Messner – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Auer: „Kein großes Sicherheitspolster“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/auer-kein-grosses-sicherheitspolster/ Wed, 19 Oct 2016 15:18:18 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=34009 Hansjörg Auer

Hansjörg Auer

„Das Können ist des Dürfens Maß“, hat der Freikletter-Pionier Paul Preuss (1886-1913) vor mehr als hundert Jahren formuliert. Hansjörg Auer kann sehr viel und ist deshalb ein verdienter Träger des Paul-Preuss-Preises, mit dem seit einigen Jahren Spitzenkletterer in der Tradition des Österreichers geehrt werden. „Auer gehört zweifellos zu den derzeit besten Kletterern der Welt“, sagte Reinhold Messner am vergangenen Wochenende bei der Preisverleihung im Rahmen des International Mountain Summit (IMS) in Brixen in Südtirol. Inzwischen ist Hansjörg Auer aus dem heimatlichen Ötztal zu einem neuen Abenteuer aufgebrochen. Der Österreicher will zusammen mit seinem Landsmann Alex Blümel im äußersten Osten Nepals eine Nordwand erstmals durchklettern, am knapp 7000 Meter hohen Ostgipfel des Gimigela Chuli. Der Berg, dessen Hauptgipfel 7350 Meter misst, liegt versteckt hinter dem Achttausender Kangchendzönga, dem dritthöchsten Berg der Erde.

Hansjörg, kalkulierst du auch diesmal das Scheitern ein?

Natürlich. Wenn du bei einer Expedition abseits der ausgetretenen Pfade gehst, können so viele Dinge nicht funktionieren. Aber deswegen macht es auch so viel Spaß, weil man den Expeditionsbericht nicht schon zu Beginn schreiben kann.

Aber man kann auch Überraschungen negativer Art erleben – wie bei eurer letzten Expedition zur Annapurna III, wo ihr fünf Wochen lang im schlechten Wetter mehr oder weniger herumgesessen habt.

Trotzdem sind wir nicht mit leeren Händen zurückgekehrt. Wir haben sehr viele Informationen über das Projekt gesammelt und wollen auch wieder zurückkommen. Beim nächsten Mal werden wir viele Dinge anders und besser machen. Vielleicht gibt es dann einen Erfolg. Oft muss man sich herantasten, um offene Fragen beantworten zu können. Bei schwierigen Projekten kann das mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Wenn ich auf einen häufig bestiegenen Berg gehe, brauche ich dafür nur zu googeln.

Masherbrum (in der Bildmitte)

Masherbrum (in der Bildmitte)

Eines der großen noch ungelösten Probleme im Himalaya und Karakorum ist die Nordostwand des Masherbrum (7821 Meter) in Pakistan. Ihr – David Lama, Peter Ortner und du – wart 2014 dort, seid aber nicht viel weiter als bis zum Wandfuß gekommen. Hast du auch dieses Projekt noch im Hinterkopf oder konzentrierst du dich auf machbarere Aufgaben?

Wenn man ständig auf Expeditionen geht, kann man nicht immer nur sehr, sehr schwierige Projekte probieren. Man muss manchmal auch Projekte wählen, die machbarer sind, um sich durch einen Erfolg bestätigt fühlen zu können. Wenn du Jahr für Jahr irgendwohin gehst, wo die Chancen sehr gering sind, zermürbt es dich auf die Dauer. Aber das Masherbrum-Projekt lebt noch. Immer wenn wir uns treffen, reden wir darüber. Der Zeitpunkt ist noch offen. Für mich ist aber klar, dass die Wand auf der gedachten direkten Linie nicht kletterbar ist. Wir werden einen Kompromiss eingehen müssen. Der Masherbrum ist einfach saugefährlich. Den kannst du nicht jedes Jahr probieren, sonst kommst du irgendwann nicht mehr zurück.

In der Südwand des Nilgiri South

In der Südwand des Nilgiri South

Ungefähr vor einem Jahr hast du mit Alex Blümel und Gerhard, genannt „Gerry“ Fiegl erstmals die Südwand des Nilgiri South (6839 Meter) in Nepal durchstiegen. Gerry wurde höhenkrank und stürzte beim Abstieg vom Gipfel in den Tod. Verbuchst du diese Expedition unter gescheitert?

Natürlich ist es keine erfolgreiche Expedition, denn dazu gehört, dass alle Kletterer, die aufgebrochen sind, auch wieder zurückkommen. Wir können diesen Unfall nicht ungeschehen machen. Es war einer der traurigsten Momente meiner ganzen Karriere. Wenn ein Freund, mit dem du zu klettern begonnen hast, vor deinen Augen abstürzt, ist das schrecklich. Aber auch schon vorher am Gipfel konnten wir uns nicht freuen, weil wir merkten, dass irgendetwas mit Gerry nicht stimmte. Wir mussten den Gipfel überschreiten, weil der Abstieg über die Aufstiegsroute viel zu schwierig gewesen wäre. Wir hatten gehofft, dass bei Gerry durch die Euphorie des Gipfelerfolgs vielleicht noch eine Wende eintreten könnte. Wir kamen auch noch relativ weit herunter. Aber schlussendlich war das Unglück nicht zu vermeiden. Die schwierigen Klettereien in der Höhe leben von der Reduktion, sonst wären sie nicht möglich: Reduktion des Materials, des Rucksackgewichts – und auch der Sicherheit. Da gibt es einfach kein großes Sicherheitspolster mehr.

