Absturz – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Kanadischer Bergsteiger stirbt am K 2 https://blogs.dw.com/abenteuersport/kanadier-stirbt-am-k-2/ Sat, 07 Jul 2018 15:51:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41325

K 2, vom Basislager aus gesehen

Wieder eine traurige Nachricht aus dem Karakorum: Der Kanadier Serge Dessureault ist am K 2, dem zweithöchsten Berg der Erde, aus einer Höhe von 6700 Metern  in den Tod gestürzt. Das teilte der pakistanische Alpinclub mit. Die Leiche des 53-Jährigen sei ins vorgeschobene Basislager gebracht worden. Dessureault leitete eine Expedition aus Quebec. Die vier Teilnehmer wollten als erste Bergsteiger aus dieser kanadischen Provinz den 8611 Meter hohen Gipfel des K 2 erreichen. Sie wollten über die sogenannte Abruzzi-Route (den Südostgrat) aufsteigen.

2007 auf dem Everest

R.I.P.

Dawa Sherpa vom nepalesischen Veranstalter Seven Summit Treks schrieb auf Facebook, Serge sei von unterhalb eines Kamins auf Höhe von Lager 2 abgestürzt. Dabei kann es sich eigentlich nur um den House-Kamin handeln, eine Kletterpassage durch einen Felsriss, die 1938 erstmals von dem US-Amerikaner Bill House gemeistert worden war.

Dessureault arbeitete als Feuerwehrmann in Montreal. 2007 hatte er den Mount Everest von der tibetischen Nordseite aus bestiegen. – Am vergangenen Wochenende war bei einem Lawinenunglück am 7338 Metern hohen Ultar Sar im Karakorum ein österreichischer Bergsteiger ums Leben gekommen.

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Unvergessen: Jerzy Kukuczka https://blogs.dw.com/abenteuersport/unvergessen-jerzy-kukuczka/ Sat, 24 Mar 2018 11:25:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40049

Jerzy Kukuczka (1948 – 1989)

Einer der besten Höhenbergsteiger aller Zeiten hätte am heutigen Samstag seinen 70. Geburtstag gefeiert. Doch er verpasste diesen Ehrentag um mehr als 28 Jahre: Im Herbst 1989 verunglückte Jerzy Kukuczka im Alter von 41 Jahren tödlich am Lhotse, dem vierthöchsten Bergs der Erde. Der Pole hatte zuvor als zweiter Mensch nach Reinhold Messner alle 14 Achttausender bestiegen. Zeitweise sah es aus, als könnte Kukuczka Messner sogar noch die Krone abjagen, doch dann machte der Südtiroler im Herbst 1986 mit den Besteigungen von Makalu und Lhotse innerhalb eines Monats den Achttausender-Sack zu. Als der eher öffentlichkeitsscheue Kukuzczka knapp ein Jahr später, im September 1987, seine Sammlung komplettierte, ehrte ihn Messner mit den Worten: „Du bist nicht der Zweite, du bist großartig.“

Meilensteine

Gedenktafel zu Füßen der Lhotse-Südwand

Innerhalb von knapp acht Jahren – Messner brauchte doppelt so lange – bestieg Kukuczka alle 14 Achttausender und schrieb dabei Alpingeschichte: Gleich vier Wintererstbesteigungen, zwei davon 1985 innerhalb von drei Wochen (Dhaulagiri und Cho Oyu), Erstbegehung des Everest-Südpfeilers, erste Durchsteigung der Südwand des K 2, erste Solo-Besteigung des Makalu – um nur einige Meilensteine zu nennen. Nur am Mount Everest griff er zur Sauerstoff-Flasche. 1988 erklärte das Internationale Olympische Komitee Messner und Kukuczka zu Olympiasiegern ehrenhalber. Messner lehnte die Medaille ab, Kukuczka nahm sie an.

Tödlicher Absturz am Lhotse

Auch nachdem Jerzy seine Achttausener-Sammlung vervollständigte hatte, ließen ihn die höchsten Berge der Welt nicht los. Für Herbst 1989 plante Kukuczka eine Überschreitung aller Gipfel der Kangchendzönga-Gruppe, entschied sich dann aber noch um. Mit seinem Landsmann Ryszard Pawłowski versuchte sich der 41-Jährige an der damals noch undurchstiegenen legendären Lhotse-Südwand. Am 24. Oktober 1989 stürzte Jerzy Kukuczka aus etwa 8200 Meter Höhe in den Tod.

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Steck im Kloster Tengboche eingeäschert https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-im-kloster-tengboche-eingeaeschert/ Thu, 04 May 2017 19:43:10 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36079

Kloster Tengboche

Das hätte ihm sicher gefallen. Im Kloster Tengboche im Khumbu-Gebiet, auf fast 4000 Metern, mit Blick auf Mount Everest, Lhotse und Ama Dablam, hat die Familie Ueli Stecks bei einer buddhistischen Trauerfeier Abschied von dem Schweizer Topbergsteiger genommen. Der 40-Jährige war am Sonntag am 7861 Meter hohen Nuptse in den Tod gestürzt. „Wie es der nepalesischen Tradition entspricht, wurde der Verstorbene in einer rund drei Stunden dauernden eindrücklichen Zeremonie eingeäschert“, teilte Stecks Familie auf Facebook mit.  An der Zeremonie hätten Uelis Frau Nicole, seine Eltern und Schwiegereltern teilgenommen. „Die Familie empfand das Zeremoniell als ausgesprochen feierlich und eindrucksvoll, als traurig und zugleich erlösend.“ Einen Teil der Asche werde die Familie mit zurück in die Schweiz nehmen, wo eine öffentliche Abschiedsfeier für Freunde, Bekannte und Weggefährten geplant sei. Ort und Zeit stünden noch nicht fest. Auf der Homepage Ueli Stecks wurde ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet.

Akklimatisierungs-Plan kurzfristig geändert

Ueli Steck am Everest oberhalb von Lager 2

Die Familie äußerte sich auch zu dem Unfall. Steck sei am vergangenen Samstag bis Lager 2 auf 6400 Metern aufgestiegen. „Sein ursprünglicher Plan war, am nächsten Tag zur weiteren Akklimatisation auf der Everest-Normalroute zum knapp 8000 Meter hohen Südsattel aufzusteigen, um noch am gleichen Tag wieder ins Lager 2 zurückzukehren. Vom Lager 2 aus stellte Ueli fest, dass die Verhältnisse in der Nuptse-Wand ideal waren, weshalb er sich noch am Abend entschied, am folgenden Tag nicht zum Südsattel, sondern zum Nuptse aufzusteigen.“

Steck sei dann am Sonntag um 4.30 Uhr Ortszeit gemeinsam mit dem Franzosen Yannick Graziani von Lager 2 aus aufgebrochen. Während Graziani auf der Everest-Normalroute weiter aufgestiegen sei, sei Ueli in Richtung Nuptse abgebogen. „Uelis Unglück geschah auf rund 7600 Metern um etwa 9.00 Uhr (lokale Zeit). Seine Leiche wurde schließlich vom italienischen Helikopterpiloten Maurizio Folini auf einer Höhe von rund 6600 Metern geborgen und ins Spital von Kathmandu überführt. Die Absturzursache ist weiterhin unbekannt.“

Wo genau stieg Steck auf?

