Fragebogen aus, wo diese Dinge abgefragt werden. Man kann Punkte sammeln, wenn man in seiner Freizeit etwa bergsteigen oder tauchen geht, also all diese Dinge tut, bei denen man seinen Körper unter Kontrolle haben muss.

Ein Kissen unter dem Kopf als Rezept gegen Höhenkrankheit? Das klingt fast zu einfach, um wahr zu sein? 

Es ist eben ein sehr pragmatischer Ansatz. Wir gehen nicht davon aus, dass wir damit die Höhenkrankheit vermeiden können, sondern es soll ein Puzzleteil im Gesamtkonzept sein. Wir wollen zeigen, dass die Leute, die das Kissen gewissermaßen als physikalische Therapie nutzen, weniger höhenkrank werden als jene, die darauf verzichten. Wir gehen davon aus, dass sich das Blut nachts im Kopf noch mehr staut, weil man flach liegt und das Blut dadurch noch weniger abfließt. Deswegen geht es den Bergsteigern auch morgens schlechter als abends. Das hat eine Studie belegt, die wir im vergangenen Jahr durchgeführt haben. 

Ganz neu ist der Ansatz nicht. Ich zitiere aus dem Buch „Höhenanpassung“ von Klaus Mees aus dem Jahr 2005: „Hilfreich ist oft auch die Hochlagerung des Oberkörpers, z. B. mit Rucksack oder Kleidungsstücken unter Isomatte oder Schlafsack.“

Everest-Krankenstation

Es stimmt, diese Empfehlung gibt es. Aber wir wollen auch wissenschaftlich beweisen, dass es hilft. Wenn Sie auf eine Berghütte steigen, werden sie niemanden finden, der es wirklich macht. Auch wenn Sie sich im Internet Bilder ansehen von höhenkranken Bergsteigern im Everest Base Camp oder sonstwo: Die liegen alle komplett flach, sie tragen eine Sauerstoffmaske im Gesicht und haben einen Sättigungsclip am Finger, aber fast niemand wird mit dem Oberkörper hoch gelagert. Wenn wir beweisen können, dass das Schlafen mit erhöhtem Oberkörper wirklich eine einfache und wirksame Maßnahme gegen die Höhenkrankheit ist, könnte man sie auch mit deutlich größerer Vehemenz vertreten.

Sie messen bei den Probanden lediglich Sauerstoffsättigung und Puls und ermitteln mit einem Fragebogen, ob Symptome der Höhenkrankheit vorliegen. Ist dieses Verfahren nicht zu grob, um Mikroprozesse, die sich unter Umständen im Gehirn abspielen, zu erfassen?

Über den Mechanismus der Höhenkrankheit werden wir hinterher nichts sagen können, sondern nur darüber: Funktioniert die Methode oder funktioniert sie nicht? Wollten wir den Mechanismus erforschen, würde es mehr Sinn machen, statt auf eine Berghütte in eine Höhenkammer des DLR zu gehen, wo man alle Bedingungen kontrollieren und sich die Mikroprozesse genau ansehen kann. Wir haben jedoch mit unserer Studie einen ganz pragmatischen Ansatz. Es bringt jedem Bergsteiger etwas, wenn wir den Therapieerfolg beweisen, oder eben nicht. Daher macht es auch Sinn, die Studie so einfach wie möglich durchzuführen. Wir nehmen ja keine Probanden mit, sondern arbeiten mit Bergsteigern, die sowieso auf den Hütten sind. Wir gehen davon aus, dass die Leute umso mehr mitmachen, je weniger sie sich in ihrer Bergsteigerei belastet fühlen.

Sollte sich Ihre Hypothese bestätigen, darf das Keilkissen im Rucksack von Höhenbergsteigern und Mars-Astronauten künftig nicht mehr fehlen, oder?

Es wäre zumindest nicht verkehrt, es mitzunehmen.