Während der Erstbesteigung des 7000ers Kunyang Chhish East in Pakistan

Während der Erstbesteigung des 7000ers Kunyang Chhish East in Pakistan

Die Öffentlichkeit vergisst solche Unglücksfälle schnell. Aber ihr müsst damit leben. Kann man ein solches Ereignis überhaupt verarbeiten?

Ich glaube, dass du das ein Leben lang nicht vergessen kannst. Es prägt natürlich. Gerry wird auch in zehn Jahren noch fehlen. Es kommen so häufig Erinnerungen an ihn auf, weil wir halt oft zusammen unterwegs waren. Dass die Öffentlichkeit es vergisst, ist ganz normal. Aber wir wollen es ja auch nicht vergessen. Man muss es in gewisser Weise akzeptieren. Uns wurde jemand geschenkt, mit dem wir sehr viel unternehmen durften. Wir hätten es uns länger gewünscht, aber vielleicht war es so vorbestimmt.

Hat dich das Unglück vorsichtiger gemacht?

Es war natürlich ein einschneidendes Erlebnis. Es hat mich zwar zum Nachdenken gebracht, aber meine Grundpersönlichkeit nicht so extrem beeinflusst, dass ich sagen würde: Ich höre damit auf. Das Klettern ist schließlich mein Leben. Natürlich war es nicht leicht, im Frühjahr wieder auf Expedition zur Annapurna III zu gehen. Die Momente sind die gleichen: der Flughafen in Kathmandu, das Hotel, das Basislager. Der Berg ist auch nicht weit entfernt vom Nilgiri South. Und dann sind wir an der Annapurna III auch noch auf den Tag genau ein halbes Jahr nach Gerrys Absturz zum Anstieg gestartet. Diese Erinnerungen kannst du einfach nicht auslöschen.

Free Solo in der Marmolada-Südwand

Free Solo in der Marmolada-Südwand

Du bewegst dich beim Extremklettern auf sehr schmalem Grat. Beim Free Solo (Hansjörg sorgte u.a. 2007 in den Dolomiten mit der ersten seilfreien Solo-Begehung der Route „Weg durch den Fisch“ in der Marmolada-Südwand für einen Paukenschlag) bedeutet jeder Fehler fast zwangsläufig den Tod. Spürst du, wie weit genau du gehen kannst?

Ich habe schon sehr früh begonnen, solo zu klettern. Das habe ich gut im Gefühl. Und nur dann mache ich es auch. In der Höhe ist es ungemein schwieriger, weil Faktoren eintreffen können, die man so nicht vermutet. Wenn man es nicht selbst erlebt hat, ist es zum Beispiel schwer vorstellbar, wie schnell es mit der Höhenkrankheit gehen kann. Dort oben darf man den Ehrgeiz, den man grundsätzlich hat, nicht zu exzessiv ausleben, denn das kann tödlich sein. Man muss noch ehrlicher zu sich selbst sein als in den Dolomiten oder an anderen Bergen der Alpen.

Das heißt, du musst lernen, auch einmal auf die Bremse zu treten?

Man muss wissen, wann es genug ist. Natürlich kann ich nicht beim ersten Zeichen umdrehen, sonst würde ich niemals weit kommen. Man muss eben das Gefühl haben, wann es das letzte Zeichen gewesen ist.

In der Höhe den Ehrgeiz zügeln

In der Höhe den Ehrgeiz zügeln

Die Projekte entstehen in deinem Kopf, du planst sie lange Zeit, du konzentrierst dich darauf. Hast du dann noch Augen und Sinne genug, auf deinen Expeditionen Land und Leute wahrzunehmen, und zu genießen, dass du in einer fremden Welt unterwegs bist?

Ehrlich gesagt, meistens nicht. Man ist dann so fokussiert auf das Projekt, dass wenig Zeit bleibt. Aber ich habe damit begonnen, jedes Jahr im Dezember für ein Wochenende ohne Kletterausrüstung in irgendeine Stadt in Europa zu fahren und sie mir anzusehen. Für mich ist das schon ein großer Schritt. Nicht immer nur Berge, Wände, Schatten, Eis, Schnee und Felsen.
Wenn man jahrelang in diesem Profigeschäft unterwegs ist, muss man aufpassen, dass man nicht den Boden unter den Füßen verliert. Man beschäftigt sich so intensiv mit seinen Projekten, dass man irgendwann glaubt, sie wären lebensnotwendig. Dann kehrst du von einer Expedition zurück und hast das Gefühl, jeder müsste sich dafür interessieren. Natürlich sind Abenteuergeschichten immer interessant, aber man muss doch am Boden bleiben und wissen: Es gibt auch andere wichtige Dinge.