Nuptse-Nordflanke (vom Genfer Sporn am Everest aus)

Auch unter den Bergsteigern auf der Everest-Nordseite wird weiter über den tödlichen Unfall diskutiert. Ralf Dujmovits, der – wie berichtet – in diesem Frühjahr seinen achten und, wie er sagt, letzten Versuch macht, den höchsten Berg der Erde ohne Atemmaske zu besteigen, hielt sich zur Akklimatisierung am Everest-Nordsattel auf 7000 Metern, als ihn die Nachricht von Stecks Unfall am Nuptse erreichte: „Sein Tod hat mich sehr berührt – ich bin unendlich traurig.“ Dem 55 Jahre alten Deutschen war am Nuptse im September 1996 zusammen mit Axel Schlönvogt die zweite Begehung der Route über den Nordpfeiler gelungen, die 1979 von einer britischen Expedition unter Leitung von Doug Scott eröffnet worden war und die inzwischen, so Dujmovits, „leider zu einer Art Normalweg“ verkommen sei. „Ob Ueli allerdings diese Route, die inzwischen während des Vormonsuns oftmals mit Fixseilen versichert wird, begehen wollte, weiß ich nicht bzw. erscheint mir etwas Ueli-unlike“, schreibt mir Ralf. „Die argentinischen Brüder Benegas haben rechts des Pfeilers (also westlich) 2003 ein sehr schönes Couloir erstbegangen (Route ‚The Crystal Snake‘). Das würde mehr Uelis Stil entsprechen. Oder hat er eine neue Route noch weiter westlich ausgekundschaftet?“ Letztlich, so Dujmovits, könne er jedoch nur spekulieren. Steck hatte sich die Überschreitung von Everest und Lhotse vorgenommen, hatte aber auch eine Besteigungsgenehmigung für den Nuptse.

Dujmovits: „Einer der stärksten Allrounder“

Ralf Dujmoivts (im April am Cholatse)

„Ueli habe ich immer als sehr bodenständig, lebendig, ehrlich und freundlich erlebt“, schreibt Ralf über Steck. „Einer der stärksten Allround-Bergsteiger unserer Zeit, der sowohl bergsportspezifisches Training als auch Professionalität auf ein neues Niveau gehoben hat. Enttäuscht war ich über seinen Umgang mit dem Lawinen-Unfall 2014 an der Shisha Pangma. Sowohl der Öffentlichkeit als auch einem Kollegen gegenüber Fehler einzugestehen, hätte ihm sicher noch mehr Glanz verliehen.“

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Ines Papert zu Ueli Stecks Tod: „Es war SEIN Leben!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ines-papert-zu-ueli-stecks-tod-es-war-sein-leben/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/ines-papert-zu-ueli-stecks-tod-es-war-sein-leben/#comments Wed, 03 May 2017 09:36:07 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36059

Ueli Steck wenige Tage vor seinem tödlichen Absturz

Warum wählte Ueli Steck den Nuptse, um sich zu akklimatisieren? Das ist eine Frage, die ich mir stelle, seitdem sich am Sonntag die Nachricht vom Tod des Schweizers wie ein Lauffeuer verbreitete. Einige Tage zuvor war der 40-Jährige Richtung Everest-Westschulter geklettert. Das machte Sinn, schließlich plante er bei seiner Everest-Lhotse-Traverse den Aufstieg über Westgrat und Hornbein-Couloir zum höchsten Punkt. Aber der Nuptse? Nicht gerade die klassische Tour, um sich zu akklimatisieren. Und mit welchem Mehrwert, als nur weitere Höhenmeter zu machen?

Reinhold Messner mutmaßt, Ueli habe vielleicht nicht nur die angekündigte Traverse, sondern das „große Hufeisen“ im Visier gehabt, also die noch niemals versuchte Rundtour über Nuptse, Lhotse und Everest und die Grate dazwischen. Dafür sehe ich nach dem, was ich bisher gehört und gelesen habe, keinen Anhaltspunkt. Der Franzose Yannick Graziani schrieb in seinem Blog, dass Ueli ihn drei Tage vor seinem Tod gefragt habe, ob er nicht Lust habe, ihn auf den Nuptse zu begleiten. Der 43-Jährige, der in diesem Frühjahr den Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen will,  lehnte ab. Es sei wirklich nur um eine Akklimatisationstour gegangen, ließ mich Yannicks Team auf Nachfrage wissen: „Ueli hat niemals über das Hufeisen geschrieben oder geredet. Er wartete darauf, dass sich sein Sherpa-Freund Tenji von seiner Erfrierung erholte, um mit ihm zusammen zur Westschulter aufzusteigen.“

Ich hatte am Montag einige Topbergsteiger angeschrieben und gefragt, wie sie Ueli erlebt haben. Zwei weitere Antworten erreichten mich.

Auer: „Ueli hat uns inspiriert und ermuntert“

Hansjörg Auer

Der 33 Jahre alte Österreicher Hansjörg Auer wurde in den USA von der Nachricht über Stecks Tod überrascht:

„Ueli war jemand, der sein Tun am Berg mit voller Passion und hohem persönlichen Einsatz betrieben hat. Er hat nicht nur viele Alpinisten inspiriert, sondern uns auch immer wieder mit seinen Ideen ermuntert, diesen notwendigen Schritt weiter zu gehen, um unsere Kultur des Bergsteigens neu zu definieren. Ich durfte mit ihm einige Male darüber diskutieren und werde sein sehr persönliches, wertschätzendes und aufmunterndes Email nach meinem Verlust von Gerry [Fiegl] am Nilgiri South [Fiegl stürzte im Herbst 2015 beim Abstieg von dem 6839 Meter hohen Berg im Westen Nepals in den Tod] nie vergessen. Lebe wohl, Ueli!“

Papert: „An den Grenzen des Menschenmöglichen“

Ines Papert

Nachdenkliche Worte fand die 43 Jahre alte deutsche Spitzenkletterin Ines Papert:

„Ich verliere Tränen über Uelis Verlust. Er hat im Alpinismus Unglaubliches bewegt und neue Maßstäbe gesetzt.

Aber kein Mensch ist unsterblich, auch nicht Ueli. Die Nachricht hat mich dennoch sehr hart getroffen, auch wenn sie nicht völlig unerwartet kam. Ich war über die Jahre immer ein wenig in Sorge und fragte mich, wie weit man das Limit pushen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, sein Leben zu verlieren. Ich bin sicher, es war ihm bewusst, wie nah er sich an der Kante befindet. Dies zu kritisieren, ist absolut vermessen, denn es war SEIN Leben, das Leben in den Bergen. Er hat es ERLEBT und war dabei sicher glücklich. 

Doch hoffte ich immer, dass er mit seinem Zugang zum Alpinismus nicht zu viele Nachahmer finden würde. Leichtigkeit (light and fast) bis zu einem gewissen Maß kann das Risiko an hohen Bergen enorm reduzieren. Doch je weiter man das Spiel treibt, umso näher ist man dem Tod. Dessen war sich Ueli bewusst, denn er war nicht nur unglaublich motiviert und stark sondern auch ein intelligenter Mensch. 

