Mount Everest – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Tima Deryan: Eine starke arabische Frau auf dem Weg zum Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/tima-deryan-eine-starke-arabische-frau-auf-dem-weg-zum-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/tima-deryan-eine-starke-arabische-frau-auf-dem-weg-zum-everest/#comments Thu, 24 Jan 2019 09:38:09 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43363

Tima Deryan

Sie passt so gar nicht in das Klischee, das viele Menschen im Westen von arabischen Frauen haben. Fatima, genannt Tima, Deryan steht nicht im Schatten eines Mannes. Sie ist weltoffen, selbstbewusst und selbstständig. Sie hat in Dubai, wo sie lebt, ein Unternehmen gegründet – und sie ist Bergsteigerin: Fünf der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente, hat Tima bereits bestiegen. Der Mount Everest und der Mount Vinson in der Antarktis fehlen ihr noch in ihrer Sammlung.

Am 23. März wird die 26-Jährige nach Nepal fliegen, um den höchsten Berg der Erde zu besteigen. Auf dem Trekking ins Everest-Basislager wird Tima sicher besonders auf die Yaks achtgeben. Als sie im Oktober 2017 auf dem Weg zum Island Peak zwischen Phakding und Namche Bazaar gerade eine Brücke über den Dudh Kosi überquert hatte, wurde sie von einem Yak angegriffen und zu Boden geworfen. Die Hörner trafen sie am Oberschenkel, Deryan wurde leicht verletzt.

Tima, wie kamst du überhaupt zum Bergsteigen?

Auf dem Gipfel des Aconcagua (2017)

Ich wurde in Kuwait geboren. Meine Familie zog in den Libanon, als ich zwei Jahre alt war, und dann nach Dubai, als ich neun war. Ich habe eigentlich immer Sport getrieben. Als Teenager habe ich Bodybuilding gemacht, mit 16 Bungee- Jumping. Dann begann ich zu tauchen, später Fallschirm zu springen.

2015 hörte ich einen Vortrag Omar Samras, des ersten Ägypters, der den Everest bestieg. Das erinnerte mich an ein Ziel, das ich schon lange mit mir herumtrug: Seit ich 14 Jahre alt war, wollte ich immer den Everest besteigen. Ich habe fünfmal Nepal besucht, bin zweimal über den Everest geflogen und habe immer gesagt: Eines Tages stehe ich auf dem Gipfel dieses Bergs. Also machte ich den ersten Schritt, um zu sehen, ob mir Bergsteigen gefällt oder nicht: Ich bestieg den Elbrus in Russland. Danach war ich süchtig, und mein Weg als Bergsteigerin begann.

Wie würdest du selbst deinen Charakter beschreiben?

Ich bin eine starke Frau, sowohl physisch, als auch mental. Ich lache gerne und genieße die einfachen Dinge des Lebens. Für mich geht es vor allem um Erfahrung, nicht um das Materielle. Ich habe zwei Jobs, wenn ich nicht in den Bergen bin – den einen im Finanzsektor, dazu mein eigenes Unternehmen. Das bedeutet, ich arbeite hart für mein Geld.

Ich bin ein lauter Mensch, wenn ich glücklich bin und versuche, das einigermaßen unter Kontrolle zu halten. In meiner aktuellen Lebensphase würde ich sagen, ich bin sowohl extro-, als auch introvertiert. Ich glaube an „Mind over Matter“ (frei übersetzt: Alles eine Sache des Willens). Ich versuche, zu jeder Zeit ein positives, ausgeglichenes und glückliches Leben zu führen.

Auf der Leiter über die Spalte (am Island Peak)

Welche deiner Eigenschaften helfen dir in den Bergen am meisten?

Der Glaube an meine Stärke, meine positive Lebenseinstellung, das Lachen (besonders wenn die Höhe zuschlägt) und natürlich, dass sich alles um „Mind over Matter“ dreht. Um mich daran zu erinnern, habe ich es auch auf meine Hand tätowiert.

Was bedeutet dir das Bergsteigen heute?

Ganz ehrlich, ich würde mir wünschen, Bergsteigen wäre mein Beruf, aber das funktioniert in meiner Welt nicht. Meine Träume sind groß und ich muss eine Menge Geld verdienen, um sie zu erfüllen. Bergsteigen ist für mich eine Flucht aus dem normalen Leben in der Stadt und aus der Mainstream-Welt. Es bedeutet für mich, meine positive Energie wieder aufzufüllen und mein Selbstvertrauen zu stärken. Es bedeutet, mit mir selbst in Einklang zu sein, Grenzen zu verschieben und dabei glücklich zu sein. Es bedeutet, meine Gedanken wieder ins Gleichgewicht zu bringen und mental zu gesunden. Bergsteigen ist für mich im wahrsten Sinne des Wortes mein Himmel auf Erden und mein Glücksplatz.

Wie bereitest du dich auf den Everest vor?

Beim Felsklettern

Obwohl ich so lange vom Everest geträumt habe, wurde mir erst in dem Augenblick, als ich mich entschloss, ihn anzugehen, richtig bewusst, dass die Expedition zwei Monate dauern wird! Als Neuling bin ich erst einmal drei Jahre Bergsteigen gegangen. Erst dann hatte ich ausreichend Selbstvertrauen und genug gelernt, um so eine Entscheidung zu treffen.

Zum Training: Von sechs bis sieben Uhr morgens mache ich Krafttraining, dann folgt ein langer Arbeitstag. Wenn ich abends nach Hause komme, mache ich mein HIIT (Hochintensives Intervalltraining). Ein- oder zweimal pro Woche laufe ich zehn Kilometer, zwei-, dreimal die Woche trainiere ich in der Kletterhalle. Und am Wochenende gehe ich immer wandern.

Wie finanzierst du die Expedition?

Ich bin ein Minimalist. Ich lebe bei meiner Familie, deshalb gebe ich wirklich nicht viel von dem aus, was ich verdiene. Ich investiere alles in die Berge und für Reisen. Der Everest ist auch eine Art Start-Event für meine neue Firma „Yalla Cleaning(ein Online-Portal für die Reinigungsbranche). Ein Teil meiner Initiative ist es, dazu beizutragen, den Everest sauberer zu machen. Deshalb stehe ich aktuell mit den Nepalesen in Verbindung, um zu klären, wie ich dabei helfen kann, ein System zu entwickeln, um den Müll vom Berg zu bringen.

Nepalesische Südseite des Mount Everest

Mit welchen Erwartungen gehst du an den Everest?

Ich denke, jeder, der sich an einem Berg versucht, hat auch das Ziel, den Gipfel zu erreichen. Am Everest will ich definitiv ganz oben stehen, bin mir aber durchaus bewusst, dass die Dinge ganz anders laufen können, als ich erwarte. Es ist bereits schön, dass ich überhaupt die Chance habe, rund 50 Tage auf diesem Berg zu verbringen und meine Erfahrungen zu sammeln. Aber das Sahnehäubchen wäre natürlich, mit einem Gipfelerfolg heimzukehren. Ich habe nicht allzu viele Erwartungen – außer Kälte, Aluminiumleitern, Khumbu-Eisfall, Gletscherspalten und dem epischen Basislagerleben!

Eine Frau als Bergsteigerin – davon gibt es nicht viele in der von Männern dominierten arabischen Welt. Welche Widerstände musstest du überwinden?

Ich weise ständig darauf hin, dass sich die arabische Welt in einer Übergangsphase befindet. Es ist wahr, dass sie von Männern dominiert wird, aber Frauen steigen allmählich in allen Bereichen auf. Sie erreichen, was früher für unmöglich gehalten wurde, ob im Fitnessbereich, im Geschäftsleben, der Kultur, der Musik oder in der Unterhaltungsbranche.

Nepal, ich komme!

Als ich mit dem Bergsteigen begann, war es für mich schwierig, meine Familie davon zu überzeugen, alleine unterwegs zu sein, möglicherweise auch von der Außenwelt abgeschlossen, sodass sie eine Weile nichts von mir hören. Es war hart für sie, dies zu akzeptieren, aber letztlich gelang es mir, sie zu überzeugen. Ansonsten habe ich wirklich nicht viele Schwierigkeiten überwinden müssen, um meine Leidenschaft ausleben zu können.

Was die Gesellschaft anbelangt, erfahre ich normalerweise viel Respekt sowohl von Männern als auch von Frauen. Wie in jeder anderen Ecke der Welt, gibt es auch hier Leute, die denken, dass ich verrückt bin und vor einer komplizierten Zukunft stehe. Ich mache mir nicht wirklich die Mühe, es zu erklären. Ich klettere einfach mehr und beweise so, dass sie sich irren. Am Ende des Tages dreht sich doch alles um Taten.

Wie reagieren arabische Männer auf deine Bergerfolge? Wie arabische Frauen?

Sowohl arabische Männer als auch Frauen reagieren auf eine sehr schöne Weise. Es macht mich so glücklich zu hören: „Wir sind stolz auf dich.“ Einige Männer fordern mich auch heraus, um zu beweisen, dass sie mir in puncto Fitness überlegen sind. Aus Spaß mache ich mit. Aber es spielt keine Rolle, ob ich dabei gewinne oder verliere. Wichtig ist, dass meine Botschaft durchdringt: Frauen sind starke Geschöpfe mit einer hohen Schmerzgrenze.

Gibt es auch eine Botschaft, die du arabischen Frauen mit auf den Weg geben willst, indem du auf den Everest steigst?

