Nordgrat – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Thomas Huber: „Latok I-Nordwand erscheint unbezwingbar“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-latok-i-nordwand-erscheint-unbezwingbar/ Fri, 28 Sep 2018 12:46:46 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=42099

Auf dem Sechstausender Panmah Kangri

„Meine Taktik, später anzureisen, ist diesmal nicht aufgegangen“, erzählt mir Thomas Huber nach seiner Rückkehr aus dem Karakorum. Es sei eine „voll gemischte“ Expedition gewesen. „Es ist unglaublich gut losgegangen, hat aber leider nicht so schön geendet.“ Der 51-Jährige, der ältere der beiden „Huberbuam“, war – wie berichtet – Anfang August mit dem 33 Jahre alten Südtiroler Simon Gietl, dem 59 Jahre alten deutschen Kletter-Routinier Rainer Treppte und dem französischen Kameramann Yannick Boissenot Richtung Latok I aufgebrochen, um den 7145 Meter hohen Berg über die Nordseite anzugehen.

Begegnung mit dem Bruder

„Am Anfang hat auch alles geflutscht“, berichtet Thomas. Die Anreise sei völlig ohne Probleme verlaufen, und am Eingang zum Choktoi-Tal habe es dann einen sehr schönen und emotionalen Moment gegeben: „Wir haben meinen Bruder Alexander und seinen Kletterpartner Fabian Buhl getroffen, die am Choktoi Ri ein tolles Abenteuer erlebt hatten und über das ganze Gesicht strahlten.“ Nach dem Treffen mit den beiden, die ihren Heimweg antraten, errichteten Thomas Huber und Co. ihr Basislager.

Nach einer Woche auf einem 6000er-Gipfel

Thomas Huber mit Simon Gietl, Rainer Treppte und Yannick Boissenot (v.r.)

Um sich zu akklimatisieren, bestieg das Team dann den 6046 Meter hohen Panmah Kangri. „Es lief perfekt. Nach einer Woche vor Ort standen wir auf unserem ersten Sechstausender, die nächste Stufe war der Latok III“, sagt Thomas. „Wir stiegen bis zu Lager 1 auf 5700 Metern auf und dann wieder hinunter.“ Ihr Plan sei gewesen, über den Südpfeiler zum Gipfel auf 6946 Metern zu klettern. „Wir kalkulierten dafür drei Tage, wenn alles super laufen und die Verhältnisse gut sein sollten.“

Drei Woche lang dichte Wolken

Doch es kam ganz anders. Das Wetter schlug um – und blieb schlecht. „Wir sahen drei Wochen lang den Gipfel nicht mehr“, erzählt Huber. Dichte Wolken hingen über dem Choktoi, es schneite. An Gipfelversuche war nicht mehr zu denken. Einmal, sagt Thomas, seien sie noch am Latok III bis Lager 1 aufgestiegen, dann aber wegen Schneefalls wieder zurückgekehrt.

Viel Schnee in der Wand

Nordwand des Latok I, rechts der Nordgrat

Huber, Gietl, Treppte und Boissenot erkundeten auch den Zustieg zur noch nie erfolgreich durchkletterten Nordwand des Latok I, „unserem eigentlichen Ziel in diesem Sommer“, wie Thomas sagt. „Wir haben den Plan total verworfen.“ Die Wand sei „winterlich verschneit“ gewesen, es habe jede Menge Spindrift gegeben. „Die Koreaner und Russen, die in diesem Sommer vor uns an der Nordwand waren, sind durch Lawinenabgänge verletzt worden“, erzählt Thomas. „Jetzt verstehe ich warum.“

Augen zu und durch!

Die Gefahren in der Wand seien nicht kalkulierbar, das gelte bereits für den Zustieg. „Die Nordwand erscheint unbezwingbar. Wenn du dorthin gehst, musst du mit dem Leben abschließen und dann: einfach Augen zu und durch!“ Schon die Seracs auf dem Weg zum Zustieg, so Thomas, seien „sehr aktiv. Da brauchst du einfach Glück.“ Das mögliche Alternativziel, die direkte Route über den Nordgrat zum Gipfel, sei machbar – jedoch nicht bei den Verhältnissen, wie sie Anfang September geherrscht hätten.

Super Stimmung im Team

„Wir haben alles versucht, was möglich und vom Bergsteiger-Verstand her vertretbar war“, bilanziert Thomas Huber. „Mehr ging nicht, das muss man einfach akzeptieren.“ Sie seien sicher nicht zum letzten Mal im Choktoi-Tal gewesen. „Mir gefällt es einfach da hinten“, sagt Thomas. „Wir hatten eine gute Zeit und eine super Stimmung im Team. Das ist das, was ich mit nach Hause genommen habe.“

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Latok I: Wie hoch kamen Gukov und Glazunov? https://blogs.dw.com/abenteuersport/latok-i-wie-hoch-kamen-gukov-und-glazunov/ Tue, 28 Aug 2018 13:48:58 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41889

Aufstieg in den Nebel

Kein Foto, kein Video, keine GPS-Daten. Wo genau am Siebentausender Latok I im Karakorum die beiden Russen Alexander Gukov und Sergey Glazunov am Abend des 23. Juli ihren Aufstieg beendeten, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Der GPS-Tracker der beiden funktionierte nicht richtig. Die Mini-Kamera, mit der sie den Aufstieg dokumentiert hatten, trug Sergey bei sich, als er am 25. Juli tödlich abstürzte. Die Leiche des 26-Jährigen konnte nicht geborgen werden. Zwei Tage zuvor hatten die beiden Russen im Nebel ihren höchsten Punkt erreicht. „19 Uhr. Sergey kletterte eine kleine Spalte zwischen einem Felsen und einem schneebedeckten Serac hinauf. Ich stand zehn Meter unter ihm. Der Schnee steilte sich fast senkrecht auf“, erinnert sich Alexander auf „mountain.ru“, wo heute eine englische Übersetzung seiner Äußerungen veröffentlicht wurde.