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Kuriki dreht am Everest um https://blogs.dw.com/abenteuersport/kuriki-dreht-am-everest-um/ Sun, 27 Sep 2015 12:44:43 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30671 Nobukazu Kuriki

Nobukazu Kuriki

Es wäre ein echter Paukenschlag gewesen. Und die Schlagzeile war sicher schon vorbereitet: „Historischer Everest-Aufstieg mit nur einem kompletten Finger“. Doch diese Schlagzeile verschwindet zunächst einmal wieder in der Schublade. Nobukazu Kuriki hat seinen ersten Gipfelversuch am Mount Everest abgebrochen. „Ich habe alle meine Kraft zusammengenommen, aber es dauerte einfach zu lange, mich durch den tiefen Schnee hindurch zu wühlen“, twitterte der 33-Jährige. „Mir wurde klar, dass ich nicht lebend zurückkehren würde, wenn ich weitermachte. Deshalb beschloss ich abzusteigen.“ Welche Höhe er genau erreichte, ist noch unklar. Nach Angaben seines GPS-Signalgebers stieg er nicht bis zum Südsattel auf. Sein, wie er schrieb, „letztes Lager“ hatte Kuriki auf 7700 Metern aufgeschlagen, also etwa auf Höhe des Genfer Sporns aufgeschlagen, 200 Meter unterhalb des Südsattels. Von dort wäre es noch eine echte Marathonetappe bis auf den 8850 Meter hohen Gipfel gewesen – zumal der Japaner oberhalb von Lager 2 allein aufstieg, auf Flaschensauerstoff verzichtete und die Route weder gespurt noch gesichert war.

Solo ab 6400 Metern

Südseite des Mount Everest

Südseite des Mount Everest

Streng genommen wäre es dennoch kein Everest-Alleingang gewesen, da Kuriki auf einer von den „Icefall Doctors“ präparierten Route durch den Khumbu-Eisbruch stieg und erst ab einer Höhe von etwa 6400 Metern seine Begleiter zurückließ. Doch wann überhaupt ist schon einmal ein Kletterer wirklich allein am Everest unterwegs, und dann auch noch auf der Normalroute? Insofern kam Kurikis Versuch einem Solo schon recht nahe. Den bisher einzigen reinen Alleingang am Everest ohne Flaschensauerstoff darf nach wie vor Reinhold Messner für sich beanspruchen. Der Südtiroler bestieg im August 1980 mitten im Monsun, also außerhalb der Klettersaison, solo und auf einer neuen Route über die Nordseite den höchsten Berg der Erde.

Nur noch ein kompletter Finger

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Kuriki nach seinem gescheiterten Versuch 2012

Es war bereits Kurikis fünfter Versuch, den Mount Everest im Herbst zu besteigen. Im Oktober 2012 hatte der Japaner weltweit für Schlagzeilen gesorgt, als er über den selten begangenen Westgrat aufgestiegen war. Der damals 30-Jährige musste wegen Sturms nach eigenen Angaben auf etwa 8000 Meter Höhe umkehren. Beim Abstieg sandte Kuriki einen Notruf. Sherpas stiegen ihm entgegen, der Japaner wurde von Lager 2 auf 6400 Metern mit einem Rettungshubschrauber ausgeflogen. Kuriki bezahlte sein Abenteuer mit schweren Erfrierungen. Neun Finger mussten fast auf ganzer Länge amputiert werden, ihm blieben nur Stummel – und lediglich ein kompletter Finger.

Noch ein Versuch?

Wagt Kuriki jetzt noch einen weiteren Versuch? Zeit hätte er noch. Doch es stellt sich die Frage, ob er sich für einen zweiten Anlauf ausreichend erholen und noch einmal die nötige Spannung und Konzentration aufbauen kann. Die letzte Besteigung im Herbst ohne Flaschensauerstoff liegt schon 22 Jahre zurück.  Sie gelang am 9. Oktober 1993 dem Franzosen Hubert Giot. Der erste, der im Nach-Monsun ohne Atemmaske den Gipfel des Everest erreichte, war übrigens ein Deutscher: Hans Engl, am 14. Oktober 1978.

Update 28. September: Kuriki will es angeblich erneut versuchen. „Er wird ein paar Tage im Basislager bleiben und am 1. Oktober wieder Richtung Gipfel aufbrechen“, sagte Tikaram Gurung, Geschäftsführer des nepalesischen Expeditionsveranstalters Bochi-Bochi Trek, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Er ist in guter körperlicher Verfassung und sehr erfahren. Er hatte während des Aufstiegs keine nennenswerten Probleme.“ Bochi-Bochi Trek organisiert die Expedition Kurikis.

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Vor 150 Jahren: Triumph und Tragödie am Matterhorn https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-150-jahren-triumph-und-tragoedie-am-matterhorn/ Tue, 07 Jul 2015 06:00:38 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=30115 Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Normalroute über den Hörnligrat (© Photopress/Mammut/Robert Boesch)

Die Uhr läuft ab. Noch eine Woche, dann springt die Countdown-Uhr auf dem Bahnhofplatz in Zermatt auf Null. Am 14. Juli vor genau 150 Jahren wurde das Matterhorn erstmals bestiegen. Kein anderer Berg der Schweiz verkörpert das Land so wie dieser formschöne Viertausender. Und das liegt nicht nur an einer weltweit vertriebenen Schokoladen-Marke, deren Riegel dem Matterhorn nachempfunden sind. Alljährlich versuchen 2500 bis 3000 Bergsteiger, den 4478 Meter hohen Gipfel zu erreichen – der überwiegende Teil von ihnen über den Hörnligrat, die Normalroute, auf der auch die Erstbesteiger um den Engländer Edward Whymper aufstiegen. Die Hörnlihütte auf 3260 Metern, von der aus die meisten starten, ist mit großem Aufwand umgebaut und modernisiert worden. Rechtzeitig zum Matterhorn-Jubiläum wurde sie fertig. Am Festtag selbst soll der Berg seine Ruhe haben. Das Matterhorn wird für Aufstiege gesperrt. Damit soll jener Menschen gedacht werden, die dort ums Leben kamen.

