Huberbuam – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Alexander Huber wird 50: „Geil, so einen Sport zu haben“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-wird-50-geil-so-einen-sport-zu-haben/ Fri, 28 Dec 2018 10:24:40 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43053

Alexander Huber am Choktoi Ri

Still crazy after all these years. Dieser Titel eines Songs von Paul Simon könnte auch über dem Leben vieler Bergsteiger und Kletterer stehen – wenn sie denn ihre tollkühnen Abenteuer bis ins hohe Alter überlebt haben. Ein bisschen verrückt sein – und ich meine das durchaus positiv – gehört einfach dazu, auch bei Alexander Huber. Der jüngere der beiden „Huberbuam“ feiert an diesem Sonntag seinen 50. Geburtstag.

Die Liste seiner Erfolge als Kletterer und Bergsteiger ist lang. So eröffnete Alexander mehrere Felskletterrouten im elften Grad, durchstieg (mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Thomas, Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker) 1997 erstmals die Westwand des 7108 Meter hohen Latok I im Karakorum, stand ein Jahr später ohne Flaschensauerstoff auf dem Achttausender Cho Oyu oder bewältigte free solo – also im Alleingang und ohne Seilsicherung – schwierige Alpenrouten wie die „Hasse-Brandler-Diretissima“ durch die Nordwand der Großen Zinne (2002) oder die „Schweizerführe“ am 3838 Meter hohen Grand Capucin im Montblanc-Gebiet (2008). Im vergangenen Sommer eröffnete Huber mit seinem deutschen Kletterpartner Fabian Buhl am 6166 Meter hohen Choktoi Ri im Karakorum eine 2200 Meter lange neue Route über den Südpfeiler (s. Video unten).

Alexander lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern auf einem Bauernhof nahe Berchtesgaden. Ich habe ihn – einige Tage vor seinem Geburtstag – angerufen.

Alexander, du knackst die 50er Marke, ist das für dich ein Tag wie jeder andere?

Alexander auf der Messe „Outdoor“ 2017

Es ist sicher nicht ein Tag wie jeder andere, weil mir sehr wohl bewusst ist, dass wieder ein Jahrzehnt vergangen ist. Aber es wird für mich kein besonderer Geburtstag sein, das Gefühl kenne ich ja schon von meinen anderen runden Geburtstagen.

Wenn du dich selbst heute mit dem Alexander vergleichst, der 25 Jahre alt war – erkennst du dich dann noch wieder?

Ich erkenne mich noch absolut, wie ich damals war. Man geht seinen Weg im Leben. Es gibt vieles, das sich verändert, manches bleibt gleich. Ich wäre vielleicht noch mal gerne 25, aber mein Realitätssinn sagt mir, dass es so eben nicht kommen wird. Und es ist ja auch nicht so, dass mit 25 alles besser war. Es gibt auch Dinge, die mit 50 besser sind.

Haben sich für dich die Prioritäten verschoben?

Die Prioritäten verschieben sich ständig. Das ist ein ganz normaler Prozess im Leben. Es wäre auch ein Wunder, wenn es nicht so wäre.

Bist du vorsichtiger geworden?

Ja, in dem Sinne, dass ich nicht mehr die wilden Aktionen wie mit 25 oder 35 mache. Das hat auch viel mit meinem Realitätssinn zu tun. Ich weiß, dass ich die Sachen damals auf einem Niveau durchgezogen habe, das ich heute nicht mehr habe. Das heißt, ich kann die Dinge sowieso nicht mehr toppen, die ich schon realisiert habe. Und von daher lasse ich es einfach ruhiger angehen und mache die Dinge, die für mich möglich sind.

Im vergangenen Sommer hast du mit Fabian Buhl am Sechstausender Choktoi Ri eine neue Route über den Südpfeiler eröffnet. Wie gut hat dir der Erfolg getan – nach einigen gescheiterten Expeditionen im Karakorum?

So ein Erfolg tut immer gut. Es macht Spaß, wenn man auch den Gipfel erreicht. Das ist ja der Grund, warum man überhaupt aufbricht. Aber es ist ganz normal im Leben eines Bergsteigers, dass es auch immer wieder Aktionen gibt, die nicht zum Ziel führen. Ich habe ja gerade bei größeren Expeditionen eine Erfolgsquote, die deutlich unter 50 Prozent liegt. Wenn man damit nicht zurechtkommt, hat man an diesen Bergen mit ambitionierten Zielen auch nichts zu suchen. Wenn irgendjemand von sich behauptet, er sei „Mister 100 Percent Success“, kann ich nur sagen: Na ja, dann hat er es auch nie wirklich probiert, an die Grenze zu gehen. Ich ziehe es eher vor, immer wieder meine Grenzen auszuloten und auch hin und wieder einen Rückschlag einstecken zu müssen, anstatt Dinge zu versuchen, die letztendlich leicht zu holen sind.

Aber am Choktoi Ri ist es für euch richtig rund gelaufen.

Ja, obwohl wir von den meteorologischen Bedingungen her eine schwierige Saison hatten. Man merkt auch im Karakorum, dass die Klimaerwärmung zuschlägt. Es gab in diesem Jahr ziemlich viel schlechtes Wetter. Aber wir haben taktisch extrem gut agiert, sodass am Ende der Erfolg herausgekommen ist. Nur eine taktische Fehlentscheidung hätte dazu geführt, dass wir es nicht geschafft hätten. Wir haben es gut gemacht, aber auch das nötige Quäntchen Glück gehabt.

Fabian ist 28 Jahre alt, also über 20 Jahre alte jünger als du. Warst du schon ein bisschen in der Rolle des Mentors, der seine Erfahrung weitergibt?

Mit Fabian Buhl (r.) auf dem Gipfel des Choktoi Ri

Klar, das ist die Rolle, die man dann automatisch einnimmt. Ich bin natürlich ein Mentor Fabians. Aber letztendlich habe ich für meine Idee einen kompetenten Kletterpartner gesucht. Eine von Fabians Stärken ist, dass er unglaublich motiviert ist, einen unglaublichen Spaß am Bergsteigen hat und sich für nichts zu schade ist, jede Anstrengung wirklich mit Freude angeht. Genau so einen Partner brauchst du am Berg. Nur so kann es funktionieren.

War es für dich vielleicht auch ein Modell für die nächsten Jahre, nur zu zweit unterwegs zu sein?

Das habe ich früher auch schon mal gemacht, es ist also kein neues Modell für mich. Prinzipiell bin ich lieber in einem möglichst kleinen Team unterwegs. Aber es hängt auch vom Ziel ab. Einen Latok II zum Beispiel zu zweit anzugehen, wäre schon fast an der Gefahr des Bergs vorbeigedacht. Wenn irgendetwas passiert, ist man zu zweit nur noch mit einer minimalen Sicherheitsreserve ausgestattet.

Gibt es einen Höhepunkt in deiner Kletterer- und Bergsteigerkarriere, der hervorsticht, an den du dich besonders gerne erinnerst?

Ich freue mich darüber, dass ich in ganz verschiedenen Bereichen meine Highlights setzen konnte und mir dadurch den Alpinismus auch stets lebendig gehalten habe und interessant. Angefangen hat es bei mir ja im Spitzenbereich mit dem alpinen Sportklettern. Heute kann ich mir nicht vorstellen, noch einmal mit der gleichen Begeisterung Sportkletterer zu sein, da wäre es mir wahrscheinlich viel zu langweilig geworden. Aber wenn man sich anschaut, was im Alpinismus alles geht – sei es in der Antarktis, in Patagonien, im Yosemite Valley, in den Dolomiten, beim Speedklettern, Free-Solo-Klettern, auf schwierigen alpinen Routen, bei Expeditionen, Achttausender, Sportklettern im elften Grad – dann kann man nur sagen: Geil, so einen Sport zu haben, der auch nach dreißig Jahren im Spitzenbereich interessant sein kann.

Extrem unterwegs, hier am Mount Asgard auf Baffin Island

Schauen wir nach vorn, welche Ziele setzt du dir noch als Bergsteiger und Kletterer?

Ich setze mir nur mittelfristig Ziele. Langfristig kann ich nur sagen: Ich will mit dem, was ich mache, glücklich sein. Aber was genau das sein wird? Keine Ahnung. Es ergibt sich. Ich habe ja das Glück, fast verletzungsfrei durch mein Bergsteigen gekommen zu sein. Ich bin immer noch gesund, mir tut nichts weh, und deswegen gehe ich weiter in die Berge. Aber das kann natürlich von einem auf den anderen Tag ganz anders ausschauen.

Gibt es schon ein konkretes Projekt für 2019?

Das einzige, das ich sicher weiß, ist, dass ich nicht auf Expedition fahre. Ich will noch diverse Routen hier zu Hause in den Alpen klettern. Aber das konkrete Projekt für 2019 ist nicht, in den Himalaya oder ins Karakorum zu reisen.

Und wie wirst du deinen Geburtstag verbringen?

Wie jedes Jahr. Ich feiere ihn mit meinen Freunden.

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Dani Arnold: „Ein bisschen Risiko darf sein“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/dani-arnold-ein-bisschen-risiko-darf-sein/ Mon, 08 Oct 2018 13:07:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42205

Dani Arnold in Köln

Wieder einmal ist er eine Wand geradezu hinaufgesprintet. Im August durchkletterte der Schweizer Dani Arnold die Grandes-Jorasses-Nordwand solo und ohne Seilsicherung in der neuen Rekordzeit von 2:04 Stunden. Die Erstbegeher der Route über den Walker-Pfeiler um den Italiener Riccardo Cassin hatten dafür 1938 drei Tage benötigt. Auch in der Matterhorn-Nordwand hält der 34-Jährige seit drei Jahren die Bestzeit: 1:46 Stunden. Für seinen ersten Paukenschlag hatte Dani 2011 gesorgt, als er Ueli Stecks Rekord in der Eiger-Nordwand um 20 Minuten unterboten und den Gipfel nach 2:28 Stunden erreicht hatte. Steck hatte sich die Bestzeit 2015 zurückgeholt (2:22 Stunden).

Dani Arnold ist Bergführer und lebt mit seiner Frau Denise im Kanton Uri  im 4000-Seelen-Dorf Bürglen, in dem mehr als 200 Einwohner (kein Witz, er hat es mir gegenüber bestätigt) den Namen Arnold tragen. Ich habe Dani in meiner Heimatstadt Köln getroffen – vor seinem Auftritt als Hauptredner des Kölner-Alpintags.

Dani, wie gefällt dir die Bezeichnung „Usain Bolt der Alpen-Nordwände“?

Ich finde sie ein bisschen übertrieben. Ich bin sicher sehr schnell unterwegs, aber es gibt noch viele andere sehr, sehr gute Bergsteiger. Ich glaube, es stimmt einfach nicht, dass ich der beste bin.

Grandes-Jorasses-Nordwand

Aber vielleicht der schnellste. Du hältst schließlich an zwei der drei klassischen Nordwände in den Alpen den Geschwindigkeitsrekord. Kommst du, wenn du so schnell kletterst, auch manchmal in einen Rauschzustand, wie etwa beim Laufen, wenn irgendwann ein „Flow“ einsetzt und alles wie von selbst zu gehen scheint? 

Ja, so ein Gefühl gibt es schon. Ich fühle mich dann frei und leicht. Wenn zum Beispiel in der Eiger-Nordwand der Wasserfall-Kamin, das brüchige Band und der brüchige Riss kommen, dauert es normalerweise ewig, bis man dort durchgeklettert ist. Wenn man aber solo und auf Geschwindigkeit unterwegs ist, dann folgt einfach eine Stelle nach der anderen. Und man hat dann wirklich auch das Gefühl, es sei schnell.

Du bist im Sommer den Walker-Pfeiler an den Grandes Jorasses in zwei Stunden vier Minuten geklettert, 17 Minuten schneller als der vorherige Rekordinhaber Ueli Steck. Du bist komplett ohne Seil und Sicherung geklettert. Wieviel Risiko darf aus deiner Sicht sein?

Es geht nicht ohne Risiko, das ist ganz klar. Auf der anderen Seite war es mein Ziel, am Walker-Pfeiler auf jedes Sicherungsmaterial zu verzichten. Es sollten einfach nur der Berg und ich sein. Ich musste erst einmal herausfinden: Traue ich mich überhaupt? Ist es noch sicher? Ich habe mich dann für den Weg entschieden. Und ich habe nie das Gefühl gehabt, dass ich ein Riesen-Risiko eingegangen bin. Ich glaube, man kann nicht pauschal sagen, dass weniger Material gleich ein höheres Risiko bedeutet.