„Ich fühlte nicht den Gipfel“

Die Versionen von Glazunov und Gukov

„Ich startete die Videoaufnahme und kommentierte, dass wir irgendwo hinaufkletterten. ‚Was meinst du mit irgendwo? Das ist der Latok I, Sanya“, schrie mir Sergey zu. ‚Hol mich nach!‘, rief ich zu ihm hoch. ‚Das ist unrealistisch, Sanya. Hier ist alles mit Schneepilzen bedeckt, und es geht überall senkrecht runter‘, antwortete Sergey und begann abzusteigen.“ Stand Sergey wirklich auf dem höchsten Punkt des Latok I auf 7145 Metern? Er zweifle daran, räumt Gukov ein: „Ich fühlte nicht den Gipfel, ich erinnere mich nicht an den Vorgipfel-Grat, wir standen nicht zusammen da oben, umarmten und freuten uns über den Gipfel, so wie ich es mir erträumt hatte“, schreibt Alexander auf „mountain.ru“. „Ich denke, es war die Spitze des Nordgrats, der ‚Westgipfel‘ des Latok I.“

Entweder Nordgrat-Spitze oder Hauptgipfel, sagt Gukov

Alexander Gukov (r.) und Sergey Glazunov (l.) vor ihrem Aufstieg

Ich frage bei dem 42-Jährigen nach, ob er überzeugt sei, dass er und Sergey den Nordgrat wirklich bis zu dessen Ende geklettert seien. „Natürlich bin ich sicher“, antwortet mir Gukov. Die einzige Alternative sei, dass es sich – wie Sergey annahm – bei dem höchsten Punkt ihres Anstiegs nicht um den höchsten Punkt des Nordgrats, sondern um den Hauptgipfel des Latok I gehandelt habe. Eigentlich, schreibt Alexander auf „mountain.ru“ weiter, „spielt es für mich gar keine Rolle, ob wir den 360 Meter langen Gipfelgrat geklettert sind oder nicht.“ Es sei eine gute Klettertour gewesen, so Gukov. Obwohl er und Sergey erstmals gemeinsam unterwegs gewesen seien, hätten sie als Team gut harmoniert.

Nach dem Absturz Glazunovs hatte Gukov fast eine Woche lang am Nordgrat auf 6200 Metern festgesessen, ehe er von einem pakistanischen Rettungshubschrauber am langen Seil aus der Wand geflogen worden war. Er war stark dehydriert und hatte Erfrierungen an den Füßen. „Ich erhole mich ziemlich schnell“, schreibt mir Alexander aus Russland. Weiter gute Besserung!

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Kletterlegende Jeff Lowe ist tot https://blogs.dw.com/abenteuersport/kletterlegende-jeff-lowe-ist-tot/ Sat, 25 Aug 2018 15:27:50 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41835

Jeff Lowe (1950-2018)

“Die Kletterei wird schon gutgehen. Mach dich vom Seil frei. Es lenkt dich nur ab“, sagte Jeff Lowe einmal. Er war ein kompromissloser Kletterer. Lowe liebte es, alleine oder in kleinen Teams auf extremen Routen unterwegs zu sein. Mehr als 1000 Erstbegehungen gelangen dem US-Amerikaner in seiner Karriere. Jeff erblickte das Licht der (Berg-)Welt 1950 in Ogden im US-Bundesstaat Utah, als viertes von acht Kindern. Als er vier Jahre alt war, nahm ihn sein Vater zum Skifahren mit, zwei Jahre später auch zum Klettern. Die Familie war bergsportbegeistert.  Mit 14 kletterte Jeff seine erste Neuroute am Mount Ogden – solo. Häufig war er mit seinen Brüdern Greg und Mike sowie seinem Cousin George Henry Lowe unterwegs.

Legendärer Versuch am Latok I-Nordgrat

Vor allem zwei Unternehmungen Jeff Lowes sind legendär. 1978 versuchten Jeff und George Henry Lowe gemeinsam mit ihren Landsleuten Jim Donini und Thomas R. Engelbach am 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum in Pakistan, über den extrem schwierigen Nordgrat den Gipfel zu erreichen. 150 Meter unterhalb des höchsten Punkts hatten sie im Sturm umkehren müssen. Nach mehr als drei Wochen in der Wand waren sie entkräftet, aber wohlbehalten vom Berg zurückgekehrt. Mehr als 30 Versuche, exakte diese Route bis zum Gipfel zu vollenden, sind seitdem gescheitert. Immerhin war es – wie berichtet – am 9. August den Slowenen Ales Cesen und Luka Strazar sowie dem Briten Tom Livingstone gelungen, den Latok I erstmals über die Nordseite zu besteigen. Den Nordgrat hatte das Trio im oberen Bereich des Bergs jedoch verlassen.

Spektakuläre Route durch die Eiger-Nordwand

Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“

Nicht weniger spektakulär war Jeff Lowes legendäre Route „Metanoia“ (Buße) durch die Eiger-Nordwand. In einer Lebenskrise war Jeff im Winter 1991 in die Schweiz gekommen und hatte in neun Tagen solo und ohne Einsatz von Bohrhaken die extreme Eiger-Route eröffnet. Erst Ende 2016 war dem Deutschen Thomas Huber und den beiden Schweizern Stephan Siegrist und Roger Schaeli die erste Wiederholung der Route gelungen. „Wir waren zu dritt, Jeff war damals alleine. Ich habe mir bei jeder Seillänge, die ich als Seilerster geführt habe, vorgestellt, wie es sein muss, hier alleine unterwegs zu sein. Mental ist man da total beansprucht. Dass er das durchgezogen hat!“, wunderte sich Thomas hinterher. „Ich bin mit wahnsinnig viel Ehrfurcht aus der Route ausgestiegen.“

Unheilbare Krankheit

R.I.P.

