Colin Haley – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Gipfelerfolg am Gasherbrum II gemeldet https://blogs.dw.com/abenteuersport/gipfelerfolg-am-gasherbrum-ii-gemeldet/ Mon, 17 Jul 2017 13:08:12 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=37021

Gasherbrum II

Laut dem pakistanischen Expeditionsveranstalter Alpine Adventure Guides hat es heute den ersten Gipfelerfolg am Gasherbrum II in dieser Sommersaison gegeben. Die beiden Franzosen Mathieu Maynadier und Jeremy Rumebe hätten den 8034 Meter hohen Gipfel im Karakorum erreicht, teilte die Agentur mit.  Weitere Informationen liegen noch nicht vor. Die beiden Bergführer aus Frankreich hatten sich vorgenommen, den G II auf der Normalroute zu besteigen und anschließend mit Skiern abzufahren. Ziel seiner ersten Achttausender-Expedition sei es, Erfahrung in großer Höhe zu sammeln, um irgendwann in den nächsten Jahren eine technische Route an einem Achttausender zu versuchen, hatte Maynadier im Vorfeld gesagt.

Bargiel wartet auf seine Chance

Andrzej Bargiel am K 2

Mehr Achttausender-Erfahrung hat der Pole Andrzej Bargiel, der sich in diesem Jahr vorgenommen hat, den K 2 – mit 8611 Metern der zweithöchste Berg der Erde – mit Skiern hinunterzufahren. Der 29-Jährige hat bereits drei Skiabfahrten von Achttausender-Gipfeln auf dem Konto: Shishapangma (2013), Manaslu (2015) und Broad Peak (2015). Andrzej ist gerade von einem Akklimatisierungsaufstieg ins Basislager zurückgekehrt. Bargiel und sein Landsmann Janusz Golab verbrachten zwei Nächte in Lager 3 auf 7100 Metern. „Vor mir und dem Rest des Teams liegen jetzt ein paar Tage Ruhe“, schreibt Andrzej in seinem Blog. „Wir werden die ganze Zeit über das Wetter beobachten, um den richtigen Zeitpunkt für einen Gipfelversuch zu erwischen.“

Keine neue Spur von Zerain und Galvan

Das Unglücksgebiet am Mazeno-Grat

Am Nanga Parbat ist derweil die neuerliche Suche nach Alberto Zerain aus Spanien und Mariano Galvan aus Argentinien endgültig eingestellt worden. Das Steinschlag- und Lawinenrisiko unterhalb des Mazeno-Grates sei zu hoch, um die Stelle zu erreichen, von der aus das letzte GPS-Signal der beiden Bergsteiger empfangen worden war, schreibt Mirza Ali, Leiter der Suchaktion, auf Facebook. In einem Rettungshubschrauber flog Mirza abschließend noch einmal fünf Runden über das Unglückgebiet. Sein Resümee: “1. Die Bergsteiger wurden vom Grat in eine unterhalb liegende Spalte gespült und von der großen Lawine begraben. 2. Die Lawine löste sich oberhalb der Bergsteiger, auf ungefähr 6200 Metern. 3. Es gibt am Grat keine weitere Fußspur, die nach der Lawine entstanden ist.“ R.I.P., Alberto und Mariano!

Update 18.7.: Zusammen mit den beiden Franzosen Maynadier und Rumebe hat auch der US-Amerikaner Colin Haley den Gipfel des Gasherbrum II erreicht. Die drei Bergsteiger meldeten sich wohlbehalten im Basislager zurück. „Wir sind glücklich, dass wir alleine auf dem Berg waren und dass wir den ersten Aufstieg in dieser Saison geschafft haben“, ließ das Trio wissen.