Auf Expedition (zum Denali)

Ja. Mit meiner Everest-Besteigung möchte ich zeigen, dass eine arabische Frau in der Lage ist, alle Arten von Einschränkungen zu bekämpfen, die ihr die Gesellschaft auferlegt. Sie kann sich ihre Freiheit nur durch Taten verdienen. Wenn sie etwas will, muss sie wirklich hart arbeiten, um es zu bekommen! Stark zu sein, bedeutet nicht, nicht feminin genug zu sein. Stark zu sein, ist viel attraktiver als „weich“ zu sein.

Arabische Frauen befinden sich immer noch in der Phase, in der sie ihre Unabhängigkeit erlangen und Dinge selbst in Angriff nehmen. Die meisten Frauen empfinden es noch immer als schwer, auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn ich also den Everest besteigen kann und nur von mir selbst abhängig bin, signalisiert es ihnen, dass auch sie alles schaffen können. Alles, was man dazu braucht, ist Mut und harte Arbeit.

Ich möchte, dass arabische Frauen wissen, dass sie schön sind, dass sie stark sind und dass sie die Welt erobern können. Aber nur mit der richtigen Einstellung.

P.S. Die erste arabische Frau auf dem Everest war übrigens die Palästinenserin Suzanne Al Houby, die im Frühjahr 2011 den höchsten Punkt auf 8850 Metern erreichte.

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Rugby am Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/rugby-am-everest/ Thu, 17 Jan 2019 14:51:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43301

Hier soll Rugby gespielt werden

Längst ist der Mount Everest auch ein Event-Schauplatz. So verlegte die Regierung Nepals schon 2009 medienwirksam eine Kabinettssitzung ins Basislager zu Füßen des Mount Everest. Ebendort gab der britische DJ Paul Oakenfold 2017 ein Benefiz-Konzert. Im vergangenen Jahr organisierte ein britischer Sternekoch auf der tibetischen Nordseite des Everest die „höchste Dinnerparty der Welt“: Am Nordsattel auf rund 7000 Meter Höhe wurde edel diniert, mit weißer Tischdecke, Kerzenständer und Schampus. Und es geht weiter: Im nächsten Frühjahr soll am Everest das höchste Rugbyspiel aller Zeiten ausgetragen werden.

Zwei Guinness-Buch-Einträge?

Ollie Philipps bei einem Trekking im nepalesischen Everestgebiet

Die ehemaligen und aktuellen britischen Rugbystars Lee Mears, Ollie Phillips, Shane Williams und Tamara Taylor wollen mit 20 Mitstreitern für gleich zwei Einträge ins Guinness-Buch der Rekorde sorgen: das höchste Full Contact Rugby-Spiel und die höchste Touch-Rugby-Partie zwischen gemischten Teams aus Frauen und Männern. Touch Rugby ist die Variante der Sportart ohne harten Körperkontakt, um das Verletzungsrisiko gering zu halten. Gespielt werden soll nahe dem vorgeschobenen Basislager (ABC), auf einem rund 6500 Meter hoch gelegenen Schneeplateau zwischen dem 7045 Meter hohen Lhakpa Ri und dem Everest. Die Organisatoren suchen noch einige Spieler und Spielerinnen.

Hilfe für behinderte und benachteiligte Kinder

Wichtiger als die Rekorde: Mit der Aktion soll Geld in die Kassen der Hilfsorganisation „Wooden Spoon“ gespült werden, die behinderte und benachteiligte Kinder in Großbritannien und Irland unterstützt. Mears und Phillips waren bereits 2015 bei der „Arctic Rugby Challenge“ mit von der Partie. Damals hatte ein Team am magnetischen Nordpol Rugby gespielt, um Spenden für „Wooden Spoon“ zu sammeln.

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Auf den Everest-Spuren ihrer Ehemänner https://blogs.dw.com/abenteuersport/auf-den-everest-spuren-ihrer-ehemaenner/ Wed, 09 Jan 2019 14:57:56 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43213

Furdiki Sherpa (l.) und Nima Doma Sherpa (r.)

Der Mount Everest nahm ihnen die Ehemänner. Und die Väter ihrer Kinder. Dennoch wollen Nima Doma Sherpa und Furdiki Sherpa in diesem Frühjahr den höchsten Berg der Erde besteigen. „Wir machen unsere Expedition aus Respekt vor unseren verstorbenen Ehemännern, weil auch sie Bergsteiger waren“, antwortet mir Nima Doma auf meine Frage nach dem Sinn und Zweck ihres Projekts. „Wir wollen alle Witwen motivieren.“ Der Everest hat einige alleinerziehende Mütter zurückgelassen. Allein in den vergangenen 20 Jahren starben dort laut der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ 37 Sherpas.  Furdikis Mann, Mingma Sherpa, gehörte zu den so genannten „Icefall Doctors“, die alljährlich die Route durch den  Khumbu-Eisbruch einrichten und sichern. Der 44-Jährige kam am 7. April 2013 bei einem Sturz in eine Gletscherspalte ums Leben. Nima Doma Sherpas Mann, Tshering Wangchu Sherpa, war ein Jahr später, am 18. April 2014, eines der 16 nepalesischen Opfer des schweren Lawinenunglücks im Eisbruch.  

Umzug nach Kathmandu

Im Anstieg zum Island Peak

Als das Everest-Schicksal zuschlug, arbeiteten die beiden Sherpanis jeweils in den kleinen Teehäusern ihrer Familien: Furdiki in Dingboche, einem kleinen, auf 4340 Meter Höhe gelegenen Dorf im Everest-Gebiet, Nima Doma in Khumjung, weiter talabwärts auf 3780 Metern. Ihre Einkünfte waren zu gering, um auf Dauer ihre Kinder über die Runden zu bringen. Beide zogen nach Kathmandu und verdingten sich als Trägerinnen und später Führerinnen von Trekkinggruppen. Furdiki wollte ihren Kindern größere Zukunftschancen eröffnen, als sie selbst finanzieren konnte. Die heute 42-Jährige fand in den USA Adoptiveltern für ihre drei Töchter, die inzwischen 14, 17 und 20 Jahre alt sind. Nima Doma hat einen zehnjährigen Sohn und eine achtjährige Tochter. Wenn die 34-Jährige als Trekkingguide unterwegs ist, passt ihre Mutter in Kathmandu auf die Kinder auf.

Zwei Sechstausender bestiegen

Nima Doma (l.) und Furtiki in der Kletterwand

Um sich auf ihre „Two Widow Expedition“ (Zwei-Witwen-Expedition) vorzubereiten, haben Nima Doma und Furdiki nach eigenen Angaben mehrere Kurse des nepalesischen Bergsteiger-Verbands NMA besucht. Im vergangenen November bestiegen sie den 6584 Meter hohen Chulu East in der Annapurna-Region und den 6189 Meter hohen Island Peak im Everest-Gebiet, zwei beliebte Trekkingberge. Reicht das als Erfahrung für den Everest? Ich habe die Sherpanis gefragt, ob sie nicht fürchten, dass auch ihnen am höchsten Berg der Erde etwas zustoßen könnte und ihre Kinder dann Vollwaisen wären. „Wir haben keine Angst vor den Bergen, weil wir glauben, dass wir uns die nötigen Grundtechniken aneignen können. Außerdem begleiten uns die guten Wünsche aller Menschen, die uns und unsere Geschichte kennen“, antwortet Nima Doma Sherpa. „Jede Mutter liebt ihre Kinder, das tun wir auch. Aber nach dem Tod unserer Ehemänner lag plötzlich alle Verantwortung auf unseren Schultern. Wir wollen unseren Kindern zeigen, dass wir unabhängig sein können. Das wird auch sie motivieren und stolz machen.“

P.S. Nima Doma und Furdiki haben das Geld für ihre Everest-Expedition noch nicht zusammen. Am 19. Oktober veranstalten sie in einem Hotel in Kathmandu eine Dinnerparty, bei der Spenden gesammelt werden. Wer die beiden Sherpani unterstützen will, kann ihnen auch online Geld zukommen lassen. Hier ist der Link zu ihrer Crowdfunding-Aktion.

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Luis Stitzinger wird 50: „Ich versuche noch mal den Everest“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/luis-stitzinger-wird-50-ich-versuche-noch-mal-den-everest/ Fri, 14 Dec 2018 23:22:05 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42955

Luis Stitzinger in den heimischen Bergen über Füssen

Ohne ihn dürfte ich mich nicht Erstbesteiger nennen. Luis Stitzinger war im Sommer 2014 der Expeditionsleiter des Veranstalters „Amical Alpin“, der uns am 7129 Meter hohen Kokodak Dome im Westen Chinas zum maximalen Erfolg führte: Alle 16 Teammitglieder erreichten den Gipfel – nicht zuletzt dank Luis‘ Erfahrung und Umsicht. Stitzinger stand bereits auf acht Achttausendern: Cho Oyu (2000), Gasherbrum II (2006), Nanga Parbat (2008), Dhaulagiri (2009), Broad Peak (2011), Shishapangma (2013), Manaslu (2017) und Gasherbrum I (2018). Allesamt hat er sie ohne Flaschensauerstoff bestiegen, sechs davon gemeinsam mit seiner Ehefrau Alix von Melle.