Es liegt viele Jahre zurück, dass wir gemeinsam die Route „Blaue Lagune“ an den Wendenstöcken [Gebirgsgruppe in den Urner Alpen in der Schweiz] geklettert sind, dass wir uns in der Pizzeria im Val di Cogne [Seitental des Aosta-Tals in Italien] nach dem Klettern getroffen haben und über ethische Fragen im Mixed-Klettern diskutiert haben. Er stand damals ganz am Anfang seiner Karriere, doch seine Begeisterung oder fast Besessenheit für das Klettern und die Herausforderung grenzwertiger Ambitionen war deutlich spürbar. Seinen Erfolg konnte ich später nur noch aus den Medien verfolgen, er hatte sich komplett in eine andere Richtung entwickelt, als ich selber.

Ich habe ihn immer sehr bewundert, wie weit er seinen Körper und Geist an die Grenzen des Menschenmöglichen treiben konnte. Gleichzeitig hatte ich immer die Befürchtung, es würde eines Tages schief gehen. Ein wenig tröstlich ist, dass er dort geblieben ist, wo sein Zuhause war: in den Bergen der Welt.“ 

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Siegrist: „Nur das Schwierigste war Ueli gut genug“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/siegrist-nur-das-schwierigste-war-ueli-gut-genug/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/siegrist-nur-das-schwierigste-war-ueli-gut-genug/#comments Mon, 01 May 2017 14:22:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36039

R.I.P., Ueli!

Die Bergsteigerszene ist noch immer wie paralysiert. So richtig begreifen kann es noch niemand, dass Ueli Steck nicht mehr unter uns ist. Der 40 Jahre alte Schweizer war gestern in unmittelbarer Nähe des Mount Everest tödlich abgestürzt. Seine Leiche wurde zu Füßen des Nuptse West gefunden und nach Kathmandu geflogen. Dort werden seine Frau, seine Eltern und weitere Verwandte erwartet. Nach Informationen der Zeitung „Himalayan Times“ soll Ueli in Nepal beigesetzt werden. Warum Steck abstürzte, wird wahrscheinlich niemals geklärt werden können. Schließlich war er wieder alleine unterwegs, um sich weiter auf die geplante Everest-Lhotse-Überschreitung vorzubereiten. Sein Teampartner Tenjing Sherpa hatte sich Erfrierungen zugezogen und Ueli nicht begleiten können.

„Wir hatten mehr als einmal Glück“

Ueli Steck

„Uns verband die gleiche Passion und unzählige gemeinsame Erlebnisse“, schreibt mir Stephan Siegrist. Der 44-jährige Schweizer lebt im selben Dorf wie Steck, in Ringgenberg am Brienzer See. Gerade in jungen Jahren waren die beiden häufig als Team unterwegs. „Wir haben viele Tage und Monate im In- und Ausland zusammen verbracht, manche Biwak-Nächte gemeinsam ‚durchfroren‘. Einige Erstbegehungen sind uns zusammen gelungen. Wir hatten auch mehr als einmal Glück, dass wir nicht gemeinsam abgestürzt sind.“

Inspirierender Ausnahmesportler

Stephan Siegrist

Ueli und er hätten „viele lustige Stunden beim Bergsteigen wie auch privat“ verbracht, erinnert sich Stephan. „Solche Erlebnisse und Seilschaften verbinden – auch wenn unsere Wege im Sport  über die Jahre andere Richtungen einschlugen. Auch waren wir nicht immer gleicher Meinung und verstanden den Alpinismus nicht immer gleich.“ Dennoch habe er Ueli „für sein kompromissloses Verfolgen eines Projekts, seinen Ehrgeiz und seinen Durchhaltewillen“ bewundert, sagt Siegrist. „Nur das Schwierigste war ihm gut genug – bis zum Schluss. Das machte seine Persönlichkeit als Bergsteiger aus. Er war ein inspirierender Ausnahmesportler.“

Göttler: „Auf ihn war hundertprozentig Verlass“

Ueli Steck (l.) und David Göttler (2016)

Das würde auch der deutsche Bergsteiger David Göttler unterschreiben. „Ich schätze mich glücklich, die letzten zwei Jahre mit Ueli immer wieder unterwegs gewesen zu sein und von seiner Art gelernt zu haben“, schreibt mir der 38-Jährige aus dem Basislager zu Füßen der Shishapangma-Südwand, durch die er gemeinsam mit dem 39 Jahre alten Italiener Hervé Barmasse eine neue Route eröffnen will. Im Frühjahr 2016 war David mit Ueli Steck an diesem Projekt gescheitert, weil das Wetter nicht mitgespielt hatte. Göttler, Barmasse und Steck hatten sich in diesem Februar mit einem Intensivtrainingslager im Khumbu-Gebiet gemeinsam auf ihre jeweiligen Expeditionen vorbereitet. „Ich verliere mit Ueli einen Freund und Seilpartner, auf den immer hundertprozentig Verlass war und mit dem ich noch viele gemeinsame Träume teilen wollte. Danke Ueli, für dieses kurze Stück gemeinsamen Wegs!“

Der Preis des Abenteuers

Für Oswald „Bulle“ Oelz, einen alten Weggefährten Reinhold Messners, ist Ueli Steck ein weiterer Freund, den er am Berg verloren hat. „Irgendwann einmal passiert es auch den Allerbesten“, sagte der 74 Jahre alte gebürtige Österreicher, der in der Schweiz lebt, dem Sender SRF. „Das ist der Preis des wirklichen Abenteuers. Da ist das tödliche Scheitern immer inbegriffen.“

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Zum Tode Ueli Stecks: Einer der Besten, aber kein Hasardeur https://blogs.dw.com/abenteuersport/zum-tode-ueli-stecks-einer-der-besten-aber-kein-hasardeur/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/zum-tode-ueli-stecks-einer-der-besten-aber-kein-hasardeur/#comments Sun, 30 Apr 2017 13:57:58 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36009

Ueli Steck (1976-2017)

Ueli Steck ist tot. Abgestürzt irgendwo am Everest. Unglaublich, ich kann es gar nicht fassen. Was ist passiert? Die genauen Umstände sind noch nicht klar. Die Leiche des 40-Jährigen wurde irgendwo zwischen Lager 1 (6100 Meter) und 2 (6400 Meter) gefunden. Steck sei alleine am Nuptse geklettert, abgerutscht und rund 1000 Meter abgestürzt, berichtet die in Kathmandu erscheinende Zeitung „The Himalayan Times“. In der vergangenen Woche hatte Ueli noch via Facebook von einem „schnellen Tag“ berichtet, mal eben vom Basislager bis auf 7000 Meter und wieder zurück. Das angehängte Foto zeigte ihn mit Trailrunning-Schuhen. Typisch Ueli, twitterte ich mit einem Augenzwinkern – und dem Gedanken: Nur einer wie er kann das erlauben, „the Swiss Machine“, der „Speedy Gonzales“ unter den Höhenbergsteigern, unbestritten einer der Besten.