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Drei Fragen an Ueli Steck https://blogs.dw.com/abenteuersport/drei-fragen-an-ueli-steck/ Sat, 17 Oct 2015 11:22:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30881 Ueli in der Cholatse-Nordwand

Ueli in der Cholatse-Nordwand

Die Herbstsaison im Himalaya ist noch nicht ganz vorbei. Auch wenn kürzlich die Expeditionen am Mount Everest sowie den Achttausendern Makalu, Dhaulagiri und Annapurna wegen zu gefährlicher Verhältnisse am Berg abgebrochen wurden, sind immer noch einige wenige Bergsteiger an den höchsten Bergen unterwegs. So hatte sich das Team des Südkoreaners Sung Taek Hong, der sich erneut an der Lhotse-Südwand versucht, für einen späteren Expeditionsbeginn entschieden. Und auch der Schweizer Ueli Steck und der US-Amerikaner Colin Haley haben gerade erst ihre Akklimatisierung abgeschlossen. Steck und Haley gingen dabei getrennte Wege. Steck kletterte mit Tenji Sherpa durch die Nordwand des 6440 Meter hohen Cholatse. „Das war ziemlich cool. Er ist der erste Sherpa, der diese Wand kletterte“, schreibt mir Ueli. „Es ist schön zu sehen, wie eine ’neue‘ Generation Sherpas heranwächst, die sich wirklich fürs Bergsteigen interessieren und nicht nur fürs Business. Ich denke, das ist genial!“ Steck und Haley wollen die 2003 eröffnete, extrem schwierige Route über den Südostpfeiler auf den 7804 Meter hohen Nuptse East erstmals wiederholen – im Gegensatz zu den russischen Erstbegehern Valerij Babanov und Yuri Kosholenko jedoch im Alpinstil. Ich habe Ueli drei Fragen ins Basislager geschickt.

Akklimatisierung a'la Ueli

Akklimatisierung à la „Speedy“  Ueli

Ueli, einige Expeditionen – ob am Everest, Makalu oder Dhaulagiri – wurden in den letzten zwei Wochen wegen zu viel Schnees und damit einhergehender Lawinengefahr abgebrochen. Wie sind die Verhältnisse am Nuptse?

Die am Everest haben auch abgebrochen? Am Cholatse hatten wir vor einer Woche perfekte Bedingungen. Ich bin die Wand nun dreimal geklettert und hatte noch nie so gute Bedingungen. Es war ein Traum. Jetzt hier am Nuptse sieht es ein bisschen anders aus. Die Wand war extrem trocken, da es sehr warm war. Jetzt ist das Wetter sehr unstabil, und es hat jeden Tag etwas Niederschlag gegeben. Ich denke es ist nicht sehr gut, aber wir werfen die Flinte noch nicht ins Korn!

Ueli-Steck-Akklimati-IIDu wirkst auf den Bildern, die du aus dem Khumbu schickst, topfit und gut gelaunt. Dein Kletterpartner für das ambitionierte Nuptse-Projekt, Colin Haley, hatte dagegen gesundheitliche Probleme. Was geschieht, wenn er nicht so fit wird, wie du es offenkundig bist?

Colin ist „on track“ (auf der Spur). Ich fühle mich sehr wohl in der Höhe und gewöhne mich offenbar auch sehr schnell daran. Wir mussten jeder sein eigenes Programm absolvieren, um uns zu akklimatisieren. Daher bin ich auch mit Tenji zum Cholatse gegangen. Aber jetzt ist Colin auch bereit. Schauen wir mal, wie es läuft.

Das Erdbeben in Nepal liegt bald ein halbes Jahr zurück. Wie erlebst du die Menschen und die Situation im Khumbu?

Es ist beeindruckend, zu sehen, wie die Leute damit umgehen. Das Khumbu ist bereits wieder komplett aufgebaut. Wenn man nicht wüsste, dass es im Frühjahr ein Erdbeben gab, würde man nichts merken. Auffallend ist, wie wenig Touristen hier sind. Aber die Leute hier sind wie immer sehr positiv eingestellt. Das Land hat mehr Probleme als nur die Folgen des Erdbebens – aktuell, dass kein Benzin mehr ins Land kommt. Ich glaube, die ganze Politik sorgt für das größere Leid.

