DAV Summit Club – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Keine Aussicht auf Frühlingsgefühle in Nepal https://blogs.dw.com/abenteuersport/keine-aussicht-auf-fruehlingsgefuehle-in-nepal/ Wed, 13 Jan 2016 16:43:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31645 Brennholz statt Gas oder Kerosin

Gefragt: Brennholz zum Heizen und Kochen

Wenn es eine Jahreszeit gibt, die für Optimismus steht, dann ist es der Frühling: Der Winter verzieht sich, es wird wärmer, heller, farbenfreudiger. Das verleitet dazu, sich die Welt möglicherweise schöner zu malen, als sie – nüchtern betrachtet – wirklich ist. Auch die Menschen in Nepal sehnen den Frühling herbei, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. 2015 wurden sie gebeutelt. Erst das verheerenden Erdbeben, das nach offiziellen Angaben mehr als 8800 Menschen das Leben kostete. Und als wäre das allein noch nicht schlimm genug, seit nun schon vier Monaten die Blockade der Grenze zu Indien. Von Frühlingsgefühlen ist in Nepal derzeit noch nichts zu spüren.  

Zwiespältig

Nach wie vor sind Brennstoff, Lebensmittel und Medikamente knapp, weil der Nachschub aus Indien fehlt. Der Wiederaufbau in den Regionen, die vom Erdbeben getroffen wurden, stockt wegen der Blockade. Und auch der Tourismus leidet. Die Bedingungen für die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen sind alles andere als ideal. Bisher sei es seiner Agentur immer noch gelungen, Benzin aufzutreiben, Flüge zu gewährleisten und Essen zu organisieren, schreibt mir Manfred Häupl, Chef des deutschen Veranstalters Hauser Exkursionen, „sicher oft über den Schwarzmarkt.“ Er habe ein „ambivalentes Gefühl“ dabei, räumt Häupl ein, „weil wir Touristen schicken wollen und sollen, andererseits die Bevölkerung leidet.“

Mit zweierlei Maß

Rationierter Verkauf von Gasflaschen

Rationierter Verkauf von Gasflaschen

„Die Buchungslage hat sich längst noch nicht erholt“, sagt der Hauser-Chef. „Wir liegen noch ca. 30 Prozent unter dem Wert des Vorjahrs. Das NTB [Nepal Tourism Board – die Tourismusbehörde des Landes] unternimmt nichts, um den Tourismus anzukurbeln, vielmehr wurden nun auch noch die Eintrittsgebühren erhöht.“ Im Gegensatz dazu erhebt die nepalesische Regierung seit Jahresbeginn keine Visagebühren mehr für Besucher aus China. Vielleicht sollten die Verantwortlichen in Kathmandu auch einmal über eine solche Geste gegenüber westlichen Touristen nachdenken.

Weniger Buchungen, aber Aufwärtstrend

Auch andere große deutsche Anbieter wie der DAV Summit Club und Amical alpin verzeichnen für die anstehende Saison einen Rückgang der Buchungen für Nepalreisen in ähnlicher Größenordnung wie Hauser. „Die Buchungseingänge für das Frühjahr 2016 liegen derzeit 26 Prozent unter denen des Vorjahres“, schreibt mir Markus Herrmann, Produkt-Manager beim DAV Summit Club. Allerdings stelle sein Unternehmen eine anziehende Nachfrage für Nepalreisen fest. „Es geht deutlich aufwärts“, sagt Herrmann.

Über Kathmandu oder Lhasa?

Dominik Müller, Chef von Amical alpin, äußert sich ebenfalls vorsichtig optimistisch. So sei die für das Frühjahr angebotene Expedition zum Achttausender Makalu in Nepal „bereits gut gebucht und damit gesichert“. Der Amical-Chef verweist jedoch auf Unwägbarkeiten vor der anstehenden Saison: „Für uns als Expeditionsanbieter ist die Frage offen, ob China die Grenze zu Tibet für Expeditionen öffnet, damit wir unser Material und auch die Anreise über Nepal organisieren können. Sicherlich ist eine Anreise auch über Lhasa möglich, bedeutet aber deutlich höhere Kosten.“

Das große Schweigen

Während im Frühjahr 2015 das Erdbeben in Nepal weltweit über Wochen Schlagzeilen machte, scheint sich für den Konflikt im nepalesisch-indischen Grenzgebiet kaum jemand zu interessieren. Die Volksgruppe der Madhesi, die in der Grenzregion lebt, protestiert mit der Blockade gegen die neue Verfassung Nepals, durch die sie sich benachteiligt fühlt. Die Regierung in Kathmandu beschuldigt Indien, die Blockade aktiv zu unterstützen, die Verantwortlichen in Neu Delhi bestreiten dies.
Ende November äußerte sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon besorgt über die Auswirkungen der Blockade auf die Hilfsaktionen in Nepal und unterstrich das Recht des Landes auf freien Transit. Er rief alle beteiligten Parteien auf, ihre Differenzen beizulegen.
Von den westlichen Regierungen ist zu dem Konflikt bisher so gut wie nichts zu hören. Meine Anfrage an das Auswärtige Amt in Berlin, wie die Bundesregierung zu dem Problem stehe, ob sie schon auf Indien eingewirkt habe oder beabsichtige, dies zu tun, blieb bisher unbeantwortet.