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Mountainbiker und Bergläufer für Kibo-Studie gesucht https://blogs.dw.com/abenteuersport/mountainbiker-und-berglaeufer-fuer-kibo-studie-gesucht/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/mountainbiker-und-berglaeufer-fuer-kibo-studie-gesucht/#comments Thu, 06 Apr 2017 14:08:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35721

Kilimandscharo

Statistisch gesehen, gehört der Kilimandscharo zu den Top-Bergzielen weltweit. Jahr für Jahr versuchen sich mehrere zehntausend Menschen am höchsten Berg Afrikas. So sollen allein 2016 mehr als 30.000 Besucher den höchsten Punkt auf 5895 Meter erreicht haben. Der „Kibo“ gilt als Wanderberg, mehrere einfache Routen führen auf den Gipfel. Nur während der Regenzeiten April/Mai und Oktober/November reißt der Touristenstrom etwas ab. Viele Anbieter bieten Touren auf das Dach Afrikas als Wochentrip an – auch diese kurze Verweildauer sorgt dafür, dass der Berg bei den kommerziellen Kunden so beliebt ist. Weniger bekannt ist, dass am Kilimandscharo alljährlich mehrere hundert schwer höhenkranke Touristen gerettet werden müssen, für rund zwei Dutzend von ihnen kommt jede Hilfe zu spät. In vielen Jahren sind es auch deutlich mehr.

4000 Höhenmeter in wenigen Tagen

Christian Kreisel

Die Regierung Tansanias hält die genaue Zahl der Todesfälle unter Verschluss. Würde sie bekannt, könnte das dem boomenden Bergtourismus schaden. Viele unterschätzen ganz einfach das Risiko, am Kibo höhenkrank zu werden. Dabei liegt es eigentlich auf der Hand. Schließlich überwinden die Gipfelaspiranten innerhalb weniger Tage gut 4000 Höhenmeter. Der Arzt Christian Kreisel vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg will jetzt eine schnellere und sichere Diagnose der Höhenkrankheit entwickeln – mit einer Studie am Kilimandscharo. Die bisher üblichen Tests seien teilweise zu grob, sagt mir der 37-Jährige, der selbst den Berg schon sechsmal bestiegen hat: „Ich möchte die Maschen des Siebs verkleinern.“

Zahlreiche Tests

Kreisel sucht für seine Studie 25 Sportler – Mountainbiker oder Bergläufer. Sie sollen in der Zeit vom 24. September bis 1. Oktober 2017 den höchsten Berg Afrikas besteigen. Geplant sind ein dreitägiges Trainingslager auf 3700 Metern, eine Übernachtung auf 4800 Metern und ein Gipfelversuch. Vor und während der Reise werden zahlreiche medizinische und auch psychologische Tests gemacht. Dabei erhalten die Athleten Daten über ihre Leistungsfähigkeit in großer Höhe, die ihnen auch bei künftigen Bergsport-Projekten nützlich sein dürften.

„Sport am Kilimandscharo war bisher nur wenigen Eliteathleten vorbehalten,“ sagt Rainer Braehler, Organisator der „Kilimanjaro Summit Challenge“, „aber ist jetzt im Rahmen der Studie für ambitionierte Amateure unter medizinischer Aufsicht sicher möglich.“ Wer Interesse hat, kann sich auf der Homepage des Projekts über die Einzelheiten informieren und sich dort auch ab sofort bewerben.

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Riesen-Gletscherabbruch in Tibet https://blogs.dw.com/abenteuersport/riesen-gletscherabbruch-in-tibet/ Fri, 16 Sep 2016 07:56:16 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33595 Nach der Rieseneislawine

Nach der Riesen-Eislawine

In diesem Sommer ist auf dem tibetischen Hochplateau eine Mega-Eislawine abgegangen. Im Aru-Gebirgsmassiv im Nordwesten Tibets brach eine ganze Gletscherzunge ab und stürzte talwärts. Wissenschaftler sagen, es habe sich um eine der größten Eislawinen gehandelt, die jemals registriert worden seien. Nach Angaben der chinesischen Behörden kamen bei dem Naturereignis, das sich bereits am 17. Juli ereignete, neun tibetische Hirten ums Leben, außerdem wurden mehr als 350 Schafe und 110 Yaks unter den Eis- und Felsmassen begraben. Die amerikanische Raumfahrtagentur NASA veröffentlichte jetzt Satellitenbilder, die das Ausmaß verdeutlichen: Das abgerutschte Eis bedeckete eine Fläche von zehn Quadratkilometern und färbte den angrenzenden See weiß. An einigen Stellen türmten sich Eis und Geröll bis zu 30 Meter hoch auf. Die Ursache des Gletscherabbruchs ist noch unklar. „Der Klimawandel sorgt in den Gletscherregionen für zusätzliche Risiken, mit Mechanismen, die wir noch nicht durchschauen“, sagte der chinesische Glaziologe Tian Lide. „Es ist dringend nötig, diese Prozesse zu überwachen und zu erforschen, vor allem in bevölkerten Gebieten im Hochgebirge.“

