Sturm – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Whiteout am Mount Vinson https://blogs.dw.com/abenteuersport/whiteout-am-mount-vinson/ Sat, 22 Dec 2018 17:57:25 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=43063

Mount Vinson, einer der „Seven Summits“

Weihnachten mit der Familie unter dem Christbaum – daraus wird möglicherweise nichts für rund 40 Bergsteiger in der Antarktis. Seit rund einer Woche sitzen mehrere Teams im Basislager zu Füßen des 4852 Meter hohen Mount Vinson fest, des höchsten Bergs des Kontinents. Schwere Stürme mit Geschwindigkeiten von rund 100 Stundenkilometern und heftiger Schneefall verhindern seit Tagen, dass Flugzeuge dort starten oder landen können. „Wir haben das Essen auf eine warme Mahlzeit am Tag rationiert“, schreibt mir Manuel Möller, mit dem ich 2014 zusammen auf Expedition am 7129 Meter hohen Kokodak Dome war, wo uns die Erstbesteigung gelang. Eigentlich hatte Manuel am 21. Dezember wieder zu Hause sein wollen: „Wir stellen uns inzwischen darauf ein, auch Weihnachten noch hier zu verbringen.“

150 Meter und dem Gipfel umgekehrt

Das Vinson-Massiv

Jürgen Landmann, der wie Manuel zum fünfköpfigen Team des deutschen Expeditionsveranstalter Amical alpin gehört, schreibt auf Facebook von einem möglichen „Mini-Schönwetterfenster“ am 27. Dezember: „Hoffen wir mal, dass wir dann hier wegkommen!“ Nach seinen Worten hatte das Team bei seinem Gipfelversuch 150 Meter unter dem höchsten Punkt umkehren müssen. Eine Teilnehmerin habe sich beim Aufstieg Erfrierungen an Nase und Wange zugezogen, ergänzt Manuel, „es sieht aber schon wieder besser aus.“  Insgesamt habe die Gruppe nur an zwei von zehn Tagen am Berg schönes Wetter gehabt.

Stimmung im Basislager noch ruhig

„Die Saison hier ist komplett crazy“, schreibt Manuel. „Die Ranger meinten, sie hätten noch nie so viel schlechtes Wetter gesehen. Gestern gab es 15 Zentimeter Neuschnee. Normalerweise schneit es hier einen Zentimeter pro Jahr.“ Die Stimmung im Basislager sei trotz der Hängepartie ruhig. Das Essen reiche wohl noch für zwei Wochen, auch Benzin sei noch vorhanden. „Es besteht also keine direkte Gefahr, zu verhungern oder zu verdursten“, beruhigt Manuel. „Trotzdem ist es irgendwie blöd, da nicht absehbar ist, wann sich die Bedingungen verbessern.“ Also Daumen drücken!

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Beck Weathers: „Ich würde es ohne Zögern wieder tun“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/beck-weathers-ich-wuerde-es-ohne-zoegern-wieder-tun/ https://blogs.dw.com/abenteuersport/beck-weathers-ich-wuerde-es-ohne-zoegern-wieder-tun/#comments Thu, 19 May 2016 07:56:41 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=32709 Beck-Weathers

Beck Weathers

Die Everest-Gipfelwelle rollt. In diesen Tagen werden sowohl auf der tibetischen Nord-, als auch auf der nepalesischen Südseite des höchsten Bergs der Erde dutzende, wenn nicht gar hunderte Gipfelerfolge erwartet. Ob sich die Everest-Anwärter von heute noch an Beck Weathers erinnern? Möglicherweise. Schließlich hat 2015 der erfolgreiche Hollywood-Film „Everest“ seine Geschichte noch einmal aufgearbeitet. Vor 20 Jahren wollte auch Beck auf das Dach der Welt steigen. Wegen Sehproblemen musste der Pathologe aus den USA auf rund 8400 Metern seinen Gipfelversuch abbrechen. Später geriet er in jenen Sturm, der innerhalb von 24 Stunden acht Bergsteigern das Leben kostete.