In den letzten Jahren war Jeff Lowe an den Rollstuhl gefesselt und musste gepflegt werden. Er litt an einer seltenen, noch unheilbaren Krankheit, die in ihren Symptomen an Multiple Sklerose oder ALS erinnert. Als Lowe 2017 für sein Kletter-Lebenswerk mit dem Piolet d’Or geehrt wurde, dem „Oscar der Bergsteiger“, konnte er den Preis nicht mehr persönlich gegennehmen. „Ich bin froh, dass er jetzt von seinem physischen Körper und all seinen Schmerzen und dem Leiden, das er viele Jahre lang ausgehalten hat, erlöst wurde“, schreibt Jeffs Partnerin Connie Self, die ihn in den letzten acht Jahren gepflegt hatte, auf Facebook. Jeff Lowe wurde 67 Jahre alt.

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Slowenisch-britischem Trio gelingt Coup am 7000er Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/slowenisch-britischem-trio-gelingt-coup-am-7000er-latok-i/ Wed, 22 Aug 2018 20:49:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41805

Luka Strazar, Tom Livingstone, Ales Cesen (v.l.n.r.)

Es ist einer der spektakulärsten Erfolge des Jahres an den höchsten Bergen der Welt: Den beiden Slowenen Ales Cesen (36 Jahre alt) und Luka Strazar (29) sowie dem Briten Tom Livingstone (27) gelang am 9. August die erst zweite Besteigung des 7145 Meter hohen, extrem schweren Latok I im Karakorum – die erste überhaupt von der Nordseite aus. An dieser Aufgabe hatten sich seit dem legendären ersten Versuch 1978 über den Nordgrat, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umdrehen müssen, rund 30 Expeditionen die Zähne ausgebissen. „Der Grat selbst bleibt eine Herausforderung für die Zukunft“, sagte Tom Livingstone ganz bescheiden in einem Interview des British Mountaineering Council (BMC).

Nordgrat verlassen

Die Route des erfolgreichen Trios

Im oberen Teil des Bergs verließ das Trio den Nordgrat, kletterte zunächst über ein Eisfeld nach rechts Richtung Westsattel und querte anschließend nach links durch die Nordwand zum höchsten Punkt. „Unsere erste Priorität lag darin, den Berg von der Nordseite aus zu besteigen, der Weg über den Nordgrat war zweitrangig,“ sagte Tom. Aus Sicherheitsgründen habe man sich entschieden, von der Route über den Grat abzuweichen. Livingstone erinnerte in diesem Zusammenhang an den Absturz des russischen Kletterers Sergey Glazunov beim Abseilen aus dem oberen Teil des Nordgrats und die anschließende Hubschrauberrettung von dessen Teamkollegen Alexander Gukov. Das Trio hatte das Drama um die beiden Russen während seiner Akklimatisationsphase mitverfolgt.

„Schottische Verhältnisse“ am Gipfel

Strazar im Mittelteil des Nordgrats

Tom berichtete über konstant schlechte Biwakplätze auf schmalen Felsvorsprüngen: „Wir haben in den sechs Nächten am Berg nicht viel geschlafen. In puncto Kletterschwierigkeit war es nicht superhart, aber die Länge der Route, die große Höhe und die Schlaflosigkeit machten das Ganze doch sehr anstrengend.“ Am höchsten Punkt des Latok I, so Livingstone, hätten „schottische Verhältnisse“ geherrscht: Schneefall und schlechte Sicht. „Es gab keinen Riesenjubel am Gipfel, weil wir wussten, dass wir erst die Hälfte geschafft hatten“, berichtete Expeditionsleiter Ales Cesen in einem Interview des Rundfunksenders RTV Slovnija. „Erst als wir wieder auf dem Gletscher unterhalb der Wand standen, schrien wir vor Freude und umarmten uns.“

„Mehr als einfach nur gut gemacht“

Luka kurz vor der Stelle, an der die Route vom Nordgrat abknickt

Der deutsche Top-Kletterer Alexander Huber, der sich zur selben Zeit unweit des Latok I zusammen mit seinem 27 Jahre alten Landsmann Fabian Buhl am Südpfeiler des 6166 Meter hohen Choktoi Ri versuchte (beide wollen in Kürze über ihre Erlebnisse berichten), verneigt sich vor der Leistung Cesens, Strazars und Livingstones. „Mehr als einfach nur gut gemacht“, kommentierte der 49-Jährige den Erfolg auf Instagram.

Sein älterer Bruder Thomas Huber (51) war zum Zeitpunkt des Coups durch das slowenisch-britische Trio mit seinen Kletterpartnern Rainer Treppte (59), dem Südtiroler Simon Gietl und dem französischen Kameramann Yannick Boissenot noch auf dem Weg zum Latok I. Auch ihr Ziel: die Nordseite des Siebentausenders. Ob sie sich am Nordgrat oder der ebenfalls noch unbestiegenen Nordwand versuchen wollten, hatte Thomas mir gegenüber vor der Abreise noch offen gelassen.

P.S.: Wegen meines zurückliegenden Urlaubs kommt dieser Bericht ein paar Tage später, als ihr es normalerweise von mir gewohnt seid. 😉

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Thomas Huber vor Expedition zum 7000er Latok I: „Komplex und schwierig“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-vor-expedition-zum-7000er-latok-i-komplex-und-schwierig/ Wed, 01 Aug 2018 17:08:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41679

Thomas Huber mit Rainer Treppte und Simon Gietl (v.l.n.r.)