Dani Arnold: Weniger Material nicht gleich mehr Risiko

Wie hast du dich vorbereitet? Kanntest du jeden Kletterzug auf dieser Route?

Die Route ist 1200 Meter lang. Ich habe das Talent, dass ich mir sehr gut Stellen und Kletterbewegungen merken kann. Ich weiß zum Beispiel, wie im Rebuffat-Riss, einer der schwierigen Stellen dort, die Griffe aussehen, mit welcher Hand ich welchen Griff klettern muss. Dazu braucht man auch noch eine, ich sage mal, „rollende Planung“ und außerdem sehr viel Selbstvertrauen.

In der Wand

Du hast einmal gesagt, es gebe ein Recht auf Risiko. Wie hast du das gemeint?

Wenn man für etwas lebt, sich seriös darauf vorbereitet und sich dann in einen Gefahrenbereich begibt, wird das von der Gesellschaft nicht akzeptiert. Das finde ich nicht richtig. Schließlich geht man diese Dinge doch nicht einfach fahrlässig an, aus Unwissenheit oder Dummheit. Wenn man sich wirklich auf etwas vorbereitet und es seriös durchzieht, darf man auch ein bisschen Risiko eingehen, denn es lohnt sich zu hundert Prozent.

Dani Arnold: Das Recht auf Risiko

Wenn man sich deine Speedrekorde ansieht, stößt man immer wieder auf den Namen Ueli Steck, weil es seine Rekorde waren, die du gebrochen hast. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse mit 40 Jahren in den Tod gestürzt. War das für dich Warnung oder Mahnung?

Er hat genau das Gleiche gemacht wie ich jetzt. Und da denkt man natürlich sofort: Hej, das kann mir auch passieren. Ich glaube jeder Unfall – nicht nur von Ueli, sondern auch von anderen Bergsteigern – bleibt im Gehirn drin. Das bedeutet nicht, dass man nun einen komplett anderen Weg geht. Aber ich bin mir trotzdem sicher, dass ich jetzt nicht mehr so viel Risiko eingehe wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Dani kurz vor dem Ausstieg aus der Wand

Beim Klettern und Bergsteigen auf höchstem Niveau besteht immer die Gefahr, die Schraube eines Tages zu überdrehen. Hast du Schutzmechanismen dagegen?

Die Gefahr, dass man irgendwann einen Schritt zu weit geht, liegt auf der Hand. Das macht mir auch ein bisschen Angst, weil ich natürlich immer versuche, das Optimum zu erreichen und noch ein bisschen mehr. Um gegenzusteuern, gehe ich z.B. fischen oder ich verbringe einfach mal Zeit mit Freunden und Familie, wo wir das Thema Bergsteigen gar nicht ansprechen. Das hilft mir, aktiv ein bisschen davon wegzukommen. Es dreht sich sonst alles ums Bergsteigen und auch um dieses mehr, mehr, mehr. Ich muss dann andere Gedanken haben und es auch mal gut sein lassen.

Dani Arnold: Es auch mal gut sein lassen

In der breiten Öffentlichkeit bist du vor allem wegen deiner Speedaufstiege bekannt. Dabei bist du ja ein kompletter Kletterer. Du gehörst z.B. zu den Wintererstbesteigern des Cerro Egger in Patagonien, du warst mit den Huber-Brüdern auf Expedition im Karakorum. Stört es dich, dass man dich öffentlich häufig auf das Geschwindigkeitsklettern reduziert?

Es stört mich schon ein bisschen. Auf der anderen Seite kann ich durch das Speedklettern jetzt vom Bergsteigen leben, weil es ausreichend Vorträge und Sponsoren gibt. Von daher ist es schon wichtig. Wenn ich an einem Abend einen 90-Minuten-Vortrag halte, nutze ich die Bekanntheit über das Speedklettern, um auch meine Herzensgeschichten zu erzählen, wie zum Beispiel über das Mixed-Klettern in Schottland, diese ganz, ganz schweren Klettereien.

Dani Arnold (3.v.r.) 2015 mit Thomas und Alexander Huber, ihrem pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder und Seppi Dabringer (v.r.)

Wirst du in den nächsten Jahren wieder auf große Expeditionen gehen?

Ganz bestimmt. Schwierigkeitstechnisch und auch in Sachen Geschwindigkeit wird es nicht unendlich lange so weitergehen. Da werden dann diese Geschichten an neuen Bergen in unbekannten Regionen aufkommen. Mit den Huber-Brüdern habe ich wirklich zwei Super-Leute gefunden, mit denen ich super gerne unterwegs bin. Das ist mir fast wichtiger, als wenn jemand extrem stark ist. Man muss eine gute Zeit zusammen haben. Und das haben wir.

Wäre auch mal ein Achttausender für dich interessant?

Bestimmt. Bis jetzt hatte ich noch nie ein Bedürfnis, dort hochzusteigen, aber so langsam kommt es. Ich möchte gerne mal erleben, wie es sich anfühlt.

Hast du ein Traumziel, einen Berg, zu dem du unbedingt noch hin willst?

Eigentlich nicht. Die Eiger-Nordwand z.B. war für mich nicht dieses eine große Ziel. Ich habe viele, viele Ideen. Wenn es dann in der Vorbereitung konkreter wird, fokussiert man sich auf einen Berg. Und dann wird dieser plötzlich mein Berg, und es gibt keinen anderen mehr.

Beim Eisklettern in den Helmcken Falls in Kanada

Du hast die drei großen Alpen-Nordwände solo und in großer Geschwindigkeit bestiegen, damit hat sich ein Kreis geschlossen – es sei denn, du willst dir den Eiger-Rekord wieder zurückholen. Machst du jetzt einen Haken hinter das Speedklettern?

Mit dem Rekord in der Grandes-Jorasses-Nordwand hat sich das schon ein bisschen erledigt. Mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich nicht mehr an den Eiger zurückgehen. Ich möchte mir das Ganze aber offen lassen. Im Moment habe ich tatsächlich kein konkretes Speedprojekt, aber das kann sich bei mir schlagartig ändern. Ich glaube, ich habe damit noch nicht ganz abgeschlossen.

Wann werden wir dich wieder auf großer Expedition erleben?

Im Winter möchte ich Richtung Russland oder China zum Eisklettern aufbrechen. Ich war noch nie im Hochwinter dort. Ich möchte auch die Menschen in diesen extrem kalten Regionen treffen. Das fasziniert mich auch. Es gibt sicher kalte Finger dort! (lacht)

Kannst du auch ganz normal bergsteigen, ohne Hintergedanken an eine krasse Route?

Ja. Es gibt diese Tage, an denen ich keine Ambitionen habe und es einfach nur genießen kann. Ich liebe halt immer noch dieses Draußen-sein.

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Gefahrenraum Zelt https://blogs.dw.com/abenteuersport/gefahrenraum-zelt/ Fri, 04 May 2018 09:37:40 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=40521

Camp 1 am Kokodak Dome (2014)

Das Zelt ist doch eigentlich ein Ort der Zuflucht und Geborgenheit. Und meistens fühlte ich mich auch sicher, wenn ich in den Bergen im Zelt lag. Doch es gab auch Ausnahmen. Etwa 2004 während meiner Reportagereise zum K 2, als ich im Basislager zu Füßen des zweithöchsten Bergs der Erde plötzlich aus dem Schlaf aufschreckte, weil der Gletscher unter meinem Zeltboden Geräusche machte, als wollte er mich im nächsten Augenblick verschlingen. Zehn Jahre später, bei der Erstbesteigung des Siebentausenders Kokodak Dome im Westen Chinas, schlugen wir unser Lager 1 auf gut 5500 Metern an ziemlich exponierter Stelle auf – und ich fragte mich: Was geschieht, wenn hier einmal ein richtiger Sturm wütet? Daran musste ich wieder denken, als ich Anfang der Woche vom Tod des Italieners Simone La Terra am Dhaulagiri erfuhr.

Ungutes Gefühl

Dhaulagiri

Ein heftiger Windstoß hatte den 36-Jährige mitsamt Zelt aus einer Höhe von rund 6900 Metern vom Nordostgrat in die Tiefe geweht. Sein Teampartner Waldemar Dominik war Augenzeuge des Unglücks. Der Pole hatte wegen des Lagerplatzes, den Simone ausgeguckt hatte, ein ungutes Gefühl gehabt und war weitergestiegen, um nach einer Alternative zu suchen. Als er zurückkehrte, sah er aus unmittelbarer Nähe, wie das Zelt von der Bö erfasst wurde. Dominik stieg zum Basislager ab und schlug Alarm. Die Leiche La Terras wurde am nächsten Tag auf einer Höhe von 6100 Metern entdeckt und geborgen.

Von Lawinen begraben

Manaslu

Dass Bergsteiger im Zelt sterben, ist keine Seltenheit. Objektiv gesehen, besteht das höchste Todesrisiko im Zelt darin, dass der Sensenmann in Form der Höhenkrankheit zuschlägt. Doch wie in La Terras Fall gibt es eben auch äußere Gefahren. In der Geschichte des Himalaya-Bergsteigens sind zahlreiche Bergsteiger ums Leben gekommen, weil sie, im Zelt liegend, von Lawinen erwischt wurden. Erinnert sei nur an die Lawine am 22. September 2012 am Achttausender Manaslu, die am frühen Morgen gleich zwei Hochlager traf und elf Bergsteiger tötete.

Knapp an der Tragödie vorbei

Alexander (r.) und Thomas Huber im Sommer 2015 im Karakorum

Mehr Glück hatten Alexander und Thomas Huber im Sommer 2015 am 6946 Meter hohen Latok III im Karakorum. Die „Huberbuam“ und ihre Teampartner Mario Walder und Dani Arnold wurden in ihrem Zelt von der Druckwelle einer Eislawine erfasst. „Wir hatten das Glück, dass wir eine kleine Plattform ausgeschaufelt hatten, um die Zelte perfekt zu positionieren. Und die kleine Kante, die dabei entstanden ist, hat uns das Leben gerettet. Sonst wären wir einfach weggeblasen worden“, erzählte mir Alexander Huber anschließend. „Es war viel, viel knapper, als ich es mir jemals hätte erträumen lassen. Und das ist doch schockierend.“

An der Felskante entlang geblasen

Auch bei der dritten Besteigung des Kangchendzönga 1979 durch eine britische Expedition fehlte nicht viel zu einer „Zelt-Tragödie“, als im Gipfelbereich ein Sturm losbrach. „Am 5. Mai um 1.30 Uhr morgens änderte der Wind die Richtung und nahm schnell an Stärke zu, wodurch der Mittelring des doppelwandigen Tunnelzeltes zerbrach“, schrieb Doug Scott damals. „Das Team hatte schnell Stiefel und Gamaschen an, aber um 2.30 Uhr wurde das Zelt zwei Fuß (ca. 60 Zentimeter) entlang der Felskante geblasen.“ Die Bergsteiger verließen im Eiltempo das Zelt. Wenig später wurde es vom Sturm zerrissen und verschwand in der Tiefe.

P.S.: Nach dem ersten Gipfelerfolg der Frühjahrssaison am Lhotse wurde am Donnerstag ein weiterer von einem anderen Achttausender gemeldet. Die „The Himalayan Times“ berichtete, die Chinesin Gao Xiaodan habe gemeinsam mit ihren Climbing Sherpas Nima Gyalzen Sherpa, Jit Bahadur Sherpa und Ang Dawa Sherpa den 8485 Meter hohen Gipfel des Makalu erreicht, des fünfthöchsten Bergs der Erde. Die 35-Jährige aus der Stadt Lanzhou, im Nordwesten Chinas gelegen, habe auf Flaschensauerstoff verzichtet. Gao hatte im Frühjahr 2017 erst den Mount Everest und drei Tage später anschließend auch noch den Lhotse bestiegen, jeweils mit Atemmaske.

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Honnold: „Die größte Inspiration meines Lebens“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/honnold-die-groesste-inspiration-meines-lebens/ Sat, 14 Oct 2017 22:27:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=38159

Alex Honnold

Spätestens seit heute weiß Alex Honnold, was das Gegenteil von einem Free Solo ist: der „Press Walk“ des International Mountain Summit. Der 32-Jährige kann sich weder frei bewegen, noch ist er allein. Rund 60 Reporter, Kameraleute und Fotografen wuseln an der Plose, dem Hausberg von Brixen, um den Topkletterer aus den USA herum. „Crazy“, entfährt es dem 32-Jährigen. Spätestens seit dem 3. Juni ist der Name Honnold nicht mehr nur unter Insidern, sondern weltweit in aller Munde. An jenem Tag stieß er in eine neue Dimension vor: Alex kletterte als Erster free solo, also im Alleingang und ohne Seilsicherung, in nur vier Stunden durch die 900 Meter hohe Granitwand des legendären El Capitan im Yosemite-Nationalpark in den USA – auf der Route „Freerider“, die 1995 von Alexander Huber eröffnet und 1998 von ihm und seinem Bruder Thomas erstmals frei geklettert worden war. Zum Vergleich: Die Huberbuam hatten damals – mit Seilsicherung – mehr als 15 Stunden für ihren Aufstieg gebraucht.