Im neunten Versuch

Edward Whymper (1910)

Edward Whymper (1910)

Mehr als 500 Bergsteiger bezahlten bisher das Abenteuer Matterhorn mit ihrem Leben. Darunter waren auch vier der sieben Erstbesteiger. Es war d i e Bergtragödie des 19. Jahrhunderts. Auf der Rangliste der Bergprojekte in den 1860er Jahren stand die Erstbesteigung des Matterhorns ganz oben, vergleichbar mit jener des Mount Everest im 20. Jahrhundert. Jedem Bergsteiger war klar: Wem es gelingen würde, den Prestigeberg als Erster zu besteigen, würde nicht nur Alpingeschichte schreiben, sondern Weltruhm ernten. Das Projekt entwickelte sich zu einem Wettlauf zwischen dem Briten Edward Whymper und dem Italiener Jean-Antoine Carrel. Beide scheiterten zunächst je achtmal bei Versuchen am Matterhorn, teilweise gemeinsam.

Schnellere Route

Triumph ...

Triumph …

In jener Juli-Woche 1865 stieg Carrel von Italien aus über den Liongrat auf. Diesen Weg hatte bis dahin auch stets Whymper gewählt. Als er erfuhr, dass sich Carrel zum möglicherweise entscheidenden Gipfelvorstoß aufgemacht hatte, ließ er sich auf den Vorschlag des Zermatter Bergführers Peter Taugwalder Senior ein, der den Hörnligrat für machbar hielt. Zur Seilschaft gehörten neben Whymper und Taugwalder  noch dessen Sohn Peter Junior, der französische Bergführer Michel Croz sowie die Briten Lord Francis Douglas, Charles Hudson und Robert Hadow. Taugwalders Route über den Hörnligrat erwies sich als schneller. Um 13.40 Uhr erreichte Whymper als Erster den begehrten Gipfel. Als Carrel rund 400 Meter tiefer die Seilschaft des Briten am höchsten Punkt sah, machte er enttäuscht kehrt.

Ein Opfer bis heute vermisst

... und Tragödie

… und Tragödie

Beim Abstieg der erfolgreichen Seilschaft dann die Tragödie: Hadow rutschte ab und zog Douglas, Hudson und Croz mit sich. Taugwalder Senior schlang geistesgegenwärtig das Seil um einen Felsen. Vergeblich. „Das Seil riss, als wäre es ein Stück Schnur, und die vier jungen Männer waren nicht mehr sichtbar. Es war alles so schnell wie ein Blitzleuchten“, schrieb Taugwalder Junior später. Die vier Unglücklichen stürzten die Nordwand hinab in den Tod. Drei Leichen wurden geborgen. Lord Francis blieb bis heute verschollen – und mit ihm das eine gerissene Seilende. Das andere kann heute im Matterhorn-Museum von Zermatt bestaunt werden. Im kommenden Herbst soll erneut am Fuße der Matterhorn-Nordwand nach Douglas gesucht werden.

Übel nachgetreten

Die drei Überlebenden – Whymper und die beiden Taugwalders – mussten sich heftiger Kritik erwehren. Whymper warf Vater Taugwalder später vor, mit Absicht das dünnere Seil zwischen sich und den anderen zum Sichern verwendet zu haben. Die Bergführer-Karriere Taugwalders verebbte daraufhin, weil er keine auswärtigen Kunden mehr fand. „Whymper hatte keinen Respekt vor den Bergführern“, sagte Bergsteiger-Legende Reinhold Messner der Neuen Zürcher Zeitung. „Kein einziges Mal hat er Taugwalder dafür gedankt, dass ihm dieser das Leben gerettet hatte, indem er im Moment des Sturzes das Seil um einen Felsen schlang und den Stand behielt.“

Carrels Tod am Matterhorn

Jean-Antoine Carrel gelang am 17. Juli, also nur drei Tage nach Whympers Gipfelerfolg, über den Liongrat die zweite Besteigung des Matterhorns. Der Wettlauf um die Erstbesteigung des Bergs entzweite Whymper und Carrel nicht. Beide gingen später sogar in Südamerika gemeinsam auf Expedition. Dabei gelang ihnen 1880 unter anderem die Erstbesteigung des 6267 Meter hohen Chimborazo in Ecuador. Carrels Leben endete 1890 am Matterhorn. Nach einem Wettersturz gelang es ihm noch, seine Gefährten durch tiefen Schnee in Sicherheit zu bringen, ehe er selbst an Erschöpfung starb.