Thomas Huber sitzt auf gepackten Expeditionstonnen. „Ich freue mich riesig auf die Expedition“, sagt der 51-Jährige. Der Ältere der beiden „Huberbuam“ bricht an diesem Samstag Richtung Pakistan auf. Thomas will sich an der Nordseite des 7145 Meter hohen Latok I versuchen – gemeinsam mit dem 33-jährigen Südtiroler Simon Gietl und dem 59 Jahre alten Kletter-Routinier Rainer Treppte, der aus Sachsen stammt und seit langem im Allgäu lebt. „Ich war mit ihnen schon am Berg“, sagt Huber über seine beiden Kletterpartner. Im vergangenen Frühjahr gelang dem Trio an der Großen Zinne in den Dolomiten die wohl erste Wiederholung der schwierigen Route „La Strada“, die 1988 von den Polen Piotr Edelman und Jan Fialkowski erstmals gemeistert worden war. „Wir harmonieren als Team wunderbar, und wir haben alle Möglichkeiten, so ein Ziel wie den Latok I anzugehen“, findet Thomas Huber. Ich habe mit ihm auch über das Drama an eben diesem Siebentausender im Karakorum gesprochen, das uns tagelang in Atem gehalten hat.

Thomas, gestern kam die erlösende Nachricht, dass der russische Bergsteiger Alexander Gukov vom Latok I-Nordgrat gerettet wurde. Wie hast du diese dramatische Geschichte erlebt?

Gukov gerettet – nach 19 Tagen am Berg

Ich habe mich jeden Tag über „mountain.ru“ informiert, was passiert. Ich habe auf gutes Wetter gehofft und die Wetterberichte studiert. Meine Gedanken waren immer bei Alexander Gukov auf dem Nordgrat. Natürlich ist das ein ganz eigenes Gefühl, wenn man weiß, dass man selbst bald an diesem Berg sein wird. Man hofft dann nur, dass es gut ausgeht. Man sollte aber auch nicht den tragischen Tod von Sergey Glazunov vergessen, der beim Abseilen in den Tod stürzte.

So etwas ist nie schön, wenn man wirklich für einen Berg brennt. Und für mich ist der Latok ja ein ganz besonderer Berg. Meine Karriere an den ganz hohen Bergen hat mit der Erstbegehung der Latok II-Westwand 1997 (zusammen mit seinem Bruder Alexander Huber, Toni Gutsch und dem US-Amerikaner Conrad Anker) begonnen. Und 21 Jahre später reise ich zum Latok I – an einen Berg, an dem gerade ein unglaubliches Drama passiert ist.

Nordwand des Latok I, rechts der Nordgrat

Reist du deswegen mit gemischten Gefühlen dorthin?

Es ist nicht ganz leicht. Ich bin jedoch im Augenblick erleichtert, dass die ganze Energie, die in die Rettung hineingesteckt wurde, am Ende belohnt wurde und dass Alexander lebendig und wohlbehalten vom Berg gebracht werden konnte. Ich glaube, für ihn war es eine Erlösung. Ich bin froh, dass wir, wenn alles gut läuft, erst in zweieinhalb Wochen unsere Zelte auf dem Choktoi-Gletscher aufschlagen werden. Damit vergeht noch ein bisschen Zeit, in der sich alles wieder ein bisschen beruhigen kann.

Warum seid ihr so spät in der Saison dran?

Ich glaube, dass es aufgrund der Klimaerwärmung besser ist, später zu fahren, weil der Berg dann sicherer ist. Nach allem, was ich von den Russen und auch den Slowenen gelesen habe, war es im Juli am Latok I extrem warm und damit auch extrem gefährlich. Alexander Gukov und Sergey Glazunov sind trotzdem aufgestiegen. Ich glaube, dass die Verhältnisse nicht optimal waren.

Ich muss allerdings sagen, dass ich mich über diese Expeditionen nicht großartig informiert habe. Ich bin lieber klettern gegangen. Ich wollte mich aus dem Geschehen am Latok I ausklinken, weil ich die Konkurrenzsituation gespürt habe. Ich bin froh, dass ich nicht zur selben Zeit am Berg war, weil definitiv alle Entscheidungen nicht mehr objektiv getroffen werden können, wenn andere Expeditionen am selben Berg, an derselben Route, mit demselben Ziel unterwegs sind. Ich freue mich darauf, dass wir alleine am Berg sein werden. Wie werden unsere Chance wahrnehmen oder auch erkennen, dass es zu gefährlich ist. Wir werden natürlich alles versuchen. Es macht mir Spaß, Herausforderungen anzunehmen, die unmöglich erscheinen. Aber ich werde auch akzeptieren, wenn das Risiko nicht kalkulierbar ist. Dann werde ich sagen: Okay, das muss nicht sein.

Thomas bricht wieder auf

Habt ihr euch schon festgelegt, ob ihr die Nordwand oder den Nordgrat versuchen wollt?

Nein. Ich habe ein Ziel, eine Idee. Aber der Berg wird dir immer wieder etwas Neues zeigen. Die Verhältnisse und das Wetter werden dir genau den einzigen Weg zeigen, der für dich möglich ist. Die ganze Nordseite ist so komplex und so schwierig. Wir werden sehen.

Du reist nach 2015 und 2016 nun schon zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren zum Latok I. Hast du dich in diesen Berg verbissen?

Das habe ich noch nie gemacht, ich verbeiße mich nicht in einen Berg. Aber ich bin noch nie richtig am Latok I gescheitert, weil es immer schon im Vorfeld schief gegangen ist. Ich habe noch keinen einzigen Pickelschlag am Latok I gesetzt. Wenn ich mich an ihm versuchen darf und er mir zeigt, dass er zu schwierig für mich ist, dann habe ich mit diesem Berg einen Frieden geschlossen.