An diesem Sonntag feiert Luis seinen 50. Geburtstag, „unter Palmen am Sandstrand“, wie er mir lachend erzählt. Mit Alix gönnt er sich einen dreiwöchigen Urlaub im griechischen Kletterparadies Leonidio: „Das habe ich mir zum Geburtstag geschenkt.“ Ich habe mit ihm vor seiner Abreise gesprochen.

Luis, ein halbes Jahrhundert, wird da nicht auch einem erfahrenen Höhenbergsteiger ein bisschen schwindelig?

Luis (2.v.l.) am Tag vor unserem Gipfelvorstoß am Kokodak Dome (2014)

Die Zahl fünf da vorne ist auf den ersten Blick schon etwas erschreckend. Auf der anderen Seite hatte ich jetzt ein Jahr lang Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Und wenn man es hin und her denkt, wird einem auch bewusst, dass dieser Übergang ja nur vom Menschen definiert und nicht messerscharf ist. Es ist nur eine Zahl. Ich fühle mich nach wie vor gut. 50, das hört sich schon verdächtig nahe der Verrentung an. Aber so fühle ich mich eigentlich überhaupt nicht.

Wenn du dich jetzt mit dem Luis vergleichst, der 25 Jahre alt war, erkennst du dich dann noch wieder?

Ja schon, aber ich habe mich in der Zeit natürlich auch verändert. Ich würde nicht noch einmal 25 sein wollen, weil ich mich jetzt viel selbstsicherer fühle. Ich kann die Dinge auch viel mehr genießen als damals. Wenn man sich in der Zeit zurücktransportieren könnte, würde ich eher 36 oder 38 Jahre ansteuern.

Warum dieses Alter?

Weil man dann schon einige Erfahrungen im Leben gesammelt hat. Auch beruflich war ich in einem Fahrwasser, das mir getaugt hat, wo ich mich angekommen gefühlt habe. Privat und sportlich war das ein Alter, in dem ich gut unterwegs war und in mir geruht habe. Mit Mitte 30 ist man einerseits kein Grünschnabel mehr, andererseits aber auch noch nicht wirklich alt.

Die Skier immer im Gepäck

50 Jahre sind so eine Marke, an der man sowohl zurück-, als auch nach vorne schaut. Blicken wir zunächst zurück! Gibt es ein Highlight in deiner Bergsteigerkarriere, das du besonders hervorheben würdest?

Gerne denke ich immer an den Nanga Parbat 2008 zurück. Wir haben dort dreimal so viel erlebt wie andere, weil wir ja wirklich dreimal am Berg unterwegs waren. Erst haben wir mit der Gruppe des „DAV Summit Club“ den Gipfel über die Kinshofer-Route auf der Diamirseite bestiegen. Dann habe ich mit meinem Bergkameraden Josef (Lunger) versucht, den Mazeno-Grat zu überschreiten. Bis zum Mazeno Col sind wir gekommen, dann mussten wir absteigen, weil uns Gas und Nahrung ausgegangen waren. Und schließlich bin ich noch die zentrale Diamir-Flanke mit Skiern abgefahren.

Mit Alix am Gipfel des Manaslu

Du hast deinen ersten Achttausender, den Cho Oyu, im Jahr 2000 bestiegen. Wie hat sich das Höhenbergsteigen im Himalaya und Karakorum aus deiner Sicht in den vergangenen 18 Jahren verändert?

An gewissen Bergen ist viel mehr los als damals, es ist allgemein teurer geworden und damit elitärer. An manchen Bergen können sich das nur noch reiche Leute leisten. Auch die Szene der Expeditionsveranstalter hat sich verändert. Aus ehemals wenigen größeren Unternehmen ist mittlerweile eine Vielzahl an Veranstaltern geworden. Immer mehr übernehmen auch lokale Anbieter den Markt. Sie veranstalten – wie z.B. am Manaslu im Herbst 2017 – riesige Expeditionen von mehreren hundert Leuten am Berg.

Inzwischen haben auch die Asiaten das Höhenbergsteigen für sich entdeckt. Es sind sehr viele, teilweise auch unerfahrene Leute unterwegs, die umfassende Betreuung brauchen. Der Stilwandel weg von den großen Achttausender-Expeditionen der frühen Zeiten hin zum Individualbergsteigen, das Messner, Habeler und Konsorten eingeleitet haben, hat sich mittlerweile wieder umgekehrt.

Das klingt, als hättest du damit extreme Bauchschmerzen.

Schlange am Manaslu

Es erfreut mich nicht, weil es in meinen Augen eine sehr kipplige Sache ist. Es ist solange sicher, wie diese unerfahrenen Teilnehmer massiv betreut werden und die dafür Zuständigen auch zur rechten Zeit die richtigen Strippen ziehen. Aber wehe, es geschieht einmal zu spät oder die Betreuung fällt aus irgendeinem Grund weg. Dann wird es ganz schnell ein gefährliches Vabanque-Spiel. Ich erwarte, dass irgendwann ein größeres Unglück passiert. Es wird zwangsläufig kommen.

Glaubst du, dass ein solches Unglück etwas ändern würde?

Eher nicht. Wenn man z.B. sieht, wie sich jetzt die Regeln in Tibet verschärft haben, geht das eigentlich komplett in die falsche Richtung. Die Individualbergsteiger werden eingeschränkt. Die chinesischen Behörden sehen den einzelnen Bergsteiger, der sein eigenes Spiel spielt, eher als Gefahr an – selbst wenn er das Spiel im Griff hat und weiß, auf was er sich einlässt. Als sicher wird dagegen angesehen, was die großen Veranstalter dort treiben: mit massivem Climbing Sherpa- und Bergführer-Einsatz, um den unerfahrenen Teilnehmern möglichst viel Personal an die Hand zu geben. Für die Behörden ist das der Weg der Zukunft. Im Falle eines Unglücks gäbe es wahrscheinlich noch mehr Auflagen für die Veranstalter, aber der Weg des Individualbergsteigens würde wohl kaum wieder gestärkt.

Im Hochlager am Gasherbrum I

Du bist selbst als Bergführer kommerzieller Gruppen im Einsatz. Wie löst du für dich diesen Zwiespalt auf, dass du einerseits Teil des Systems bist, andererseits aber auch die negativen Seiten siehst?

Es ist manchmal eine Gratwanderung. Wir als deutsche Veranstalter haben immer noch eine etwas andere Tradition. Die kommerziellen Expeditionen hierzulande sind ja aus Gemeinschaftsfahrten entstanden. Die Teilnehmer werden mehr als selbstständige Bergsteiger angesehen und müssen auch mit anpacken. Das ist bei amerikanischen oder auch vielen nepalesischen Anbietern mitunter ganz anders: Da wird man von vorne bis hinten an die kurze Leine genommen und hat nichts mehr zu melden.

In diesem Jahr hat du deinen achten Achttausender bestiegen, den Gasherbrum I im Karakorum. Wie schwer oder leicht ist dir das gefallen, oder anders gefragt: Hast du gespürt, dass der Zahn der Zeit auch an dir nagt?

Es war sehr anstrengend, wegen des vielen Schnees und weil wir nur zu zweit unterwegs waren. Die anderen Bergsteiger waren alle im Sturm des Vortags wieder abgestiegen. Gianpaolo (Corona) und ich waren die letzten im Hochlager und haben es einfach probiert. Es waren 13, 14 Stunden Stapfen durch tiefen Schnee. Dafür, dass es so anstrengend war, habe ich mich wirklich sehr gut gefühlt. Auch in den Tagen danach war ich nicht so ausgebrannt wie an manchen anderen Bergen zuvor.

Aufstieg zum Gipfel des G I

Schauen wir nach vorn! Welche Ziele setzt du dir noch in deiner Bergsteigerkarriere?

Udo Jürgens sang ja: „Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss.“ Erst recht nicht mit 50! Ich habe schon noch einige Ziele. Ich habe mir auch keine Altersbegrenzung gesetzt. Ich schaue einfach, wie es mir aktuell geht und entscheide dann. Konkret plane ich für das Frühjahr 2019 noch einmal den Everest von der Nordseite aus (sein erster Versuch dort 2015 blieb erfolglos, weil der Berg nach dem Erdbeben in Nepal gesperrt wurde)– zunächst einmal als Bergführer, als Arbeitsauftrag. Vielleicht kann ich anschließend mit (dem Österreicher) Rupert Hauer – einem guten Freund, der dort eine andere Gruppe führt – noch selbst etwas am Berg unternehmen.

Ohne Flaschensauerstoff?

Ja, möglichst ohne.

Sind die 14 Achttausender noch ein Thema für dich?

Ich habe jetzt acht, es fehlen also noch sechs, das ist eine ganze Menge. Ich versuche in der Regel ja einmal pro Jahr einen Berg, und es geht auch nicht jedes Mal gut. Also bedeuten sechs ausstehende Achttausender noch einige Jahre. Ich weiß nicht, ob mir da nicht die Zeit ausgeht. Es interessiert mich schon, aber es gibt auch noch andere Dinge, die mich vielleicht sogar noch mehr reizen, z.B. eine anspruchsvolle Route an einem Achttausender zu begehen.

P.S.: Alix von Melle wird Luis im Frühjahr nicht zum Everest begleiten, sie ist in ihrem Job unabkömmlich.