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PR mit Permit https://blogs.dw.com/abenteuersport/pr-mit-permit/ Tue, 25 Aug 2015 20:06:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30425 Begeisterung in Nepal um Bergsteiger Kuriki

Begeisterung in Nepal um Bergsteiger Kuriki

Die Verzweiflung in Nepal muss groß sein. Anders ist nicht zu erklären, dass die Regierung in Kathmandu dieser Tage eine Pressekonferenz einberufen hat, nur um ein Permit für eine Expedition zu übergeben. Aus der Hand von Tourismusminister Kripasur Sherpa erhielt der Japaner Nobukazu Kuriki die schriftliche Erlaubnis, in diesem Herbst den Mount Everest zu besteigen. „Kuriki geht in einer Zeit bergsteigen, in der es in der Welt Verwirrung über die Sicherheit des Landes nach dem Erdbeben gibt“, sagte der Minister. „Er gibt ein Beispiel dafür ab, das Land wieder zu besuchen.“ Ins gleiche Horn stieß auch der 33 Jahre alte japanische Bergsteiger: „Ich besteige den Berg, um Nepal in dieser schwierigen Zeit beizustehen und die Botschaft zu verbreiten, dass das Land für Touristen sicher ist.“

Kuriki will – wie berichtet – versuchen, den Everest über die nepalesische Seite zu besteigen, nachdem die chinesischen Behörden allen Expeditionen in Tibet die kalte Schulter gezeigt hat. Heute ist Kuriki von Kathmandu aus ins Khumbu-Gebiet geflogen, um sich dort zu akklimatisieren. Bei seinem letzten Versuch, den Everest im Herbst zu besteigen, hatte sich der Japaner 2012 schwere Erfrierungen zugezogen, neun Fingern hatten amputiert werden müssen. Wie damals will Kuriki auch diesmal alleine und ohne Flaschensauerstoff aufsteigen. Die „Icefall doctors“ präparieren für ihn den Weg durch den Khumbu-Eisfall.

Eine Handvoll Expeditionen

Trekkingroute zum Mount Everest

Trekkingroute zum Mount Everest

Die PR-Offensive der nepalesischen Regierung hat nichts damit zu tun, dass sie Kurikis Versuch angesichts seiner Vorgeschichte für besonders bewundernswert oder sportlich herausragend und deshalb unterstützungswürdig hielte. Die Verantwortlichen in Kathmandu befürchten vielmehr, dass der Tourismusmarkt nach dem Erdbeben in der Herbstsaison um die Hälfte einbricht. Nicht viel mehr als eine Handvoll Permits hat sie für Herbst-Expeditionen ausstellen müssen. Das alleine wäre noch nicht dramatisch, doch auch die Nachfrage nach Trekkingtouren in Nepal, Haupteinnahmequelle in der Nach-Monsun-Zeit, war mäßig.

Licht am Horizont

Das bestätigt auch meine Anfrage bei deutschen Veranstaltern. Amical Alpin verzeichnet für den Herbst einen Rückgang der Buchungen von Trekkingreisen nach Nepal von etwa 30 Prozent, bei Expeditionen von 50 Prozent. Auch der DAV Summit Club beziffert den Markteinbruch für Nepal auf etwa 50 Prozent. Beide Agenturen sehen jedoch Licht am Horizont. „Seit einigen Wochen können wir feststellen, dass Nepal und hier vor allem die Annapurna-Region und das Everest-Gebiet wieder verstärkt nachgefragt werden“, schreibt mir Marcus Herrmann, Produktmanager beim Summit Club. „Für das Frühjahr 2016 gehen wir von einer deutlichen Belebung aus.“ Auch Amical registriert seit Anfang August wieder Buchungen für Nepal und ist für die nächste Saison „guter Dinge“. Dem gebeutelten Land und seinen von der Katastrophe geschlagenen Menschen wäre es zu wünschen. Vielleicht ist die Regierung in Kathmandu dann auch nicht mehr gezwungen, Presserummel um Permits zu veranstalten.

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Nepal hofft auf Comeback im Herbst https://blogs.dw.com/abenteuersport/nepal-hofft-auf-comeback-im-herbst/ Wed, 03 Jun 2015 15:22:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29689 Manaslu, „Berg der Seele“

Manaslu, „Berg der Seele“

„Come back! Damit Nepal ein Comeback feiert.“ So könnte man die Appelle all jener überschreiben, die in irgendeiner Form vom Tourismus in Nepal leben oder damit zu tun haben. Die Veranstalter von Trekkingreisen und Expeditionen signalisieren, dass sie die meisten ihren für die Nach-Monsun-Saison im Herbst geplanten Touren realisieren wollen. „Das verheerende Erdbeben hatte das Leben in Nepal erschüttert, aber so langsam kehrt das Leben wieder zur Normalität zurück“, schreibt Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical alpin.

Manaslu-Expeditionen finden statt

Die ausgeschriebenen Trekkingtouren im Khumbu-Gebiet am Mount Everest seien ebenso wenig gefährdet wie jene im Gebiet um die Achttausender Annapurna, Dhaulagiri und Kangchendzönga. Massive Schäden gebe es auf der Manaslu-Runde. Da Amical dort aber ohnehin kein Lodge-, sondern ein Zelttrekking plane, sei auch diese Tour „machbar“, so Dominik. Die Expedition auf den 8163 Meter hohen Manaslu werde ebenfalls durchgezogen. Auch der neuseeländische Veranstalter Himalayan Experience steuert den achthöchsten Berg der Erde an. „Ich veranstalte wie sonst auch eine Manaslu-Expedition im Herbst“, schreibt mir Russell Brice, der Chef von Himex.

Ama Dablam

Ama Dablam

Der US-Anbieter Alpenglow Expeditions lockt seine Kunden mit Preisnachlässen nach Nepal. Für alle, die bis Ende Juni buchen, wird die Herbst-Expedition zum Siebentausender Ama Dablam um zehn Prozent, die zum Achttausender Makalu um fünf Prozent billiger. „Massenweise Stornierungen von Reisen nach Nepal wären für die ohnehin zerstörte Wirtschaft des Landes verheerend“, heißt es bei Alpenglow.