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Steck: „Nur so kann ich den Menschen Nepals helfen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-nur-so-kann-ich-den-menschen-nepals-helfen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/steck-nur-so-kann-ich-den-menschen-nepals-helfen/#comments Wed, 02 Sep 2015 12:22:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30487 Ueli Steck

Ueli Steck

Noch 20 Tage, dann kehrt Ueli Steck nach Nepal zurück. In das Land, in dem der 38 Jahre alte Schweizer Topbergsteiger in ein und demselben Jahr sowohl seinen vielleicht spektakulärsten Erfolg als Bergsteiger feierte als auch die größte Todesangst erlebte, die nichts mit den eigentlichen Risiken des Bergsports zu tun hatte. Im Frühjahr 2013 griffen aufgebrachte Sherpas in einem Hochlager am Everest Ueli und seine Teamgefährten Simone Moro und Jonathan Griffith an und bedrohten sie mit dem Tod. Im Herbst 2013 stieg Steck auf die 8091 Meter hohe Annapurna, den Achttausender mit der höchsten Todesrate: im Alleingang durch die extrem gefährliche Südwand, über eine teilweise neue Route, wie immer ohne Flaschensauerstoff. Nur 28 Stunden benötigte Ueli für Auf- und Abstieg.

Dass er wieselflink die Berge hinaufjagen kann, bewies Steck auch in diesem Sommer, als er – wie hier berichtet – in nur 62 Tagen alle 82 Viertausender der Alpen bestieg und die Entfernung zwischen den Bergen ohne Motorkraft zurücklegte: zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Gleitschirm. Ich habe mit Ueli über seinen Parforceritt durch die Alpen gesprochen – und auch über sein neues spannendes Vorhaben in Nepal, am Fast-Achttausender Nuptse, in Sichtweite des Mount Everest.

Ueli während seines "82 Summits"-Projekts

Ueli während seines „82 Summits“-Projekts

Ueli, du hast mir vor deinem Projekt „82 Summits“ erzählt, du wolltest die Risiko-Schraube ein bisschen zurückdrehen, einfach nur Spaß haben. Hattest du diesen Spaß in den 62 Tagen, die du gebraucht hast, um alle Viertausender der Alpen zu besteigen?

Es war eigentlich eines der besten Projekte, das ich jemals gemacht habe. Jeden Tag hat es Spaß gemacht. Dazu kam, dass ich ausgesprochenes Glück mit dem Wetter hatte.

Wie groß war die sportliche Belastung und damit auch für dich der sportliche Wert?

Am Ende hatte ich 117.000 Höhenmeter gemacht, das ist schon eine gewisse Belastung. Der sportliche Wert ist im Augenblick noch schwer abzuschätzen. Aber es hat für mich schon einen recht großen Wert, weil ich immer alles unter Kontrolle hatte. Ich konnte mich immer gut erholen und hatte nie Probleme mit meinem Körper.

Dir ist ja dein ursprünglicher Partner bei dem Projekt, der deutsche Bergsteiger Michi Wohlleben, recht früh abhanden gekommen, weil er sich verletzt hat. Du warst anschließend mit vielen unterschiedlichen Partnern am Berg unterwegs, unter anderen mit deiner Frau Nicole. Hast du das genossen?

Das hat eigentlich das Projekt in eine komplett andere Richtung gelenkt. Das war super genial, mit so unterschiedlichen Leuten zu klettern. Wenn ich etwa mit meiner Frau unterwegs war, ging es vor allem um das Erlebnis einer schönen Bergtour. Mit Andy Steindl konnte ich dann mal wieder richtig Gas geben. So ergab sich jeden Tag ein anderer Ansatz.

Du bist jetzt richtig gut durchtrainiert, warst oft genug auf über 4000 Metern, damit bist du auch akklimatisiert – beste Voraussetzungen, um die ganz hohen Berge anzugehen.

Ich glaube schon, dass ich jetzt eine gute Basis und einen guten Trainingszustand habe, um nach Nepal zu gehen.

Die Nuptse-Gipfel von Süden aus

Die Nuptse-Gipfel von Süden aus

Planst du immer noch, im Herbst mit dem US-Amerikaner Colin Haley die so genannte „Babanov-Route“ am 7804 Meter hohen Nuptse East im Alpinstil zu versuchen?

Genau. Wir fliegen am 22. September nach Nepal. Und dann schauen wir mal, was sich dort ergibt.

Worin liegt für dich der besondere Reiz dieses Projekts?

Es ist eine technisch anspruchsvolle Route, die noch nie wiederholt wurde. Als Valeri Babanov und Yuri Kosholenko diese Route (im Jahr 2003 über den Südostpfeiler) erstbegingen, nutzten sie Fixseile. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt wirklich möglich ist, diese schwierige Route auch im Alpinstil zu begehen. Und das reizt mich.