Ich habe bei dem Schweizer Wissenschaftler Samuel Nussbaumer nachgefragt. Der 35 Jahre alte Glaziologe arbeitet in Zürich für den World Glacier Monitoring Service (WGMS), der die Entwicklung der Gletscher weltweit beobachtet und analysiert.

Vor dem Gletscherabbruch

Vor dem Gletscherabbruch

Wie ungewöhnlich ist dieser massive Gletscherabbruch in Tibet?

So wie ich das sehe, ist wirklich die Gletscherzunge vollständig abgebrochen, der gesamte untere Teil. Ich kenne keinen anderen Fall diesen Ausmaßes – wobei natürlich nur das bekannt ist, was auch historisch dokumentiert ist. Es gab schon einmal 2002 einen Fall mit einer ähnlichen Dimension am Kolka-Gletscher im russischen Teil des Kaukasus  (damals kamen rund 140 Menschen ums Leben). Dort ist aber zunächst der Fels abgebrochen und hat das Eis mitgerissen. Was damals passiert ist, weiß man ziemlich genau. Die exakten Umstände in Tibet sind dagegen noch nicht bekannt.

Samuel Nussbaumer

Samuel Nussbaumer

Sind solche massiven Gletscherabbrüche vorhersehbar? Gibt es alarmierende Hinweise?

Gletscher sind in ständiger Bewegung. Zeichen dafür sind zum Beispiel die Gletscherspalten. Die kann man mit Kameras oder auch hoch aufgelösten Satellitenbildern beobachten. Dann könnte man so etwas auch vorhersehen. Aber es ist natürlich nicht praktikabel, alle Gletscher weltweit zu überwachen. In den Alpen beispielsweise geschieht das bei vielen Gletschern. Die Dimension ist jedoch viel kleiner. Da geht es dann zum Beispiel darum, dass bei einem steilen Hängegletscher die Gefahr besteht, dass ein Teil abbricht und auf eine Siedlung oder Seilbahnstation stürzt. Diese Gletscher werden mit automatischen Kameras überwacht. Ein solcher Abbruch kündigt sich immer vorher an – etwa indem das Eis schneller fließt oder die Spalten größer werden und sich Klüfte bilden.

Sind Riesen-Gletscherabbrüche wie der in Tibet eine Folge des Klimawandels?

Das kann man erst sagen, wenn die Ursache des Abbruchs in Tibet geklärt ist. Aber für den Prozess, dass sich so eine Gletscherzunge bewegt, spielt Schmelzwasser eine wichtige Rolle. Man spricht in so einem Fall von einer „Zungenrutschung“. 1965 gab es eine in der Schweiz am Allalin-Gletscher (88 Menschen starben damals), dort ist auch die Gletscherzunge komplett abgebrochen. Oft ist es dabei so, dass im Gletscherbett viel Wasser ist, auf dem der Gletscher abgleiten kann, und dann bricht er plötzlich ab. Bei steilen Gletschern ist das ein bekanntes Phänomen, aber natürlich in einem viel kleineren Ausmaß als jetzt in Tibet. Wenn die Temperaturen höher sind, ist die Chance größer, dass es mehr Schmelzwasser gibt. Das ist dann wie ein Wasserfilm, der als Schmiermittel wirkt.