Probleme in Langtang-Gebiet

Eine Delegation des Veranstalters DAV Summit Club, die sich vor Ort ein Bild von der Lage in den Trekkinggebieten Nepals gemacht hatte, ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. „Trekkingtourismus im Everest-Gebiet kann ab Oktober ohne Einschränkungen stattfinden“, heißt in einem ersten Fazit des Summit-Clubs. Das gelte auch für das Annapurna-Gebiet, wo die Erdbeben-Schäden bis Oktober repariert sein dürften. Östlich des Everest und westlich der Annapurna sei das Beben glimpflich ausgegangen. „Im starken Maße betroffen sind dagegen sind die Regionen Langtang und Manaslu mit dem nördlich angrenzenden Tsum Valley. In diesen Regionen werden im Herbst keine Trekking-Reisen stattfinden können“, so die Vertreter des Summit Club.

Botschafter des guten Willens

Der neue nepalesische Tourismusminister Kripa Sur Sherpa hat 14 bekannte Bergsteiger aus aller Welt nominiert, die als „Botschafter des guten Willens“ Werbung für Nepal machen sollen. Dazu gehören der Südtiroler Reinhold Messner, die Japanerin Junko Tabei (die erste Frau auf dem Everest), Peter Hillary und Jamling Tenzing Norgay (die Söhne der Everest-Erstbesteiger) und auch Ralf Dujmovits, der erste und bisher einzige Deutsche, der alle 14 Achttausender bestiegen hat.

P.S. Sorry, dass ich in der letzten Woche nichts gepostet habe. Die FIFA-Krise hat mich extrem beschäftigt. Hier noch ein Film, den der deutsche Bergsteiger Jost Kobusch vor einigen Tagen in einem vom Erdbeben getroffenen Dorf in Nepal gedreht hat:

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Viele Fragezeichen vor Frühjahrssaison am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/viele-fragezeichen-vor-der-fruehjahrssaison-am-everest/ Fri, 09 Jan 2015 12:33:34 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28025 Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

The same Everest procedure as every year? Wohl kaum, doch eine belastbare Prognose fällt schwer. „Es scheint, als ob weniger Leute auf Expedition oder Trekking nach Nepal gehen“, antwortet mir der Neuseeländer Russell Brice auf meine Frage, ob das Lawinenunglück am Karfreitag 2014 und der spätere Abbruch aller großen Expeditionen auf der Südseite des Mount Everest Auswirkungen auf die diesjährige Frühlingssaison am höchsten Berg der Erde hat. „Offenbar wollen mehr Bergsteiger auf die Nord- als auf die Südseite“, ergänzt der Chef des Expeditionsveranstalters Himalayan Experience. Dennoch hat Brice sein eigenes Angebot einer Everest-Expedition in Tibet zurückgezogen und will auch in diesem Jahr seine Kunden von Nepal aus aufsteigen lassen.

Weniger los auf der Südseite?

Der Veranstalter SummitClimb bietet Expeditionen auf der Nord- und der Südseite des Bergs an. „Es sieht aus, als ob sich 2015 mehr unserer Kunden für einen Aufstieg über die tibetische Seite des Everest interessieren als für den über die nepalesische“, schreibt mir der US-Amerikaner Dan Mazur, der SummitClimb 1987 gründete und beinahe jährlich kommerzielle Everest-Expeditionen leitet. „Das Ergebnis könnte sein, dass die Leute, die sich für die nepalesische Seite entscheiden, von dieser Entwicklung profitieren, weil es unter Umständen dort weniger überfüllt sein wird als in früheren Jahren.“ Auffällig sei auch das größere Interesse an einer von SummitClimb angebotenen Everest-Expedition im Herbst, nach dem Monsun.

Leichte Verunsicherung spürbar

Der britische Everest-Anbieter Tim Mosedale ist sich nicht sicher, ob er im nächsten Frühling ohne die Ereignisse des Vorjahrs am Everest wirklich mehr Kunden hätte, räumt aber ein, dass es „eine leichte Verunsicherung“ gebe: „Die Leute wollen hören, dass es gar nicht so schlimm ist.“ Simone Lowe, Chef des britischen Expeditionsveranstalters Jagged Globe, sieht „keinen nennenswerten Unterschied“ zum Vorjahr, was das Interesse seiner Kunden am Everest betrifft. „Es kann schon sein, dass die Leute besorgt sind, aber eher in der Weise, dass sie eine neuerliche Tragödie fürchten – egal wo am Berg.“

Preis entscheidet

Nordseite des Mount Everest

Die tibetische Nordseite

Dominik Müller, Chef des deutschen Veranstalters Amical alpin, leitet in diesem Frühjahr eine Everest-Expedition auf der tibetischen Seite des Bergs. „Wir haben nicht weniger oder mehr Anfragen für den Everest als die Jahre zuvor“, sagt Dominik. „Sicherlich werden einige sich überlegt haben, an die Nordseite zu gehen – ich denke aber, ganz unabhängig von den Geschehnissen 2014. Letzten Endes spielen die Bedingungen am Berg die ausschlaggebende Rolle.“ Dominik erwartet, dass sich ein Trend erst in den nächsten Jahren herauskristallisieren wird. Letztendlich werde der Preis entscheiden: „Wenn China seine Preispolitik weiter verfolgt und jedes Jahr deutlich teurer wird, werden sich einige Veranstalter überlegen, wieder auf die Südseite zu wechseln oder eben dort zu bleiben und nicht auf die Nordseite zu wechseln.“ Der DAV Summit Club blies nach Angaben von Produktmanager Christoph Schnurr seine für dieses Frühjahr angesetzte Everest-Expedition in Tibet ab. Der Grund: Zu wenige Teilnehmer.