Moderner Nomade

Immer für einen Spaß zu haben

Alex Honnold entspricht so gar nicht dem Klischee eines Extremkletterers. Er trägt die Haare kurz, trinkt keinen Alkohol, raucht nicht und ernährt sich vegetarisch. Seit vielen Jahren lebt er wie ein moderner Nomade, ganz bescheiden in einem Wohnmobil, mit dem er von Felswand zu Felswand fährt. Seit fünf Jahren unterstützt er mit seiner Stiftung Umweltschutzprojekte in aller Welt.

Schon während des Aufstiegs zur Rossalm, wo die Macher des IMS eine Pressekonferenz mit Honnold angesetzt haben, gelingt es mir, Alex ein paar Fragen zu stellen – getreu dem Motto „Walk and talk“. 😉

Alexander und Thomas Huber und auch Tommy Caldwell haben dein Free Solo am El Capitan mit der ersten Mondlandung verglichen. Wie hast du selbst deinen Erfolg empfunden?

Mir erging es ähnlich. Als ich jünger war, träumte ich davon, dass dies das Verrückteste sein würde, was ich jemals tun würde. Aber als ich es dann wirklich gemacht habe, empfand ich es als ziemlich normal, weil ich so viel Zeit in die Vorbereitung investiert hatte, dass es sich fast schon vernünftig anfühlte. Ich meine, es war schon etwas wirklich Besonderes für mich, aber doch irgendwie auch normal. Das ist echt kompliziert. Ich wäre ja gar nicht in der Lage gewesen, etwas derartiges zu tun, wenn ich es nicht geschafft hätte, dass es sich normal anfühlt. Gleichzeitig ist es aber auch ziemlich verrückt, ohne Seil den El Capitan zu klettern.

Alex Honnold: Pretty crazy

Gab es während des Kletterns einen Moment des Zweifels?

Nein, ich war zu 100 Prozent auf das Klettern fixiert. Ich wäre gar nicht erst losgeklettert, wenn ich nicht total darauf konzentriert gewesen wäre. Ich habe so lange daran gearbeitet. Neun Jahre lang habe ich davon geträumt.

Viele fragen sich, ob Free Solos überhaupt verantwortbar sind – besonders dieses in einer 900 Meter hohen, extrem steilen Wand. Was antwortest du ihnen?

Ich hatte das Gefühl, dass es verantwortbar war. Ich würde die richtigen Entscheidungen treffen und mein Bestes geben. Ich denke, ich bin mir der Risiken ziemlich bewusst, die ich eingehe.

Alex Honnold: Intentional about the risks

War es für dich so etwas wie das große Projekt deines Lebens?

Für mich hatte es wirklich viel von einem Lebenstraum, definitiv war es die größte Inspiration meines ganzen Lebens.

Kletterer am El Capitan

Musstest du, nachdem du dir diesen lange gehegten Traum erfüllt hattest, ein mentales Tal durchqueren?

Ich weiß nicht so recht. Sollte es wirklich so sein, bin ich genau jetzt in diesem Tal. Es ist schließlich erst ein paar Monate her, und ich verarbeitete es noch. Gleichzeitig suche ich aber schon nach meiner nächsten Inspiration, nach meinem nächsten Projekt. Im kommenden Jahr wird ein Film über das Ganze herauskommen. Derzeit tue ich nichts anderes, als über den El Cap zu reden. Es fühlt sich noch nicht wie Vergangenheit an.

Vor diesem Free Solo hast du bereits viele andere Aufsehen erregende Klettertouren gemacht. Ich denke zum Beispiel an die Fitz-Traverse mit Tommy Caldwell. Für dieses Projekt in Patagonien im Februar 2014 wurdet ihr später mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet, dem „Oscar der Bergsteiger“. Wie stufst du das Free Solo am El Capitan ein, wenn du es mit der Fitz-Traverse vergleichst?

Die Fitz-Traverse war ein tolles Klettererlebnis, weil ich es mit Tommy geteilt habe. Er ist ein sehr guter Freund und Kletterpartner. Aber die Fitz-Traverse war niemals ein Lebenstraum wie die „Freerider“, an die ich jahrelang gedacht habe. Die „Freerider“ war mein ganz persönlicher Traum, die Fitz-Traverse eher Tommys Idee. Ich war ja vorher auch noch nie in Patagonien gewesen, deshalb hatte ich dort keine Pläne. Tommy sagte, wir sollten das machen. Wir haben es dann getan, und es war ein tolles Erlebnis. Aber ich habe es nicht mit vorbereitet.

Wie genau hast du dich denn auf dein Free Solo am El Capitan vorbereitet?

Viele Jahre im Vorfeld eher mental. Ich habe es mir vorgestellt, davon geträumt, darüber nachgedacht, ob es möglich ist. Im letzten Jahr davor habe ich mich dann körperlich vorbereitet. Ich habe mir die Moves eingeprägt, habe sie ausprobiert und dann mit dem eigentlichen Training begonnen, um fit genug zu werden.

Du hattest also jeden Kletterzug im Kopf, bevor du in die Wand eingestiegen bist?

Ich hatte definitiv die Stellen im Kopf, auf die es ankommt. Nicht die leichten, aber die harten hatte ich mir vollkommen eingeprägt.

Worin lag für dich die Hauptschwierigkeit im mentalen Bereich?

Der wahrscheinlich größte Schritt war, überhaupt daran zu glauben, dass es möglich ist. Jahrelang dachte ich, wie toll es wäre, es zu machen, aber so richtig glaubte ich nicht daran, dass ich es auch könnte. Deshalb war der größte mentale Schritt, wirklich daran zu glauben und dann mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen.

Alex Honnold: The biggest step

Und als du losgelegt hast, konntest du alles hinter dir lassen?

Ich wäre nicht losgeklettert, wenn ich nicht bereit gewesen wäre. In dem Augenblick, als ich in die Wand einstieg, war alles in Ordnung.

„Verglichen mit dem El Cap sehen die Dolomiten wie Müll aus“, sagt Alex

Warum hast du dich für die „Freerider“ und nicht irgendeine andere Route entschieden?

Es ist die leichteste Route am El Cap. (lacht) Na ja, ganz so leicht ist sie dann doch nicht, aber die anderen wären noch härter gewesen.

Thomas Huber sagte mir, er hoffe, dass du rechtzeitig mit dem Free-Solo-Klettern aufhörst, weil du sonst wahrscheinlich stirbst, wenn du deine Grenzen immer weiter hinausschiebst.

Thomas Huber: Wie Everest ohne Sauerstoff oder Mondlandung

Ich stimme in dem Punkt zu, dass es immer gefährlicher wird, wenn du die Latte kontinuierlich höher legst. Aber Alex (Huber) zum Beispiel hat sich auf verschiedene Weise auch immer weiter gesteigert und ist dabei trotzdem sicher geblieben. Ich denke, es ist möglich, die Herausforderung zu erhöhen, ohne zu weit zu gehen.

Honnold: Not going too far

Es war also nicht dein letztes Free Solo?

Nein, ich habe vor ein paar Tagen ein paar in den Dolomiten gemacht (lacht), aber die waren sehr leicht. Für mich war das Free Solo am El Cap das Härteste, was ich jemals gemacht habe, und ich kann mir im Augenblick noch nichts vorstellen, was inspirierender wäre. Aber in der Vergangenheit, etwa in den letzten zehn Jahren, hat es immer zwischen sechs Monaten und einem Jahr gedauert, bis ich nach Projekten, die hart waren und auf die ich stolz war, wieder etwas Neues gefunden habe, was mich gepackt hat. Wir werden sehen.

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Alexander Huber: „Der Ogre ist kein Menschenfresser“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-der-ogre-ist-kein-menschenfresser/ Sat, 24 Jun 2017 11:02:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=36771

Alexander Huber

Der Ogre wirkt auf die „Huberbuam“ wie der Gesang der Sirenen in der griechischen Mythologie: Die beiden deutschen Topkletterer können sich dem Ruf dieses faszinierenden Granitriesen kaum entziehen. Immer wieder in ihren langen Karrieren sind Alexander und Thomas Huber zum Ogre-Massiv im Karakorum oder den nahe gelegenen Gipfeln der Latok-Gruppe aufgebrochen. 1999 scheiterten sie gemeinsam beim Versuch, den 7285 Meter hohen Ogre I zu besteigen. 2001 schaffte Thomas mit den beiden Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des Bergs. Die erste war am 13. Juli 1977, also vor fast 40 Jahren, den Briten Chris Bonington und Doug Scott gelungen. Der Abstieg wurde zum Drama mit glücklichem Ausgang: Scott brach sich beide Knöchel, Bonington zwei Rippen. Dennoch erreichten beide, unterstützt von den anderen Teammitgliedern, eine Woche nach dem Gipfelerfolg das Basislager. Eine der großen Überlebensgeschichten an den höchsten Bergen der Welt.

Mit Freunden ist es einfacher

Gestern ist Alexander Huber zum Ogre aufgebrochen. Zu seinem Team gehören die beiden Osttiroler Mario Walder und Christian Zenz sowie der Schweizer Dani Arnold. Mit Dani (und Thomas Senf)  hatte Alexander im vergangenen März eine neue Route durch die Matterhorn-Nordwand eröffnet, mit Mario und Christian war ihm im Sommer 2016 am Ritterknecht in Ostgrönland eine Erstbegehung geglückt. „Man greift gerne auf Partner zurück, die man kennt“, sagt Alexander Huber. Seine drei Gefährten seien nicht nur gute, kompetente Bergsteiger, sondern auch Freunde. „Man muss ja doch viel Zeit gemeinsam verbringen, oft Momente mit Anspannung durchleben. Umso mehr die menschliche Chemie passt, umso besser ist es.“ Ich habe mit dem 48-Jährigen, dem jüngeren der Huberbuam, vor seiner Abreise nach Pakistan über die Expedition gesprochen.

Alexander, es zieht euch zum Ogre, einem Siebentausender im Karakorum. Was genau habt ihr vor?

Ogre I (l.) und Ogre II, Ostpfeiler führt vom Sattel links aufwärts

Wir würden gerne den Ostpfeiler erklettern. Diese Route wurde bis heute noch nicht begangen. (Mehrere Versuche über die Ostseite scheiterten, so drehte ein spanisches Team 1992  im Schneesturm auf einer Höhe von 6500 Metern um.) Aber es ist weniger die Idee, an diesem Berg eine Erstbegehung zu kreieren, sondern überhaupt den Gipfel zu erreichen. Es ist einer der exklusivsten Gipfel unserer Erde, einer der schwierigsten Punkte, die man erreichen kann. Thomas hat ja 2001 die Zweitbesteigung des Ogre realisiert, seitdem gab es nur eine weitere Besteigung (2012 durch die US-Amerikaner Kyle Dempster und Hayden Kennedy). Daran sieht man: Es ist kein einfacher Gipfel, aber genau deswegen wollen wir hin.

Nur drei Besteigungen. Und es mangelte ja nicht an Versuchen, es gab weit über 20 Expeditionen an diesem Berg. Was macht ihn so schwierig?

Der Ogre ist einfach ein unheimlich komplexer Berg mit vielen objektiven Gefahren, durch die Seracs, die sich praktisch auf allen Seiten befinden. Deswegen ist auch der Ostpfeiler unser Ziel, weil er aus meiner Sicht frei von objektiven Gefahren ist. Aus der Ferne eingeschätzt, glaube ich, dass wir über diesen Weg allen Seracs aus dem Weg gehen können. Wie es sich dann in der Realität verhält, werden wir sehen. Aber ich hoffe, dass wir damit den maximal sicheren Weg zum Gipfel des Ogre erkunden und realisieren.

Alexander Huber: Ein unheimlich komplexer Berg

Ogre heißt übersetzt „Menschenfresser“. Trägt dieser Berg seinen Namen zu Recht?