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Alexander Gukov vom Latok I gerettet https://blogs.dw.com/abenteuersport/alexander-gukov-vom-latok-i-gerettet/ Tue, 31 Jul 2018 06:52:30 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41619

Alexander im Rettungshubschrauber

Gute Nachricht aus dem Karakorum:  Alexander Gukov ist gerettet. Der 42 Jahre alte russische Bergsteiger hatte fast eine Woche lang am Nordgrat des Siebentausenders Latok I auf 6200 Metern festgesessen, ohne Lebensmittel und ohne Ausrüstung. Bei endlich guter Sicht, jedoch starkem Wind, gelang es pakistanischen Hubschrauberpiloten, Alexander am langen Seil vom Berg zu holen.

 

Sicherung am Berg nicht gelöst

Rettung nahe dem Nordgrat

Zwei Helikopter waren im Einsatz. Nachdem die Piloten Gukovs orangefarbenes, schneebedecktes Zelt auf einem kleinen Felsvorsprung entdeckt hatten, versuchten sie, die Rettungsleine zu dem Bergsteiger hinabzulassen. Nach 15 Minuten gelang es Alexander, das Seil zu greifen und sich einzuklinken. Er vergaß jedoch, seine Sicherung am Berg zu lösen. Glücklicherweise gab der Haken nach einer Weile nach. Gukov wurde zunächst ins Basislager und nach der Erstversorgung weiter ins Militärkrankenhaus in der nordpakistanischen Stadt Skardu geflogen. In den vergangenen Tagen waren die Rettungshubschrauber insgesamt siebenmal aufgestiegen, hatten aber wegen dichter Wolken am Berg immer wieder unverrichteter Dinge zurückkehren müssen.

Erfrierungen an den Füßen

Erste Versorgung im Basislager

Gukov geht es offenbar den Umständen entsprechend gut. Er habe Erfrierungen an den Füßen und eine leichte Verletzung an der Brust durch den Transport mit der Rettungsleine, berichtet mountain.ru unter Berufung auf die Ärzte in Skardu. Außerdem sei Alexander stark dehydriert. „Ich war kurz davor zu halluzinieren“, wird Gukov zitiert. „Tag und Nacht gingen Lawinen ab. Ich dachte, sie würden mich nicht mehr retten. Ich hatte keine Kraft mehr, meine Füße aus dem Schnee auszugraben. Ich habe einfach nur noch dagelegen.“

Gukov war insgesamt 19 Tage lang am Berg. Sein 26 Jahre alter Seilpartner Sergey Glazunov war – wie berichtet – am Dienstag vergangener Woche beim Abseilen in den Tod gestürzt. Die beiden Russen hatten versucht, den Nordgrat des Latok I erstmals bis zum Gipfel auf 7145 Meter Höhe zu klettern. Offenbar waren sie auf einer Höhe von knapp 7000 Metern umgekehrt.

Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umdrehen müssen, sind rund 30 Versuche gescheitert, die Route über den Nordgrat zu meistern.

2015 waren Gukov und sein Landsmann Aleksei Lonchinsky für ihre neue Route durch die Südwand des 6618 Meter hohen Thamserku in Nepal mit dem Piolet d’Or ausgezeichnet worden, dem „Oscar der Bergsteiger“.

P.S.: Dank an Anna Piunova von mountain.ru für die Informationen aus erster Hand in den vergangenen Tagen.

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Immer noch keine Rettung Gukovs möglich https://blogs.dw.com/abenteuersport/immer-noch-keine-rettung-gukovs-moeglich/ Mon, 30 Jul 2018 12:46:36 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41609

So sieht es seit Tagen am Latok I aus

Das Drama am Latok I geht weiter. Wieder ist ein Tag verstrichen, an dem Alexander Gukov am Nordgrat des Siebentausenders im Karakorum festsitzt, ohne dass ihn Hilfe erreichen konnte. Wie schon das gesamte Wochenende über verhinderten auch heute dichte Wolken, dass sich Rettungshubschrauber der Stelle auf rund 6200 Metern nähern konnten, an dem der 42 Jahre alte russische Bergsteiger seit Mittwoch vergangener Woche ausharrt – ohne Lebensmittel und ohne Ausrüstung. Die Hubschrauber stiegen zwar auf, kehrten aber wieder zurück, ohne Gukov nahe gekommen zu sein. „Heute wird es keine weiteren Versuche geben“, berichtet mountain.ru. „Das Wetter wird schlechter.“ Es ist wie verhext. „Stell dir vor, alles ist frei, nur der Latok steckt vollkommen in Wolken!“, ließ Viktor Koval aus dem Basislager wissen. „Die Piloten habe es kaum geschafft, wegzufliegen.“

Russische Spezialisten auf dem Weg

Gukovs Position am Nordgrat des Latok I (s. Pfeil)

Mit den Slowenen Ales Cesen und Luka Strazar sowie dem Briten Tom Livingstone sind drei weitere Topbergsteiger im Latok I-Basislager eingetroffen. Nach wie erscheint die Option, Gukov vom Hubschrauber aus am langen Seil vom Berg zu holen oder ihn wenigstens mit Lebensmittel und Material zu versorgen, die erfolgversprechendste zu sein. Allerdings müsste es dafür für eine Weile aufklaren. Inzwischen ist eine russische Hubschraubercrew nach Pakistan aufgebrochen, die sehr viel Erfahrung mit Rettungen am langen Seil hat. Die beiden Russen sollen die pakistanischen Rettungskräfte unterstützen.

Seit Samstag kein Kontakt mehr

Weil der Akku von Gukovs Satellitentelefon seit Samstag erschöpft ist, gibt es keinen Kontakt mehr zu dem Bergsteiger. Alexander ist nun bereits seit 18 Tagen am Berg. Sein 26 Jahre alter Seilpartner Sergey Glazunov war – wie berichtet – am Dienstag vergangener Woche beim Abseilen in den Tod gestürzt. Die beiden Russen hatten versucht, den Nordgrat des Latok I erstmals bis zum Gipfel auf 7145 Meter Höhe zu klettern. Offenbar waren sie auf einer Höhe von knapp 7000 Metern umgekehrt. Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umdrehen müssen, sind rund 30 Versuche gescheitert, die Route über den Nordgrat zu meistern.