Du startest mit einem Kletterpartner. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es am Ende doch wieder ein Soloprojekt wird?

(Lacht) Nein, damit bin ich fertig. Beim 82-Summits-Projekt war es ja schon wieder so, dass der Michi ausgestiegen ist. Aber nein, solche Aktionen wie an der Annapurna mache ich nicht mehr.

Für dich wird es auch eine Rückkehr in eine Region, in der du im Frühjahr 2013 alles andere als gute Erfahrungen gemacht hast. Du wurdest im Everest-Hochlager von aufgebrachten Sherpas angegriffen. Hast du immer noch ein mulmiges Gefühl?

Ich werde das natürlich niemals vergessen. Es ist in meinem Hinterkopf. Aber ich habe jetzt ein paar Jahre Zeit gehabt, mich damit zu beschäftigen, mit Leuten darüber zu sprechen und das Ganze einzuordnen. Es waren nur ein paar Extremisten. Aber es gibt überall auf der Welt ein paar komische Leute. Für mich ist das erledigt, und ich schaue nach vorne.

Ueli an der Annapurna

Ueli an der Annapurna

In der Zwischenzeit ist viel in Nepal passiert: zwei tödliche Lawinen am Everest; das verheerenden Erdbeben; in der Folge in diesem Herbst wenig Trekkingtouristen, kaum Expeditionen. Willst du mit deinem Projekt auch ein Signal geben: Leute, ich habe keine Angst, dorthin zu fahren?

Ich habe natürlich immer noch ein bisschen Angst: Gibt es noch einmal ein solches Erdbeben? Es ist nicht lustig, wenn du dann in den Bergen unterwegs bist. Auf der anderen Seite ist es die einzige Möglichkeit, wie ich den Leuten in Nepal richtig helfen kann – indem ich wieder dorthin reise, ihnen Arbeit bringe und damit Möglichkeiten für sie schaffe, dass das Leben weitergeht.

Steht man als Profi-Bergsteiger, der oft in Nepal war, in der Verantwortung, dem Land jetzt, wo es ihm wirklich schlecht geht, auch etwas zurückzugeben?

Für mich ist es selbstverständlich, dass ich versuche zu helfen – in dem Rahmen, in dem es mir möglich ist. Ich bin nicht der Meinung, dass man einfach nur Hilfsgüter schicken sollte. Das bringt einem Land wie Nepal schlussendlich nichts. Am Anfang ist es wichtig, und es ist ja auch passiert. Aber die Leute müssen Arbeit haben, damit sie zu etwas kommen. Das war mir immer wichtig, deshalb bin ich auch immer wieder nach Nepal gekommen: damit es für die Leute, die ich kenne und unterstützt habe, auch weitergeht.

P.S. An der Stelle möchte ich euch noch einmal an unser Hilfsprojekt „School up!“ erinnern. Alle Details findet ihr auf der rechten Seite des Blogs, Berichte darüber auf der oberen Leiste. Danke!

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Ueli Steck: „Ich akzeptiere das Risiko“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-ueli-steck-risiko/ Wed, 11 Feb 2015 09:35:16 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28383 Ueli Steck auf der ISPO

Ueli Steck auf der ISPO

Eigentlich wollte Ueli Steck im Herbst 2014 in Tibet nur ein bisschen Aktivurlaub machen. Der 38 Jahre alte Top-Bergsteiger aus der Schweiz plante, mit seiner Frau Nicole über die Normalroute den Achttausender Shishapangma zu besteigen. Schnell war klar: Ganz so einfach würde es nicht, weil zu viel Schnee lag. „Nur im Basislager rumsitzen, ist aber nicht mein Ding“, erzählte mir Ueli auf der ISPO in München. „Deshalb habe ich die Jungs bei ihrem Gipfelversuch begleitet.“ Die Jungs, das waren die deutschen Skibergsteiger Benedikt Böhm, Sebastian Haag und Martin Maier sowie der Italiener Andrea Zambaldi. Im Gipfelbereich löste sich eine Lawine: Haag und Zambaldi kamen ums Leben, Maier überlebte schwer verletzt. Nur Steck und Böhm wurden von der Lawine nicht mitgerissen. Grund genug, mit Ueli über Risiko und Glück zu reden:

Ueli, man sagt, eine Katze habe sieben Leben. Wie viele Leben hast du?