Die Ogre-Erstbesteiger Bonington (l.) und Scott (im April 2015)

Das kann man eigentlich nicht sagen. Es gab zwar einen Unfall, bei dem ein Bergsteiger ums Leben gekommen ist. (Bei einer deutschen Expedition, die sich 1993 am Ogre-Südpfeiler versuchte, stürzte der Schweizer Philipp Groebke tödlich ab.) Aber er ist sicher nicht der Menschenfresser an sich. Dafür ist er als Berg einfach viel zu anspruchsvoll. Das heißt, die Bergsteiger, die sich vornehmen, einen Ogre zu besteigen, sind allesamt kompetente, starke Bergsteiger, die genau wissen, was sie tun. Gefährlich wird das Bergsteigen ja meist immer dann, wenn inkompetente Leute versuchen, einen Gipfel zu erreichen. Das Musterbeispiel dafür im Himalaya ist sicher der Mount Everest. Dort wird auch in der Zukunft noch viel gestorben werden, weil viele Leute den Berg besteigen wollen, ohne die Kompetenz zu haben. Insofern hat der Ogre seinen Namen nicht verdient. Er ist kein Menschenfresser.

Aber eigentlich ist das ja auch nicht sein ursprünglicher Name, sondern Baintha Brakk. Baintha ist eine Wiese am Rande des Biafo-Gletschers, von der aus der höchste Punkt des Bergs als dominanter Gipfel zu sehen ist. Brakk heißt Spitze. Es ist also die Spitze, die man von der Wiese Baintha aus sieht. Ich bin ja sowieso der Meinung, man sollte zu ursprünglichen Namen der Berge zurückkehren. Der Mount McKinley ist der Denali, der Mount Everest von der tibetischen Seite aus der Chomolungma, von der nepalesischen die Sagarmatha, der K 2 der Chogori, und der Ogre ist an sich der Baintha Brakk.

Alexander Huber: Ogre ist kein Menschenfresser

Alex, Mario und Dani (v.l.) 2015 auf dem Gipfel des Sechstausenders Panmah Kangri

Die letzten Sommer im Karakorum waren sehr warm. Das führte dazu, dass viele Expeditionen scheiterten. Welches Wetter eröffnet euch eine reelle Chance am Ogre?

Wenn wir das gleiche Schicksal wie vor zwei Jahren  (damals waren die Huber-Brüder mit Mario Walder und Dani Arnold in der Latok-Gruppe unterwegs) haben, als die Null-Grad-Grenze über mehrere Wochen bei 6500 Meter und höher lag, werden wir auch in diesem Jahr Probleme bekommen. Ich denke, das Bergsteigen wird sich in der Zukunft aufgrund des Klimawandels ohnehin verändern. Die Bergsteiger müssen sich darauf einstellen. Wenn die Null-Grad-Grenze weiter so massiv ansteigt, werden wir beizeiten auf die Herbst- oder Frühjahrssaison ausweichen müssen. Ich habe jetzt trotzdem noch einmal die Sommersaison gewählt, weil ich der Überzeugung bin, dass es auf dem Weg zum Gipfel des Ogre eminent wichtig ist, dass man gerade in Gipfelnähe nicht die tiefen Temperaturen hat. Vielleicht haben wir das Glück, dass diesmal die Verhältnisse passen. Das Wetter ist schwer zu interpretieren. Aber das sind eben die Herausforderungen, denen man sich heute stellen muss.

Ihr habt ja 2014 schon einmal eine Expedition nach Pakistan wegen der brisanten politischen Lage abgesagt. Fährst du wieder mit einem mulmigen Gefühl dorthin?

Leider kann man heute in Pakistan nicht mehr so reisen wie vor 20 Jahren. Ich habe Pakistan noch zu einer Zeit kennenlernen dürfen, wo es diese Division in westliche Welt und muslimische, arabische Welt nicht gab. Damals konnte man sich frei in diesem Land bewegen. Wenn man heute über das freie Land reist, kann man sich nie sicher sein, dass es nicht doch zu Anschlägen kommt, gerade auf Touristen. Deswegen gibt es auch keinen Tourismus mehr in Pakistan. Die Leute, die heute noch in das Land reisen, sind ausschließlich Bergsteiger, die ein ganz konkretes Ziel haben. Wenn wir dorthin reisen, sind wir wirklich undercover unterwegs, das heißt wir sind nicht sichtbar.

Alexander Huber: In Pakistan undercover unterwegs

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Thomas Huber: „Die Krux ist nicht die Wand, sondern der Mensch“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-latok-i/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-latok-i/#comments Wed, 26 Oct 2016 11:12:33 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34099 Latok I (2. Berg v. l.)

Latok I (2. Berg v. l.)

Ein Fußballer würde sagen, der Ball hatte ein Ei. „Die Expedition ist definitiv unrund gelaufen“, erzählt mir Thomas Huber über seine Reise zum Latok I in Pakistan. Wie berichtet, hatte sich der ältere der beiden Huberbuam zusammen mit Toni Gutsch und Sebastian Brutscher an der Nordseite des 7145 Meter hohen Granitriesen im Karakorum versuchen wollen – nur wenige Wochen nach seinem 16-Meter-Sturz aus einer Felswand und darauf folgender Operation am Kopf. Damit begann eigentlich schon die Unwucht der Expedition. „Wir konnten uns gar nicht richtig als Team finden, weil ich so sehr mit meiner Situation nach dem Sturz und der Kopfverletzung beschäftigt war“, räumt Thomas ein. „Dennoch war die Motivation da, das Team passte aus meiner Sicht perfekt zusammen. Diese Euphorie haben wir mitgenommen, nach Skardu, nach Askole, weiter bis ins Basislager am Choktoi-Gletscher. Als wir dort ankamen, waren sich alle einig: Das hier ist der Platz für Bergsteigen in höchster Vollendung. Doch dann ist alles anders gelaufen.“

Nur die Skier gefunden

Die Skier der beiden Vermissten

Die Skier der beiden Vermissten

Erst war Thomas Hubers Hilfe bei einer Rettungsaktion am nahe gelegenen Ogre II (6950 Meter) gefragt.  Dort wurden die beiden US-Kletterer Kyle Dempster und Scott Adamson vermisst, die Tage zuvor in die Nordwand des Fast-Siebentausenders eingestiegen waren. „Ich hatte sie im Vorjahr kennengelernt“, sagt Thomas. „Das waren wirklich lässigen Typen. Sie gehörten zu den besten Alpinisten der USA.“ Huber kennt den Berg gut. 2001 gelang ihm mit den Schweizern Iwan Wolf und Urs Stöcker die zweite Besteigung des Ogre I und die Erstbesteigung des Ogre III.
Zweimal flog Thomas im Rettungshubschrauber mit – in der Tasche seine Notfallmedikamente, weil er nicht wusste, ob er den Flug bis in eine Höhe von 7200 Meter mit seiner Kopfverletzung vertragen würde. Der 49-Jährige hatte keine Probleme, doch von den beiden Vermissten fehlte weiter jede Spur: „Wir haben die geplante Aufstiegsroute durch die Nordwand abgesucht, die Gipfelregion, den Nordwestgrat, über den sie absteigen wollten, sogar die Gletscherspalten am Wandfuß. Wir haben nichts, aber auch gar nichts gefunden.“ Bis auf die Skier der beiden US-Amerikaner am Einstieg der Route.

Die nächste Rettungsaktion

Rettungsaktion für Max Reichel (2.v.l.)

Rettungsaktion für Max Reichel (2.v.l.)

Huber, Gutsch und Brutscher stiegen noch einmal über den Nordwestgrat bis auf 6200 Meter auf, doch auch dort entdeckten sie keine Spur von Dempster und Adamson. Ein Wettersturz zwang das Trio zum Rückzug. Die Suche wurde abgebrochen. Immerhin waren die drei Deutschen jetzt gut akklimatisiert für ihr eigenes Projekt am Latok I. „Aber diese Rettungsaktion hat mich so sehr beschäftigt, dass ich in dieser ersten Phase der Expedition gar nicht an das normale Bergsteigen denken konnte.“ Auch in der zweiten sollte sich das nicht ändern. Max Reichel, als Kameramann im Team, wurde höhenkrank. Ursache: eine verschleppte Herzmuskel-Erkrankung. Die Ärzte in Deutschland entschieden, dass er so schnell wie möglich zurück in die Zivilisation gebracht werden müsse. Thomas begleitete seinen Freund bis zu einem Punkt 40 Kilometer talwärts, 1000 Meter tiefer. Dort habe Max ihn aufgefordert, ins Basislager zurückzukehren, weil er noch etwas vorhabe, erzählt Thomas: „Das hat mich total befreit. Ich wollte jetzt endlich nur noch ans Bergsteigen und nicht anderes mehr denken.“

Kalte Dusche

Voller Euphorie kehrte er ins Basislager zurück. Dort erwartete ihn jedoch eine neuerliche kalte Dusche – die letzte. Hubers Teamgefährten Gutsch und Brutscher eröffneten ihm, dass sie nicht bereit seien, in die Nordwand einzusteigen. „Sie haben gesagt, sie hätten ein schlechtes Gefühl. Sie sähen nicht die Möglichkeit, bei diesen Verhältnissen die Wand zu durchsteigen. Sie wollten es nicht einmal versuchen.“ Thomas Huber fiel in ein tiefes emotionales Loch: „Traurigkeit, totale Enttäuschung, auch Wut. Ich konnte es einfach nicht glauben, dass sie von jetzt auf gleich sagten, sie wollten heim. Ich habe es nicht verstehen können.“ Aus seiner Sicht seien die Verhältnisse „vertretbar“ gewesen: „Sie waren natürlich nicht optimal. Die Gegend war verschneit, es war relativ kalt. Wirkliche Lawinen gab es in der Wand aber nicht, nur Spindrift. Außerdem glaubte ich, dass sich die Lage durch mehrere Tage schönes Wetter zum Positiven verändern würde. Die Meteorologen sagten gutes Wetter voraus.“  Er habe dennoch keinen Sinn darin gesehen, die beiden zu überreden, sagt Thomas: „Ich kann doch nicht mit solchen Partnern in die Wand einsteigen, die gedanklich schon lange zu Hause sind.“

Wenn der Berg immer größer wird

Thomas Huber

Thomas Huber

Für den 49-Jährigen war es ein Deja-vu. Auch 2015 hatten ihn seine damaligen Teamgefährten – sein Bruder Alexander, der Schweizer Daniel Arnold und der Österreicher Mario Walder – überstimmt, die Latok I-Expedition abzubrechen. „Ich kann es niemandem verdenken, wenn er sagt: Thomas, vielleicht stimmt ja bei dir irgendetwas nicht“, sagt Huber. „Es steht 5:1 gegen mich. Und hinter diesen fünf stehen ja wirklich fünf Topbergsteiger. Ich verstehe es irgendwie nicht.“ Vielleicht sei es ja eine Frage der Mentalität: „Ich bin halt jemand, der weniger redet, sondern lieber zum Berg geht und dort erfährt, was der Berg zu bieten hat und wie man mit ihm umgehen muss. Oft wird im Basislager wahnsinnig viel diskutiert. Und ich merke dann, dass während der Diskussion der Berg mental immer größer und schlussendlich unmöglich wird.“ Der Schwung bleibe dann auf der Strecke. „Die große Krux beim Latok ist nicht die Wand, sondern der Mensch. Das Geheimnis dieser Wände ist, was sie aus den Menschen mit der Zeit machen. Sie haben eine dermaßen große Kraft und Ausstrahlung. Auf der einen Seite sind sie magnetisch, auf der anderen furchteinflößend. Um dort nicht in die Knie zu gehen, benötigt man viel Kraft.“

Der Knackpunkt

Thomas Huber hat die Latok 1-Nordwand trotz aller Frustration noch nicht aus seinem Kopf verbannt, will sich jedoch nicht auf einen Zeitpunkt für einen nächsten Versuch festlegen lassen. „Ich habe keine Angst vor dieser Wand und diesem Berg. Ich weiß, ich werde zurückkehren“, sagt Thomas. „Ich habe nur Angst davor, dass ich wieder mit einem Team vor dem Berg stehe, das sagt: Nein, wir wollen nicht gehen.“ Im Nachhinein sei es ein Fehler gewesen loszuziehen, ohne vorher wirklich viel gemeinsam geklettert zu sein, glaubt Thomas: „Diese Berge gehören zu den schwierigsten der Welt. Wenn du sie angehst, musst du schon vorher ein Team sein. Du musst wissen, wie der andere funktioniert, auch seine Abgründe kennen. Erst dann kannst du an die Grenze gehen.“ Warum dann nicht mit seinem Bruder Alexander, mit dem er schon so viel geklettert ist und so vieles in den Bergen durchlebt hat? „Mein Bruder möchte nicht in die Nordwand, das ist vielleicht der große Knackpunkt“, sagt Thomas.