„Launisches Getue“

Der US-Anbieter Peakfreaks hat aus anderen Gründen für dieses Jahr die Reißleine gezogen und seine ursprünglich geplante Everest-Expedition in Nepal abgesagt. Der Veranstalter verweist unter anderem auf das „launische Getue der lokalen Regierung und schwammige Aussagen über mögliche Änderungen der Regeln für Bergsteiger-Permits“. Ein unhaltbarer Zustand, findet auch Ang Tshering Sherpa, Präsident des Nepalesischen Bergsteigersverbands (NMA): „Weniger als 90 Tage bleiben noch bis zum Beginn der Klettersaison, und es liegt in der Verantwortung der Regierung, so schnell wie möglich alle Unklarheiten zu beseitigen.“

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Rupert Hauer: Rettung geht vor Gipfel https://blogs.dw.com/abenteuersport/rupert-hauer-rettung-geht-vor-gipfel/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/rupert-hauer-rettung-geht-vor-gipfel/#comments Thu, 24 Apr 2014 02:00:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25855 Rupert Hauer auf der Nordseite des Everest

Rupert Hauer auf der Nordseite des Everest

Dünne Luft muss oft herhalten, um dünne Moral zu rechtfertigen. Gerade in der Gipfelregion des Mount Everest halten es viele Bergsteiger für selbstverständlich, im übertragenen und auch wörtlichen Sinne über Leichen zu gehen. Rupert Hauer bewies im Mai 2013, dass es auch anders geht. Der Österreicher hatte zuvor mit den Deutschen Alix von Melle und Luis Stitzinger die Shishapangma bestiegen. Es war sein dritter Achttausender nach dem Dhauligiri 2009 und dem Cho Oyu 2010. Jetzt wollte Rupert den Everest über die tibetische Normalroute besteigen, ohne Flaschensauerstoff. Am Third Step, der Felsstufe am Nordgrat auf 8700 Metern, an der letzten Hürde vor dem Gipfel, begegnete er dem US-Amerikaner Ruben Payan, der auf dem Rückweg war, schneeblind, hilflos. „Ich habe keine Sekunde gezögert“, erzählte später der Alpinpolizist aus Salzburg, der auch als Bergführer und Bergretter unterwegs ist. Zusammen mit Payans Sherpa geleitete Hauer den US-Bergsteiger über sechs Stunden lang hinunter zum letzten Lager auf 8300 Metern. Payan überlebte. Rupert bezahlt seine selbstlose Rettungsaktion nicht nur mit der verpassten Gipfelchance, sondern auch mit schweren Erfrierungen an der Nase.

2015 wird der 45-Jährige zum Everest zurückkehren, als Leiter einer kommerziellen Expedition, deren Ausschreibung in Deutschland für viel Wirbel sorgte. Angeboten wird sie vom DAV Summit Club, dem kommerziellen Ableger des Deutschen Alpenvereins. Kritiker werfen dem DAV vor, seine eigenen Grundsätze zu verraten. Ich habe Rupert Hauer einige Fragen zum Mount Everest geschickt – die meisten vor dem Lawinenunglück auf der Südseite, die ersten beiden hinterher. Ein Interview in zwei Teilen, die trotzdem zusammenpassen.

Am Gipfel der Shishapangma - mit Tunc Findik (l.)

Am Gipfel der Shishapangma – mit Tunc Findik (l.)

Rupert, eine Lawine im Khumbu-Eisbruch auf der Südseite des Mount Everest hat in der vergangenen Woche 16 Nepalesen das Leben gekostet. War es aus deiner Sicht ein Schicksalsschlag, der an den höchsten Bergen immer möglich ist, oder eine Tragödie, die hätte vermieden werden können?

Der Khumbu Eisbruch gilt als gefährlichste Passage auf dem Weg zum Everest von Süden. Es brechen jedes Jahr Seracs zusammen und gehen als Eislawinen nieder. Man kann dieser Gefahr nicht ausweichen. Die Sherpa und Träger müssen diese Passagen öfter begehen als die Bergsteiger. Es kommt jedes Jahr zu Unfällen im Khumbu-Eisbruch. Das ist nichts Neues. Das dieses Mal 16 Sherpas ihr Leben lassen mussten, ist natürlich sehr tragisch. Eine Eislawine löst sich ohne Vorankündigung, der Zeitpunkt eines Abgangs ist sehr schwer bis gar nicht einzuschätzen. Wenn man diese Passage begeht, muss man damit rechnen, dass es zu einem Unfall kommen kann. In diesem Fall war es natürlich Schicksal, dass sich gerade eine große Gruppe Sherpas in diesem Bereich aufgehalten hat.

Die Gefahr eines derartigen Unfalls ist jedem bekannt, der dorthin geht. 8000er-Bergsteigen ist sicher mit mehr Risiko behaftet als Bergsteigen bei uns in den Alpen. Wenn man von der Südseite den Everest besteigen will, muss man diesen Abschnitt durchsteigen.

Hältst du es für sinnvoll, die gesamte Saison auf der Südseite aus Respekt vor den Lawinentoten abzublasen?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, man sollte die Sherpas entscheiden lassen, ob sie in dieser Saison weiterhin am Berg arbeiten wollen. Deren Entscheidung sollte man dann auf alle Fälle akzeptieren. Die Unfallstelle muss ja im Aufstieg immer wieder begangen werden. Es ist zu hoffen, dass die Bergsteiger und deren Agenturen nicht zu viel Druck auf die Sherpas ausüben. Diese sollten auf alle Fälle die Möglichkeit bekommen, eine für sie vertretbare Entscheidung zu treffen. Wenn die Sherpas in dieser Saison nicht mehr aufsteigen, dann hat sich die Frage für die Bergsteiger so gut wie erledigt.