Risiko akzeptieren

Ueli am Everest oberhalb von Lager 2

Ich habe Ueli oft getroffen oder mit ihm telefoniert. Er scheute das Risiko nicht, aber er war auch kein Hasardeur. So hatte ihn wohl sein größter Coup, die Solo-Durchsteigung der Annapurna-Südwand im Herbst 2013, sogar in eine tiefe persönliche Krise gestürzt: Er hatte das Gefühl, bei diesem Projekt die Schraube überdreht zu haben, weil er das Risiko eigentlich nicht mehr kontrollieren konnte. Risikomanagement war ein Thema, das ihn beschäftigte. „Sobald wir in die Berge gehen, egal auf welchem Niveau du es betreibst, besteht ein gewisses Risiko, dass ein Unfall passiert“, sagte er mir einmal. „Da gibt es für mich nur Schwarz-Weiß. Entweder ich akzeptiere das oder eben nicht. Wenn ich es nicht akzeptiere, darf ich nicht mehr in die Berge fahren. Und da sind mir halt das Bergsteigen und die Erlebnisse, die ich dabei habe, einfach zu wichtig und geben mir zu viel. Deshalb akzeptiere ich das Risiko.“

Ueli Steck: An der Annapurna, das war zu viel

„Mein Traumding“

Schnell unterwegs

Vor fünf Wochen, bevor Ueli Richtung Nepal abreiste, haben wir noch miteinander telefoniert. Er freute sich darauf, zum Mount Everest zurückkehren. Sein traumatisches Erlebnis dort im Frühjahr 2013 – den Angriff wütender Sherpas gegen ihn, Simone Moro und Jonathan Griffith im Hochlager – hatte er abgehakt. Voller Optimismus schaute er nach vorn. Sein Projekt, die Everest-Lhotse-Überschreitung, hatte es in sich, typisch Ueli halt: Über den selten begangenen Westgrat und das Hornbein-Couloir den Gipfel erreichen, dann zum Südsattel ab- , und (über die vom gebürtigen Kasachen Denis Urubko 2010 eröffnete Variante) zum 8611 Meter hohen Gipfel des Lhotse aufsteigen – wie immer bei seinen Achttausender-Projekten ohne Flaschensauerstoff.  „Das wäre mein Traumding“, sagte Ueli und blieb doch Realist: „Es müssen perfekte Verhältnisse herrschen, das Wetter muss gut und stabil sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass man Ideen hat, aber am Ende am Berg entscheidet, was möglich ist und was nicht.“

Auf der gleichen Frequenz

Auf schmalem Grat

Wir vereinbarten, wieder miteinander zu sprechen, wenn er seine Akklimatisationsphase am Everest beendet haben würde. Nun werden wir nie mehr miteinander sprechen können. Weder über seine Projekt und Träume, noch über alles andere. Das macht mich traurig. Nicht nur, weil er ein großartiger Bergsteiger war, sondern auch, weil ich das Gefühl hatte, dass wir auf der gleichen Frequenz funken. Ueli wird mir fehlen, meine Gedanken sind bei seiner Frau Nicole und seiner Familie.

Eine Katze hat sieben Leben, wie viele er denn habe, fragte ich Ueli einmal. Er nahm sich Zeit für die Antwort: „Ja, wie viele Leben habe ich? Ich habe jetzt schon ein paar Mal Glück gehabt. Aber ich zähle das nicht, da machst du dich nur verrückt.“

Ueli Steck: Hatte schon ein paar Mal Glück gehabt

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Bubendorfer schwer verunglückt https://blogs.dw.com/abenteuersport/bubendorfer-schwer-verunglueckt/ Fri, 03 Mar 2017 11:52:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=35255

Thomas Bubendorfer beim Klettern

Der österreichische Extrembergsteiger Thomas Bubendorfer ist beim Eisklettern in den italienischen Dolomiten zehn Meter tief abgestürzt und dabei lebensgefährlich verletzt worden. Nach italienischen Medienberichten hat sich der Zustand des 54-Jährigen inzwischen leicht gebessert, ist aber immer noch kritisch. Das Unglück hatte sich am Mittwoch ereignet. Bubendorfer war mit einem Partner an einem Wasserfall in der Schlucht Serrai di Sottoguda an der Marmolada unterwegs, einem beliebten Eisklettergebiet. Aus noch ungeklärter Ursache stürzte er ab und landete in einem Bachbett. Dabei soll auch Wasser in seine Lunge eingedrungen sein. Er musste zunächst beatmet werden. Außerdem soll sich Bubenhofer Kopfverletzungen, Rippenbrüche und innere Verletzungen zugezogen haben. Er liegt auf der Intensivstation eines Krankenhauses in Padua.

Viele Free-Solo-Projekte

Bubendorfer hatte in den 1980er und 90er Jahren mit spektakulären Free-Solo-Anstiegen für Schlagzeilen gesorgt, etwa 1983 in den Nordwänden von Grandes Jorasses, Matterhorn und Eiger. 1986 bestieg er an einem Tag im Alleingang den Granitriesen Fitz Roy in Patagonien. 1991 kletterte Bubendorfer als Erster solo und seilfrei durch die Südwand des Aconcagua, des höchsten Bergs Südamerikas. In den vergangenen 15 Jahren waren ihm viele Erstbegehungen als Eiskletterer gelungen.

Update 4.3.: Auf Wunsch der Familie Bubendorfers wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Solange der Kletterer noch in Lebensgefahr schwebt, will das Krankenhaus in Padua keine weiteren Informationen über seinen Gesundheitszustand herausgeben. Also Daumen drücken!

Update 7.3.: Gute Nachricht! Thomas Bubendorfer ist nach Angaben seiner Familie außer Lebensgefahr und auf dem Weg der Besserung.

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Thomas Huber: „Ich fahre mit lachendem Herzen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-pakistan/ Sat, 13 Aug 2016 08:37:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33453 Thomas Huber bricht wieder auf

Thomas Huber bricht wieder auf

Unglaublich – das beschreibt das derzeitige Leben Thomas Hubers ziemlich treffend. Kein Wunder, dass der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer dieses Wort sehr häufig verwendet, als wir miteinander telefonieren. Thomas hatte, wie er selbst sagt, „unglaubliches Glück“, als er am 5. Juli seinen 16-Meter-Sturz aus einer Felswand überlebte. Er ist so „unglaublich schnell“ wieder auf die Beine gekommen, dass er in Kürze sogar – wie vor dem Absturz geplant – mit einer  „unglaublichen Freude“ auf Expedition nach Pakistan gehen kann. Wirklich unglaublich! Ziel ist die Nordseite des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum. Zu Hubers Team gehören Toni Gutsch – der schon 1997 mit den Huberbuam und dem US-Kletterer Conrad Anker an der Westwand des Latok II (7108 Meter) erfolgreich war – und Sebastian Brutscher.

Legendäres Scheitern

Das deutsche Trio wird sich das Basislager mit den US-Amerikanern George Henry Lowe, Jim Donini und Thomas R. Engelbach teilen, die in der Gegend ein wenig an Sechstausendern herumklettern wollen. Lowe und Donini, beide inzwischen über 70, schrieben 1978 am Latok I Geschichte: Zusammen mit Georges Cousin Jeff Lowe und Michael Kennedy eröffneten sie die Route über den Latok I-Nordgrat. 150 Meter unterhalb des Gipfels mussten sie im Sturm umkehren. „Das bemerkenswerteste Scheitern in der Alpingeschichte“, sagt Thomas Huber anerkennend. 26 (!) Tage am Stück verbrachten die vier US-Kletterer damals auf dem Grat, ehe sie völlig entkräftet, aber wohlbehalten ins Basislager zurückkehrten.