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Thomas Huber: „Ich fahre mit lachendem Herzen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-pakistan/ Sat, 13 Aug 2016 08:37:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33453 Thomas Huber bricht wieder auf

Thomas Huber bricht wieder auf

Unglaublich – das beschreibt das derzeitige Leben Thomas Hubers ziemlich treffend. Kein Wunder, dass der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer dieses Wort sehr häufig verwendet, als wir miteinander telefonieren. Thomas hatte, wie er selbst sagt, „unglaubliches Glück“, als er am 5. Juli seinen 16-Meter-Sturz aus einer Felswand überlebte. Er ist so „unglaublich schnell“ wieder auf die Beine gekommen, dass er in Kürze sogar – wie vor dem Absturz geplant – mit einer  „unglaublichen Freude“ auf Expedition nach Pakistan gehen kann. Wirklich unglaublich! Ziel ist die Nordseite des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum. Zu Hubers Team gehören Toni Gutsch – der schon 1997 mit den Huberbuam und dem US-Kletterer Conrad Anker an der Westwand des Latok II (7108 Meter) erfolgreich war – und Sebastian Brutscher.

Legendäres Scheitern

Das deutsche Trio wird sich das Basislager mit den US-Amerikanern George Henry Lowe, Jim Donini und Thomas R. Engelbach teilen, die in der Gegend ein wenig an Sechstausendern herumklettern wollen. Lowe und Donini, beide inzwischen über 70, schrieben 1978 am Latok I Geschichte: Zusammen mit Georges Cousin Jeff Lowe und Michael Kennedy eröffneten sie die Route über den Latok I-Nordgrat. 150 Meter unterhalb des Gipfels mussten sie im Sturm umkehren. „Das bemerkenswerteste Scheitern in der Alpingeschichte“, sagt Thomas Huber anerkennend. 26 (!) Tage am Stück verbrachten die vier US-Kletterer damals auf dem Grat, ehe sie völlig entkräftet, aber wohlbehalten ins Basislager zurückkehrten.

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas, du brichst in Kürze Richtung Pakistan auf, wenige Wochen nach deinem 16-Meter-Sturz und der Operation am Kopf. Wie kann das gehen?

Es war ja eine Schädelfraktur, die so behoben wurde, dass ich keine bleibenden Schäden zu erwarten hatte. Wir haben dann etliche medizinische Tests gemacht, mit Neurologen zusammengearbeitet. Ich habe mich mit einem speziellen Programm von Markus Göbel auf die große Höhe vorbereitet. Über Sauerstoffreduktion kann man dabei Höhen von bis zu 6000 Metern simulieren. Wir haben immer wieder die Gehirnströme gemessen und Kernspin-Tomographien gemacht. Das Ergebnis: Es hatte keine Auswirkungen auf mein Gehirn, es haben sich keine Ödeme gebildet. Die Ärzte haben mir eine so genannte „selbstverantwortliche Freigabe“ erteilt. Sie haben gesagt: „Thomas, letztendlich musst du es selber wissen.“ Ich habe mich Schritt für Schritt auf diesen Moment vorbereitet. Ich habe gar nicht mal immer an die Expedition gedacht, sondern wollte einfach gesund werden. Mit der Energie, die ich auch von außen, von meinem Umfeld bekommen habe, bin ich so unglaublich schnell genesen, dass ich jetzt den Mut habe, diese Expedition zu starten. Ich sage Ja zu dieser Expedition. Aber es braucht sich niemand Sorgen zu machen. Ich habe auch den Mut, in jedem Moment Nein zu sagen. Wenn ich merke, es passt körperlich nicht, sage ich Nein.

Du warst inzwischen auch wieder klettern, wie fühlte sich das an?

Noch ein bisschen wackelig. Die drei (gebrochenen) Dornfortsätze an den Wirbeln sind noch nicht optimal verwachsen. Da muss ich mich noch ein bisschen gedulden. Aber ich kann schon wieder Rucksäcke tragen. Ich bin mit meinem Sohn durch die Watzmann-Ostwand geklettert, über die Wiederroute auf die Mittelspitze. Ich war auch viel berglaufen. Das alles kann ich schmerzfrei machen, ohne Schwindel, ohne Kopfschmerzen. Nur die asymmetrische Belastung über den Rücken schmerzt beim Klettern hin und wieder noch ein bisschen.

Sprang beim Klettern auch mal das Kopfkino an, in dem Sinne, dass du an den Sturz gedacht hast?

Eigentlich nur einmal ganz kurz. Bei uns in der Kletterhalle gibt es eine automatische Rolle. Du kletterst hinauf, setzt sich dann in ein lockeres Gurtband und fährst langsam wieder nach unten. Dort habe ich für einen kurzen Moment gezögert. Ich habe hinuntergeschaut, das waren 15 Meter, etwa die Höhe, aus der ich im freien Fall abgestürzt war. Ich bin dann erst einmal zurückgeklettert. Meine Tochter war dabei und hat gesagt: „Beim nächsten Mal setzt du dich rein!“ Das habe ich dann auch gemacht, und es hat gepasst. Wenn ich gesichert bin, habe ich keine Probleme. Der Absturz ist passiert, weil das Kletterseil nicht normgerecht, sondern abgeschnitten war. Ich hatte unglaubliches Glück, das ich dankbar angenommen habe. Deshalb habe ich auch keine Albträume oder Kopfkino, dass ich denke: „Oh Gott, was ist da passiert?“ Ich bin dankbar und glücklich, dass ich leben und nach vorne schauen darf. Für mich heißt das jetzt, zum Latok I zu gehen. Ich sehe noch lange nicht den Gipfel. Vielleicht komme ich dort oben an, vielleicht auch nicht.  

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Eigentlich ist die Bergsteiger-Saison im Karakorum doch gerade zu Ende gegangen. Warum seid ihr so spät dran?

Die Latok I-Nordwand bekommt sehr viel Sonne ab, weil sie auch eine Ostkomponente hat. Von fünf Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags ist sie immer in der Sonne. Deshalb haben wir uns entschieden, im Herbst hinzugehen, wenn der Sonnenstand viel niedriger ist. Nur wenn die Wand im Schatten liegt, kann man sie durchsteigen. Sonst ist es unmöglich. Ich habe mir die Wetterdaten angesehen. Auch im Herbst gibt es brauchbares Wetter, und es ist einfach kälter.

Du hast jetzt von der Nordwand gesprochen, in früheren Berichten hieß es, ihr wolltet die Nordgrat-Route vollenden. Was genau habt ihr vor?

Es wird immer viel zu viel im Vorfeld geredet. Du musst vor der Wand stehen, und dann nimmst du genau den Weg, der dir am lässigsten und günstigsten erscheint. Vielleicht geht die Nordwand, vielleicht ist aber auch der Nordgrat der einzig mögliche Weg in dieser Jahreszeit und bei diesen Verhältnissen. Du musst immer flexibel sein. Wenn du an so einem Berg zu sehr auf ein einziges Ziel fixiert bist, ohne Alternativen zuzulassen, wirst du sehr wahrscheinlich ohne Gipfelerfolg zurückkommen. An solchen Bergen hast du vielleicht einen Plan, musst dann aber doch wieder neue Wege suchen, weil sich die Verhältnisse ständig ändern.

Weiter bergsteigen

Thomas 2015 am Latok I

Egal, ob Nordwand oder Nordgrat des Latok I, an beiden haben sich dutzende Expeditionen die Zähne ausgebissen. Kann man da überhaupt von einer Erfolgschance reden?

Nein, das kann man nicht. Aber beim Bergsteigen reizt es ja gerade, dorthin zu gehen, wo viele gescheitert sind. Deshalb bin ich damals zum Beispiel auch zum Ogre gegangen, einem unglaublichen Berg. (Thomas gelang 2001 mit den Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des 7285 Meter hohen Bergs im Karakorum). Genauso sehe ich die Latok I-Nordwand. Das ist ein ausgesprochen schönes Ziel. Vielleicht auch inspiriert dadurch, dass so viele es nicht geschafft haben, glaubst du, dass du es durch deine Erfahrung, dein Können, vielleicht auch dein Glück schaffst, als Erster durchzukommen. Das reizt gewaltig.

Denkst du, dass du nach deinem Sturz jetzt das Unterwegssein noch mehr genießen wirst, unabhängig davon, ob ihr Erfolg habt oder nicht?

Ich fahre mit einer unglaublichen Freude dorthin. Es ist ein Riesengeschenk. Egal ob ich auf den Latok I hochkomme oder nicht, allein, dort jetzt unterwegs sein zu dürfen, ist unbeschreiblich. Diese Freude und Energie nehme ich auch mit. Irgendwann musst du die hohen Erwartungen hinter dir lassen und sagen: „Jetzt denke ich nicht mehr an das, was ich erreichen möchte, sondern begebe mich auf die Reise und lasse mich auf das Projekt ein.“ Ich habe ein wunderbares Team. Und ich glaube, wenn es über diese Energie eine Dynamik erfährt, dann kann man verrückte Dinge machen und Großes schaffen. Aber auch wenn ich ohne Gipfelerfolg heimkehre, fahre ich mit einem lachenden Herzen nach Hause, weil ich wieder gesund sein darf – und wild.

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Thomas Huber: „Danke, dass ich leben darf!“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-danke-dass-ich-leben-darf/#comments Tue, 19 Jul 2016 20:16:06 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33246 Thomas Huber (2014)

Thomas Huber (2014)

Rund 1,8 Sekunden. So lange dauerte der 16-Meter-Sturz Thomas Hubers aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land – heute vor zwei Wochen. Wie berichtet, war der 49 Jahre alte deutsche Top-Kletterer, der ältere der beiden „Huberbuam“, auf weichem Waldboden gelandet. Wie sich später herausstellte, hatte sich Thomas einen Schädelbruch zugezogen und musste sofort operiert werden. Die beruhigende Prognose der Ärzte hinterher: keine bleibenden Schäden. Inzwischen hat Thomas das Krankenhaus verlassen und erholt sich zu Hause. Ich habe mit ihm telefoniert.

Thomas, das Wichtigste zuerst: Wie geht es dir?

Es geht mir insgesamt sehr gut. Ich bin mir des unermesslichen Glücks, das ich hatte, sehr bewusst. Ich habe es dankbar angenommen. Ich schaue nicht mehr zurück, was hätte passieren können, sondern ich bin nur happy, dass es so geschehen ist, wie es geschehen ist. Optimal wäre natürlich, wenn ich es vermieden hätte und der Unfall gar nicht erst passiert wäre. Aber das ist beim Bergsteigen immer so. Ich habe mich in meiner Routine total sicher gefühlt, und oft ist dann genau darin der Teufel versteckt.

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Sind deine Verletzungen allesamt kurierbar?

Es ist wie ein Wunder, dass mir nicht mehr passiert ist. Das haben auch die Chirurgen gesagt. Ich bin immerhin aus 16 Metern abgestürzt, das haben wir nachgemessen. Alles ist wieder kurierbar. Und wie es aussieht, werde ich in naher Zukunft wieder zu 100 Prozent fit sein.

16 Meter, das ist so hoch wie anderthalb Einfamilienhäuser. Hast du beim Sturz noch irgendetwas gedacht oder war alles nur noch purer Instinkt?

Alles Instinkt. Da denkst du nicht mehr, sondern handelst nur noch. Ich war zu jeder Sekunde bei vollem Bewusstsein und habe instinktiv anscheinend alles richtig gemacht. Aber lenken konnte ich das nicht mehr. Das ging so schnell und war so überraschend. Du bist dann auch gar nicht mehr in der Realität, sondern es ist wie eine zweite Ebene, wo nur noch der Körper reagiert und dich letztendlich überleben lässt. Ich hatte 1000 Schutzengel. Ich bin sicher, da war irgendetwas, was mich hat überleben lassen. Sonst wäre ich hinterher nicht einfach aufgestanden und wäre selbstständig vom Berg gegangen. Ich habe ja keinen einzigen blauen Fleck. Ich habe lediglich den Schädelbruch, die Fingerluxation (Ausrenkung), und die Dornfortsätze (der Wirbel), die am Fels runtergeschrappt sind, sind abgebrochen.

Thomas nach der Operation

Thomas nach der Operation

Du hast wahrscheinlich in deinem Leben schon zehntausende Male abgeseilt. Da fragt man sich, wie konnte dieses Unglück überhaupt passieren? War es einfach ein kurzer Augenblick mangelnder Konzentration?