Du warst 2013 auf der Nordseite unterwegs. Wie war es um das bergsteigerische Können der Gipfelaspiranten bestellt?

Es ist schwierig, das zu beurteilen. Vom Einstieg in die Eisflanke, die zum Nordsattel führt, bis zum Gipfel ist ein Fixseil gespannt. Über den Second Step führt eine Leiter. Bergsteigerisches Können ist also in diesem Fall nicht ausschlaggebend für eine erfolgreiche Besteigung. Vielmehr kämpfen die Leute mit der Logistik am Berg. Sauerstoff, Wetterbericht, Hochlager … Die Bergsteiger, die ohne kommerziellen Anbieter unterwegs sind, verlassen sich in diesem Fall komplett auf die ihnen von den nepalesischen Agenturen zugewiesenen Sherpas. Diese waren 2013 teilweise sehr jung, hatten relativ wenig Erfahrung an hohen Bergen. Auch die Möglichkeiten, an einen aussagekräftigen Wetterbericht zu kommen, sind begrenzt. Es wird dabei auch nicht im Team gearbeitet, sondern es konzentriert sich jeder Bergsteiger mit seinem Sherpa auf den eigenen persönlichen Erfolg.

Aufstieg zum Nordsattel

Aufstieg zum Nordsattel

Du hast im vergangenen Jahr auf den Gipfel verzichtet, um einen in Not geratenen Bergsteiger aus 8700 Meter Höhe in Sicherheit zu bringen. Ist deine Einstellung „Rettung geht vor Gipfel“ immer noch eher die Ausnahme am Everest?

Ja, und zwar nicht nur am Everest. Auch auf anderen hohen Bergen kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Dazu muss man aber auch anmerken, dass Bergsteiger, die mit künstlichem Sauerstoff unterwegs sind, zeitlichen Einschränkungen unterliegen und deshalb auch oft nicht mehr in der Lage sind zu helfen.

Die nepalesische Regierung hat mehrere neue Regeln für den höchsten Berg der Erde aufgestellt. So gibt es jetzt einen Wachposten im Basislager, der gleichzeitig Schiedsstelle bei möglichen Konflikten zwischen Sherpas und westlichen Bergsteigern sein soll. Was hältst du davon?

Ich kann dazu relativ wenig sagen. Auf der Nordseite gab es absolut kein Problem zwischen Bergsteigern und Sherpas. Es sind natürlich auch nicht so viele Bergsteiger auf dieser Route unterwegs (Verhältnis 1:8). Deshalb kommt es auch nicht zu solchen Auseinandersetzungen. Natürlich habe auch ich von den Vorfällen auf der Südseite Kenntnis erlangt. Ich denke, dass der gegenseitige Respekt einfach verloren geht. Die Bergsteiger denken nur noch an den persönlichen Erfolg (der mit viel Geld und sehr viel Zeitaufwand verbunden ist), und die Sherpas glauben sehr oft, dass niemand ohne ihre Hilfe den Gipfel erreicht. Auch die Sherpas müssen akzeptieren, dass es westliche Bergsteiger gibt, die zu außergewöhnlichen Leistungen im Stande sind.

Jeder Bergsteiger soll jetzt mindestens acht Kilo Müll vom Berg mit herunterbringen. Findest du das sinnvoll und wenn ja, würde es auch auf der Nordseite Sinn machen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Bergsteiger in der Lage sind, zusätzlich acht Kilo Müll vom Berg zu schleppen. Es werden dann vermutlich weitere Sherpas hinaufgeschickt, um dies zu erledigen. Dies würde auch den Preis weiter in die Höhe treiben. So wie ich das auf der Nordseite erlebt habe, kümmert sich nach dem Gipfelerfolg kein Bergsteiger um das Müllproblem. Die Sauerstoffflaschen werden von den Sherpas wieder ins Basislager gebracht, um das Pfand bei der Rückgabe zu kassieren. Im Endeffekt ist das also wieder Arbeit für die Sherpas.

Derzeit gibt es meiner Ansicht nach auf der Nordseite kein Müllproblem. Es war nicht mehr Müll in den Hochlagern (ausgenommen der zerfetzten Zelte) als auf anderen Achttausendern. Auch auf der Shishapangma oder am Dhaulagiri bleiben immer wieder Zelte und Ausrüstungsgegenstände zurück.

2015 sollst du eine Everest-Expedition des DAV Summit Club leiten. Der hat sich einiges an Kritik anhören müssen, weil er den Everest in sein kommerzielles Expeditionsangebot aufgenommen hat. Hat dich die Aufregung überrascht?

Überrascht hat mich die Aufregung nicht. Es wird einfach zu viel Negatives über kommerzielle Expeditionen berichtet. Ich bin der Meinung, dass es für Everest-Aspiranten sicherer und auch erfolgversprechender ist, wenn sie mit einer professionell arbeitenden Agentur unterwegs sein können. Im Vorjahr konnte ich selbstständig agierende Bergsteiger und eine kommerzielle Gruppe vergleichen. Die kommerzielle Expedition führte die Besteigung unter Anleitung eines erfahrenen Expeditionsleiters durch. Dadurch erfolgte die Besteigung auch in einer Gruppe. Alle Teilnehmer mit ihren Sherpas waren untereinander mit Funk in Verbindung, konnten auf Probleme sofort reagieren und wurden auch vom  Expeditionsleiter ständig beobachtet und mit aktuellem Wetterbericht versorgt. Ich bin der Meinung, dass auch die Kameradschaft in einer derartigen Gruppe mehr gelebt wird.