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas, du brichst in Kürze Richtung Pakistan auf, wenige Wochen nach deinem 16-Meter-Sturz und der Operation am Kopf. Wie kann das gehen?

Es war ja eine Schädelfraktur, die so behoben wurde, dass ich keine bleibenden Schäden zu erwarten hatte. Wir haben dann etliche medizinische Tests gemacht, mit Neurologen zusammengearbeitet. Ich habe mich mit einem speziellen Programm von Markus Göbel auf die große Höhe vorbereitet. Über Sauerstoffreduktion kann man dabei Höhen von bis zu 6000 Metern simulieren. Wir haben immer wieder die Gehirnströme gemessen und Kernspin-Tomographien gemacht. Das Ergebnis: Es hatte keine Auswirkungen auf mein Gehirn, es haben sich keine Ödeme gebildet. Die Ärzte haben mir eine so genannte „selbstverantwortliche Freigabe“ erteilt. Sie haben gesagt: „Thomas, letztendlich musst du es selber wissen.“ Ich habe mich Schritt für Schritt auf diesen Moment vorbereitet. Ich habe gar nicht mal immer an die Expedition gedacht, sondern wollte einfach gesund werden. Mit der Energie, die ich auch von außen, von meinem Umfeld bekommen habe, bin ich so unglaublich schnell genesen, dass ich jetzt den Mut habe, diese Expedition zu starten. Ich sage Ja zu dieser Expedition. Aber es braucht sich niemand Sorgen zu machen. Ich habe auch den Mut, in jedem Moment Nein zu sagen. Wenn ich merke, es passt körperlich nicht, sage ich Nein.

Du warst inzwischen auch wieder klettern, wie fühlte sich das an?

Noch ein bisschen wackelig. Die drei (gebrochenen) Dornfortsätze an den Wirbeln sind noch nicht optimal verwachsen. Da muss ich mich noch ein bisschen gedulden. Aber ich kann schon wieder Rucksäcke tragen. Ich bin mit meinem Sohn durch die Watzmann-Ostwand geklettert, über die Wiederroute auf die Mittelspitze. Ich war auch viel berglaufen. Das alles kann ich schmerzfrei machen, ohne Schwindel, ohne Kopfschmerzen. Nur die asymmetrische Belastung über den Rücken schmerzt beim Klettern hin und wieder noch ein bisschen.

Sprang beim Klettern auch mal das Kopfkino an, in dem Sinne, dass du an den Sturz gedacht hast?

Eigentlich nur einmal ganz kurz. Bei uns in der Kletterhalle gibt es eine automatische Rolle. Du kletterst hinauf, setzt sich dann in ein lockeres Gurtband und fährst langsam wieder nach unten. Dort habe ich für einen kurzen Moment gezögert. Ich habe hinuntergeschaut, das waren 15 Meter, etwa die Höhe, aus der ich im freien Fall abgestürzt war. Ich bin dann erst einmal zurückgeklettert. Meine Tochter war dabei und hat gesagt: „Beim nächsten Mal setzt du dich rein!“ Das habe ich dann auch gemacht, und es hat gepasst. Wenn ich gesichert bin, habe ich keine Probleme. Der Absturz ist passiert, weil das Kletterseil nicht normgerecht, sondern abgeschnitten war. Ich hatte unglaubliches Glück, das ich dankbar angenommen habe. Deshalb habe ich auch keine Albträume oder Kopfkino, dass ich denke: „Oh Gott, was ist da passiert?“ Ich bin dankbar und glücklich, dass ich leben und nach vorne schauen darf. Für mich heißt das jetzt, zum Latok I zu gehen. Ich sehe noch lange nicht den Gipfel. Vielleicht komme ich dort oben an, vielleicht auch nicht.  

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Eigentlich ist die Bergsteiger-Saison im Karakorum doch gerade zu Ende gegangen. Warum seid ihr so spät dran?

Die Latok I-Nordwand bekommt sehr viel Sonne ab, weil sie auch eine Ostkomponente hat. Von fünf Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags ist sie immer in der Sonne. Deshalb haben wir uns entschieden, im Herbst hinzugehen, wenn der Sonnenstand viel niedriger ist. Nur wenn die Wand im Schatten liegt, kann man sie durchsteigen. Sonst ist es unmöglich. Ich habe mir die Wetterdaten angesehen. Auch im Herbst gibt es brauchbares Wetter, und es ist einfach kälter.

Du hast jetzt von der Nordwand gesprochen, in früheren Berichten hieß es, ihr wolltet die Nordgrat-Route vollenden. Was genau habt ihr vor?

Es wird immer viel zu viel im Vorfeld geredet. Du musst vor der Wand stehen, und dann nimmst du genau den Weg, der dir am lässigsten und günstigsten erscheint. Vielleicht geht die Nordwand, vielleicht ist aber auch der Nordgrat der einzig mögliche Weg in dieser Jahreszeit und bei diesen Verhältnissen. Du musst immer flexibel sein. Wenn du an so einem Berg zu sehr auf ein einziges Ziel fixiert bist, ohne Alternativen zuzulassen, wirst du sehr wahrscheinlich ohne Gipfelerfolg zurückkommen. An solchen Bergen hast du vielleicht einen Plan, musst dann aber doch wieder neue Wege suchen, weil sich die Verhältnisse ständig ändern.

Weiter bergsteigen

Thomas 2015 am Latok I

Egal, ob Nordwand oder Nordgrat des Latok I, an beiden haben sich dutzende Expeditionen die Zähne ausgebissen. Kann man da überhaupt von einer Erfolgschance reden?

Nein, das kann man nicht. Aber beim Bergsteigen reizt es ja gerade, dorthin zu gehen, wo viele gescheitert sind. Deshalb bin ich damals zum Beispiel auch zum Ogre gegangen, einem unglaublichen Berg. (Thomas gelang 2001 mit den Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des 7285 Meter hohen Bergs im Karakorum). Genauso sehe ich die Latok I-Nordwand. Das ist ein ausgesprochen schönes Ziel. Vielleicht auch inspiriert dadurch, dass so viele es nicht geschafft haben, glaubst du, dass du es durch deine Erfahrung, dein Können, vielleicht auch dein Glück schaffst, als Erster durchzukommen. Das reizt gewaltig.

Denkst du, dass du nach deinem Sturz jetzt das Unterwegssein noch mehr genießen wirst, unabhängig davon, ob ihr Erfolg habt oder nicht?

Ich fahre mit einer unglaublichen Freude dorthin. Es ist ein Riesengeschenk. Egal ob ich auf den Latok I hochkomme oder nicht, allein, dort jetzt unterwegs sein zu dürfen, ist unbeschreiblich. Diese Freude und Energie nehme ich auch mit. Irgendwann musst du die hohen Erwartungen hinter dir lassen und sagen: „Jetzt denke ich nicht mehr an das, was ich erreichen möchte, sondern begebe mich auf die Reise und lasse mich auf das Projekt ein.“ Ich habe ein wunderbares Team. Und ich glaube, wenn es über diese Energie eine Dynamik erfährt, dann kann man verrückte Dinge machen und Großes schaffen. Aber auch wenn ich ohne Gipfelerfolg heimkehre, fahre ich mit einem lachenden Herzen nach Hause, weil ich wieder gesund sein darf – und wild.