P.S. Zum Matterhorn-Jubiläum könnt ihr hier im Blog in den nächsten Tagen drei Interviews lesen, bei denen jeweils die erste und letzte Frage identisch ist. Das Matterhorn aus drei Perspektiven: der eines Bergführers, eines Bergretters und eines Extrembergsteigers. Neugierig geworden? Dann schaut doch rein.

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Rettungsaktion am Everest abgeschlossen https://blogs.dw.com/abenteuersport/rettungsaktion-am-everest-abgeschlossen/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/rettungsaktion-am-everest-abgeschlossen/#comments Tue, 28 Apr 2015 08:21:31 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=29239 Piloten im Dauereinsatz

Piloten im Dauereinsatz

Alle Bergsteiger aus den Hochlagern am Mount Everest sind in Sicherheit. Am Morgen wurden auch die letzten 17 Bergsteiger, neun Sherpas und acht Ausländer, mit dem Hubschrauber aus Lager 1 auf 6100 Metern ins Tal geflogen. Ein Sprecher des nepalesischen Tourismusministerium sagte, insgesamt seien mehr als 200 Bergsteiger am Everest gerettet worden. Es war die bisher umfangreichste Rettungsaktion in der Geschichte des Höhenbergsteigers. Der Vertreter des Ministeriums bezifferte die Zahl der Toten am höchsten Berg der Erde auf mindestens 19 und sprach von zwei Lawinen. Damit dürften die verheerende vom Samstag gemeint sein, die vom Pumori abgegangen und das Everest-Basislager verwüstet hatte, und wahrscheinlich eine weitere am Sonntag nach einem Nachbeben. Dem Vernehmen nach waren am Tag nach dem Hauptbeben Tag drei Sherpas im Khumbu-Eisbruch ums Leben gekommen.

Messner spricht von Zwei-Klassen-Rettung

Reinhold Messner

Reinhold Messner

Für Diskussionen hat Bergsteiger-Legende Reinhold Messner gesorgt. Der  70 Jahre alte Südtiroler sieht eine Zwei-Klassen-Rettung in Nepal. „Es ist zynisch, dass man um die Bergsteiger am Mount Everest, die sich für 80.000 bis 100.000 Dollar diese Besteigung kaufen können, einen solchen Hype macht“, sagte Messner in einem Radiointerview. Am Mount Everest gebe es genügend Ärzte und Essen. Außerdem könne man die Betroffenen mit dem Hubschrauber ausfliegen. Andernorts werde die Hilfe dringender benötigt: „Im Kathmandutal und in den Schluchten drum herum ist eine viel größere Katastrophe passiert.“

Das stimmt natürlich, doch im Gegensatz zu diesem Gebiet hat sich die Hubschrauberrettung am Everest seit mehreren Jahren etabliert. Die Rettungsmaschine dort läuft einfach wie geschmiert. In Sicherheit gebracht wurden außerdem nicht nur reiche Geldsäcke, sondern auch wenig betuchte Sherpas – außerdem zahlreiche Verletzte. Jede Rettung eines Menschen, egal ob er einen dicken oder schmalen Geldbeutel hat, ist eine gute Nachricht. Und ich bin mir sicher, dass die Hubschrauber-Rettungspiloten jetzt auch in andere Regionen weiterfliegen, um dort zu helfen. Mein Dank und Respekt gilt allen Piloten, die unermüdlich im Einsatz waren – und auch allen anderen, die bei der Rettung mit angepackt haben.

Amical bricht Expeditionen in Tibet ab

Everest-Nordseite

Everest-Nordseite

Im Basislager auf der chinesischen Nordseite gehen die Diskussionen zwischen chinesischen Behördenvertretern und Expeditionenleitern weiter. Im Raum steht ein Ende aller Expeditionen. Die chinesische Regierung fürchtet weitere Nachbeben. Der Expeditionsveranstalter Amical alpin hat nach Angaben seines Büros in Deutschland die Everest-Expedition in Tibet abgebrochen. Expeditionsleiter Dominik Müller wolle vorerst noch im Basislager bleiben und dann die Sherpas seines Teams zurück nach Kathmandu begleiten. Amical erklärte auch seine Expedition am Achttausender Cho Oyu unter Hinweis auf eine entsprechende Anordnung der chinesischen Regierung für beendet.

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Lhotse-Südwand: Ehrenvoll gescheitert https://blogs.dw.com/abenteuersport/lhotse-suedwand-ehrenvoll-gescheitert/ Wed, 19 Nov 2014 15:49:12 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=27789 Geplante Route der Koreaner

Geplante Route der Koreaner

Scheitern gehört zum Bergsteigen dazu. Wer noch nie erfolglos von einem Berg zurückgekehrt ist, hat entweder die Latte zu niedrig gelegt, geflunkert oder einfach nur verdammt viel Glück gehabt. Eine Beinahe-Garantie zu scheitern, bietet die Südwand des 8516 Meter hohen Lhotse in Nepal. Dutzende von Expeditionen blieben dort erfolglos. In diesem Herbst haben sich Bergsteiger aus Südkorea die Zähne an der Wand ausgebissen. Dennoch können sie erhobenen Kopfes zurückkehren. Sie haben wirklich alles versucht.