Rupert an der Shishapangma

Rupert an der Shishapangma

Ralf Dujmovits, der lange Zeit kommerzielle Expeditionen veranstaltet hat, nahm die hohen Achttausender aus seinem Angebot heraus. Seine Begründung damals: Ein Bergführer sei am Everest selbst so sehr am Limit und mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum seine Pflichten gegenüber den Kunden erfüllen könne. Wie siehst du das?

Auch die von Dujmovits verkaufte Agentur bietet nun wieder den Everest an. Ich bin der Meinung, dass der Everest unter Verwendung von künstlichem Sauerstoff nicht gefährlicher ist als andere 8000er Gipfel (die ja großteils ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen werden). Es sollten einfach im Vorfeld von Expeditionen (egal zu welchen Bergen) die Teilnehmer verpflichtet werden, gewisse Ausbildungen vorzuweisen. Ein verpflichtender Vorbereitungskurs, bei dem  erfahrene Expeditionsleiter die Teilnehmer in den Basics schulen können, wäre schon ein erster Schritt in die richtige Richtung. Natürlich gehört auch das schrittweise Herantasten an die ganz hohen Berge dazu.

Wirst du deine eigenen Gipfelambitionen am Everest 2015 völlig zurückstellen, wenn du in die Rolle des Expeditionsleiters schlüpfst?

Ich habe bislang immer versucht, so vielen Teilnehmer wie möglich eine Gipfelchance zu ermöglichen. Natürlich ist das Erreichen des Gipfels ein Wunsch jedes Bergsteigers, ansonsten würde er ja nicht die Zeit und das viele Geld investieren. Wenn mir eine Gruppe anvertraut wird, ist mein oberstes Ziel, diese nach bestem Wissen und Gewissen zu betreuen. Sollte ein Umkehren notwendig werden, stelle ich die eigenen Gipfelambitionen zurück. Der Besteigungsversuch im Vorjahr war für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Es ist gut zu wissen, dass einem der Gipfel zwar sehr wichtig ist (sonst wär ich ja nicht hingefahren), ich einem Gipfelsieg aber nicht alles unterordne. Ich habe bereits einige Expeditionen geleitet. Dabei habe ich auch immer den Gipfel mit Teilnehmern erreicht.

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Messner: „Das war wieder typisch Ueli Steck“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-interview/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-interview/#comments Mon, 04 Nov 2013 14:33:33 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24043

Reinhold Messner in Köln

Eigentlich hatte ich Reinhold Messner diese Fragen schon beim International Mountain Summit in Brixen stellen wollen. Doch dort war ein geplanter Termin geplatzt, mit wehendem Schoß hatte der 69-Jährige den Veranstaltungsort verlassen, warum auch immer. Doch lange musste ich auf den Südtiroler nicht warten. Er kam gewissermaßen zu mir. In meiner Heimatstadt Köln hielt der wohl bekannteste Bergsteiger der Welt am Wochenende einen seiner vielen Vorträge – wieder einmal vor ausverkauftem Haus. Messner zieht – immer noch. Vor der Veranstaltung stand er mir Rede und Antwort.

Reinhold Messner, Sie waren kürzlich in Pakistan, wenige Monate, nachdem Terroristen im Basislager zu Füßen des Nanga Parbat elf Bergsteiger erschossen haben. Was war das für eine Atmosphäre?

Der Berg hat sich nicht verändert, aber die Zusammenhänge sind viel schlimmer als ich gedacht habe. Es waren Taliban-nahe Auftragskiller, die ein Blutbad anrichten sollten. Im Grunde waren andere das Ziel. Ein großes Fest mit Polo-Spielen usw. wurde abgesagt, wahrscheinlich weil man Sorge hatte, das etwas passieren könnte. Dann ist das Killerkommando eben zum Nanga Parbat gegangen. Die haben ihr Geld kassiert und sind verschwunden. Man hat einige festgenommen, aber man weiß nicht, wer der Auftraggeber war. Sie haben einerseits den Norden Pakistans treffen wollen, den Tourismus vor Ort. Der ist um 90 Prozent eingebrochen. Sie wollten aber auch den Westen treffen. Wir können von Glück reden, dass es nicht mehr Opfer gegeben hat.  Denn es waren mehr als 60 Leute am Nanga Parbat, die meisten hielten sich in den höheren Lagern auf.

Glauben Sie, dass die Bergsteiger in den nächsten Jahren einen Bogen um diesen Berg machen?

Nanga-Parbat-Basislager auf der Diamir-Seite

Es gibt schon wieder neue Anfragen für Expeditionen. Aber die Diamirseite ist und bleibt auch wahrscheinlich gesperrt. Die Süd-  und die Nordseite bleiben offen. Da kann man diesen Winter schon hingehen. Der nördliche Teil des Karakorum rund um den K 2 ist nicht in Mitleidenschaft gezogen worden, dort gab es keine Probleme. Aber ich habe im Rahmen meiner Recherchen auch erfahren, dass oberhalb von Chilas, dort wo es ins Diamir-Tal hineingeht, vier Busse aufgehalten, alle Männer herausgeholt und erschossen worden sind. Frauen und Kinder mussten zusehen, dann wurden sie vertrieben. Anschließend wurden die Busse angezündet. Und auf dem Babusar-Pass, einem Pass der vom Swat-Tal am Nanga Parbat vorbei Richtung Indus-Tal führt, hat man mit Jeeps Ähnliches gemacht. Diese Nachrichten erreichten Europa nicht. Aber jetzt hat der Terrorismus auch den Norden Pakistans erreicht.

Messner: Terrorismus hat Norden Pakistans erreicht

Sie unterhalten dort auch Hilfsprojekte, unter anderem drei Schulen. Herrscht unter den Einheimischen eine Atmosphäre der Angst?