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Höhenhirnödem: Die versteckte Gefahr https://blogs.dw.com/abenteuersport/hoehenhirnoedem-die-versteckte-gefahr/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/hoehenhirnoedem-die-versteckte-gefahr/#comments Thu, 07 Apr 2016 15:23:44 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32317 Dr. Tobias Merz (l.) und Co-Expeditionsleiter Urs Hefti auf dem Gipfel des Himlung Himal

Dr. Tobias Merz (l.) und Co-Expeditionsleiter Dr. Urs Hefti auf dem Gipfel des Himlung Himal (© T. Merz)

20 Ärzte, knapp doppelt so viele Versuchspersonen. Die Schweizer Forschungsexpedition zum Siebentausender Himlung Himal im Herbst 2013 hatte sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen großer Höhe auf den menschlichen Körper zu untersuchen. Mehr als zwei Jahre später liegen die ersten Ergebnisse auf dem Tisch. Ich habe darüber mit Dr. Tobias Merz gesprochen. Der 46-Jährige ist leitender Arzt an der Universitätsklinik für Intensivmedizin in Bern. Seit seiner Jugend ist Merz Bergsportler. Dass er sich auch der Höhenmedizin verschrieben hat, ist kein Zufall. „Im intensivmedizinischen Bereich ist es eine Krankheit, die Organsysteme in den Grenzbereich des Möglichen bringt, in der Höhenmedizin sind es die äußeren Umstände“, sagt Merz. Als Bergsteiger hatte er schon vor der Expedition zum Himlung Himal eigene Erfahrungen mit großer Höhe in den Anden und im Himalaya gemacht. Am Achttausender Shishapangma erreichte Merz eine Höhe von etwa 7600 Metern. Auf den Gipfel musste er damals verzichten, weil er für eine Rettungsaktion gebraucht wurde. Am Himlung Himal stand er auf dem höchsten Punkt.

Dr. Merz, Sie haben 2013 den 7126 Meter hohen Gipfel des Himlung Himal erreicht. Wird Ihnen angesichts Ihrer nun vorliegenden ersten Forschungsergebnisse im Nachhinein noch mulmig?

Ich wusste schon vorher, dass Höhenbergsteigen eine Risikosportart ist, und dass man sich im Grenzbereich des Physiologischen und auch des Vernünftigen bewegt. Für mich waren die Ergebnisse mehr eine Bestätigung dessen, was ich geahnt habe und weniger eine Riesenüberraschung.

Aber Sie haben etwas Beunruhigendes für Höhenbergsteiger zutage gefördert.

Wir hatten eigentlich zwei wesentliche Resultate. Eines ist sehr beruhigend, eines sehr beunruhigend.

Im Aufstieg

Im Aufstieg (© T. Merz)

Fangen wir mit der schlechten Nachricht an.

Es waren 38 Versuchspersonen, die an diesem Berg unterwegs waren. 15 von ihnen sind auf eine Höhe von über 7000 Metern gelangt. Bei drei dieser Personen haben wir Hinweise gefunden, dass sie bei der Besteigung ein Hirnödem erlitten, also dass aus den Blutgefäßen Flüssigkeit ins Hirngewebe ausgetreten war. Das Hirn schwillt dann an, das Ganze kann zu einer lebensbedrohlichen Situation führen. Beunruhigend war, dass wir als Ärzte und auch die Probanden von diesen Hirnödemen nichts gemerkt haben. Eigentlich ist die klassische Lehrmeinung, dass parallel zur Entwicklung eines Hirnödems klinische Symptome auftreten wie Kopfschmerzen, Übelkeit, allgemeines Missbefinden und dass man noch Zeit hat, Maßnahmen zu treffen, sprich in erster Linie schnell abzusteigen, um eine lebensbedrohliche Komplikation zu vermeiden. Aber offensichtlich ist es nicht so. Wir denken, dass diese Hirnödeme auch ohne Warnzeichen auftreten können. Das macht die Situation natürlich deutlich kritischer, wenn wie aus dem Nichts innerhalb von Minuten in eine klinische Katastrophe eintreten kann.

Aber es handelte sich doch um Mikroblutungen, die von den Bergsteigern gar nicht wahrgenommen wurden.