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Wie der kleine Prinz auf den Pumori https://blogs.dw.com/abenteuersport/wie-der-kleine-prinz-auf-den-pumori/ Thu, 13 Dec 2018 10:41:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42925

Zsolt Torok (r.) am Pumori

„Der kleine Prinz stieg auf einen hohen Berg“, schrieb der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry in seiner 1943 erschienenen, weltberühmten Erzählung „Der kleine Prinz“. „Von einem Berg so hoch wie diesem, dachte er, kann ich in einem Augenblick den ganzen Planeten und die ganze Menschheit überschauen. Aber er sah nichts weiter als die Nadeln spitzer Felsen.“ Zsolt Torok, Teofil Vlad und Romeo (genannt „Romica“) Popa dürften weniger überrascht gewesen sein, als sie im vergangenen Herbst auf dem 7161 Meter hohen Gipfel des Pumori standen und nichts anderes sahen als direkt gegenüber die Achttausender Mount Everest und Lhotse sowie den Siebentausender Nuptse. Die drei Bergsteiger aus Rumänien hatten gerade im Alpinstil – also ohne Einsatz von Sherpas, ohne Flaschensauerstoff und ohne feste Lagerkette – eine neue Route durch die Südostwand eröffnet. Sie tauften sie „Le Voyage du Petit Prince“ (die Reise des kleinen Prinzen). Ich habe Zsolt Torok gefragt, warum ihre Wahl auf diesen Namen fiel.

Die Komfortzone verlassen

Torok, Popa und Vlad – und ihre Route durch die Pumori-Südostwand

„Wegen der Unschuld und Wahrhaftigkeit des Herzens des kleinen Prinzen“, antwortet mir der 45-Jährige. „Wenn er eine Frage stellte, gab er nie auf, bis er eine Antwort erhielt. War er hartnäckig? Oder fühlte er sich der Wahrheit verpflichtet? Auf seiner Reise traf er viele Charaktere. Genau wie wir auf unserer Reise. Und genau wie er mussten auch wir unsere Komfortzone verlassen, um das Wesentliche herauszufinden. Um es auf dem Planeten Pumori zu entdecken.“

Fünf Biwaknächte in der Wand

Die Mixedkletterei zwischen dem Einstieg in die Südostwand auf 5600 Metern und dem Ausstieg auf den Gipfelgrat auf 6700 Metern sei vergleichbar mit der Eigernordwand gewesen – „mit ähnlichen Passagen wie der ‚Rampe‘, der „Weißen Spinne‘ oder dem ‚Wasserfallkamin.“ Fünf Nächte verbrachte das rumänische Trio in der extrem steilen Wand. „Geeignete Biwakplätze fehlten. Wir waren gezwungen, die unmöglichsten Stellen herzurichten.“ Zsolt war die Route im Frühjahr 2017 schon einmal mit seinem Landsmann Vlad Capusan angegangen, hatte den Versuch jedoch wegen zu hoher Lawinengefahr abgebrochen.

„Keine vertikale Arena, eher ein Heiligtum“

Kaum Platz fürs Biwakzelt

Diesmal glückte das Unternehmen. Torok bezeichnet die Erstbegehung der Route als „meinen bis dato größten Erfolg, weil eine Weltpremiere wertvoller ist als eine Wiederholung einer Route.“ Dennoch will der 45-Jährige den Coup des rumänischen Trios nicht zu hoch hängen: „Eigentlich bin ich kein Freund der Jagd nach Erstbegehungen, weil die Berge nicht als vertikale Arena betrachtet werden sollten. Sie sind eher so etwas wie ein Heiligtum. Traditionelle Routen wurden von großartigen Bergsteigern gemeistert. Sie sind, genauso wie Evergreens in der Musik, immer wertvoll.“ Das „romantische Bergsteigen“, zu dem sich Zsolt nach eigenen Worten hingezogen fühlt, „verschwindet allmählich aus den Seelen der Menschen und wird durch den Durst nach dem Extremen ersetzt“.

Auf Nanga Parbat und Saldim Ri

2012 bestieg Torok mit seinen Landsleuten Teofil Vlad, Marius Gane und Aurel Salasan den Nanga Parbat. Es war sein erster Achttausender-Erfolg nach gescheiterten Versuchen am Cho Oyu (2006) und am K 2 (2010). 2016 gelang ihm in Nepal mit Vlad Capusan die Erstbesteigung des 6374 Meter hohen Saldim Ri (auch Peak 5 genannt) nahe dem Achttausender Makalu.

Ursprünglich wollte Zsolt im Frühjahr 2015 den Mount Everest besteigen. Doch die Saison endete, bevor sie richtig begonnen hatte – nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal und der dadurch am Pumori ausgelösten Lawine, die das Everest-Basislager zerstörte und 19 Menschen das Leben kostete. Dieses Erlebnis habe er während der Besteigung des Pumori völlig ausgeblendet, schreibt mir Zsolt. „Es ist wie beim Autofahren. Hältst du erst einmal das Lenkrad in deinen Händen, hast du auch das Vertrauen und die Zuversicht für jede Reise.“

Everest bleibt ein Ziel

Dem Everest im Blick

Der Everest, den er während des Aufstiegs auf den Pumori ständig im Blick hatte, bleibt für Zsolt Torok auch weiterhin ein Ziel, weil „ich wie der kleine Prinz niemals meine Träume und meine Fragen aufgeben werde“. Wenn es so weit sei, wolle er über die Normalroute auf der Südseite aufsteigen, dem Weg der Erstbesteiger, sagt Zsolt, „weil ich ein Romantiker bin“. Er werde dann wohl „zur Enttäuschung vieler“ bei seinem Aufstieg Flaschensauerstoff nutzen, so Torok, „weil es nicht mein Ziel ist, die Grenzen meines Körpers auszutesten, ob er in der Lage ist, auf fast 9000 Metern zu überleben. Mein Ziel wäre es, am Everest einen symbolträchtigen Ort zu erreichen, einen Platz der Meditation. Ich will wissen , wie es sich dort oben anfühlt, welche Gedanken einem durch den Kopf gehen.“

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Der „Schneeleopard“ vom Mount Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/der-schneeleopard-vom-mount-everest/#comments Thu, 06 Dec 2018 21:57:59 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42899

Ang Rita Sherpa mit Urkunden des Guinness Buchs der Rekorde

Ang Rita Sherpas Everest-Rekord könnte einer für die Ewigkeit sein. Der legendäre Bergsteiger aus Nepal, den die Einheimischen ehrfurchtsvoll „Schneeleopard“ nennen, ist inzwischen 70 Jahre alt. Kein anderer hat den höchsten Berg der Erde so häufig ohne Flaschensauerstoff bestiegen wie Ang Rita in den 1980er und 90er Jahren. „Sein Rekord von neun (Besteigungen ohne Atemmaske) wird wahrscheinlich für eine lange Zeit bestehen bleiben, weil die Expeditionsanbieter inzwischen von den Climbing Sherpas verlangen, dass sie Sauerstoff benutzen“, schreibt mir Richard Salisbury von der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“.

Nicht zehnmal

Lager 4 am Südsattel

Kürzlich hatte ich über die bemerkenswerte Leistung des pakistanischen Bergsteigers Fazal Ali berichtet, der im Sommer als Erster zum dritten Mal ohne Flaschensauerstoff auf dem Gipfel des K 2, des zweithöchsten Bergs der Erde, gestanden hatte. Dabei fiel mir Ang Rita ein, der Everest-Rekordhalter. Ich hatte im Hinterkopf, dass er zehnmal ohne Atemmaske zum Gipfel aufgestiegen sei. So steht es in Zeitungs- und Internetartikeln und in Büchern, u.a. dem Guinness-Buch der Rekorde. Auch er selbst hat stets diese Zahl genannt. Streng genommen ist sie allerdings nicht korrekt, wie ich bei der Recherche in der „Himalayan Database“ feststellte und wie es mir Richard Salisbury bestätigte.

Sauerstoff zum Schlafen am Südsattel

Ang Rita ist zwar in der Tat zehnmal ohne Flaschensauerstoff zum höchsten Punkt der Erde auf 8850 Metern aufgestiegen, doch bei seinem ersten Erfolg im Mai 1983 nutzte er sowohl vor, als auch nach dem Gipfelgang zum Schlafen in Lager 4 eine Atemmaske. Darauf machte seinerzeit der US-Bergsteiger David Breashears aufmerksam. Er habe im Frühjahr 1983 am Südsattel mit Ang Rita in einem Zelt gelegen, so Breashears, und sie hätten über ein Y-Verbindungsstück dieselbe Sauerstoffflasche genutzt.

Riesenrespekt vor Ang Rita

Am Gipfel

Breashears, der in seiner Karriere fünfmal den Everest mit Atemmaske bestieg, betonte gegenüber der legendären Himalaya-Chronistin Elizabeth Hawley (1923-2018), dass er keinesfalls die überragende Leistung Ang Ritas schmälern wolle. Schließlich sei der Sherpa am Gipfeltag 1983 ohne Flaschensauerstoff zum Gipfel gestiegen. „Ich kann mir keinen stärkeren Kletterpartner oder Sherpa vorstellen, vor dem ich mehr Respekt hätte als vor Ang Rita“, schrieb Breashears. Bei den folgenden neun erfolgreichen Everest-Aufstiegen verzichtete der legendäre Sherpa dann auch beim Schlafen in großer Höhe auf eine Atemmaske.