Ich hatte die Sorge, dass diese Taliban-Kräfte ein Interesse haben könnten, die Schulen, in die zum Teil auch Mädchen gehen dürfen, niederzubrennen. Das ist offensichtlich nicht der Fall, so weit gehen sie nicht. Aber ich habe meine Hilfe für Pakistan gestoppt, aus Sorge, dass das Ganze in einen Bürgerkrieg fällt und wirklich kaputt geht. Das wäre schade. Ich erhalte nur die Projekte, die wir aufgebaut haben, und bezahle soweit versprochen die Lehrer weiter. Aber sonst werde ich jetzt die Hilfen, mit meiner kleinen Stiftung, vor allem nach Nepal verschieben.

Genau dort, in Nepal, hat der Schweizer Topbergsteiger Ueli Steck kürzlich für einen Paukenschlag gesorgt, als er die Annapurna-Südwand solo durchstiegen hat. Wie bewerten Sie diese Leistung?

Ueli Steck In der Annapurna-Südwand

Ueli Steck hat heuer am Everest nicht gerade Glück gehabt. Der Angriff in Lager 2 hat ja eigentlich nicht ihm gegolten. Die Sherpas wollten eigentlich andere treffen, wirkliche Parasiten. Steck und Simone Moro sind keine parasitären Bergsteiger, auch wenn sie im Khumbu-Eisbruch die versicherte Route genutzt haben, ohne es mit den Sherpas abzusprechen oder dafür zu bezahlen. Im letzten Jahr ist Ueli Steck auf der Normalroute auf den Everest gestiegen, das war nicht gerade Steck-like. Aber was er jetzt gemacht hat, war wieder typisch Ueli Steck. Schnell, möglichst in der Nacht, um dem Steinschlag weniger Chancen zu geben, eine sehr schwierige Wand. Er hat es schon zweimal versucht, ist gescheitert, einmal sogar ziemlich dramatisch, weil ihn ein Stein getroffen hat. Ich habe großen Respekt vor dieser Tour. Die Art und Weise, die Logistik, die er vorgetragen hat, ist die einzige, die es erlaubt, so schwierige und gefährliche Wände im Alpinstil zu machen.

Er hat ja im Aufstieg seine Digitalkamera verloren, er hatte kein GPS-Tracking-Gerät mit. Empfinden Sie es als Makel, dass Stecks Aufstieg nicht hundertprozentig dokumentiert ist?

Wir sehen wieder einmal, dass da irgendwelche Leute, die Probleme mit sich selber haben, herumkritisieren. So wie es Ueli Steck beschreibt, ist es absolut nachvollziehbar. Einer ist alleine unterwegs, seine Kamera ist kaputt, es gibt keinen Partner, der eine zweite Kamera im Rucksack hat, und dieses GPS-System hat er halt nicht dabei. Ich sehe keinen Grund zu zweifeln, weil seine Logistik die einzig brauchbare ist. Und wenn er nicht die Fähigkeit hat, wer soll sie denn sonst haben? Dass vor allem in der Schweiz Zweifel aufkommen, wo Ueli Steck so bestimmend geworden ist in der Kreativität des modernen Bergsteigens und wo es natürlich auch Rivalitäten gibt, ist nachvollziehbar. Das ist menschlich. Aber übers Netz oder Journalisten zu stecken, ja es könnte sein, es könnte aber auch nicht sein, das ist eine Art und Weise, die nicht unbedingt für die Bergsteiger spricht.

Messner: Wenn nicht Ueli Steck, wer dann?

Ueli Steck hat es mit anderen Worten nicht nötig, anderen etwas vorzumachen. Hat es denn der Deutsche Alpenverein nötig, jetzt mit dem DAV Summit Club unter die Anbieter kommerzieller Everest-Expeditionen zu gehen?

Blick vom Kala Pattar auf Everest und Khumbu-Gletscher

Der Deutsche Alpenverein hat ausnahmsweise nicht mein Plazet, aber ich kann es verstehen. Er hat sich ja lange Zeit am Everest zurückgehalten. Aber es ist kein Unterschied, ob ich den Everest präpariere oder den Gasherbrum I oder II oder den Dhaulagiri oder auch den Nanga Parbat. Der Deutsche Alpenverein hat seit vielen Jahren dieses Spiel mitgemacht und Achttausender angeboten, die für Massenaufstiege präpariert wurden.

Ich war im Frühjahr am Mount Everest und habe ein bisschen umgedacht. Das Basislager war perfekt sauber, die Toiletten wurden alle zwei Tage aus den einzelnen Camps ausgeflogen. Die Organisatoren sind inzwischen so erfahren, dass sie sich zusammengerauft haben und gemeinsam jeden zweiten Tag eine Sitzung abhalten: Wer kümmert sich um Lager 2? Welcher Koch ist da oben? Wer hängt die letzten Seile vom Südsattel bis zum Gipfel? Das wird so gut organisiert, dass auch keine Staus mehr entstehen, weil man die Gruppen  –  oder wie soll ich sagen? – diese Klienten, die Touristen hintereinander hinaufführt.

Warum soll der Deutsche Alpenverein zurückstehen? Das ist halt der größte Hype. Ich garantiere, in zehn Jahren werden alle Achttausender im Frühling, Herbst oder Sommer angeboten, je nachdem, wo sie liegen. Vielleicht der K 2 nur alle paar Jahre, der Dhaulagiri alle zwei Jahre, aber es werden alle angeboten, und alle Achttausender werden im touristischen Stil bestiegen. Die internationalen Veranstalter sind sehr, sehr gut. Da kann man schon sagen: Wenn ich bei denen gebucht habe, geht es mir im Basislager gut. Sie passen auf, dass ich gut akklimatisiert bin, geben mir sehr gute Führer mit. Ich werde betreut, nicht gerade wie im Kindergarten, aber so, dass ich auch als ganz bescheidener Bergsteiger sehr wahrscheinlich zum Gipfel komme und dabei wahrscheinlich nicht umkomme. Allerdings null ist das Risiko nicht.