Richtig. Diese Leute fühlten sich oben genauso wie jene, die keine Mikroblutungen hatten. Aber diese Mikroblutungen, die wir hinterher bei den Probanden nachweisen konnten, sind ein Beweis für ein erhebliches Hirnödem in großer Höhe. Die gute Nachricht ist, dass diese Mikroblutungen nicht mit einem Hirnschaden gleichzusetzen sind. Diese Bergsteiger sind zurückgekommen und haben jetzt ein völlig normales Hirn. Man sieht zwar noch ein paar ausgetretene Blutzellen, aber das Hirngewebe ist unverletzt. Die Bergsteiger sind also noch mal davongekommen. Sie waren kurz davor, ein schweres Hirnödem zu entwickeln. Es braucht dann nur wenig Volumenzunahme, um von einer normalen Bewusstseinslage in ein Koma zu fallen.

Blutentnahme im Basislager

Blutentnahme im Basislager (© T. Merz)

Es gibt also keine Vorboten. Kann man denn wenigstens sagen, ab welcher Höhe das Risiko für ein Hirnödem extrem ansteigt?

Wir können das aufgrund unseres Studiendesigns nicht beweisen. Wir haben die MRIs (Untersuchungen per Magnetresonanztomographie) vor und nach der Expedition gemacht. Die Mikroblutungen sind irgendwann dazwischen aufgetreten. Aber wir haben sie nur bei Probanden gefunden, die über 7000 Metern waren. Das ist kein Beweis, aber immerhin ein Hinweis. Es handelte sich zudem um die Versuchspersonen, die die tiefsten Sauerstoff-Messwerte von allen hatten. Wir haben während der Expedition bei den Teilnehmern zweimal am Tag die Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut überprüft.

Gibt es vielleicht eine Veranlagung für Höhenhirnödeme? Und könnte man diese Anfälligkeit im Vorfeld untersuchen und einschätzen lassen?

Nein, solche Tests gibt es nicht. Man könnte allenfalls ganz pragmatisch sagen: Jemand, der schon einmal auf 4000 Metern ein Hirnödem entwickelt hat, ist wahrscheinlich in größerer Höhe anfälliger dafür, dass es wieder passiert, als jemand, der noch nie ein Hirnödem hatte. Aber dazu gibt es keine Untersuchungen.

Wahrscheinlich sind aber jüngere Leute anfälliger als ältere. Das hat eher mechanische Gründe. Das Hirnvolumen nimmt im Alter ab, das heißt ein 65-Jähriger hat deutlich weniger Hirnsubstanz im Schädel als ein junger Mensch. Wenn das schon etwas geschrumpfte Hirn beginnt anzuschwellen, hat es einfach mehr Platz als bei einem 20-Jährigen, bei dem das Innere des Schädels wirklich größtenteils mit Hirnmasse ausgefüllt ist.

Würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Studie sagen, dass Höhenbergsteigen ab einer bestimmten Höhe aus medizinischer Sicht unverantwortlich ist?

Ich würde eher sagen, dass sich jeder Bergsteiger selbst überlegen muss, welches Risiko er eingehen will. Man muss sich der Gefahr bewusst sein, dass bei einem gewissen Prozentsatz ein Hirnödem entstehen kann. Das ist dann – wie bei allen Risikosportarten – eine individuelle Entscheidung, ob man diese Gefahr in Kauf nimmt.

Eine Expedition zu dem Berg, den wir bestiegen haben, kann man im Katalog für 12.000 bis 14.000 Euro buchen. Wir als Konsumenten gehen davon aus, dass ein Produkt, das wir kaufen, sicher ist. Und wir delegieren auch gerne die Verantwortung für unser Wohlbefinden an den Veranstalter, den Expeditionsleiter oder den Bergführer. Aber so funktioniert es nicht. Eigentlich muss sich jeder Höhenbergsteiger bewusst sein, dass er persönlich dieses Risiko eingeht und ihm niemand diese Verantwortung abnehmen kann. Dieses Bewusstsein fehlt ein bisschen im kommerziellen Höhenbergsteigen.

Lager 2 am Himlung Himal

Lager 2 am Himlung Himal (© T. Merz)

Und auch ein Expeditionsarzt, so es einen gibt, kann wenig ausrichten.