19 Achttausender-Erfolge

Ang Rita wurde 1948 in Yilajung, einem kleinen Dorf im Khumbu im Osten Nepals geboren. Als Kind hütete er Yaks. Mit 15 Jahren arbeitete der Sherpa erstmals als Träger bei einer Expedition. Seinen ersten Achttausender bestieg Ang Rita 1979: den Dhaulagiri. Insgesamt brachte es Ang Rita bis zu seinem Karriereende im Jahr 1999 auf 19 Achttausender-Gipfelerfolge: Zehnmal Everest, viermal Cho Oyu, dreimal Dhaulagiri, einmal Kangchendzönga und einmal Makalu. Stets verzichtete er komplett auf Flaschensauerstoff – mit einer Ausnahme: bei der erwähnten Expedition 1983.

Nächtliche Aerobic-Übungen auf 8600 Metern

Verehrt und häufig geehrt

Der „Schneeleopard“ setzte Everest-Meilensteine. So eröffnete er 1984 mit den Slowaken Zoltan Demjan und Jozef Psotka eine neue Routenvariante über den Südpfeiler. Beim Abstieg stürzte Psotka in den Tod. Am 22. Dezember 1987 gelang Ang Rita die erste und bisher einzige Winterbesteigung des Everest ohne Atemmaske. Mit dem Koreaner Heo Young-ho, der Flaschensauerstoff atmete, erreichte der Sherpa den höchsten Punkt. Bei schlechtem Wetter waren die beiden Bergsteiger zu einem Biwak auf 8600 Metern gezwungen. „Wir verbrachten die Nacht knapp unterhalb des Gipfels“, erinnerte sich Ang Rita später, „und machten Aerobic-Übungen, um körperlich aktiv zu bleiben. Nur so kannst du dort oben überleben.“

P.S.: Ang Ritas Söhne bestiegen ebenfalls mehrmals den Everest – mit  Flaschensauerstoff: der 1971 geborene Karsang Namgyal Sherpa neunmal, Chewang Dorje Sherpa (1975 geboren) fünfmal. Karsang starb 2012 im Everest-Basislager, offenbar an den Folgen einer Alkoholvergiftung.

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Kommerzielle Everest-Winterexpedition abgeblasen https://blogs.dw.com/abenteuersport/kommerzielle-everest-winterexpedition-abgesagt/ Wed, 05 Dec 2018 10:30:57 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42885

Mount Everest (l.)

Im kommenden Winter wird es nun doch keine kommerzielle Winterexpedition zum höchsten Berg der Erde geben. Der nepalesische Veranstalter „Seven Summit Treks“ (SST) verschob nach eigenen Angaben sein Everest-Projekt um ein Jahr auf den Winter 2019/2020. „Wir sind in diesem Winter personell ausgelastet“, schreibt mir Vorstandsmitglied Chhang Dawa Sherpa. Ein starkes SST-Team werde den Spanier Alex Txikon auf dessen anstehender Winterexpedition zum K 2 in Pakistan begleiten.

Interessenten abgesprungen

Alex Txikon im Winter 2017 am Everest

Zuvor hatte der US-Bergsteiger und Blogger Alan Arnette unter Berufung auf SST-Geschäftsführer Tashi Lakpa Sherpa berichtet, dass zwei der ursprünglich fünf Interessenten für die Winterexpedition abgesagt hätten und das Projekt deswegen um ein Jahr vertagt worden sei. Erstmals überhaupt war – wie berichtet – eine Everest-Winterexpedition als kommerzielle Veranstaltung ausgeschrieben worden. Alex Txikon hatte mit Hinweis darauf seinen ursprünglichen Plan aufgegeben, den dritten Winter in Folge zum höchsten Berg der Erde aufzubrechen, um zu versuchen, ihn ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. „Ganz ehrlich, die Aussicht, eine kommerzielle Expedition mit am Berg zu haben, hat mich abgeschreckt“, hatte der 36-Jährige gesagt.

Letzter Erfolg vor 25 Jahren

Die Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ verzeichnete bisher erst 15 Everest-Gipfelerfolge im meteorologischen Winter. Für die Wetterforscher beginnt die kalte Jahreszeit bereits am 1. Dezember, während der kalendarische Winter erst mit der Wintersonnenwende am 21. oder 22. Dezember startet. Die erste Winterbesteigung gelang am 17. Februar 1980 den beiden Polen Krzysztof Wielicki und Leszek Cichy. Der Einzige, der den höchsten Berg der Erde im Winter ohne Atemmaske bestieg, war Ang Rita Sherpa am 22. Dezember 1987. Das Wetter an jenem Tag war ungewöhnlich gut. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen.

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Schärfere Expeditionsregeln an den Achttausendern Tibets https://blogs.dw.com/abenteuersport/schaerfere-expeditionsregeln-an-den-achttausendern-tibets/ Tue, 04 Dec 2018 15:08:35 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42879

Tibetische Everest-Nordseite

Da dürfte den Expeditionsveranstaltern in Nepal vor Schreck der Stift aus der Hand gefallen sein. In den neuen „Regeln für ausländische Expeditionen“ in Tibet (die mir vorliegen) heißt es unter Punkt sechs: „Um eine gesunde und geordnete Entwicklung des Bergsteigens zu gewährleisten und das Auftreten von Bergunfällen  zu minimieren, werden Bergsteiger-Teams, die in Nepal organisiert wurden, vorübergehend nicht akzeptiert.“ Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfuhr, reiste eine Abordnung aus Nepal umgehend nach China, um zu erreichen, dass diese Vorschrift gestrichen oder wenigstens abgemildert wird. Offenbar waren die Delegierten der nepalesischen Veranstalter zumindest teilweise erfolgreich. Einige Agenturen sollen angeblich aber keine Genehmigung mehr erhalten. Die chinesische und die tibetische Bergsteiger-Vereinigung wollen nur noch mit Expeditionsveranstaltern zusammenarbeiten „die über einen guten sozialen Ruf verfügen, eine ausgeprägte Fähigkeit zur Teambildung, eine verlässliche Qualität der Dienstleistungen, ausgezeichnete fachliche Qualität, und die gesetzestreu sind“.

Pro Kunde ein Sherpa

Mülltonnen im Everest-Basislager

Vom Frühjahr 2019 an soll zudem an den Achttausendern Tibets die Regel gelten, dass jeder Kunde kommerzieller Expeditionen “von einem nepalesischen Bergführer“ begleitet werden muss. Neue Vorschriften gibt es auch in Sachen Umweltschutz und Bergrettung. So wird pro Everest-Anwärter künftig eine „Müll-Sammelgebühr“ von 1500 US-Dollar fällig, an Cho Oyu und Shishapangma müssen je 1000 Dollar berappt werden. Nepalesische Bergführer sind von dieser Gebühr ausgenommen, ebenso wie das Basislagerpersonal. Alle Expeditionsteilnehmer werden zudem verpflichtet, pro Person acht Kilogramm Müll vom Berg bei den zuständigen chinesischen Verbindungsoffizieren im Basislager abzugeben.

Rettungsteam im ABC

Für die Bergrettung an Everest, Cho Oyu und Shishapangma soll künftig ein Team zuständig sein, das von den tibetischen Behörden und dem örtlichen Expeditionsveranstalter „Tibet Yarlha Shampo Expedition“ gestellt wird. Während der Zeit der Gipfelversuche sollen sich vier bis sechs Rettungskräfte ständig in den vorgeschobenen Basislagern aufhalten.  Pro Expedition werden die chinesisch-tibetischen Behörden eine Kaution von 5000 US-Dollar einkassieren, die nur zurückgezahlt wird, wenn es innerhalb der Gruppe keine Unfälle gegeben hat und wenn alle Umweltschutzauflagen erfüllt worden sind.

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„Warmes“ Eis im Everest-Gletscher https://blogs.dw.com/abenteuersport/warmes-eis-im-everest-gletscher/ Fri, 23 Nov 2018 13:10:28 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42811

Khumbu-Gletscher

Der Khumbu-Gletscher zu Füßen des Mount Everest ist durch den Klimawandel offenbar noch gefährdeter als bisher angenommen. Darauf weisen britische Glaziologen hin, die 2017 und 2018 die Eistemperatur des Gletschers gemessen hatten. An drei Bohrstellen bis auf eine Höhe von rund 5200 Metern nahe dem Everest-Basislager leiteten sie mit einer umgebauten Apparatur aus einer Autowaschanlage unter hohem Druck heißes Wasser ins Eis. In die so entstandenen Löcher – das tiefste reichte etwa 130 Meter tief ins Eis – hängten die Wissenschaftler Schnüre mit Temperatursensoren. „Der Temperaturbereich, den wir gemessen haben, war wärmer, als wir erwartet – und auch vorzufinden erhofft – hatten“, sagt Duncan Quincey von der Universität Leeds, Leiter des „EverDrill“-Projekts.

Wärmer als die Außenluft

Bohrstellen nahe dem Everest-Basislager

Die minimale Eistemperatur habe bei minus 3,3 Grad Celsius gelegen, „selbst das kälteste Eis war damit zwei Grad wärmer als die mittlere jährliche Lufttemperatur dort“, heißt es in der Studie der Glaziologen. Bei einer ähnlichen Untersuchung nahe dem Everest-Basislager im Jahr 1974 habe man noch zwei bis drei Grad kälteres Eis vorgefunden. „‘Warmes‘ Eis ist besonders anfällig für den Klimawandel, da bereits kleine Temperaturanstiege dazu führen können, dass das Eis schmilzt“, erklärt Quincey. „Die Innentemperatur hat einen erheblichen Einfluss auf die komplexe Dynamik eines Gletschers – wie er sich bewegt, wie das Wasser abgeleitet wird und wie groß die Menge des Schmelzwassers ist.“ Millionen von Menschen im Himalaya und Hindukusch seien von diesen Vorgängen betroffen, weil sie auf das Gletscherwasser angewiesen seien.