Hartnäckig

Sung Taek Hong

Sung Taek Hong

Geleitet wurde die Expedition von Sung Taek Hong. Der 48-Jährige hat bereits die drei Pole erreicht: 2005 den Nordpol, 1994 und 1997 den Südpol sowie im Herbst 1995 den „dritten Pol“, den Mount Everest, von der tibetischen Nordseite aus. Der Mann kennt sich also mit Kälte aus. Im November 2013 scheiterte Sung mit dem Versuch, den Achttausender Lhotse im Alleingang über die Normalroute zu besteigen. Und auch jetzt, ein Jahr danach, kehrte Sung ohne Gipfelerfolg vom Lhotse zurück. Sein sechsköpfiges Team hatte sich vorgenommen, die legendäre Südwand auf einer teilweise neuen Route zu durchsteigen. Seit August belagerten die Koreaner den Berg, wurden aber wiederholt durch schlechtes Wetter zurückgeworfen. Dennoch gaben sie nicht auf, stiegen immer wieder in die Wand ein und trotzten der permanenten Lawinengefahr (siehe Video unten).

Aufgabe nach drei Monaten

Sung und Co. quälten sich förmlich den Lhotse hinauf, kamen jedoch nur langsam voran. Immerhin gelang es ihnen, drei Hochlager auf 5800, 6800 und 7500 Meter zu errichten. Zuletzt lief ihnen die Zeit davon. Die Koreaner wagten einen Gipfelvorstoß, in dem Bewusstsein, dass dieser erste Versuch gleichzeitig der letzte sein würde. Doch auf knapp 7800 Metern Höhe mussten sich die Bergsteiger wegen starken Windes geschlagen geben. „Nach etwa 90 Tagen an der Lhotse-Südwand ist die ganze Mannschaft sicher zurückgekehrt“, schreibt Sung Taek Hong und wirkt erleichtert. „Zweimal traf uns die Hauptlast einer Lawine.“

Messner scheiterte zweimal an der Wand

Sung und seine Teamkollegen sollten sich nicht grämen. Mit ihrem Scheitern an der Lhotse-Südwand befinden sie sich in prominenter Gesellschaft. So musste sich 1975 ein starkes italienisches Team mit Reinhold Messner und Riccardo Cassin geschlagen geben. 1989 scheiterte Messner erneut an der Wand, im selben Jahr stürzte der Pole Jerzy Kukuczka aus etwa 8200 Meter Höhe in den Tod. 1990 verkündete der Slowene Tomo Cesen, er habe die Südwand als Erster durchstiegen, und das im Alleingang. Dokumentieren konnte der Bergsteiger diesen Erfolg nicht. Erste Zweifel an den Angaben Cesens äußerten der Ukrainer Sergej Bershov und der Russe Vladimir Karatayev, die im selben Jahr auf einer anderen Route durch die Wand stiegen. Ende 2006 meisterten Mitglieder einer japanischen Expedition die Lhotse-Südwand erstmals im Winter. Sie mussten 41 Meter unterhalb des Gipfels umdrehen, hatten jedoch den Gipfelgrat erreicht. Damit galt die Wand als durchstiegen.

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Vor 60 Jahren: Buhl auf dem Nanga Parbat https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-60-jahren-buhl-auf-dem-nanga-parbat/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/vor-60-jahren-buhl-auf-dem-nanga-parbat/#comments Sun, 30 Jun 2013 18:09:49 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=22385

Hermann Buhl

Hermann Buhl ist ein Dickkopf. Es schert ihn in diesen ersten Juli-Tagen 1953 nicht, dass unten im Nanga-Parbat-Basislager  der Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer mehrfach zur Umkehr bläst. Der Deutsche mag ja als Geldbeschaffer und Organisator von Expeditionen taugen, aber nicht als Bergsteiger.  Im Gegensatz zu Buhl, der mit 28 Jahren in Topform ist: 1952 hat der Österreicher in den Alpen die Nordostwand des Piz Badile als Erster im Alleingang durchstiegen, im Februar die Watzmann-Ostwand, ebenfalls solo und im Winter. Und jetzt sieht er eine gute Chance, dem Nanga Parbat auf Haupt zu steigen, diesem Achttausender in Pakistan, den die Nazis zum „deutschen Schicksalsberg“ er- und verklärt hatten. 1225 Höhenmeter und über sechs Kilometer Distanz liegen noch zwischen dem höchsten Lager und dem Gipfel. Als sein Zeltpartner Otto Kemptner nicht zur vereinbarten Zeit zum Aufbruch bereit ist, stapft Buhl alleine los. „Es ist sternenklar, die Mondsichel leuchtet herunter und wirft silbernes Licht auf den vor mir aufstrebenden Grat, es ist windstill, doch klar“, schreibt Buhl später.