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Thomas Huber: „Danke, dass ich leben darf!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/#comments Tue, 19 Jul 2016 20:16:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33246 Thomas Huber (2014)

Thomas Huber (2014)

Rund 1,8 Sekunden. So lange dauerte der 16-Meter-Sturz Thomas Hubers aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land – heute vor zwei Wochen. Wie berichtet, war der 49 Jahre alte deutsche Top-Kletterer, der ältere der beiden „Huberbuam“, auf weichem Waldboden gelandet. Wie sich später herausstellte, hatte sich Thomas einen Schädelbruch zugezogen und musste sofort operiert werden. Die beruhigende Prognose der Ärzte hinterher: keine bleibenden Schäden. Inzwischen hat Thomas das Krankenhaus verlassen und erholt sich zu Hause. Ich habe mit ihm telefoniert.

Thomas, das Wichtigste zuerst: Wie geht es dir?

Es geht mir insgesamt sehr gut. Ich bin mir des unermesslichen Glücks, das ich hatte, sehr bewusst. Ich habe es dankbar angenommen. Ich schaue nicht mehr zurück, was hätte passieren können, sondern ich bin nur happy, dass es so geschehen ist, wie es geschehen ist. Optimal wäre natürlich, wenn ich es vermieden hätte und der Unfall gar nicht erst passiert wäre. Aber das ist beim Bergsteigen immer so. Ich habe mich in meiner Routine total sicher gefühlt, und oft ist dann genau darin der Teufel versteckt.

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Sind deine Verletzungen allesamt kurierbar?

Es ist wie ein Wunder, dass mir nicht mehr passiert ist. Das haben auch die Chirurgen gesagt. Ich bin immerhin aus 16 Metern abgestürzt, das haben wir nachgemessen. Alles ist wieder kurierbar. Und wie es aussieht, werde ich in naher Zukunft wieder zu 100 Prozent fit sein.

16 Meter, das ist so hoch wie anderthalb Einfamilienhäuser. Hast du beim Sturz noch irgendetwas gedacht oder war alles nur noch purer Instinkt?

Alles Instinkt. Da denkst du nicht mehr, sondern handelst nur noch. Ich war zu jeder Sekunde bei vollem Bewusstsein und habe instinktiv anscheinend alles richtig gemacht. Aber lenken konnte ich das nicht mehr. Das ging so schnell und war so überraschend. Du bist dann auch gar nicht mehr in der Realität, sondern es ist wie eine zweite Ebene, wo nur noch der Körper reagiert und dich letztendlich überleben lässt. Ich hatte 1000 Schutzengel. Ich bin sicher, da war irgendetwas, was mich hat überleben lassen. Sonst wäre ich hinterher nicht einfach aufgestanden und wäre selbstständig vom Berg gegangen. Ich habe ja keinen einzigen blauen Fleck. Ich habe lediglich den Schädelbruch, die Fingerluxation (Ausrenkung), und die Dornfortsätze (der Wirbel), die am Fels runtergeschrappt sind, sind abgebrochen.

Thomas nach der Operation

Thomas nach der Operation

Du hast wahrscheinlich in deinem Leben schon zehntausende Male abgeseilt. Da fragt man sich, wie konnte dieses Unglück überhaupt passieren? War es einfach ein kurzer Augenblick mangelnder Konzentration?

Nein, die Routine war schuld. Wenn man das erste Mal an einer Wand ist, wirkt sie furchteinflößend, nicht nur am El Capitan, sondern auch am Brendlberg, auch wenn diese Wand nur 70 Meter hoch ist, aber sehr steil, sehr alpin. Ich war dort in den letzten zwei Monaten ständig unterwegs, habe verschiedene Routen erschlossen. Die Wand ist für mich wie ein Wohnzimmer geworden, ich habe mich dort total wohl gefühlt. Es war mein zweites Zuhause, meine Sommerbeschäftigung vor der Expedition. Wir haben in der Route „Watzmannflimmern“ gefilmt, die ist (Schwierigkeitsgrad) 9+. Dort wollte ich ein Fixseil reinhängen für die Kameramänner. Ich hatte in den Monaten vorher, als ich in der Route trainiert habe, bevor ich sie schließlich durchstieg, immer ein 60-Meter-Seil benutzt. Das reichte allemal bis zu dem Felsband und dann waren immer noch fünf Meter übrig. Dieses Seil, das ich jetzt benutzte, gehörte aber einem Freund. Ich habe nicht gewusst, dass es abgeschnitten war. Ich seile ab, räume in der Nachbarroute noch drei Expressen (Sicherungsmittel beim Klettern) aus der ersten Seillänge. Alles ist gut, ich seile runter auf das Band. Und – tamm! – geht es schon los und ich stürze. Ich war wirklich voll konzentriert. Schuld war eine andere Geschichte, eben die volle Routine, dass vorher monatelang immer alles gut gegangen war. Wie bei einem Schreinermeister, der sich nach 10.000 Schnitten mit der Kreissäge den Finger abschneidet.

Weiter bergsteigen

Weiter bergsteigen

Es war sehr knapp, du bist dem Tod von der Schippe gesprungen. Stellst du dir jetzt auch die Grundsatzfrage: Mache ich weiter wie bisher?

Wenn man mit einer Sache nicht fertig wird, muss man sich diese Frage wirklich stellen. Aber wenn man sich dieses unermesslichen Glückes bewusst ist und ihm mit der Dankbarkeit begegnet, leben zu dürfen, dann kann man auch weiter bergsteigen. Man muss sich einfach immer bewusst sein, was man tut. Am gefährlichsten ist, wenn man glaubt, alles im Griff zu haben. Das habe ich daraus gelernt: Du darfst dich eigentlich auf niemanden und gar nichts verlassen, außer auf dich selbst. Zieh deinen Klettergurt an und schau wirklich hin, dass die Schnalle geschlossen ist! Auch wenn es Routine wird, immer wieder backup-mäßig draufschauen! Auch wenn ich dort schon zum 20. Mal abgeseilt habe, ein neues Seil heißt eben eine neue Situation. Michael Schumacher (der Formel-1-Rekordweltmeister verunglückte 2013 beim Skifahren schwer) ist nicht so weit gefallen wie ich, und ihm geht es leider Gottes nicht so gut. Andere stürzen einen halben Meter tief und können tot sein. Ich sage nur: Danke, danke, dass ich leben darf.

Du hattest ursprünglich vor, mit Freunden zum Siebentausender Latok 1 nach Pakistan zu fahren, um dich dort an der legendären Nordgrat-Route zu versuchen. Dieser Plan ist natürlich erst einmal hinfällig. Wie geht es jetzt weiter mit dir?

Darüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Ich bin in ärztlicher Betreuung. Ich habe gerade ein erstes EEG gemacht, das war sehr positiv. Schauen wir jetzt einfach, dass ich gesund und voll einsatzfähig werde. Man macht viel zu oft den großen Fehler, zu weit in die Zukunft zu schauen. Ich schaue auf das Jetzt. Und jetzt bin einfach nur glücklich und sehr dankbar, dass ich lebe.