Ja, wie viele Leben habe ich? Ich habe jetzt schon ein paar Mal Glück gehabt. Aber ich zähle das nicht, da machst du dich nur verrückt. Es ist halt so, wenn man in die Berge geht, geht man ein gewisses Risiko ein. Und das muss man einfach akzeptieren.

Ueli Steck: Hatte schon ein paar Mal Glück gehabt

Vorgeschobenes Basislager an der Shishapangma

Vorgeschobenes Basislager an der Shishapangma

Im vergangenen Herbst hast an der Shishapangma hat eine Lawine im Gipfelbereich die Skibergsteiger Sebastian Haag und Andrea Zambaldi das Leben gekostet. Du warst dabei, wie knapp war es für dich?

Es war eigentlich nur Glück, dass Beni (Böhm) und ich uns noch etwas weiter oben aufhielten. Wir standen auch in der Lawine, aber eben ein wenig auf der Seite, wo nicht so viel wegrutschte. Wir konnten stehen bleiben, die anderen hat es weggefegt. Das war sehr knapp.

Wie viel ist in so einer Situation Glück, wie viel Instinkt?

Das ist schwierig zu sagen. Instinkt, das sind Entscheidungen, die du unbewusst triffst. Das kann man nicht messen. Es gibt schon Leute, die machen immer das Richtige. Man sagt dann auch, die haben immer Glück. Aber was ist Glück? Vielleicht trifft man einfach instinktiv die richtige Entscheidung und steht am richtigen Ort. Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, das war mein Instinkt, dass ich dort überlebt habe. Aber ich würde auch nicht sagen, es war nur pures Glück. Ich kann das irgendwie nicht erklären.

Du hast schon mehrere solcher Situationen erlebt. So wurdest du bei einem deiner ersten Versuche an der Annapurna-Südwand im Jahr 2007 von einem Stein am Kopf getroffen und kullertest 300 Meter tief den Berg hinunter.

Das war pures Glück. Pech war eigentlich nur, dass mich damals der Stein getroffen hat, der Rest war wirklich pures Glück. Das hatte nichts mit Instinkt oder was auch immer zu tun.

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Wie gehst du anschließend mit so einer Erfahrung um? Hast du irgendwelche professionellen Mechanismen entwickelt, damit du das nächste Projekt wieder unbefangen angehen kannst oder beschäftigt es dich genauso, wie es einen Laien beschäftigen würde?

Mich beschäftigt das sehr. Die Geschichte 2013 an der Annapurna (Ueli riskierte viel, als er solo durch die Südwand über eine bis dahin noch nicht vollendete Route zum Gipfel stieg und nach nur 28 Stunden wieder unten ankam) hat mich richtig aus der Bahn geworfen, das muss ich zugeben. Aber man kann das einfach herunterbrechen: Beim Bergsteigen probiert man, gute Entscheidungen zu treffen, nicht zu viel Risiko einzugehen. Am Schluss müssen wir jedoch einfach ganz klar sagen: Sobald wir in die Berge gehen, egal auf welchem Niveau du es betreibst, besteht ein gewisses Risiko, dass ein Unfall passiert. Da gibt es für mich nur Schwarz-Weiß. Entweder ich akzeptiere das oder eben nicht. Wenn ich es nicht akzeptiere, darf ich nicht mehr in die Berge fahren. Und da sind mir halt das Bergsteigen und die Erlebnisse, die ich dabei habe, einfach zu wichtig und geben mir zu viel. Deshalb akzeptiere ich das Risiko.

Ueli Steck: An der Annapurna, das war zu viel

Bist du als Profi gezwungen, ein größeres Risiko einzugehen, um ernst genommen zu werden?

Nein, ich bin zu absolut nichts gezwungen. Ich kann machen, was ich will. Ich treffe meine Entscheidungen für mich selber. Wenn ich in eine Wand einsteige, habe ich das Projekt so lange vorbereitet, dass es auch machbar ist. Es gibt bei mir nicht die Überlegung: Wenn ich es überlebe, mache ich ein gutes Geschäft daraus. Wenn ich gehe, ist für mich klar, ich komme auch wieder zurück. Das ist ein entscheidender Faktor. Aber ich bewege mich natürlich in einem anderen Bereich als jemand, der einfache Touren macht. Und sobald wir uns in diesem High-End-Bereich aufhalten, ist automatisch das Risiko viel höher.