Hermann Buhl über seinen Alleingang zum Gipfel des Nanga Parbat

Biwak im Stehen

Nanga Parbat

Er erwartet zunächst, dass sein Gefährte zu ihm aufschließen wird, registriert dann aber, dass Kempter aufgibt. Buhl weiß nun, dass er es allein oder gar nicht schaffen wird. Immer weiter steigt er auf, ignoriert einfach, dass seine Kräfte schwinden. Der pure Wille treibt ihn hinauf. In den frühen Abendstunden des 3. Juli 1953 erreicht Buhl schließlich den höchsten Punkt auf 8125 Metern: „Ich bin mir der Bedeutung des Augenblicks nicht bewusst, fühle auch nichts von Siegesfreude, komme mir gar nicht als Sieger vor. Ich bin nur froh, dass ich heroben bin und all diese Strapazen vorläufig ein Ende haben.“ Doch da täuscht sich Buhl. Das eigentliche Martyrium steht ihm noch bevor. Auf einem kleinen Felsvorsprung stehend verbringt er die Nacht. Buhl schluckt Tabletten gegen Erfrierungen und das Aufputschmittel Pervitin, um nicht einzuschlafen. 41 Stunden nach seinem Aufbruch kehrt er mit letzter Kraft zum obersten Lager zurück. Eine unglaubliche Energieleistung. Buhl sieht aus, als sei er in knapp zwei Tagen um Jahre gealtert.

Expeditionsgefährte Hermann Köllenperger über den Gebrauch von Pervitin

Tod an der Chogolisa

Das beeindruckende Gipfeltrapez der Chogolisa

1995 werden japanische Bergsteiger für denselben Weg 39 Stunden brauchen, trotz modernster Ausrüstung und genauer Wegkenntnis. „Damit wird klar, dass Buhl seiner Zeit mindestens 50 Jahre voraus war“, sagte mir Reinhold Messner, als ich ihn vor zehn Jahren zu Buhls Pionierleistung am Nanga Parbat befragte. „Für einen normalen Bergsteiger war das, was Buhl gemacht hat, nicht überlebbar.“

Alt wird Hermann Buhl nicht. Als er am 27. Juni 1957 mit Kurt Diemberger über den Gipfelgrat des Siebentausenders Chogolisa im Karakorum steigt, bricht unter ihm eine Wächte ab. Buhl stürzt mit ihr in den Tod. Wenige Tage zuvor hat er mit seinen österreichischen Landsleuten Diemberger, Fritz Wintersteller und Marcus Schmuck den Broad Peak erstbestiegen: als kleines Team, ohne Hochträger – eine Revolution im Achttausender-Bergsteigen.

Reinhold Messner über Hermann Buhl

Noch ohne Winterbesteigung

Und der Nanga Parbat? 60 Jahre nach Buhls Coup ist der „Nackte Berg“ ein relativ exklusiver Berg geblieben. Mehr als 300 Gipfelerfolge wurden verzeichnet. Zum Vergleich: Am Mount Everest wurde inzwischen die 6000er-Marke überschritten. Etwa 70 Bergsteiger starben bei dem Versuch, den Nanga Parbat zu besteigen. Im Winter hat es trotz zahlreicher Versuche noch niemand auf den Gipfel geschafft. In den nächsten Jahren wird es am Nanga Parbat wahrscheinlich deutlich ruhiger werden. Der Mordanschlag auf das Basislager auf der Diamirseite in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni dürfte dazu führen, dass viele Bergsteiger und Trekkingtouristen zunächst einmal einen Bogen um diesen Achttausender machen.

P.S. Ja, ja, ich weiß, der 60. Jahrestag ist erst am Mittwoch. Aber dann sitze ich bereits in der Sonne und bin faul.  🙂

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Alexei Bolotov stirbt am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexei-bolotov-stirbt-am-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexei-bolotov-stirbt-am-everest/#comments Wed, 15 May 2013 14:18:53 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=21701

Alexei Bolotov (1963-2013)

Was ein Glanzlicht in der Geschichte des Everest-Bergsteigens werden sollte, endete als Tragödie. Der russische Bergsteiger Alexei Bolotov stürzte im Khumbu-Eisbruch in den Tod. Der 50-Jährige wollte mit seinem Landsmann Denis Urubko eine neue Route durch die steile Südwestwand eröffnen. Wie Denis telefonisch mitteilte, seilte Alexei gerade ab, als das Seil an einer scharfen Felskante riss. Bolotov sei etwa 300 Meter abgestürzt und sofort tot gewesen. Nach ersten Berichten wurde die Leiche des russischen Bergsteigers in einer Höhe von 5600 Metern gefunden.

Denis und Alexej hatten angekündigt, heute früh zu ihrem Versuch in der Südwestwand aufzubrechen. In acht Tagen wollten sie über eine neue, schwierige Route zum Gipfel klettern, ohne Hochlager, ohne Sherpa-Hilfe, ohne Flaschensauerstoff. „Wenn das im Alpenstil gelingt, bin ich der erste, der gratuliert – obwohl sie auf den viel berannten Everest kommen“, hatte mir Reinhold Messner zum Plan der beiden Russen gesagt.  

Zweimal Piolet d’Or

Alexei Bolotov gehörte zu den besten Extrembergsteigern Russlands mit jeder Menge Achttausender-Erfahrung. So gelang ihm 2001 die Erstbesteigung des 8410 Meter hohen Lhotse-Westgipfels. Ein Jahr später stand er auf dem Gipfel des Mount Everest, ohne zur Atemmaske gegriffen zu haben. Zweimal wurde Alexei mit dem Piolet d’Or geehrt, dem Oscar der Bergsteiger: als Mitglied der russischen Expedition, die 1997 erstmals durch die Westwand des Achttausenders Makalu kletterte, und für die Erstdurchsteigung der Nordwand des 7710 Meter hohen Jannu in Nepal. Ein großer Bergsteiger ist gegangen. R.I.P.