Die Chance, dass er krank wird, ist genauso groß wie bei allen anderen. Und er kann medizinisch gegen ein Höhenhirnödem wenig machen. Schon der Abtransport eines Bergsteigers aus 7000 Metern ist schwierig. Dann muss es auch noch schnell gehen. Das bringt eine Expedition sehr schnell an den Rand der logistischen Möglichkeiten.

Zum Abschluss noch einmal die gute Nachricht: Die Aussage, dass Höhenbergsteigen dumm macht, gehört nach ihrer Studie also endgültig ins Lexikon der populären Irrtümer.

Ja. Wir hatten aus methodischen Gründen Zweifel an Ergebnissen früheren Studien, dass Bergsteigen in größeren Höhen, beginnend schon in Mont-Blanc-Höhe, zu Hirnschäden führt. Meistens wurden hier jedoch nur Bergsteiger mit Nicht-Bergsteigern verglichen. Wenn ich 45-jährige Bergsteiger mit 20-jährigen Medizinstudenten vergleiche, werde ich aber immer einen relevanten Unterschied finden. Deshalb haben wir diese Studie durchgeführt, in der wir jeden Bergsteiger vorher und nachher per MRI untersuchten. Wir konnten nicht nachweisen, dass es zu Verlust von Hirnsubstanz kommt und auch nicht, dass Mikroinfarkte auftreten, wie in früheren Studien beschrieben. Selbst die drei Bergsteiger in unserer Gruppe, die Mikroblutungen hatten, erlitten keinen bleibenden Hirnschaden. Die Hirnödeme sind wieder weg.

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Erdbebenhilfe aus dem All https://blogs.dw.com/abenteuersport/erdbebenhilfe-aus-dem-all/ Thu, 07 May 2015 14:46:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29401 Vor und nach dem Erdrutsch in Langtang (© NASA)

Vor und nach dem Erdrutsch in Langtang (© NASA)

Nepal kann nach dem verheerenden Erdbeben vom 25. April jede Art von Hilfe gebrauchen. Auch die aus dem All. In den Tagen nach den Erdstößen wurde Satellitentechnik eingesetzt, um die Retter in dem Katastrophengebiet zu unterstützen. Der 1999 gegründeten Charta „Space and Major Disasters“ haben sich inzwischen 15 internationale Raumfahrtagenturen angeschlossen – darunter das United States Geological Survey (USGS), dem die NASA zuarbeitet, die Europäische Weltraum-Organisation (ESA) und auch das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Die Agenturen stellen bei Katastrophen wie der in Nepal ihr Datenmaterial zur Verfügung. So konnten die Erdbeben-Schäden auch in entlegenen, von der Außenwelt abgeschnittenen Gebieten schnell sichtbar gemacht werden. Rettungsteams konnten so etwa sehen, wo der Landweg unterbrochen und daher nur eine Rettung aus der Luft möglich war, oder wo der Strom ausgefallen war.

Neue Gefahren

Neuer Damm und Erdrusch im Manaslu-Gebiet

Neuer Damm und Erdrusch im Manaslu-Gebiet

Die Satellitenaufnahmen dokumentierten auch, wo Lawinen oder Erdrutsche abgingen, wie jener, der das Dorf Langtang dem Erdboden gleich machte und möglicherweise mehr als 200 Menschen das Leben kostete. Die Bilder aus dem All zeigen zudem drohende Gefahren auf. So hat sich im Gebiet um den Achttausender Manaslu nach dem Beben ein neuer natürlicher Damm gebildet, hinter dem sich Wasser aufstaut. Die Forscher konnten ferner nachprüfen, ob sich die bestehenden Gletscherseen durch das Beben verändert haben. In Nepal haben sich in Folge des Klimawandels mehrere riesige Seen wie der Tsho Rolpa gebildet, die nur von Naturdämmen zurückgehalten werden und deshalb als tickende Zeitbomben gelten.