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Bangen um Alexander Gukov am Latok I https://blogs.dw.com/abenteuersport/bangen-um-alexander-gukov-am-latok-i/ Fri, 27 Jul 2018 13:59:20 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41579

Alexander Gukov (2014)

Alexander Gukov muss weiter durchhalten. Am heutigen Freitag umhüllten dichte Wolken den 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum in Pakistan. Der Hubschrauber der pakistanischen Armee, mit dem der 42 Jahre alte russische Bergsteiger vom Nordgrat gerettet werden soll, blieb am Boden. Wie gestern berichtet, steckt Gukov in 6200 Meter Höhe ohne Ausrüstung fest, sein Seilpartner Sergey Glazunov war beim Abseilen in den Tod gestürzt. „Verdammt! Wo kommen nur all die Lawinen her? Ich kann mir nicht mal Wasser kochen“, schrieb Alexander heute per SMS an Anna Piunova von mountain.ru. Später klang er wieder etwas optimistischer: „Mir ist es gelungen, ein halbes Snickers zu finden und auch etwas Wasser zu trinken.“ Seine Lebensmittelvorräte sind nach mehr als zwei Wochen am Berg längst aufgebraucht.

Mehrere Optionen

Hier wartet Gukov auf Hilfe

Noch ist nicht ganz klar, wie Gukov gerettet werden soll. Es gibt mehrere Optionen. Die Retter könnten versuchen, ihn vom Hubschrauber aus mit einem langen Seil vom Berg zu holen. Oder sie versorgen Alexander aus der Luft mit Lebensmitteln und Ausrüstung, sodass er selbstständig weiter absteigen kann. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass andere Bergsteiger ihm auf dem Grat entgegensteigen. Der Italiener Herve Barmasse und der Deutsche David Göttler, derzeit am Fast-Achttausender Gasherbrum IV, haben ihre Hilfe angeboten, konnten bisher aber nicht zum Latok I gebracht werden. „Das schlechte Wetter setzt sich fort. Keine Chance zum Latok I zu fliegen“, schrieb Herve auf Instagram. Laut Wetterprognose könnte sich unter Umständen am Samstagvormittag ein kleines Fenster öffnen. Durchgreifend besser soll das Wetter aber erst ab Sonntag werden.

Update 28. Juli: Auch am heutigen Samstag war wegen Wolken am Berg kein Rettungsflug möglich. Die Batterie von Gukovs Satellitentelefon ist inzwischen leer, sodass er keine SMS mehr versenden kann. Ein Licht zeichnet sich am Horizont ab:  Das Wetter hat sich verbessert, hier und da ist der Himmel schon sichtbar, aber der Berg ist noch verhüllt. Für morgen sieht es gut aus“, berichtet Viktor Koval aus dem Latok I-Basislager.

Wetter am Sonntag

Update 29. Juli: Wieder nichts. In der Nacht von Samstag auf Sonntag fielen 20 Zentimeter Neuschnee. Der Latok I blieb in Wolken. Erst am Nachmittag konnte der Rettungshubschrauber aufsteigen. Sichtkontakt zu Gukov hatten die Piloten offenbar nicht. „Heute werden die Hubschrauber nicht mehr fliegen. Ich hoffe, Sascha hat uns gehört. Er hört, dass wir ihn nicht verlassen, nicht vergessen haben .Wir tun alles, was möglich ist, auch bei schlechtem Wetter. Morgen wird es laut Vorhersage von morgens bis abends klar sein. Hilf uns, Herr!“, schrieb Anna Piunova hinterher auf mountain.ru. 

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Drama am Siebentausender Latok I in Pakistan https://blogs.dw.com/abenteuersport/drama-am-siebentausender-latok-i-in-pakistan/ Thu, 26 Jul 2018 20:04:00 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=41553

Gukovs Position am Nordgrat des Latok I (s. Pfeil)

Daumendrücken für Alexander Gukov! Nach Informationen von Anna Piunova von der Internetseite mountain.ru sitzt der 42 Jahre alte russische Bergsteiger am Nordgrat des 7145 Meter hohen Latok I im Karakorum auf einer Höhe von 6200 Metern fest. Gukov habe am Mittwoch einen Notruf  abgesetzt: „Ich brauche Hilfe. Ich muss evakuiert werden. Ich hänge ohne Ausrüstung in der Wand.“ Sein 26 Jahre alter Kletterpartner Sergey Glazunov sei beim Abseilen in den Tod gestürzt.  

Rettung am langen Seil?

Offenbar waren die beiden am Dienstag auf einer Höhe von knapp 7000 Metern umgekehrt. Wegen schlechten Wetters mit Regen und Schneefall konnte ein Rettungshubschrauber der pakistanischen Armee bisher noch nicht aufsteigen. Es soll versucht werden, Gukov am langen Seil vom Berg zu holen. Einige Bergsteiger haben angeboten, sich an der Rettungaktion zu beteiligen – darunter der Italiener Herve Barmasse und der Deutsche David Göttler, die sich in diesem Sommer an der Südwestwand des 7925 Meter hohen Gasherbrum IV versuchen. Sie müssten mit dem Hubschrauber zum Latok I geflogen werden.