Nein, die Routine war schuld. Wenn man das erste Mal an einer Wand ist, wirkt sie furchteinflößend, nicht nur am El Capitan, sondern auch am Brendlberg, auch wenn diese Wand nur 70 Meter hoch ist, aber sehr steil, sehr alpin. Ich war dort in den letzten zwei Monaten ständig unterwegs, habe verschiedene Routen erschlossen. Die Wand ist für mich wie ein Wohnzimmer geworden, ich habe mich dort total wohl gefühlt. Es war mein zweites Zuhause, meine Sommerbeschäftigung vor der Expedition. Wir haben in der Route „Watzmannflimmern“ gefilmt, die ist (Schwierigkeitsgrad) 9+. Dort wollte ich ein Fixseil reinhängen für die Kameramänner. Ich hatte in den Monaten vorher, als ich in der Route trainiert habe, bevor ich sie schließlich durchstieg, immer ein 60-Meter-Seil benutzt. Das reichte allemal bis zu dem Felsband und dann waren immer noch fünf Meter übrig. Dieses Seil, das ich jetzt benutzte, gehörte aber einem Freund. Ich habe nicht gewusst, dass es abgeschnitten war. Ich seile ab, räume in der Nachbarroute noch drei Expressen (Sicherungsmittel beim Klettern) aus der ersten Seillänge. Alles ist gut, ich seile runter auf das Band. Und – tamm! – geht es schon los und ich stürze. Ich war wirklich voll konzentriert. Schuld war eine andere Geschichte, eben die volle Routine, dass vorher monatelang immer alles gut gegangen war. Wie bei einem Schreinermeister, der sich nach 10.000 Schnitten mit der Kreissäge den Finger abschneidet.

Weiter bergsteigen

Weiter bergsteigen

Es war sehr knapp, du bist dem Tod von der Schippe gesprungen. Stellst du dir jetzt auch die Grundsatzfrage: Mache ich weiter wie bisher?

Wenn man mit einer Sache nicht fertig wird, muss man sich diese Frage wirklich stellen. Aber wenn man sich dieses unermesslichen Glückes bewusst ist und ihm mit der Dankbarkeit begegnet, leben zu dürfen, dann kann man auch weiter bergsteigen. Man muss sich einfach immer bewusst sein, was man tut. Am gefährlichsten ist, wenn man glaubt, alles im Griff zu haben. Das habe ich daraus gelernt: Du darfst dich eigentlich auf niemanden und gar nichts verlassen, außer auf dich selbst. Zieh deinen Klettergurt an und schau wirklich hin, dass die Schnalle geschlossen ist! Auch wenn es Routine wird, immer wieder backup-mäßig draufschauen! Auch wenn ich dort schon zum 20. Mal abgeseilt habe, ein neues Seil heißt eben eine neue Situation. Michael Schumacher (der Formel-1-Rekordweltmeister verunglückte 2013 beim Skifahren schwer) ist nicht so weit gefallen wie ich, und ihm geht es leider Gottes nicht so gut. Andere stürzen einen halben Meter tief und können tot sein. Ich sage nur: Danke, danke, dass ich leben darf.

Du hattest ursprünglich vor, mit Freunden zum Siebentausender Latok 1 nach Pakistan zu fahren, um dich dort an der legendären Nordgrat-Route zu versuchen. Dieser Plan ist natürlich erst einmal hinfällig. Wie geht es jetzt weiter mit dir?

Darüber möchte ich jetzt gar nicht sprechen. Ich bin in ärztlicher Betreuung. Ich habe gerade ein erstes EEG gemacht, das war sehr positiv. Schauen wir jetzt einfach, dass ich gesund und voll einsatzfähig werde. Man macht viel zu oft den großen Fehler, zu weit in die Zukunft zu schauen. Ich schaue auf das Jetzt. Und jetzt bin einfach nur glücklich und sehr dankbar, dass ich lebe.

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Thomas Huber auf dem Weg der Besserung https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-auf-dem-weg-der-besserung/#comments Sat, 09 Jul 2016 13:56:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33167 Thomas Huber steht schon wieder

Thomas Huber steht schon wieder

„Es geht mir schon wieder ziemlich gut“, schreibt mir Thomas Huber aus dem Krankenhaus in Traunstein. Wenn das keine gute Nachricht ist! Schließlich war der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer – wie gestern berichtet – am Dienstag zwölf Meter tief aus einer Felswand am Brendlberg nahe Scheffau gestürzt. Der Unfall geschah laut dem Internetportal bgland24.de beim Abseilen. Als Thomas sich, auf einem Felsabsatz stehend, aus der Sicherung ausgeklinkt habe, um ein weiteres Seil aufnehmen zu können, habe er das Gleichgewicht verloren. Das hätte böse ausgehen können. „1000 Schutzengeln“ (Thomas) und seinem Instinkt dürfte es der Kletterer zu verdanken haben, dass ihm nichts Schlimmeres passierte.

Keine bleibenden Schäden

Laut bgland24.de landete Thomas nach eigenen Worten „wia a Katz“ auf dem weichen Waldboden. Huber war sogar noch in der Lage, gemeinsam mit seinem Kletterpartner Michael Grassl dem Krankenwagen entgegenzulaufen. Die Diagnose im Krankenhaus in Traunstein war dann jedoch besorgniserregend: Schädelbruch. Thomas kam sofort unters Messer. Die Operation verlief ohne Komplikationen. Die Prognose der Ärzte ist positiv: Keine bleibenden Schäden. Auch die anderen Verletzungen – ab- oder angebrochene Dornfortsätze an einigen Wirbeln und ein verrenkter Finger – werden verheilen. Wenn alles gut läuft, kann Thomas in der kommenden Woche das Krankenhaus verlassen.

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Thomas Huber bei Absturz schwer verletzt https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-bei-absturz-schwer-verletzt/ Fri, 08 Jul 2016 09:09:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33143 Thomas-Huber

Thomas Huber

„Entgegen all den Meldungen: Mir geht’s so weit gut“, schreibt Thomas Huber auf Facebook. „Hatte 1000 Schutzengel.“ Nach Informationen der Internetseite BGLand24.de  stürzte der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer bereits am Dienstag bei Vorbereitungen für Filmarbeiten aus einer Felswand am Brendlberg im Berchtesgadener Land 20 Meter weit ab. Thomas sprach inzwischen von einer Fallhöhe von zwölf Metern. Er hatte Ende Mai in der Wand eine neue Route eröffnet. Der Kletterer wurde nach dem Unfall ins Krankenhaus Traunstein eingeliefert. Nach unbestätigten Berichten soll sich Thomas bei dem Sturz einen Schädelbruch zugezogen haben. Er sei wegen eines Blutgerinnsels sofort operiert worden.

Latok I muss warten

Felswand am Brendlberg

Felswand am Brendlberg

Thomas hatte ursprünglich im August mit Toni Gutsch und Sebastian Brutscher nach Pakistan fliegen wollen. Ihr Ziel: Die Vollendung der Nordgrat-Route am 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum. Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini  im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umkehren müssen, sind mehr als 20 Versuche, die Route zu meistern, gescheitert. Im Juni hatte Thomas die Pioniere in den USA besucht.

Dieser Plan des älteren der beiden Huberbuam (Alexander turnt gerade in Grönland herum) muss jetzt erst einmal wieder in der Schublade verschwinden. Jetzt gilt es, komplett gesund zu werden. Thomas, gute Besserung, ich drücke dir die Daumen, dass du schnell wieder auf die Beine kommst!

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Alexander Huber: “Hasardeure sind noch nie weit gekommen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-huber-hasardeure-sind-noch-nie-weit-gekommen/ Thu, 12 Nov 2015 16:09:26 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31179 Alexander Huber

Alexander Huber in Innsbruck

Die Huberbuam werden auch künftig gemeinsam auf Expedition gehen, aber wohl nicht mehr zusammen zum Latok I. Während mir Thomas Huber noch vor drei Wochen mit leuchtenden Augen von der Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen vorschwärmte, scheint sein jüngerer Bruder Alexander das Projekt nach den Erlebnissen im vergangenen Sommer endgültig abgehakt zu haben. Ich sprach mit dem 46-Jährigen Spitzenkletterer Ende letzter Woche am Rande der Alpinmesse Innsbruck.

Alexander, bei der Akklimatisierung für die Latok I-Nordwand seid ihr am Latok III von einer Lawinen-Druckwelle fast aus der Wand geblasen worden. Dein Bruder meinte, es sei noch nie so knapp gewesen. Hast du es auch so empfunden?

Es war definitiv knapp. Wir hatten den Serac ja gesehen und unser Lager deshalb weit weg von ihm platziert. Wir hatten das Glück, dass wir eine kleine Plattform ausgeschaufelt hatten, um die Zelte perfekt zu positionieren. Und die kleine Kante, die dabei entstanden ist, hat uns das Leben gerettet. Sonst wären wir einfach weggeblasen worden. Insofern hat unser Risikomanagement zwar geklappt. Aber es war viel, viel knapper, als ich es mir jemals hätte erträumen lassen. Und das ist doch schockierend.

Alexander Huber: Es war sehr knapp

Hat dieses extreme Erlebnis eure Moral für euer eigentliches Vorhaben, die Latok I-Nordwand gebrochen?

Ja, es hat unser Moral gebrochen. Aber selbst wenn der Serac-Abbruch nicht passiert wäre, hätten wir am nächsten Tag die schlechten Bedingungen am Berg bemerkt. Sie hätten uns den weiteren Aufstieg nicht möglich gemacht. Wir wären zum gleichen Ergebnis gekommen, dass man unter solchen Bedingungen und bei solchen Temperaturen an so einem Berg nichts zu suchen hat.

Alex, Mario und Dani (v.l.) auf dem Gipfel des Panmah Kangri

Alex, Mario und Dani (v.l.) auf dem Gipfel des Panmah Kangri

Mit welchem Gefühl bist du von dieser Expedition zurückgekehrt?

Ich habe es sehr gut akzeptieren können, weil es nun einmal so war, wie es war. Mario (Walder), Dani (Arnold) und ich haben am Ende noch einen kleinen Sechstausender gemacht. Das war bergsportlich überhaupt nicht relevant, weil es eine Dimension unter der Schwierigkeit eines Latok I war. Aber für mich war es doch ein wunderschönes Erlebnis, das ich nun mit dieser Expedition verbinde. Sie hat damit für mich einen Namen bekommen: Erstbesteigung des Panmah Kangri, 6046 Meter, ein wunderschöner freistehender Berg. Auch wenn es nicht super extrem ist, muss man einfach damit zufrieden sein, dass letztendlich alles gut ausgegangen ist. Wir hätten ja ohnehin nicht mehr erreichen können. Wenn man damit ein Problem hat, hat man eigentlich am Berg nichts zu suchen. Wir machen einen Outdoor-Sport, wo die Bedingungen darüber entscheiden, ob wir hinaufsteigen können oder nicht. Wenn man das nicht will, muss man sich einen anderen Sport suchen.

Ihr hattet ja auch im letzten Jahr schon geplant, zum Latok I zu gehen, es dann aber wegen der unsicheren politischen Lage in Pakistan sein lassen. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?

In Baltistan war alles ruhig. In den Bergen herrschte aus meiner Sicht keine Gefahr. Man kann das auch nicht mit der Lage am Nanga Parbat vergleichen. Während dieser Achttausender von außen sehr leicht erreichbar ist, sind die Berge des Karakorum entlegen und im Schiiten-Gebiet, wo die Taliban gewöhnlich ein schlechteres Standing haben. Ich habe mich in Baltistan sehr sicher gefühlt. Den Weg dorthin über den Karakorum-Highway hätte ich mir allerdings sehr gerne gespart. Der Terrorismus ist eine kalte Gefahr, die man nicht spürt. Sie wird immer erst dann heiß, wenn es passiert. Man ist dort im Ungewissen unterwegs. Im Endeffekt war es eine sehr schöne Reise. Wir haben nichts von dieser Gefahr am Karakorum Highway wahrgenommen, wir haben nichts gesehen. Aber das heißt nicht, dass es wirklich sicher ist.

Alexander Huber: Den Karakorum Highway hätte ich mir gerne gespart

Alexander (r.) und Thomas Huber

Alexander (r.) und Thomas im Sommer im Karakorum

Bist du denn immer noch heiß auf den Latok I-Nordwand?

Für mich ist ganz klar: Die Nordwand des Latok I ist so unkalkulierbar gefährlich, dass ich keine Motivation verspüre, sie anzugehen. Ich suche mir lieber schwierige Ziele ohne dieses nicht kalkulierbare Risiko.

Spricht da aus dir auch der Familienvater?

Nein, das hat damit nichts zu tun. Ich liebe ja mein eigenes Leben und will es auch erleben. Es war ja auch schon in der Vergangenheit so, dass ich bei Zielen, die mir zu haarsträubend waren, lieber einen Rückzieher gemacht habe.

Alexander Huber: Hasardeure sind noch nie weit gekommen

Es spricht ja für Stärke, dazu in der Lage zu sein.