„Wasserturm für Asien“

Bereits vor fünf Jahren hatten Wissenschaftler der Universität Mailand darauf hingewiesen, dass die Eismassen rund um den Everest in den vergangenen 50 Jahren um 13 Prozent geschrumpft seien. „Die Gletscher des Himalaya sind wie ein Wasserturm für Asien“, sagte damals der nepalesische Geowissenschaftler Sudeep Thakuri. „Sie speichern das Wasser und geben es in der Trockenzeit als Schmelzwasser wieder ab. Die Menschen in den niedrigeren Regionen sind davon abhängig, weil sie es als Trinkwasser, für die Landwirtschaft und für die Stromproduktion benötigen.“

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Familienausflug auf den Mount Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/familienausflug-auf-den-mount-everest/ Sat, 10 Nov 2018 19:13:54 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42679

Die Hillary-Enkel Alexander, Lily und George (v.l.) in Auckland

Die Hillarys scheinen ein Everest-Gen in sich zu tragen. Edmund Hillary gelang 1953 mit dem Sherpa Tenzing Norgay die Erstbesteigung des höchsten Bergs der Erde. Sohn Peter stand 1990 und 2003 – gewissermaßen in den Fußstapfen seines Vaters – gleich zweimal auf dem 8850 Meter hohen Gipfel des Everest. Und in anderthalb Jahren, im Frühjahr 2020, könnten drei der sechs Enkel des Erstbesteigers folgen: Lily, Alexander und George Hillary.

 

An den Herausforderungen wachsen

Sir Edmund Hillary mit seinen Enkeln Lily, Alexander und George

„Es liegt uns im Blut“, sagte die 18 Jahre alte Lily über das Bergsteigen in einem Interview der Zeitung „New Zealand Herald“. „Wir genießen es wirklich. Aber mehr als um den Berg selbst geht es uns um die Leute, mit denen wir unterwegs sind und um die Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Diese Herausforderungen zu meistern und dabei etwas über sich selbst zu lernen, sei das gewesen, was ihr 2008 verstorbener Großvater am meisten gemocht habe, erzählt Lily: „Und ich kann definitiv sagen, dass es auch meine Lieblingsrolle ist.“

Trekking zum Basislager

Im nächsten Jahr will Lily mit ihrem Vater Peter, Mutter Yvonne und den Brüdern George und Alexander zum Everest-Basislager auf der nepalesischen Südseite des Bergs wandern. Der 26 Jahre alte George wird die Familien-Trekkinggruppe anführen. Vom Basislager aus können die Hillary-Enkel dann schon einmal am Everest schnuppern. Lily steht kurz vor ihrem Schulabschluss. Danach will sie mit ihrem Vater und ihren Brüdern „ernsthaft“ klettern gehen, „damit ich nicht am Seil hänge und das Team bremse oder das schwächste Glied der Kette bin“.

Zur Vorbereitung auf den Denali

2019 wollen die drei Hillary-Enkel als Vorbereitung auf den Everest den Denali besteigen, mit 6190 Metern der höchste Berg Nordamerikas. George und der 22 Jahre alte Alexander haben von den „Seven Summits“, den höchsten Bergen aller Kontinente, bereits den Kilimandscharo (Afrika), den Elbrus (Europa) und die Carstensz-Pyramide (Australien/Ozeanien) bestiegen.

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Bald nur noch E-Fahrzeuge im tibetischen Everest-Basislager? https://blogs.dw.com/abenteuersport/bald-nur-noch-e-fahrzeuge-im-tibetischen-everest-basislager/ Fri, 02 Nov 2018 13:29:32 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42637

Nordseite des Mount Everest

Werden die Bergsteiger auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest im nächsten Frühjahr mit Elektro-Buggies ins Basislager chauffiert, wie man sie von Golfplätzen kennt? Über entsprechende Pläne der tibetischen Provinzregierung berichten staatliche chinesische Medien. Schrittweise sollten alle Fahrzeuge ohne Elektromotoren aus dem Basislager verbannt werden, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. „In der Hochsaison zählen wir in dem Lager durchschnittlich zwischen 200 und 400 Fahrzeuge pro Tag“, sagte Tang Wu, Vorsitzender der zuständigen Kommission. „Pro Jahr summiert sich das auf rund 20.000 Fahrzeuge.“

Mehr als 100.000 Besucher im Jahr

Das über eine asphaltierte Straße erreichbare „Chinese Base Camp“ hat sich mehr und mehr zu einer touristischen Attraktion entwickelt.  Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua besuchten 2017 mehr als 100.000 Menschen den Ausgangspunkt für Everest-Expeditionen auf der Nordseite des Bergs. Es liegt auf der Hand, dass dabei auch jede Menge Müll anfällt. Die Provinzregierung hat ein Unternehmen damit beauftragt, das Gelände zwischen dem Basislager auf 5200 Metern und dem vorgeschobenem Basislager auf 6500 Metern sauber zu halten.

Sonderprämien für Fäkalientransport

Mülltonnen im Everest-Basislager

Nach der letzten Frühjahrssaison wurden nach offiziellen Angaben 8,5 Tonnen Abfälle eingesammelt. Vor allem der Abtransport der Fäkalien habe sich schwierig gestaltet, hieß es. Die Einheimischen hätten die menschlichen Abfälle nicht auf ihre Yaks packen wollen, weil sie meinten, das bringe Unglück. Erst nach Sonderzahlungen hätten sich einige bereiterklärt, die Fäkalien wegzubringen.

Keine Neuigkeiten zum geplanten Bergsteigerzentrum

Ob der Plan mit den Elektro-Autos wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Vor knapp zwei Jahren war die Nachricht um die Welt gegangen, im Ort Gangkar, auch bekannt als Old Tingri, solle bis 2019 ein zwölf Fußballfelder großes Everest-Bergsteigerzentrum entstehen, mit Quartieren und Restaurants  für Bergsteiger, einem Landeplatz für Hubschrauberrettungsflüge, Büros für Expeditionsveranstalter, Werkstätten für Autos, Motorräder und Fahrräder sowie einem Bergsteiger-Museum. Danach hörte man nichts mehr davon.

Rettungsflüge auch auf der Everest-Nordseite?

Rettungshubschrauber aus Nepal an der Shishapangma

Hartnäckig halten sich dagegen die Gerüchte, dass es von 2019 an auch auf der tibetischen Nordseite des Everest Rettungsflügge geben soll. Im vergangenen Frühjahr hatten chinesische Rettungskräfte und nepalesische Hubschrauberpiloten zusammengearbeitet, um den am Achttausender Shishapangma in Tibet vermissten bulgarischen Bergsteiger Boyan Petrov zu finden. Am Ende blieb die Suche leider erfolglos, doch die Rettungsaktion könnte Modellcharakter haben für den höchsten aller Berge.

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Erste kommerzielle Winterexpedition am Mount Everest? https://blogs.dw.com/abenteuersport/erste-kommerzielle-winterexpedition-am-mount-everest/ Wed, 24 Oct 2018 15:24:08 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42515

Mount Everest

Winterbergsteigen an den Achttausendern, das war bisher nur den Besten und Härtesten vorbehalten. „Ice Warriors“, Eiskrieger, nannte man etwa in den 1980er-Jahren, der Blütezeit der Winterexpeditionen zu den höchsten Bergen der Welt, die polnischen Experten für die kalte Jahreszeit. Ihnen gelangen in jenem Jahrzehnt die sieben ersten Wintererstbesteigungen von Achttausendern. Den Auftakt machten Krzysztof Wielicki und Leszek Cichy am 17. Februar 1980 gleich am höchsten aller Berge, dem Mount Everest. Schon kurios, dass ausgerechnet dort nun möglicherweise erstmals eine kommerzielle Winter-Expedition ihre Zelte aufschlagen wird.

Fünf Kunden bereits Ende Mai

Wielicki (l.) und Cichy nach der Wintererstbesteigung des Everest 1980

Wobei das Ganze etwas geheimnisumwittert ist. Am 28. Mai verkündete Tashi Lakpa Sherpa, Chef  von „14 Peak Expedition“ und Geschäftsführer von „Seven Summit Treks“, erstmals auf Facebook, dass es eine Everest-Winterexpedition geben werde, zwischen dem 1. Dezember 2018 und dem 28. Februar 2019. Fünf Kunden stünden bereits fest, für alle weiteren Interessierten sei die „Plattform jetzt offen“. Insgesamt werde das Team mehr als 30 Mann stark sein, so Tashi. Wenig später schrieben auch „Seven Summit Treks“ und der als „Co-Partner“ genannte Veranstalter „Arnold Coster Expeditions“ das Winterprojekt aus. Interessant war, dass die einleitende Passage abgeändert wurde: „Herzlich willkommen, aber du solltest erfahren sein“, hieß es zunächst , dann „Herzlich willkommen, wenn du einen weniger bevölkerten Everest und ein größeres Abenteuer erleben willst“. Als Preis nannte Tashi Lakpa Sherpa Anfang Juli auf Facebook 38.000 Dollar pro Person. Das Permit für eine Besteigung des Everest ist übrigens im Winter deutlich billiger als im Frühjahr: 2750 statt 11.000 Dollar pro ausländischem Bergsteiger.