Vor zwei Wochen aufgebrochen

Alexander Gukov (l., 2014 mit Aleksei Lonchinsky)

Am 12. Juli waren Gukov und Glazunov aufgebrochen, um den Nordgrat erstmals bis zum Gipfel zu klettern. Spitzenkletterer aus aller Welt haben sich an dieser Aufgabe schon die Zähne ausgebissen. Seit dem legendären ersten Versuch 1978, als die US-Amerikaner Jeff und George Henry Lowe, Michael Kennedy und Jim Donini  im Sturm rund 150 Meter unterhalb des Gipfels hatten umkehren müssen, sind rund 30 Versuche gescheitert, die Route zu meistern. Gukov hat in der Szene einen Namen. 2015 erhielt er mit seinem Landsmann Aleksei Lonchinsky  für ihre neue Route durch die Südwand des 6618 Meter hohen Thamserku in Nepal den Piolet d’Or, den „Oscar der Bergsteiger“.

Mit gebrochenen Knochen zurück aus der Nordwand

Andere Mitglieder  der russischen Expedition zum Latok I hatten versucht, die Nordwand zu durchklettern. Wegen Steinschlags waren sie umgekehrt. „Wir haben den Abstieg ins Basislager überlebt, aber Helm, Rippe und Knochen sind gebrochen“, meldete Victor Koval nach Russland. „Am Ende traf uns eine Lawine.“  Eine slowenische Expedition ist ebenfalls vor Ort, um die Nordwand anzugehen.  Die beiden deutschen Kletterer Thomas Huber (der ältere der beiden „Huberbuam“ – der jüngere, Alexander Huber, ist derzeit mit Fabian Buhl am 6166 Meter hohen Choktoi Ri unterwegs, ebenfalls im Karakorum) und Rainer Treppte sowie der Südtiroler Simon Gietl sitzen quasi auf gepackten Koffern. Auch ihr Ziel: die Nordwand des Latok I.

Update 27. Juli, 11 Uhr: Alexander Gukov hat sich erneut bei Anna gemeldet: „Verdammt! Wo kommen nur die ganzen Lawinen her? Ich kann mir nicht mal Wasser kochen.“ Inzwischen wird erwogen, den Bergsteiger vom Hubschrauber aus mit Material zu versorgen. Möglicherweise wäre Alexander dann noch in der Lage, selbstständig abzusteigen. Herve Barmasse schreibt aus dem Gasherbrum-Basislager: „Das schlechte Wetter setzt sich fort. Keine Chance zum Latok I zu fliegen.“

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Thomas Huber: „Ich fahre mit lachendem Herzen“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/thomas-huber-pakistan/ Sat, 13 Aug 2016 08:37:23 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=33453 Thomas Huber bricht wieder auf

Thomas Huber bricht wieder auf

Unglaublich – das beschreibt das derzeitige Leben Thomas Hubers ziemlich treffend. Kein Wunder, dass der 49 Jahre alte deutsche Topkletterer dieses Wort sehr häufig verwendet, als wir miteinander telefonieren. Thomas hatte, wie er selbst sagt, „unglaubliches Glück“, als er am 5. Juli seinen 16-Meter-Sturz aus einer Felswand überlebte. Er ist so „unglaublich schnell“ wieder auf die Beine gekommen, dass er in Kürze sogar – wie vor dem Absturz geplant – mit einer  „unglaublichen Freude“ auf Expedition nach Pakistan gehen kann. Wirklich unglaublich! Ziel ist die Nordseite des 7145 Meter hohen Granitriesen Latok I im Karakorum. Zu Hubers Team gehören Toni Gutsch – der schon 1997 mit den Huberbuam und dem US-Kletterer Conrad Anker an der Westwand des Latok II (7108 Meter) erfolgreich war – und Sebastian Brutscher.

Legendäres Scheitern

Das deutsche Trio wird sich das Basislager mit den US-Amerikanern George Henry Lowe, Jim Donini und Thomas R. Engelbach teilen, die in der Gegend ein wenig an Sechstausendern herumklettern wollen. Lowe und Donini, beide inzwischen über 70, schrieben 1978 am Latok I Geschichte: Zusammen mit Georges Cousin Jeff Lowe und Michael Kennedy eröffneten sie die Route über den Latok I-Nordgrat. 150 Meter unterhalb des Gipfels mussten sie im Sturm umkehren. „Das bemerkenswerteste Scheitern in der Alpingeschichte“, sagt Thomas Huber anerkennend. 26 (!) Tage am Stück verbrachten die vier US-Kletterer damals auf dem Grat, ehe sie völlig entkräftet, aber wohlbehalten ins Basislager zurückkehrten.

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas beim Hypoxie-Training

Thomas, du brichst in Kürze Richtung Pakistan auf, wenige Wochen nach deinem 16-Meter-Sturz und der Operation am Kopf. Wie kann das gehen?

Es war ja eine Schädelfraktur, die so behoben wurde, dass ich keine bleibenden Schäden zu erwarten hatte. Wir haben dann etliche medizinische Tests gemacht, mit Neurologen zusammengearbeitet. Ich habe mich mit einem speziellen Programm von Markus Göbel auf die große Höhe vorbereitet. Über Sauerstoffreduktion kann man dabei Höhen von bis zu 6000 Metern simulieren. Wir haben immer wieder die Gehirnströme gemessen und Kernspin-Tomographien gemacht. Das Ergebnis: Es hatte keine Auswirkungen auf mein Gehirn, es haben sich keine Ödeme gebildet. Die Ärzte haben mir eine so genannte „selbstverantwortliche Freigabe“ erteilt. Sie haben gesagt: „Thomas, letztendlich musst du es selber wissen.“ Ich habe mich Schritt für Schritt auf diesen Moment vorbereitet. Ich habe gar nicht mal immer an die Expedition gedacht, sondern wollte einfach gesund werden. Mit der Energie, die ich auch von außen, von meinem Umfeld bekommen habe, bin ich so unglaublich schnell genesen, dass ich jetzt den Mut habe, diese Expedition zu starten. Ich sage Ja zu dieser Expedition. Aber es braucht sich niemand Sorgen zu machen. Ich habe auch den Mut, in jedem Moment Nein zu sagen. Wenn ich merke, es passt körperlich nicht, sage ich Nein.