Ich denke, das ist unbedingt nötig. Hasardeure sind in der Welt der Berge noch nie weit gekommen. Es ist auch heute noch möglich, mit relativ geringem Können, aber hoher Risikobereitschaft sehr schnell bekannt zu werden. Aber man könnte einige Beispiele aufzählen, an denen man sieht, dass es nicht lange gut geht.

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Der nimmermüde Wetterfrosch https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-nimmermuede-wetterfrosch/ Wed, 11 Nov 2015 15:35:01 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31157 Charly Gabl

Charly Gabl

„Ich bin im Unruhestand, aber nicht unglücklich“, sagt Karl, genannt „Charly“ Gabl. „Man sollte ja nicht von hundert auf null abbremsen. Wie im Straßenverkehr wäre das tödlich.“ Vor vier Jahren ging der Meteorologe aus Österreich in Pension, doch nach wie vor berät der 68 Jahre alte Wetterfrosch viele Profibergsteiger bei deren Expeditionen im Himalaya oder Karakorum. „Ich mache das ehrenamtlich. Im Sommer habe ich zum Beispiel die Huber-Brüder am Latok I beraten, wo sie aufgrund des warmen Wetters keinen Erfolg hatten und fast von einer Eislawine erschlagen worden wären“, erzählt mir Gabl am vergangenen Wochenende am Rande der Alpinmesse Innsbruck.

„Gegen Stolpern ist keiner gefeit“

Auch das österreichische Team um Hansjörg Auer, das Ende Oktober erstmals die Südwand des 6839 Meter hohen Nilgiri South im Annapurna-Gebiet durchstieg, holte sich zuvor Charlys Rat. Beim Abstieg verlor – wie berichtet – der offenkundig höhenkranke Gerry Fiegl das Gleichgewicht und stürzte in den Tod. Das Wetter sei an dem Unglück nicht schuld gewesen, sagt Gabl: „Es war niederschlagsfrei und sonnig, allerdings hatten sie einen starken Wind. Aber Stolperer sind im Gelände immer möglich.“ Charly nennt das Beispiel eines Bergführerkollegen, der am Annapurna Fang, einem Nebengipfel des Achttausenders, tödlich abgestürzt sei, weil er sich mit den Steigeisen in den Gamaschen verheddert habe. „Gegen Stolpern ist keiner gefeit. Das ist eine der größten Gefahren am Berg“, sagt Gabl.

Karl Gabl zum Unglück am Nilgiri South

Meiste Unfälle beim Wandern

Der Tiroler muss es wissen. Seit zehn Jahren ist er Präsident des „Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit“. Immer mehr Menschen verunglücken in den Alpen tödlich. Das sei vor allem auf die gestiegene Zahl der Bergsportler zurückzuführen, erklärt Gabl. Deren Zahl habe sich seit den 1950er Jahren schließlich verzehnfacht. „Die meisten Toten gibt es unter Wanderern, allerdings sind bei der Hälfte Herzanfälle die Unglücksursache. Aber gerade der Wanderer ist prädestiniert dafür, auszurutschen und zu stolpern.“

Fahrt nach Nepal!

Gipfel des Saribung (Bildmitte)

Gipfel des Saribung (Bildmitte)

Dass Profibergsteiger ihn immer noch regelmäßig um Wetter-Rat fragen, führt Charly Gabl darauf zurück, „dass ich selbst ein Höhenbergsteiger bin und weiß, worauf es ankommt“. 1970 fuhr er vom 7492 Meter hohen Noshaq, dem höchsten Berg Afghanistans, mit Skiern ab. „Ich habe fast 50 Gipfel über 5000 Meter bestiegen“, sagt der berühmte Wetterfrosch. Vor drei Jahren stand er als 65-Jähriger auf dem 7246 Meter hohen Putha Hiunchuli in Nepal (wo, nebenbei bemerkt, ich selbst im Jahr zuvor hundert Meter unterhalb des Gipfels hatte umdrehen müssen). Gerade erst war Charly wieder in Nepal und bestieg während eines Trekkings durch das alte Königreich Mustang den 6328 Meter hohen Saribung. „Ein wunderschöner Gipfel“, schwärmt Charly. Trotz des verheerenden Erdbebens vor einem halben Jahr funktioniere die Infrastruktur in Nepal einwandfrei, alles sei bestens organisiert. „Ich kann nur sagen: Leute, fahrt nach Nepal! Ich habe mit meiner Frau 18 Tage lang zehn Leuten eine Arbeit geben können. Das ist sehr wichtig.“

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Thomas Huber: „Ausgeliefert wie nie“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-ausgeliefert-wie-nie/ Fri, 02 Oct 2015 15:45:29 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30609 Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok 1- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Thomas Huber am Choktoi-Gletscher, dahinter die Latok I- Nordwand (l.) und der Ogre (r.)

Es war ein heißer, aber aus Sicht der Bergsteiger eher mauer Sommer im Karakorum: Die meisten Expeditionen verließen Pakistan ohne Gipfelerfolg. Auch die „Huberbuam“ Thomas und Alexander, der Schweizer Dani Arnold und der Österreicher Mario Walder kehrten mit leeren Händen zurück, dafür aber lebendig und am Stück – was nach ihren Erlebnissen an der Latok-Gruppe nicht selbstverständlich war. Thomas, mit 48 Jahren der ältere der Huberbrüder, hat mir die Geschichte erzählt.

Thomas, ihr wolltet eigentlich in diesem Sommer die noch nicht durchstiegene Nordwand des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum angehen. Doch dazu ist es gar nicht erst gekommen. Warum?

Wir haben die Nordwand nur von weitem betrachtet und ziemlich bald festgestellt, dass die Wand unter diesen Bedingungen unmöglich ist. Es wäre möglich gewesen, den Nordgrat zu machen. Aber dazu ist es auch nicht gekommen, weil wir im Vorfeld schon von einem Berg so gebeutelt wurden, dass uns Motivation und Mut verlassen haben, noch einmal an die absolute Grenze zu gehen.

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Latok III mit Serac und Pfeiler (s. Pfeil)

Welcher Berg war das, der euch so gebeutelt hat?

Es ging schon damit los, dass relativ viel Schnee im Karakorum lag. Rund anderthalb Meter, als wir in unser Basislager kamen. Gleichzeitig war es sehr, sehr warm. Das hat zu Nassschnee-Lawinen geführt. Wir haben uns erst vergeblich an einem 6000 Meter hohen Akklimatisierungsberg versucht. Wir wechselten dann zum Latok III, um uns für den Latok I zu akklimatisieren. Der Latok III ist knapp 7000 Meter hoch. Wir haben uns einen sicheren Weg über den Südpfeiler gesucht. In Lager 1 auf 5600 Metern wurden wir dann nachts von einer Eislawine überrascht. Sie schlug zwar 500 Meter von unseren Zelten entfernt auf, aber die Druckwelle hat uns von unserem Zeltplatz regelrecht weggeblasen. Kurz vor dem Abgrund sind wir mit unseren Zelten liegen geblieben. Wir waren alle kreidebleich. Auch Dani Arnold, der schon viel erlebt hat, sagte, dass es in seinem Leben noch nie so knapp gewesen sei. Wir haben anschließend die Zelte einen Meter tief eingegraben und fixiert. Der Serac hat in der Nacht „gekalbt“, es gab drei weitere Eislawinen. Am Morgen haben wir dann den riesigen Eiskegel unter unseren Zelten gesehen und nur noch gesagt: „Wir steigen ab. Nichts wie raus hier!“ Wir haben einen Rucksack verloren, mit allem Drum und Dran. Wir wurden also auch gezwungen, den Abstieg fortzusetzen.

Ihr habt doch schon viele enge Situationen erlebt. Und trotzdem hat es euch den letzten Nerv geraubt?

Wir haben schon viel erlebt, aber so ausgeliefert waren wir noch nie. Das war eine neue Erfahrung in unserem Kletterleben. So krass haben wir es noch nie erlebt.

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Links oben der Serac, von dem die Eislawinen abgingen

Ging es allen vier Kletterern so?

Ja. Wir saßen im Basislager und haben das Ganze Revue passieren lassen. Wir waren froh, dass wir überlebt hatten. Aber dann kam es auch zu Diskussionen. Als die Temperaturen zwar nicht sanken, aber das Wetter wahnsinnig gut war, sagte ich: „Wir müssen vielleicht unsere Zelte in einer Eishöhle vergraben und immer nachts klettern. Dann haben wir vielleicht eine Chance, den Latok III zu besteigen.“ Aber Alexander, Dani und Mario waren dagegen. Es war klar, die Teamentscheidung steht über allem.

Wir versuchten uns dann ein weiteres Mal an dem Akklimatisierungsberg, scheiterten aber wieder, weil es einfach zu warm war. Ich habe dann vorgeschlagen, das Material herunter zu holen und zum Latok I-Nordgrat zu wechseln, weil ich ihn für sicherer hielt. Das wurde aber auch wieder abgelehnt. Am Ende war es dann so, dass die Wettervorhersage so schlecht war, dass wir die Expedition zwei Wochen früher abgebrochen haben. Ich habe alleine das Material von Lager 1 geborgen. Alexander, Dani und Mario konnten ihr Bergsteiger-Herz noch mit einem kleinen Gipfel erfreuen. Sie schafften im dritten Anlauf den Akklimatisierungsberg und nannten diesen vermutlich noch unbestiegenen Berg Panmah Kangri.

Latok I

Latok I

Hattet ihr den Latok I eigentlich schon abgehakt, als ihr die Lawine am Latok III erlebtet?

Die Latok I-Nordwand hatten wir recht schnell abgehakt, weil wir sahen, dass sie unmöglich war. Wir haben uns auch mit den Slowenen um Luka (Lindic – die Slowenen gaben an der Nordwand ebenfalls auf) ausgetauscht. Die sprachen von der „suicide line“, der Selbstmordlinie. Ständig donnerten Steinsalven und Eislawinen herunter. Auf einer der beiden möglichen Linien zu klettern, wäre ein Todeskommando gewesen. Wir sind Bergsteiger, weil wir das Leben lieben und nicht, weil wir tote Helden sein wollen. Der Nordgrat wäre aus meiner Sicht machbar gewesen, weil er später von der Sonne beschienen wurde. Aber da gab es eine 3:1-Teamentscheidung gegen mich. Ich war ein bisschen unzufrieden, aber am Ende auch dankbar und glücklich, dass wir überlebt haben. Wir sind als Freunde zurückgekehrt, und damit war es ganz okay.

Ist das Projekt Latok I damit für dich gestorben?

In diesem Stil definitiv. Aber diese Wand kannst du nicht vergessen. Wenn du einmal darunter gestanden hast, überlegst du als Bergsteiger schon: Wie es möglich, diese Unmöglichkeit machbar zu machen? Ich habe gewisse Ideen, darüber muss ich aber noch ein bisschen länger brüten. Sag niemals nie! Es könnte sein, dass ich noch einmal dorthin zurückkehre.

Überlebt!

Überlebt!

Alexander hat drei Kinder, du ebenfalls. Bremst euch das in Extremsituationen wie jetzt am Latok III?

Ich bin ja schon lange Familienvater, deshalb kann ich nicht sagen, dass es eine bremsende Wirkung hat. Ich kenne diese Situation seit 16 Jahren. Am Berg ist die Familie nicht mehr präsent, wenn es läuft. Sie ist erst dann wieder präsent, wenn die Gefahr unmittelbar vor dir liegt. Ich glaube definitiv, dass du dann durch die Kinder eher lebensbejahend unterwegs bist, statt einfach zu sagen: „Geht schon! Es wird schon nichts passieren.“ Ich denke, ich sage schon früher Nein. Wenn dann so etwas passiert wie am Latok III, kann ich das hinterher sehr rational bewerten. So ein Serac kann eben zusammenbrechen. Immer wenn du in die Berge gehst oder egal, wohin sonst, ist das Leben an sich schon lebensbedrohlich. Wenn man sich der Gefahr aber wirklich bewusst ist, glaube ich, kann man auch in einer Extremsituation sicher unterwegs sein.

Das komplette Team

Das komplette Team

Im vergangenen Jahr habt ihr eure Latok I-Expedition kurz vor dem Abflug abgeblasen – wegen der unsicheren Lage in Pakistan. Wie habt ihr das Land diesmal erlebt?