Txikon: „Es hat mich abgeschreckt“

Alex Txikon will am Everest Einsamkeit erleben dürfen

Danach wurde es still um die geplante kommerzielle Everest-Winterexpedition – bis der Spanier Alex Txikon vor einer Woche der Internetplattform „explorersweb.com“ ein Interview zu seinen Winterplänen gab. Er werde diesmal einen Bogen um den Everest machen, sagte der 36 Jahre alte Spanier, der 2016 zu den Wintererstbesteigern des Nanga Parbat gehört hatte und in den vergangenen beiden Wintern vergeblich versucht hatte, den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff zu besteigen. „Ganz ehrlich, die Aussicht, eine kommerzielle Expedition mit am Berg zu haben, hat mich abgeschreckt“, so Alex. „Es ist die absolute Einsamkeit, die den Everest im Winter so einzigartig macht und seine Besteigung so herausfordernd. Deshalb, bei allem Respekt, werde ich mich lieber nach einem anderen Ziel für meine nächste Winterexpedition umsehen.“

Noch keine Antwort

Arnold Coster

Txikon bezog sich ganz offensichtlich auf die Ankündigung Ende Mai, da auch er von bisher fünf Kunden sprach, die als Teilnehmer der kommerziellen Expedition feststünden. Ich habe versucht, mehr herauszufinden. Auf den Internetseiten von „Seven Summit Treks“ und „14 Peak Expedition“ sucht man vergeblich nach Hinweisen auf die Winterexpedition. Bei „Arnold Coster Expeditions“ wurde ich fündig. “Begleite mich in diesem Winter auf den Everest, um ihn abseits der Massen zu besteigen … ein wahres Abenteuer“, steht dort geschrieben. Die weiteren Informationen, zu denen ein Link führt, scheinen jedoch der Ausschreibung zu einer ganz „normalen“ Everest-Expedition entnommen zu sein und enthalten keinen Hinweis auf die besonderen Herausforderungen im Winter. Meine Fragen an Mingma Sherpa, den Chef von „Seven Summit Treks“, und an Arnold Coster nach dem aktuellen Stand des Projekts blieben bisher unbeantwortet.

Letzter Erfolg vor 25 Jahren

Während der Mount Everest inzwischen mehr als 9000-mal bestiegen worden ist, nehmen sich die bisher 15 Gipfelerfolge im meteorologischen Winter eher bescheiden aus. Für die Wetterforscher beginnt die kalte Jahreszeit bereits am 1. Dezember, während der kalendarische Winter erst mit der Wintersonnenwende am 21. oder 22. Dezember startet.

Everest-Südwestwand

29 Everest-Winterexpeditionen sind bisher in der Bergsteiger-Chronik „Himalayan Database“ verzeichnet, 21 davon vor 1990. So versuchten sich alleine im Winter 1985 gleich vier Expeditionen am höchsten Berg der Erde: drei südkoreanische auf unterschiedlichen Routen (Normalweg über den Südsattel, Westgrat und Südwestwand) und ein japanisches Team (Hornbein-Couloir). Insgesamt waren nur fünf Winterexpeditionen am Everest erfolgreich – zuletzt 1993, als sechs Bergsteiger eines japanischen Teams die Südwestwand durchstiegen und am 18. Dezember den höchsten Punkt auf 8850 Metern erreichten.

Der Einzige, der den höchsten Berg der Erde bisher im Winter ohne Atemmaske bestieg, war Ang Rita Sherpa am 22. Dezember 1987. Das Wetter an jenem Tag war ungewöhnlich gut. Die große Kälte im Winter sorgt normalerweise dafür, dass der Luftdruck im Gipfelbereich noch weiter absinkt. Ein Aufstieg ohne Atemmaske liegt dann im absoluten Grenzbereich des Möglichen.

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David Göttler: „Mehrere Achttausender im Visier“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/david-goettler-mehrere-achttausender-im-visier/ Tue, 04 Sep 2018 13:56:14 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41931

David Göttler

Sie haben zwei Zuhause. Den Winter verbringen der deutsche Profibergsteiger David Göttler und seine Lebensgefährtin Monica Piris in Chamonix am Mont Blanc, den Sommer in Monicas Heimat Nordspanien, zwischen Bilbao und Santander, „da, wo Spanien noch richtig grün ist“, schwärmt David. In diesem Sommer war Göttler – wie berichtet – mit leeren Händen aus Pakistan zurückgekehrt. Das schlechte Wetter hatte ihm und seinem Teamkameraden, dem Italiener Hervé Barmasse, am 7932 Meter hohen Gasherbrum IV im Karakorum einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gestern feierte Göttler in Spanien seinen 40. Geburtstag – nicht in den Bergen, sondern auf der Baustelle, wie er mir erzählt, als ich ihm nachträglich gratuliere: „Ich habe meinen Trainingsraum fertiggestellt. Von daher war es auch ein guter Tag.“

40 Jahre, David, das ist schon eine Marke. Viele blicken dann auf ihr Leben zurück oder schmieden Pläne für die Zukunft. Du auch?

Für mich war es eigentlich ein ganz normaler Geburtstag. Allerdings grübelt man schon ein bisschen darüber nach, dass jetzt vielleicht die Mitte des Lebens erreicht ist. Ich habe nicht das Gefühl, etwas verpasst oder falsch gemacht zu haben. Aber ich freue mich auch auf die nächsten 40 Jahre. Mein Vater wird im nächsten Winter 79 Jahre alt und ist noch jeden Tag in den Bergen unterwegs, mit dem Gleitschirm oder Snowboard oder beim Klettern. Wenn ich von diesen Genen nur ein bisschen geerbt habe, dann habe ich noch weitere 40 gute Jahre vor mir. Gerade im Höhenbergsteigen kann ich jetzt noch in den nächsten Jahren gute Sachen machen. Und darauf freue ich mich total.

David mit Ueli Steck (l.) im Frühjahr 2016

Hast du vielleicht gestern auch an Ueli Steck gedacht, mit dem zusammen du im Frühjahr 2016 an der Shishapangma-Südwand warst. Er ist im vergangenen Jahr am Nuptse tödlich abgestürzt – mit vierzig Jahren. Machst du dir Sorgen, du könntest auch selbst einmal die Schraube überdrehen?

Ich versuche eigentlich immer, sehr bewusst mit dem Risiko umzugehen – wie Ueli es übrigens auch getan hat.  Ich habe gestern im Laufe des Tages schon mal an ihn gedacht, aber eher mit Blick auf meine Zukunft: Es wäre so schön gewesen, mit ihm neue Ziele planen zu können.

Welche Ziele hast du dir denn gesteckt?

Ich habe mir erst mal vorgenommen, im Flachland einen Marathon in einer vernünftigen Zeit zu laufen. Das werde ich wahrscheinlich Anfang Dezember angehen. Auf längere Sicht, für die nächsten etwa fünf Jahre, habe ich ein paar Achttausender, die mich besonders interessieren. Auch der Gasherbrum IV, an dem Hervé und ich in diesem Sommer waren, ist noch auf der Liste.

Yoga im Basislager

Welche Achttausender hast du konkret im Visier?

Ich habe mich noch nicht entschieden, in welcher Reihenfolge ich sie angehe. Aber einer der Achttausender auf meiner Liste ist der Kangchendzönga, an dessen faszinierender Nordseite 2003 meine Achttausenderkarriere begann und an dem ich mich gerne noch einmal versuchen möchte. Dann der Nanga Parbat, ein super spannender Berg, an dem ich schon einmal im Winter war (2014 hatte er mit dem Polen Tomek Mackiewicz ein Höhe von 7200 Metern erreicht). Der Mount Everest ohne Sauerstoff ist für mich ebenfalls noch ein Ziel, auch wenn dort so viele Menschen unterwegs sind. Ich würde es gerne mal ausprobieren, wie sich die letzten quasi 400 Höhenmeter mehr anfühlen im Vergleich zu den anderen Achttausendern, die ich bisher gemacht habe (David hat bisher fünf 8000er bestiegen: Gasherbrum II, Broad Peak, Dhaulagiri, Lhotse und Makalu). Auch der Gasherbrum I, den ich mir in diesem Sommer vom G IV aus angesehen habe, bietet noch viele Möglichkeiten für neue oder ungewöhnliche Touren jenseits des Normalwegs.

Mit Herve Barmasse (r.)

Du warst mit Herve Barmasse am Gasherbrum IV. Wie ist es euch dort ergangen?

Es war vom Wetter her eine super merkwürdige Saison im Karakorum. Die Leute wurden vielleicht von der Nachricht geblendet, dass es am K 2 so viele Gipfelerfolge wie nie zuvor gab. Aber auch am K 2 ist der Kommerz inzwischen angekommen: Von unten bis oben wird der Weg gesichert, viele Sherpas sind im Einsatz, treten die Spur und stellen die Lager auf. Fast alle waren mit Sauerstoff oben. An den anderen Achttausendern sah es ganz anders aus. Am Gasherbrum I und am Gasherbrum II etwa waren jeweils nur zwei Bergsteiger am Gipfel, Luis Stitzinger und Gianpaolo Corona am G I, Adam Bielecki und Felix Berg am G II. Das schlechte Wetter und die daraus resultierenden schwierigen Bedingungen am Berg haben uns auch am Gasherbrum IV zu schaffen gemacht und einen wirklichen Gipfelversuch verhindert.

Wie hoch seid ihr gekommen?