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Maurice Herzog ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/maurice-herzog-ist-tot/ Fri, 14 Dec 2012 16:51:39 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=18669

Maurice Herzog (1919-2012)

Einer der Pioniere des Himalaya-Bergsteigens ist tot. Der Franzose Maurice Herzog starb im Alter von 93 Jahren. Am 3. Juni 1950 hatte er mit seinem Landsmann Louis Lachenal den 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna erreicht – es war die erste Besteigung eines Achttausenders. Beide verzichteten auf Flaschensauerstoff. „Ich war zutiefst gerührt. Noch nie hatte ich ein solches Glücksgefühl empfunden“, schrieb Herzog später in seinem Bestseller „Annapurna“.  Der Rückweg vom Gipfel verlief dramatisch.

Am Rande des Wahnsinns

Das Wetter schlug um, Lawinen stürzten talwärts. Herzog und Lachenal konnten sich mit erfrorenen Gliedmaßen kaum noch fortbewergen. Ihre Helfer waren hilflos, weil schneeblind – eine Seilschaft am Rande des Wahnsinn. „Dass es trotzdem gut ausging, ist ein Wunder“, hat mir einmal Reinhold Messner gesagt, als wir über die Annapurna-Expedition 1950 sprachen. „Sie waren nicht nur mit mentalen Kräften gedopt, mit Gipfelwahn, sondern auch mit Antibiotika und anderen Mitteln.“ Die Erstbesteiger überlebten, bezahlten ihren Gipfelerfolg aber mit Fingern und Zehen, die amputiert werden mussten.

Held mit Schönheitsfehlern

In Frankreich wurde Herzog als Volksheld gefeiert. In Chamonix war er Bürgermeister, unter Präsident Charles de Gaulle sogar Sportminister. Und Herzog saß auch im Internationalen Olympischen Komitee. In letzter Zeit erhielt sein Ruf einige Kratzer. Herzog wurde vorgeworfen, die Leistung seiner Mitstreiter an der Annapurna heruntergespielt zu haben. Seine Tochter Félicité bezeichnete ihn in einem Buch als Lügner und Frauenhelden, der seine Kinder vernachlässigte.

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Quer durch https://blogs.dw.com/abenteuersport/quer-durch/ Mon, 23 Jan 2012 13:21:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=12949

Felicity Aston

Und wieder endet eine Einsamkeit. Zwei Tage nachdem die 16 Jahre alte Niederländerin Laura Dekker ihre Solo-Weltumseglung beendet hat, ist auch Felicity Aston am Ziel. Die 33 Jahre alte Abenteurerin aus Kent in England erreichte die Herkules-Bucht am Ronne-Eisschelf und vollendete damit ihre Solo-Durchquerung der Antarktis auf Skiern. Gestartet war Aston am 25. November am Leverett-Gletscher, am 21. Dezember hatte sie den Südpol erreicht. Für die insgesamt 1744 Kilometer lange Strecke brauchte die Britin 59 Tage. „Damit ich gar nicht erst Gefahr laufe, sentimental zu werden, ist aus dem Nichts ein Sturm aufgezogen und rüttelt an meinem Zelt“, twittert Felicity. „Es ist wunderbar, zu wissen, dass ich heute nicht aus meinem Schlafsack springen und dem Horizont entgegen stürmen muss.“ Aston wartet jetzt auf ein Flugzeug, mit dem sie in die Zivilisation zurückkehren kann.

Nur mit Muskelkraft

Sie ist die erste Frau, die die Antarktis alleine durchquert hat – und das mit reiner Muskelkraft. Der Norweger Børge Ousland, der erste Mensch, dem eine Solo-Durchquerung des weißen Kontinents gelungen war, hatte sich 1996/97 zeitweise mit einem Segel den Wind zunutze gemacht. Auch Reinhold Messner und Arved Fuchs setzten 1989/1990 solche Lenk-Segel ein, wie sie heute beim Kitesurfen gang und gäbe sind. Allerdings legten Ousland, Messner und Fuchs jeweils über 2800 Kilometer zurück, 1000 mehr als jetzt Aston. Insofern lassen sich die Expeditionen nur schwer vergleichen. Nichtsdestotrotz eine beeindruckende Leistung der Britin. Ob sie allerdings als Solo-Durchquerung anerkannt wird, ist noch offen. Felicity hatte sich in der Forschungsstation am Südpol mit frischen Lebensmitteln und neuen Skiern eingedeckt. Damit kann ihr Marsch eigentlich nicht mehr als „unsupported“, also frei jeder Unterstützung, gelten.

Felicity fühlt sich im Eis zu Hause. Drei Jahre lang arbeitete sie in der Antarktis als Meteorologin in einer britischen Forschungsstation. Später leitete Aston Frauen-Expeditionen in Grönland und zum Südpol.

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