Ich habe Pakistan sehr schön erlebt, in Anführungszeichen komplett unspektakulär. Klar, man muss sich an die bewaffneten Polizisten gewöhnen, an jeder Ecke steht jemand mit einer Kalaschnikow. Aber wir waren immer sicher unterwegs, auch wenn wir zweimal über den Karakorum-Highway gefahren sind. Ich kann eigentlich nur jedem, der eine gute Reiseagentur hat, raten: Fahrt nach Pakistan! Es ist ein unglaublich schönes Reiseland, speziell im Karakorum, für mich eines der schönsten Länder der Welt. Leider wird Pakistan oft zu Unrecht von den Medien als Terrorland bezeichnet. Terror gibt es mittlerweile überall auf der Welt. Man muss sich richtig verhalten, den richtigen Ort und Weg wählen. Dann kann man auch in Pakistan sehr sicher unterwegs sein.

Ohne mulmiges Gefühl?

Diesmal nicht. Und ich bin mir sicher, dass ich es auch beim nächsten Mal nicht haben werde. Ich glaube, das pakistanische Militär macht sehr gute Arbeit und hat die Lage relativ gut im Griff.

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Huberbuam wollen Nordwand des Latok I meistern https://blogs.dw.com/abenteuersport/huberbuam-wollen-nordwand-des-latok-i-meistern/ Tue, 23 Jun 2015 15:21:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30005 Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Thomas und Alexander Huber, Dani Arnold, ihr pakistanischer Begleiter Rasool, Mario Walder, Seppi Dabringer (v.r.)

Und ewig lockt der Latok I. An kaum einem anderen Siebentausender haben sich so viele Topkletterer die Zähne ausgebissen wie an dem 7145 Meter hohen Granitriesen im Karakorum. Die Erstbesteigung des höchsten der vier Latok-Gipfel liegt 36 Jahre zurück. Sie gelang am 19. Juli 1979 den Japanern Tsuneo Shigehiro, Sin’e Matsumi und Yu Watanabe. Sie waren von Süden aus über einen Pfeiler zum Ostgrat und von dort zum höchsten Punkt gestiegen. Berühmter, weil berüchtigter sind der noch unbezwungene Nordgrat – und die ebenfalls noch nicht durchstiegene Nordwand. An der versuchen sich in diesem Sommer die „Huberbuam“, Alexander und Thomas Huber.

Nur aufgeschoben

Schon im vergangenen Jahr hatten die Extrembergsteiger-Brüder aus Deutschland die Nordwand angehen wollen. „Das Projekt ist bereits relativ oft von richtig guten Alpinisten versucht worden. Bisher hat sich die Wand vehement gewehrt“, sagte mir damals Alexander. „Wir brauchen jede Menge Glück, um dort Erfolg zu haben. Aber meine Güte, wenn man es nicht versucht, dann kann man es nicht schaffen.“ Kurz vor der geplanten Abreise bliesen die beiden Bergsteiger wegen der unsicheren Lage in Pakistan die Expedition jedoch ab. Nicht aufgehoben, nur aufgeschoben.

Starkes Team

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Heute brach das Team der Huberbuam aus der Stadt Skardu in Baltistan auf, Richtung Latok I, wo sie am Mittwoch oder Donnerstag eintreffen dürften. Zur Mannschaft gehören der österreichische Kameramann Seppi Dabringer sowie der 37 Jahre alte Mario Walder aus Österreich und der 31 Jahre alte Dani Arnold aus der Schweiz. Mario war schon mehrfach mit den Huber-Brüdern unterwegs. So gelang es dem Kletterer aus Osttirol mit Thomas und Alex 2009, die legendäre Route „Eternal Flame“ am 6251 Meter hohen Nameless Tower im Karakorum erstmals Rotpunkt, also sturzfrei in einem Zug frei zu klettern. Dani sorgte zuletzt vor allem mit seinen Speed-Kletterrekorden für Aufsehen. Mit Thomas Huber (sowie Stephan Siegrist und Matias Villavicencio) schaffte er 2013 die erst dritte Winterbegehung des legendären, 3128 Meter hohen Cerro Torre in Patagonien.  Ein starkes Team also, das sich die Nordwand des Latok I vorgenommen hat.

Nächster Coup am Choktoi-Gletscher?

Der 48 Jahre alte Thomas und der 46 Jahre alte Alexander Huber haben in ihrer langen Karriere bereits mehrfach ihre Zelte auf dem Choktoi-Gletscher im Norden Pakistans aufgeschlagen. So gelang es den Brüdern 1997 (außerdem im Team: Landsmann Toni Gutsch und der US-Amerikaner Conrad Anker) erstmals, die über 2000 Meter hohe Westwand des Latok II zu durchsteigen – ein Meilenstein im Big-Wall-Klettern.  2001 schaffte Thomas (mit den Schweizern Urs Stöcker und Iwan Wolf) die zweite Besteigung des extrem schwierigen 7285 Meter hohen Ogre, eines Nachbarberges der Latoks. Seit der Erstbesteigung durch die Briten Chris Bonington und Doug Scott 1977 waren bis dahin alle Ogre-Expeditionen gescheitert. Vielleicht gelingt den Huberbuam ja jetzt ihr nächster Coup in der Gegend – in der Nordwand des Latok I.

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Huberbuam zur Nordwand des Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/interview-alexander-huber/ Wed, 02 Apr 2014 07:53:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=25662 Alexander Huber

Alexander Huber

Leverkusen ist ein Vorort von Köln. Das empfinden nicht nur viele Kölner so (mich eingeschlossen, wobei ich entschuldigt bin, weil jener Geburts(vor)ort gleichzeitig mein einziger Geburtsfehler ist), sondern offenbar auch Alexander Huber. Als ich den Extrembergsteiger vor seinem Vortrag in Leverkusen treffe und frage, ob er mit der bergfreien Umgebung und der dicken Luft auf 50 Meter Meereshöhe klar komme, antwortet er, dass ihm Köln wohlbekannt sei und er immer wieder gerne dort zu Gast sei. Alexander ist mit 45 Jahren der jüngere der beiden Huberbuam. Der Diplomphysiker war 2013 im Gegensatz zu seinem 47 Jahre alten Bruder Thomas nicht auf Expedition. Stattdessen sorgte sein Buch „Die Angst, dein bester Freund“ für Aufsehen, in dem sich Alexander Huber offener als wohl alle Bergsteiger zuvor zu seinen Ängsten bekennt. Bei unserem Gespräch im „Kölner Vorort“ verrät er, dass die Huberbuam bald wieder gemeinsam losziehen werden.

Alexander, wann erleben wir dich mal wieder auf Expedition?

Die nächste Expedition steht bald an. Mitte Juni geht es in den Karakorum. Schauen wir mal, was passieren wird.

Lässt du die Katze aus dem Sack?

Wir gehen zur Nordwand des Latok I (mit 7145 Metern der höchste Gipfel der Latok-Gruppe). Das Projekt ist bereits relativ oft von richtig guten Alpinisten versucht worden. Bisher hat sich die Wand vehement gewehrt. Wir brauchen jede Menge Glück, um dort Erfolg zu haben. Aber meine Güte, wenn man es nicht versucht, dann kann man es nicht schaffen.

Alexander Huber über das Projekt Latok 1

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Latok-Gruppe und Ogre (r.)

Habt ihr noch weitere Bergsteiger im Team?

Mit dabei sind noch der Osttiroler Mario Walder und der Schweizer Dani Arnold, der bekannt ist für seine technische und konditionelle Stärke. Genau das braucht man auch, ein starkes Team, das gut zusammenpasst.

Du hast ja gewissermaßen ein Sabbatjahr eingelegt, fühlst du dich topfit?

Wie kommst du darauf, dass ich ein Sabbatjahr hatte?

Weil du seit 2012 auf Baffin Island nicht mehr auf Expedition warst, oder täusche ich mich da?

Letztes Jahr hatten wir eigentlich das Ziel, eine neue Route am Freney-Pfeiler (am Mont Blanc) frei zu klettern. Dann ist Thomas relativ kurzfristig nach Patagonien abgereist, und ich habe dann tatsächlich so etwas wie ein Partnerproblem gehabt. Ich habe einfach keinen Partner gefunden, der stark genug war, um dieses Projekt zu Ende zu bringen. Man braucht halt zum richtigen Zeitpunkt nicht nur die richtige Form, sondern auch die richtigen Leute, weil man, wenn man nicht gerade free solo klettert, in Seilschaft unterwegs ist.

Apropos, du bist ja inzwischen auch Familienvater, hast drei kleine Kinder. Bedeutet dies das Ende deiner Free-Solo-Projekte?

Das kann ich nicht sicher sagen. Was ich in Zukunft mache, hängt wenig von der Tatsache ab, dass ich eine Familie habe. Ich weiß nicht, ob ich nicht doch noch einmal ein Free-Solo-Projekt realisiere. Was ich weiß, ist, dass wir jetzt unser Nordwand-Projekt am Siebentausender Latok I  im Karakorum angehen. Mal schauen, was dabei herauskommt. Was danach folgt, hängt davon ab, wie es uns dort ergehen wird.

Der Karakorum liegt in Pakistan. Verspürt ihr angesichts der politischen Lage ein Bauchgrummeln, wenn ihr daran denkt, dorthin zu fahren?

Es ist natürlich schon so, dass die politische Lage alles andere als lustig ist und für uns auch ein Problem darstellt. Man ist schon bei der Anreise sehr eingeschränkt. Man kann sich gar nicht mehr offen zeigen, weil Touristen durchaus die Zielscheibe der Taliban sind. Das einzige Gebiet, in dem wir uns sicher fühlen, ist Baltistan selbst. Wenn wir in Skardu gelandet sind, befinden wir uns in einem reinen Schiiten-Gebiet. Die Baltis sind Schiiten, die Hunzas Ismaeliten, sie haben mit den Taliban herzlich wenig gemein. Deshalb ist es ein Taliban-sicheres Gebiet, während es zum Beispiel der Nanga Parbat gar nicht ist.

Alexander Huber über die Lage in Pakistan

Alexander am Mount Asgard auf Baffin Island

Alexander am Mount Asgard auf Baffin Island

Wenn man dich im vergangenen halben Jahr gegoogelt hat, beschlich einen das Gefühl, du seist zum Angst-Experten geworden. Hast du mit deinem Buch über Angst ein Tabu gebrochen, indem du dich als Bergsteiger so intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hast?

Das ist meine eigene Erfahrung, die ich in meinem Leben mit Angst gemacht habe. Und eben nicht nur am Berg, wo die Angst sowieso mein bester Freund ist, weil sie mein Überleben sichert, sondern auch im alltäglichen Leben. Ich habe eine Angsterkrankung so weit durchlebt, dass ich aus meiner Sicht behandlungsbedürftig war. Und ich bin mir selbst dankbar, dass ich irgendwann den Schritt gemacht habe, aktiv Hilfe zu suchen. Das war tatsächlich der Weg zur Besserung. Wenn du vor der Angst davonläufst, wird sie zu deinem größten Feind. Wenn man sich dagegen der Angst stellt, kann man sie sich zum Freund machen. Das hat mich dazu gebracht, dem Buch den entsprechenden Titel zu geben. So gesehen ist „Die Angst, dein bester Freund“ als Titel keine Provokation, sondern absolut ernst gemeint.

Alexander Huber über Angst

Hast du auch Reaktionen aus der Bergsteiger-Szene bekommen? Bergsteiger treten ja oft auf, als wollten sie sagen: Wir sind verwegene Gesellen, wir haben keine Angst.

Das ist grundverkehrt. Der Bergsteiger muss natürlich Angst haben. Wenn er keine Angst hat, wird er nicht mehr lange am Berg unterwegs sein.

Aber er bekennt sich in der Regel nicht dazu.

Das ist sicher ein Tenor meines Buchs, der einiges in der Szene verändert hat. Aber sonst ist von dort wenig Rückmeldung gekommen, viel mehr dagegen aus dem normalen Lebensbereich. Viele Menschen, die zu meinen Vorträgen kommen, sagen mir, dass mein Buch ihnen nicht nur Hoffnung gibt, sondern auch ein guter Wegweiser im Leben sein kann.

Du bist jetzt 45 Jahre alt. Da geraten viele Männer in die Midlife-Crisis. Hat man das als Extrembergsteiger nicht?

Als Sportler befasst man sich schon wesentlich früher mit der Midlife-Crisis, weil die körperliche Kraft schon viel früher nachlässt als mit 45. Mir ist ja ohnehin klar, dass ich nicht weiter Bergsteiger auf Weltspitzenniveau sein kann. Es mag sein, dass mir noch einige besondere Aktionen gelingen, aber nicht auf Grund der schieren Kraft, die ich habe – das liegt schon weit in der Vergangenheit – , sondern durch ein gewisses taktisches Gefühl, durch Erfahrung, durch mentale Kraft, die sehr wichtig ist. Mei, es mag sein, dass mir noch das eine oder andere gelingt, aber es ist ja auch kein Muss.

Alexander Huber über Midlife-Crisis

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