Prototyp rettet vier Menschen

Die NASA half nicht nur mit Informationen aus dem All, sondern auch ganz praktisch am Boden. Nach dem Beben wurde in Nepal erstmals der Prototyp eines von der NASA und der US-Heimatschutzbehörde entwickelten Ortungssystems eingesetzt. Mit dem Gerät, das auf Mikrowellen-Radartechnologie zurückgreift, können die Retter Herzschläge Verschütteter lokalisieren. Mit Hilfe des Prototyps konnten in der Stadt Chautara vier Männer geortet und später gerettet werden. Sie waren unter rund drei Metern Schutt verborgen. Die Zahl der registrierten Erdbebenopfer in Nepal ist nach Angaben der Regierung auf über 7700 Tote und mehr als 16.000 Verletzte gestiegen. Unter den Toten sind auch mindestens vier Deutsche.

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Wenn der Gletscher schmilzt https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-der-gletscher-schmilzt/ Mon, 02 Mar 2015 16:39:21 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28603 Tsho Rolpa

Der Tsho Rolpa in Nepal

Nepal hat ein Gletscherproblem. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die 3808 Gletscher in dem Himalaya-Land um etwa ein Viertel geschrumpft. Durch die verstärkte Schmelze sind einige Gletscherseen entstanden, die Wissenschaftler für tickende Zeitbomben halten. Einer der größten von ihnen, der gut 100 Kilometer nordöstlich von Kathmandu gelegene Tsho Rolpa, wird inzwischen auf 90 bis 100 Millionen Kubikmeter Wasser geschätzt. Sollte sein natürlicher Staudamm bersten, hätte dies verheerende Folgen. Die nepalesische Haupstadt ist in dieser Woche Gastgeber eines internationalen Kongresses, bei dem sich mehr als 200 Wissenschaftler aus aller Welt darüber austauschen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Hochgebirge Asiens hat – also nicht nur auf den Himalaya, sondern auch auf Karakorum, Hindukusch, Tien Shan, Pamir und das tibetische Hochplateau.

Derzeit mehr Wasser …

Doris Düthmann

Doris Düthmann

Zu den Wissenschaftlern, die in Kathmandu ihre Forschungsergebnisse präsentieren, gehört auch die Deutsche Doris Düthmann. Die Hydrologin vom Helmholtz-Zentrum Potsdam untersucht den Wasserhaushalt am Oberlauf des Tarim. „Dort haben die Abflüsse über die letzten 40 Jahre sehr stark zugenommen, weil die höheren Temperaturen zu einer stärkeren Gletscherschmelze geführt haben“, sagt mir die Wissenschaftlerin (vor ihrer Abreise nach Nepal). Der Tarim ist über 2000 Kilometer lang und damit der längste Fluss Zentralasiens. Er liegt nördlich der Wüste Taklamakan  und wird unter anderem von den Gletscherabflüssen des Tien Shan-Gebirges gespeist, zu dem die Siebentausender Pik Pobedy (7439 Meter) und Khan Tengri (7010 Meter) gehören. Gerade die trockene Region am Rande der Taklamakan ist abhängig von dem Wasser aus dem Gebirge. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Tarim immer mehr angezapft, um Felder zu bewässern. Die starken Gletscherabflüsse machten es möglich.

… später weniger

„Die Menschen dort rechnen damit, dass es auch in Zukunft so bleibt, aber das wird irgendwann nicht mehr der Fall sein“, sagt Düthmann voraus. „Man lebt von der verstärkten Gletscherschmelze. Diese wird nicht dauerhaft sein, weil die Schmelze an den Gletschern zehrt. Im nördlichen Tien Shan sind die Eisflächen schon jetzt 30 Prozent geringer als noch vor 30, 40 Jahren.“ Mit anderen Worten: Immer weniger Eis ist vorhanden, das noch schmelzen kann. Das Wasser wird irgendwann knapp. Es sei schwierig, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, sagt die Hydrologin. Auf der einen Seite stünden die Staaten am Oberlauf des Flusses  wie Kirgistan oder Tadschikistan, die das Gebirgswasser vor allem nutzten, um Strom zu erzeugen, auf der anderen Seite die Länder am Unterlauf wie Usbekistan und Turkmenistan, die sehr viel Wasser entnähmen, um ihre Felder zu bewässern. „Es gibt viel Konfliktpotential beim Thema Wasser“, sagt Doris Düthmann. Umso wichtiger ist es, miteinander zu reden – wie bei der Konferenz in Kathmandu.

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