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Norbert Joos ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/norbert-joos-ist-tot/ Mon, 11 Jul 2016 11:36:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33175 Norbert Joos /1960-2016)

Norbert Joos (1960-2016)

Wieder ist einer der ganz Großen des Höhenbergsteigens aus dem Leben gerissen worden: Der 55 Jahre Schweizer Norbert Joos stürzte am 4049 Meter hohen Piz Bernina in Graubünden in den Tod. Nach Schweizer Medienberichten hatte Joos eine Gruppe auf den 4049 Meter hohen Gipfel geführt. Beim Abstieg stürzte die Dreierseilschaft, zu der Joos gehörte, 160 Meter tief ab. Joos konnte nur noch tot geborgen werden, die beiden anderen, eine Bergsteigerin und ein Bergsteiger aus Italien, überlebten schwer verletzt.

Hirnschlag am Kangchendzönga

Joos hatte 13 der 14 Achttausender bestiegen, allesamt ohne Flaschen-Sauerstoff. Lediglich der Mount Everest fehlte ihm noch. Nach seinem fünften gescheiterten Versuch am Everest sagte der Schweizer 2008 den Achttausendern endgültig Adieu. Zwei Jahre zuvor hatte er beim Abstieg vom Kangchendzönga einen Hirnschlag erlitten. Trotzdem versuchte er sich ein weiteres Mal am Everest. „Ich musste einfach noch mal hinfahren und spüren, was möglich war. Sonst hätte ich den Everest ständig im Kopf gehabt. So aber ist es okay für mich“, sagte Joos später in einem Interview. Das kommerzielle Bergsteigen am höchsten Berg der Erde sah er kritisch: „Als echter Bergsteiger sollte man den Everest meiden.“

„Das können nur junge Spinner“

Als das „Wichtigste, was ich als Bergsteiger erreicht habe“, bezeichnete Joos die Erstbegehung des Annapurna-Ostgrates mit der ersten Überschreitung des Achttausenders von Süden nach Norden im Herbst 1984, gemeinsam mit seinem Schweizer Landsmann Erhard Loretan (der 2011 tödlich abstürzte). „Klar waren wir damals sehr gute Bergsteiger, aber wir hatten auch Glück“, erinnerte sich Joos später. „Mit meiner heutigen Erfahrung würde ich das nicht mehr machen. Das können nur junge Spinner.“

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Thomas Huber auf dem Weg der Besserung https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/#comments Sat, 09 Jul 2016 13:56:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33167 Thomas Huber steht schon wieder

Thomas Huber steht schon wieder

„Es geht mir schon wieder ziemlich gut“, schreibt mir Thomas Huber aus dem Krankenhaus in Traunstein. Wenn das keine gute Nachricht ist! Schließlich war der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer – wie gestern berichtet – am Dienstag zwölf Meter tief aus einer Felswand am Brendlberg nahe Scheffau gestürzt. Der Unfall geschah laut dem Internetportal bgland24.de beim Abseilen. Als Thomas sich, auf einem Felsabsatz stehend, aus der Sicherung ausgeklinkt habe, um ein weiteres Seil aufnehmen zu können, habe er das Gleichgewicht verloren. Das hätte böse ausgehen können. „1000 Schutzengeln“ (Thomas) und seinem Instinkt dürfte es der Kletterer zu verdanken haben, dass ihm nichts Schlimmeres passierte.

Keine bleibenden Schäden

Laut bgland24.de landete Thomas nach eigenen Worten „wia a Katz“ auf dem weichen Waldboden. Huber war sogar noch in der Lage, gemeinsam mit seinem Kletterpartner Michael Grassl dem Krankenwagen entgegenzulaufen. Die Diagnose im Krankenhaus in Traunstein war dann jedoch besorgniserregend: Schädelbruch. Thomas kam sofort unters Messer. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Die Prognose der Ärzte ist positiv: Keine bleibenden Schäden. Auch die anderen Verletzungen – ab- oder angebrochene Dornfortsätze an einigen Wirbeln und ein verrenkter Finger – werden verheilen. Wenn alles gut läuft, kann Thomas in der kommenden Woche das Krankenhaus verlassen.

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Thomas Huber bei Absturz schwer verletzt https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-bei-absturz-schwer-verletzt/ Fri, 08 Jul 2016 09:09:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33143 Thomas-Huber

Thomas Huber

„Entgegen all den Meldungen: Mir geht’s so weit gut“, schreibt Thomas Huber auf Facebook. „Hatte 1000 Schutzengel.“ Nach Informationen der Internetseite BGLand24.de  stürzte der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer bereits am Dienstag bei Vorbereitungen für Filmarbeiten aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land 20 Meter weit ab. Thomas sprach inzwischen von einer Fallhöhe von zwölf Metern. Er hatte Ende Mai in der Wand eine neue Route eröffnet. Der Kletterer wurde nach dem Unfall ins Krankenhaus Traunstein eingeliefert. Nach unbestätigten Berichten soll sich Thomas bei dem Sturz einen Schädelbruch zugezogen haben. Er sei wegen eines Blutgerinnsels sofort operiert worden.

Latok I muss warten

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Thomas hatte ursprünglich im August mit Toni Gutsch und Sebastian Brutscher nach Pakistan fliegen wollen. Ihr Ziel: Die Vollendung der Nordgrat-Route am 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum. Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini  im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umkehren müssen, sind mehr als 20 Versuche, die Route zu meistern, gescheitert. Im Juni hatte Thomas die Pioniere in den USA besucht.

Dieser Plan des älteren der beiden Huberbuam (Alexander turnt gerade in Grönland herum) muss jetzt erst einmal wieder in der Schublade verschwinden. Jetzt gilt es, komplett gesund zu werden. Thomas, gute Besserung, ich drücke dir die Daumen, dass du schnell wieder auf die Beine kommst!

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Sturz mit glimpflichem Ausgang https://blogs.dw.com/abenteuersport/sturz-mit-glimpflichem-ausgang/ Thu, 14 Jan 2016 11:17:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31657 Gruppenbild - mit Spaßvogel Tomek Mackiewicz

Gruppenbild – mit Spaßvogel Tomek Mackiewicz (r.)

Wieder ist es ein zähes Ringen um die erste Winterbesteigung des Nanga Parbat – und ein gefährliches. An der Rupalflanke, der Südwestseite des Bergs, arbeitet sich das polnische „Nanga Dream“-Team auf der Schell-Route langsam, aber sicher nach oben. „Die Jungs sind auf dem Grat [dem Südsüdwestgrat] und versuchen, Lager 3 einzurichten“, schreibt mir heute das Team. „Sie arbeiten sich höher Richtung 7000 Meter.“ Lager 2 liegt auf 6200 Metern. Auf der Diamirseite, der Nordwestseite des Nanga Parbat, ist derweil „einer der wenigen Tage, wenn nicht sogar der einzige, an dem wir alle zur selben Zeit im Basislager sind“, schreibt der Spanier Alex Txikon auf Facebook.

Fixseil gerissen

Die Bergsteiger der vier Expeditionen dort nutzten die Gelegenheit zu einem „Familienfoto“. „Wir sitzen im Basislager, lecken unsere Wunden, verfolgen den Wetterbericht und grübeln über unsere Optionen“, sagt Adam Bielecki. Der Pole überstand einen 80-Meter-Sturz mit leichten Verletzungen an der rechten Hand. Auf dem Weg hinauf nach Lager 2 auf 6100 Metern auf der Kinshofer-Route hatte Adam den Halt verloren, als ein Fixseil gerissen war. „Glücklicherweise sicherte mich Daniele [Nardi] mit einem zweiten Seil“, schreibt Bielecki auf Facebook und resümiert: „Der Nanga ist kein Genussberg.“ Nicht umsonst blieben in den vergangenen Jahrzehnten mehr als zwei Dutzend Versuche erfolglos, diesen Achttausender in Pakistan erstmals im Winter zu besteigen.