Im Zelt an der Annapurna

Im Zelt an der Annapurna

Ihr versucht, eure persönlichen Grenzen immer ein Stück weiter zu verschieben. Besteht dann nicht die Gefahr, die Schraube zu überdrehen? Ist es möglich, irgendwann zu sagen: Das war das Riskanteste, was ich gemacht habe, ab jetzt drehe ich die Schraube ein Stück zurück?

Das ist ja genau das Schwierige, und das weiß ich auch für mich selber. Nehmen wir die Annapurna. Ich habe das reflektiert, es hat mich sehr beschäftigt. Ich bin eigentlich der einzige, der wirklich beurteilen kann, wie viel Risiko ich dort eingegangen bin und wie viel Commitment (Einsatz) dabei war. Es war sehr viel. Ich habe dort sogar akzeptiert, dass ich wahrscheinlich nicht lebend zurückkomme. Und das ist zu viel. Es ist ganz einfach, jetzt hier am Tisch zu sagen, ich drehe die Schraube ein bisschen zurück. Aber es ist ein Riesenprozess, das auch zu fühlen, zurückstehen zu können, ohne immer das Gefühl zu haben, man sollte doch noch weiter gehen. Bei mir ist es auch noch nicht so, dass ich sagen kann: Ich gehe jetzt nicht mehr in den Himalaya. Ich weiß, sobald ich in dieser Situation bin, treffe ich die Entscheidung wieder genauso wie an der Annapurna, und ich akzeptiere das Risiko.  

Ueli Steck: Schwierig, die Schraube zurückzudrehen

Du hast vor nicht allzu langer Zeit einmal gesagt: Die Zeit der Solos ist vorbei, ich möchte jetzt auch wegen des Risikofaktors mehr im Team unterwegs sein. An der Shishapangma 2011 seid ihr zu zweit aufgebrochen, letztlich bist du aber alleine durch die Südwand gestiegen. An der Annapurna 2013 dasselbe. Hast du Schwierigkeiten, gleich starke Partner zu finden?

Zumindest probiere ich es. (lacht) Zweimal hat es nicht geklappt. Es ist schon schwierig, jemand zu finden, der auf demselben Niveau ist und das auch umsetzen kann. Ich habe eben diese Erfahrung der Sologänge, und damit ist es auch immer eine Option. Das wird in meinem Leben auch immer so bleiben. Es ist mir auch schon passiert, als ich mit einem Partner zur Eiger-Nordwand wollte. Am Einstieg sagt er, ich fühle mich schlecht, ich komme nicht mit. Dann habe ich halt die Option zu sagen: Das Wetter ist schön, ich gehe trotzdem und wir sehen uns dann am Nachmittag auf der Kleinen Scheidegg im Bahnhofsbuffet und trinken was zusammen.

Andere würden umdrehen.

Ja, weil sie diese Option nicht haben. Daher gerate ich immer wieder in diese Situationen.

Was machst du als nächstes?

Ich probiere auch wirklich, die Schraube ein bisschen zurückzudrehen. Ich plane zusammen mit (dem deutschen Bergsteiger) Michi Wohlleben eine Traverse in den Alpen, alle Viertausender. Dabei wollen wir einfach auch Spaß haben zu klettern. Im Herbst gehe ich zum Nuptse, wo ich mit Colin Haley die Route von Valeri Babanov im Alpinstil wiederholen möchte.

Zur Erklärung: Den Russen Valerij Babanov und Yuri Kosholenko gelang es 2003 erstmals, den Gipfel des 7804 Meter hohen Nuptse East (in der Nachbarschaft des Mount Everest) über den Südpfeiler zu besteigen. Bis auf eine Höhe von 6400 Meter legten sie Fixseile – was in der Kletterszene zu einer Kontroverse über ihren Stil führte. Die Route sei durch Haken und Fixseile „entweiht worden“, kritisierte der US-Kletterer Steve House, der 2002 im Alpinstil auf derselben Route eine Höhe von 7200 Metern erreicht hatte. Babanov konterte: „Der Berg wartet. Du brauchst einfach nur hinzugehen und zu klettern!“ Genau das will Ueli nun machen.

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