Messner: Ich kann den Alpenverein verstehen

Was halten Sie von der Ankündigung der nepalesischen Regierung, im Basislager auf der Südseite einen Außenposten mit Beobachtern einzurichten, die darauf achten, dass sich jeder an die Vorschriften hält?

Ich halte überhaupt nichts davon, dass man die Berge mehr und mehr bürokratisiert. Die Bergsteiger müssen selber in der Lage sein, auseinanderzudividieren, was und wie sie es tun, damit für alle Platz ist. Und es ist für alle Platz. Die selbständigen, die traditionellen Bergsteiger mögen dorthin gehen, wo die anderen nicht sind, wo sie wirklich die Spur selber legen, alles selber machen, in ihrem Stil. Jeder Stil ist gerechtfertigt. Die Touristen haben den Everest für sich erobert, weil die Veranstalter so gut geworden sind. Das steht denen auch zu. Wenn wir es in den Alpen schon 150 Jahre machen, warum sollen wir es am Everest verbieten?

Aber es muss genau beschrieben werden, was traditionelles Bergsteigen und was Tourismus ist. Vor allem der Deutsche Alpenverein hat in den letzten 20 Jahren alles getan, den klassischen Alpinismus in Sport und Tourismus zu verwandeln. Das ist ihm gelungen mit den Kletterhallen, den eingebohrten Routen, mit dem Reiseunternehmer Summit Club, der inzwischen schon hundertmal kopiert worden ist. Das ist für den Alpenverein ein großer Erfolg. Was dabei verloren geht, ist der große Erfahrungsraum Berg. Aber die jungen Leute, die kreativ sind, wie David Lama, Hansjörg Auer oder Steve House, werden ihre Spielfelder schon finden. Es sind viel weniger als früher, also steigen sie sich weniger auf die Zehen. Nachdem ich heuer am Everest war und gesehen habe, wie vorbildlich dieser Tourismus am Everest funktioniert, habe ich entschieden, mein letztes Bergmuseum am Kronplatz dem traditionellen Bergsteigen zu widmen – auf dass dieser Wert traditionelles Bergsteigen als Erfahrungsmöglichkeit für den Menschen nicht untergeht.

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https://blogs.dw.com/abenteuersport/messner-interview/feed/ 6
Wundertüte Tibet https://blogs.dw.com/abenteuersport/permits-expeditionen-tibet/ Mon, 28 Jan 2013 13:18:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=19309

Shishapangma (8027 Meter)

Sicher ist in Tibet nur die Unsicherheit. Die Serie der Selbstverbrennungen von Tibetern reißt nicht ab, und so bleibt die politische Lage in der seit 1951 von China besetzten Himalaya-Region angespannt. Dies hatte 2012 auch Folgen für Bergsteiger und Trekkingurlauber: China schottete in der zweiten Jahreshälfte Tibet für ausländische Besucher weitgehend ab, erteilte kaum noch Einreisegenehmigungen und wenn doch, dann nur unter strengen Bedingungen. Die Veranstalter kommerzieller Expeditionen wichen auf Ziele in Nepal aus. Für dieses Frühjahr haben sie die tibetischen Achttausender Cho Oyu und Shishapangma wieder im Programm – und sind vorsichtig optimistisch, diesmal nicht vor verschlossenen Türen zu stehen. 

Positive Signale 

Auf dem Cho Oyu (8188 Meter)

„Im Moment gehen alle von einer Öffnung Tibets aus“, schreibt mir Dominik Müller, Chef von Amical Alpin. Das deckt sich mit der Aussage von Eberhard Andres, bei Hauser Exkursionen zuständig für Tibet-Trekkingtouren. „Es gibt positive Signale“, sagt Andres. „Aber im Augenblick erhält man dazu aus Tibet keine vernünftige Aussage. Wir gehen zwar davon aus, dass es klappt. Doch wir können den Kunden nicht hundertprozentig garantieren, dass die Permits erteilt werden.“ Christoph Schnurr, Bergführer und Produktmanager beim DAV Summit Club, informiert mich, dass „laut Auskunft unserer Agentur (in Nepal) derzeit Permits für die Besteigung der Shishapangma vergeben werden“. Ang Tshering Sherpa, Ehrenpräsident des Nepalesischen Bergsteigerverbands (NMA), hatte im Dezember in Lhasa mit Vertretern der China Tibet Mountaineering Association (CTMA) über Grenzschließungen und Visafragen gesprochen. „Die CTMA versicherte mir, dass die Expeditionen künftig glatt laufen würden“, schrieb Ang Tshering anschließend. Das alles hört sich eher an, als wollten sich die tibetischen Behörden in diesem Frühjahr die fetten Einnahmen aus dem Bergtourismus nicht entgehen lassen. 

Keine Permits für Februar und März 

Im Februar und März bleibt Tibet jedoch erst einmal dicht. Nach Angaben der tibetischen Agenturen Explore Tibet und Tibettravel teilte das Tourismusbüro in Lhasa in der vergangenen Woche mit, dass bis Ende März keine Genehmigungen erteilt würden. Beide Agenturen verweisen darauf, dass es seit 2008 nie anders gewesen sei und die Behörden dann jeweils im April Permits für Ausländer ausgestellt hätten. „Aber es gibt keine offizielle Stellungnahme, wann Tibet in diesem Jahr wieder geöffnet wird“, heißt es bei Tibettravel. „Am besten verschieben Sie ihre für Februar und März geplanten Tibetreisen auf Mai.“ Denn sicher ist, dass nichts sicher ist.

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