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Auer: „Alles andere verliert an Bedeutung“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/auer-alles-andere-verliert-an-bedeutung/ Thu, 05 Nov 2015 08:33:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31071 Route der Österreicher in der Südwand des Nilgiri South

Route der Österreicher am Nilgiri South

Jeder, der selbst schon einmal einen sehr hohen Berg bestiegen hat, weiß um die Gefahren beim Abstieg. Nicht jene, vor die dich der Berg stellt, sondern dein eigener Körper. Plötzlich scheint alles Adrenalin verbraucht, du spürst Schmerzen, die du beim Aufstieg noch weggedrückt hast, bist erschöpft, willst nur noch schnell nach unten, drohst die Konzentration zu verlieren. Nicht umsonst passieren daher viele Unglücke beim Abstieg – wie jenes am 6839 Meter hohen Nilgiri South in Nepal, wo der Österreicher Gerhard Fiegl am Montag vergangener Woche mehrere hundert Meter abstürzte und seitdem vermisst wird. Die Suche nach dem 27-Jährigen wurde – wie berichtet – eingestellt.
Nach Angaben der beiden anderen Teammitglieder Hansjörg Auer und Alexander Blümel hatte das Trio am Tag zuvor „nach drei Tagen äußerst schwieriger und anspruchsvoller Kletterei durch die mehr als 1.500 Meter hohe Südwand erfolgreich den Gipfel“ erreicht. Damit war den Österreichern die erstmalige Durchsteigung der Wand gelungen, an der in den letzten Jahrzehnten einige andere Expeditionen gescheitert waren. Am Gipfel hätten sie bei Gerry „starke Erschöpfungserscheinungen“ festgestellt, berichten Hansjörg und Alex. Handelte es sich um Symptome der Höhenkrankheit? Der rasche Leistungsabfall Fiegls könnte dafür sprechen. In dieser Höhe wird der Sauerstoff nur noch mit rund 40 Prozent des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe.

Ungeplantes Biwak

Am Gipfel: Fiegl, Blümel und Auer (v.r.)

Am Gipfel: Fiegl, Blümel und Auer (v.r.)

„Am Gipfel lagen wir uns noch in den Armen und freuten uns gemeinsam über die erfolgreiche Besteigung der Südwand“, sagt Auer. „Innerhalb kürzester Zeit war die Situation aufgrund Gerrys Zustands extrem angespannt.“ Wenige hundert Meter unter dem Gipfel beschlossen die drei Kletterer zu biwakieren. Im Basislager versuchte der Fotograf Elias Holzknecht, eine Rettungsaktion zu organisieren. Starker Wind machte jedoch den Start eines Hubschraubers unmöglich. Nach der Biwaknacht schien sich Gerrys Zustand leicht gebessert zu haben, das Trio setzte den Abstieg fort. Gegen 14 Uhr Ortszeit verlor Fiegl dann am Südwestgrat das Gleichgewicht und stürzte vor den Augen seiner geschockten Freunde rund 800 Meter in die Tiefe.

Hubschrauber-Suche erst zwei Tage später möglich

Hansjörg und Alex stiegen ins Basislager ab. Starker Schneefall behinderte die sofort eingeleitete Suchaktion, erst zwei Tage nach dem Unglück konnte erstmals ein Hubschrauber starten. Die Suche nach Gerry blieb erfolglos. Am 1. November kehrten die anderen Expeditionsmitglieder nach Österreich zurück. „Wenn ein langjähriger Freund vor deinen Augen in den Tod stürzt, verliert in diesem Moment alles andere an Bedeutung“, sagt Hansjörg Auer. „Unsere gemeinsame Expedition hätte kein schlimmeres Ende nehmen können.“ Wie Auer ist auch Alexander Blümel „sehr traurig über den Verlust unseres Freundes. Aber die Erinnerung an die intensive Zeit, die ich mit Gerry erleben durfte, kann mir niemand nehmen.“

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Suche nach Gerry Fiegl eingestellt https://blogs.dw.com/abenteuersport/suche-nach-gerry-fiegl-eingestellt/ Tue, 03 Nov 2015 10:17:52 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31035 Gerhard Fiegl (1988-2015)

Gerhard Fiegl (1988-2015)

Aus den schlimmsten Befürchtungen ist traurige Gewissheit geworden. Der österreichische Bergsteiger Gerhard, genannt Gerry Fiegl, kehrt nicht mehr zurück. Die Suche nach dem 27-Jährigen sei eingestellt worden, informiert mich Reiner Gerstner, Unternehmenssprecher des Outdoor-Sportartikelherstellers Salewa. Fiegl gehörte seit acht Jahren zum Salewa-Athletenteam, um das sich Gerstner kümmert: „Nach Informationen aus Nepal bestand keine Hoffnung mehr, Gerry noch lebend zu finden.“ In den letzten Tagen seien in der Annapurna-Region ein bis anderthalb Meter Neuschnee gefallen. Am Montag vergangener Woche war Fiegl beim Abstieg vom 6839 Meter hohen Nilgiri South mehrere hundert Meter tief abgestürzt. Gerry hatte zuvor zusammen mit seinen Landsleuten Hansjörg Auer und Alexander Blümel erstmals die schwierige Südwand des Bergs durchstiegen, an der in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Expeditionen gescheitert waren. „So nahm eine bis dahin erfolgreiche Expedition ein tragisches Ende“, sagt Gerstner. „Wir trauern um einen Freund. Gerry war ein Großer.“

Nonstop auf den Fitz Roy

Gerhard im August 2015 in den Wendenstöcken im Wallis

Gerry in den Wendenstöcken (August 2015)

Gerhard Fiegl gehörte zu den Besten der jungen österreichischen Bergsteiger-Generation. 2014 kletterte Gerry zusammen mit seinem Südtiroler Freund Simon Gietl nonstop in nur 21,5 Stunden auf den Gipfel des legendären Granitbergs Fitz Roy in Patagonien. Nach 31,5 Stunden waren die beiden wieder zurück am Ausgangspunkt. Auch mit seinen Partnern vom Nilgiri South gelangen Fiegl spektakuläre ambitionierte Touren. So eröffnete Gerry mit Alex Blümel 2013 eine neue Felskletter-Route am Gargoyle in Alaska und im Frühjahr 2015 mit Hansjörg Auer im heimatlichen Ötztal eine ambitionierte Mixed-Route. Im Sommer hatte Fiegl seine Bergführer-Ausbildung abgeschlossen.

„Es mag abgedroschen klingen, aber das Wichtigste im Leben sind nicht Berge, Klettertouren und Schwierigkeitsgrade, sondern Gesundheit und Zufriedenheit“, schrieb Gerry. „Jeder von uns weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, gesund und fit zu sein, sondern dass sich diese Situation von einer Sekunde auf die nächste ändern kann.“ R.I.P., oder wie die amerikanischen Bergsteiger sagen: Climb on.

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