Du warst inzwischen auch wieder klettern, wie fühlte sich das an?

Noch ein bisschen wackelig. Die drei (gebrochenen) Dornfortsätze an den Wirbeln sind noch nicht optimal verwachsen. Da muss ich mich noch ein bisschen gedulden. Aber ich kann schon wieder Rucksäcke tragen. Ich bin mit meinem Sohn durch die Watzmann-Ostwand geklettert, über die Wiederroute auf die Mittelspitze. Ich war auch viel berglaufen. Das alles kann ich schmerzfrei machen, ohne Schwindel, ohne Kopfschmerzen. Nur die asymmetrische Belastung über den Rücken schmerzt beim Klettern hin und wieder noch ein bisschen.

Sprang beim Klettern auch mal das Kopfkino an, in dem Sinne, dass du an den Sturz gedacht hast?

Eigentlich nur einmal ganz kurz. Bei uns in der Kletterhalle gibt es eine automatische Rolle. Du kletterst hinauf, setzt sich dann in ein lockeres Gurtband und fährst langsam wieder nach unten. Dort habe ich für einen kurzen Moment gezögert. Ich habe hinuntergeschaut, das waren 15 Meter, etwa die Höhe, aus der ich im freien Fall abgestürzt war. Ich bin dann erst einmal zurückgeklettert. Meine Tochter war dabei und hat gesagt: „Beim nächsten Mal setzt du dich rein!“ Das habe ich dann auch gemacht, und es hat gepasst. Wenn ich gesichert bin, habe ich keine Probleme. Der Absturz ist passiert, weil das Kletterseil nicht normgerecht, sondern abgeschnitten war. Ich hatte unglaubliches Glück, das ich dankbar angenommen habe. Deshalb habe ich auch keine Albträume oder Kopfkino, dass ich denke: „Oh Gott, was ist da passiert?“ Ich bin dankbar und glücklich, dass ich leben und nach vorne schauen darf. Für mich heißt das jetzt, zum Latok I zu gehen. Ich sehe noch lange nicht den Gipfel. Vielleicht komme ich dort oben an, vielleicht auch nicht.  

Nordwand des Latok I

Nordwand des Latok I

Eigentlich ist die Bergsteiger-Saison im Karakorum doch gerade zu Ende gegangen. Warum seid ihr so spät dran?

Die Latok I-Nordwand bekommt sehr viel Sonne ab, weil sie auch eine Ostkomponente hat. Von fünf Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags ist sie immer in der Sonne. Deshalb haben wir uns entschieden, im Herbst hinzugehen, wenn der Sonnenstand viel niedriger ist. Nur wenn die Wand im Schatten liegt, kann man sie durchsteigen. Sonst ist es unmöglich. Ich habe mir die Wetterdaten angesehen. Auch im Herbst gibt es brauchbares Wetter, und es ist einfach kälter.

Du hast jetzt von der Nordwand gesprochen, in früheren Berichten hieß es, ihr wolltet die Nordgrat-Route vollenden. Was genau habt ihr vor?

Es wird immer viel zu viel im Vorfeld geredet. Du musst vor der Wand stehen, und dann nimmst du genau den Weg, der dir am lässigsten und günstigsten erscheint. Vielleicht geht die Nordwand, vielleicht ist aber auch der Nordgrat der einzig mögliche Weg in dieser Jahreszeit und bei diesen Verhältnissen. Du musst immer flexibel sein. Wenn du an so einem Berg zu sehr auf ein einziges Ziel fixiert bist, ohne Alternativen zuzulassen, wirst du sehr wahrscheinlich ohne Gipfelerfolg zurückkommen. An solchen Bergen hast du vielleicht einen Plan, musst dann aber doch wieder neue Wege suchen, weil sich die Verhältnisse ständig ändern.

Weiter bergsteigen

Thomas 2015 am Latok I

Egal, ob Nordwand oder Nordgrat des Latok I, an beiden haben sich dutzende Expeditionen die Zähne ausgebissen. Kann man da überhaupt von einer Erfolgschance reden?

Nein, das kann man nicht. Aber beim Bergsteigen reizt es ja gerade, dorthin zu gehen, wo viele gescheitert sind. Deshalb bin ich damals zum Beispiel auch zum Ogre gegangen, einem unglaublichen Berg. (Thomas gelang 2001 mit den Schweizern Urs Stoecker und Iwan Wolf die zweite Besteigung des 7285 Meter hohen Bergs im Karakorum). Genauso sehe ich die Latok I-Nordwand. Das ist ein ausgesprochen schönes Ziel. Vielleicht auch inspiriert dadurch, dass so viele es nicht geschafft haben, glaubst du, dass du es durch deine Erfahrung, dein Können, vielleicht auch dein Glück schaffst, als Erster durchzukommen. Das reizt gewaltig.

Denkst du, dass du nach deinem Sturz jetzt das Unterwegssein noch mehr genießen wirst, unabhängig davon, ob ihr Erfolg habt oder nicht?

Ich fahre mit einer unglaublichen Freude dorthin. Es ist ein Riesengeschenk. Egal ob ich auf den Latok I hochkomme oder nicht, allein, dort jetzt unterwegs sein zu dürfen, ist unbeschreiblich. Diese Freude und Energie nehme ich auch mit. Irgendwann musst du die hohen Erwartungen hinter dir lassen und sagen: „Jetzt denke ich nicht mehr an das, was ich erreichen möchte, sondern begebe mich auf die Reise und lasse mich auf das Projekt ein.“ Ich habe ein wunderbares Team. Und ich glaube, wenn es über diese Energie eine Dynamik erfährt, dann kann man verrückte Dinge machen und Großes schaffen. Aber auch wenn ich ohne Gipfelerfolg heimkehre, fahre ich mit einem lachenden Herzen nach Hause, weil ich wieder gesund sein darf – und wild.

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