Unseren höchsten Punkt haben wir noch während der Akklimatisationsphase mit 7100 Metern erreicht, unterhalb der Ostwand. Beim Gipfelversuch sind wir nur bis Lager 1 auf 6000 Metern gekommen. Es hat die ganze Nacht geschneit, am Morgen immer noch, dazu null Sicht. Wegen zu hoher Lawinengefahr sind wir dann umgekehrt.

Unterwegs am Gasherbrum IV

Nicht nur ihr seid wegen des anhaltend schlechten Wetters mit leeren Händen heimgekehrt. Wie schon in den letzten Jahren waren die Verhältnisse in der klassischen Sommersaison im Karakorum  problematisch. Sollte man wegen der Auswirkungen des Klimawandels später im Jahr anreisen?

Wir haben im Basislager darüber diskutiert. Vielleicht muss man wirklich nicht mehr zu diesen „Old-School-Wetterfenstern“ anreisen, in denen früher die besten Verhältnisse herrschten. Das Klima verschiebt sich. Nicht nur niederschlagsreiche, sondern auch zu heiße und trockene Sommer sind für viele Projekte eher schlecht. Ich denke, man muss vielleicht künftig wirklich experimentieren und zu anderen Zeiten in den Karakorum reisen. In der klassischen Sommersaison scheint es immer schwieriger zu werden. 

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Strafe für gefälschtes Everest-Permit https://blogs.dw.com/abenteuersport/strafe-fuer-gefaelschtes-everest-permit/ Fri, 31 Aug 2018 14:34:47 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41911

Mount Everest

Wenn es um eigene Einnahmen geht, versteht die Regierung Nepals keinen Spaß. Nach Informationen der Zeitung „The Himalayan Times“ verhängte das Tourimusministerium jetzt eine Geldstrafe von 44.000 US-Dollar gegen den nepalesischen Expeditionsveranstalter „Seven Summit Treks“ wegen der Fälschung eines Permits für den Mount Everest. Die Behörde hatte im Frühjahr einer von „Seven Summit Treks“ gemanagten Expedition unter Leitung des Chinesen Sun Yiguan die Genehmigung erteilt, den höchsten Berg der Erde zu besteigen. Auf dem Originaldokument standen zwölf Teilnehmer. Später tauchte eine gefälschte Version auf, in der ein australischer und ein chinesischer Bergsteiger hinzugefügt worden waren.

Mingma Sherpa weist Schuld von sich

Mingma Sherpa

Da ein Permit pro Expeditionsteilnehmer 11.000 Dollar kostet, entgingen der Regierung so Einnahmen von 22.000 Dollar. Die doppelte Summe wurde jetzt als Strafe festgesetzt. Zudem forderte das Tourismusministerium die Polizei auf, die Schuldigen für den Betrug zu ermitteln. Ihnen drohen sieben Jahre Gefängnis. Mingma Sherpa, Chef des Veranstalters „Seven Summit Treks“ wies alle Schuld von sich und versicherte, er werde dabei helfen, die Betrüger vor Gericht zu bringen. Verantwortlich sei einer seiner früheren Angestellten. Mingma verwies darauf, dass sein Unternehmen der größte Expeditionsveranstalters Nepals sei und Saison für Saison große Summen für Permit überweise. „Wir denken nicht einmal daran, solche Dinge zu tun.“

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48 Stunden, zwei deutsche Frauen, ein Gipfel: Mount Everest https://blogs.dw.com/abenteuersport/48-stunden-zwei-deutsche-frauen-ein-gipfel-mount-everest/ Fri, 20 Jul 2018 13:48:17 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41441

Südseite des Mount Everest

Viel hätte nicht gefehlt, und die beiden deutschen Bergsteigerinnen hätten sich auf dem Dach der Welt die Hände schütteln können. Innerhalb von 48 Stunden erreichten im vergangenen Frühjahr erst Ingrid Schittich, dann Susanne Müller-Zantop den 8850 Meter hohen Gipfel des Mount Everest: Schittich am 15. Mai von der tibetischen Nordseite, Müller-Zantop am 17. Mai von der nepalesischen Südseite aus. Sie wussten nichts voneinander. Erst Billi Bierling, Chefin der Bergsteigerchronik „Himalayan Database“, machte die beiden darauf aufmerksam, dass sie sich auf dem Everest knapp verpasst hatten.

Älteste deutsche Frauen auf dem Everest

Ingrid Schittich am Everest

Eine weitere Gemeinsamkeit von Ingrid und Susanne ist, dass beide Bergsteigerinnen schon jenseits der 60 sind. Mit 63 Jahren ist Schittich nun die älteste deutsche Frau, die jemals den Gipfel des höchsten Bergs der Erde erreichte, Müller-Zantop mit 61 die zweitälteste. Der Kreis ist ohnehin ziemlich exklusiv. Vor der Frühjahrssaison 2018 hatten lediglich neun andere deutsche Bergsteigerinnen den Everest bestiegen – in der Mehrzahl deutlich jünger als Ingrid und Susanne. Auch in ganz Europa dürften die beiden unter den Everest-Besteigerinnen an der Spitze der Alterspyramide stehen (die Daten für das Frühjahr 2018 sind noch nicht veröffentlicht). Die weltweit bisher älteste Frau auf dem Everest war 2012 die damals 73-jährige Japanerin Tamae Watanabe.

Seven Summits komplettiert

Auf dem Gipfel

Sie habe zeigen wollen, „dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch eine hohe körperliche Leistungsfähigkeit erreichen kann“, sagt Ingrid Schittich, die erst mit 49 Jahren begann, ernsthaft bergzusteigen. Für sie war es der dritte Anlauf am Everest: 2016 hatte sie – ebenfalls auf der Nordseite des Bergs – auf 7000 Metern, 2017 auf 7650 Metern umkehren müssen. Beide Male ging es ihr schlecht. Mit ihrem Gipfelerfolg in diesem Frühjahr komplettierte die 63-Jährige ihre Sammlung der „Seven Summits“, der höchsten Berge aller Kontinente.

Tiefe Zufriedenheit

„Beim Aufstieg dachte ich nur an die Anstrengung und es kamen auch Gedanken auf wie: Das mache ich nie wieder!“, erinnert sich die Ärztin aus München. „Am Gipfel war ich glücklich und empfand eine tiefe Zufriedenheit, dass ich mein Ziel erreicht hatte.“ Ingrid konnte den Moment auch wirklich genießen, da sie und ihre vier Gefährten aus dem Team des Schweizer Expeditionsveranstalters „Kobler & Partner“ auf dem Nordostgrat „ohne Staus oder Beeinträchtigungen durch andere Bergsteiger unterwegs“ waren. „Auch am Gipfel waren wir allein.“

Werbeplakat für Kosmetik am Gipfel

Eine Viertelstunde ganz oben

So hätte auch Susanne Müller-Zantop gerne den Augenblick auf dem höchsten Punkt der Welt erlebt. Doch es kam ganz anders. „Ich war beim Aufstieg glücklich und ungestört, habe nur wenig Leute getroffen“, sagt die deutsche Unternehmerin, die in Zürich in der Schweiz lebt. „Der Gipfel war dann ein Schock, ich starrte als Erstes auf ein Werbeplakat für chinesische Damenkosmetik. Es gab kaum Platz, so voll war es. Mein Sherpa zog Mantel, Schwert und Kappe eines Lama aus dem Rucksack, zog schnell alles über und filmte sich selbst. Ich war enttäuscht, es gab keine Möglichkeit für Ruhe, Umschau oder auch Andacht.“ Nach einer Viertelstunde ergriff Susanne die Flucht von dieser „Marketing-Plattform“, wie sie es nennt.

Fitter als früher

Susanne Müller-Zantop

Wie Ingrid Schittich war auch Müller-Zantop in Sachen extreme Höhe eine Spätberufene. 2016 bestieg sie den Cho Oyu. „Ich habe erst mit 60 die Achttausender-Welt entdeckt“, sagt Susanne. „Vielleicht bin ich jetzt erst reif dafür. Ich glaube, dass ich jetzt mental super stark bin, viel stärker als früher.“ Auch mit der Fitness habe sie am Everest keine Probleme gehabt. „Ich glaube, dass man kräftemäßig überhaupt nicht abbauen muss im Älterwerden. Ich bin vielleicht sogar stärker und fitter als früher.“

Ängste überwunden

Die Erlebnisse am Everest wirken bei beiden Bergsteigerinnen noch nach. „Man findet alles: lebende Legenden, junge Wilde, Abenteuersüchtige, Rekordsüchtige, Sinnsucher, und Touristen wie mich“, sagt Susanne Müller-Zantop. „Ich nehme viele Bilder mit und die Dankbarkeit dafür, dass ich zu den Privilegierten gehöre, die in ihrem Leben auf dem höchsten Punkt der Erde stehen durften. Ich nehme auch mit, dass ich mit meinen Ängsten (noch) besser umgehen kann als vorher. Und ich hatte wirklich viel Angst unterwegs.“

Anstrengung schnell vergessen

Ingrid Schittich war erstaunt, „dass nach zwei Tagen im Tal alle Anstrengung vergessen war und ich bereits überlegte, welche anspruchsvollen Gipfel ich noch bewältigen könnte. Zuvor habe ich es noch nie erlebt, dass eine Anstrengung so schnell vergessen ist.“ Sehr präsent ist dagegen noch das Erfolgserlebnis vom Mount Everest: „Das Glücksgefühl hält bisher immer noch an.“

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