Dass Weathers noch lebt, grenzt an ein Wunder. Eigentlich war er schon so gut wie tot, seine Gefährten hielten ihn jedenfalls dafür. Nach einer Nacht im Whiteout ließen sie Beck ^im Schnee liegen, auf rund 8000 Metern, unweit des Südsattels. Beck erwachte aus seiner Bewusstlosigkeit und schleppte sich trotz schwerster Erfrierungen aus eigener Kraft ins Lager 4. Von dort brachte ihn ein Rettungsteam hinunter nach Lager 2 auf 6400 Metern. Von dort wurde Beck mit einem spektakulären Hubschrauber-Flug in Sicherheit gebracht. Weathers‘ rechter Arm musste bis knapp unterhalb des Ellenbogens amputiert werden. Beck verlor außerdem sämtliche Finger der linken Hand. Seine erfrorene Nase musste in zahlreichen Operationen rekonstruiert werden.

Ich habe anlässlich des 20. Jahrestags des Everest-Unglücks 1996 Kontakt zu Beck Weathers aufgenommen. Weil er auf Reisen war, konnte mir der 69-Jährige seine Antworten auf meine Fragen erst wenige Tage nach dem Jubiläum schicken.

Beck, das Unglück 1996 am Everest war für dich sicher eine der einschneidendsten Erfahrungen überhaupt. In welcher Weise hat es dein Leben verändert?

Es war ein Schlag ins Gesicht, der mich zwang, die Prioritäten in meiner Lebensweise zu ändern. Ich bin stolz darauf. Vorher definierte ich mich über Leistung, über Außenwirkung. Und ich fühlte mich nie wirklich wohl in meiner Haut. Dann musste ich mich ändern. Ich habe jetzt ein gewisses Maß Frieden in meinem Leben erreicht, ich fühle mich wohler, so wie ich bin. Und ich lebe bewusster von Tag zu Tag, mehr als jemals zuvor. Eigentlich hat das Unglück mein ganzes Leben friedlicher und lohnender gemacht.

Beck Weathers: It made my life more peaceful and rewarding

Mount Everest (l.) im ersten Tageslicht

Mount Everest (l.) im ersten Tageslicht

Ich nehme an, du hast dich selbst oft gefragt, wie du es geschafft hast, die Situation zu überleben, die du in deinem Buch als „Für tot erklärt“ bezeichnet hast. Wie erklärst du dir das eigentlich Unmögliche, 20 Jahre später?

Nun, ich habe mir sehr viele Gedanken darüber gemacht. Ich kann diese Frage nicht wirklich beantworten. Ich bin die Frage sowohl von der rein geistigen, als auch der rein physischen Seite angegangen, denn ich bin, soweit ich weiß, der einzige Mensch in der Geschichte des Alpinismus, der in den hohen Bergen wegen Unterkühlung ins Koma gefallen und wieder aus ihm erwacht ist. Ich denke, das Geistige spricht für sich. Und das Physische: Die Sonne ist auf so einem sehr hohen Berg selbst im Sturm, wenn sie sich den ganzen Tag verbirgt, unglaublich stark. Die Kleidung, die du trägst, ist darauf ausgelegt, Wärme zu speichern. Und letztlich reicht schon ein geringer Anstieg der Körpertemperatur, um wieder das Bewusstsein zu erlangen und die Augen zu öffnen. An diesem Punkt liegt dann die Entscheidung, ob du aufstehst und dich bewegst oder dich aufgibst, ganz allein bei dir.

Beck Weathers: Moving versus surrender

Nach dem Unglück wurde der Schwarze Peter hin und her geschoben. Wie beurteilst du das heute?

Damals gab es wirklich harte und schwere Schuldzuweisungen. Ich habe mich ganz bewusst entschieden, dabei nicht mitzumachen, vor allem, weil ich dachte, es wäre selbstzerstörerisch, darüber nachzudenken, wer daran Schuld sei. Das würde mich nur wütend machen und meine Emotionen und meine Aufmerksamkeit auf Bereiche lenken, die für mich sehr ungesund wären. Es war meine Entscheidung, dort zu sein, meine Beine haben mich dorthin getragen. Und letztlich war ich selbst in der Lage, zurück ins Hochlager zu gehen. Ganz ehrlich, wenn man jemand die Schuld dafür geben kann, was mir passiert ist, dann mir selbst. Ich werde nicht fragen: Warum hast du mir nicht aus der Patsche geholfen, warum hast du nicht meinen Allerwertesten gerettet? Ich halte das für einen schrecklich destruktiven Ansatz. Du musst selbst die Verantwortung für dein Handeln übernehmen.

Beck Weathers: Take responsibility for your own actions

Becks linke Hand

Becks linke Hand

Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest und die Gelegenheit hättest, deinen Entschluss, im Frühjahr 1996 zum Everest zu gehen, zurücknehmen könntest, würde du es trotzdem wieder tun?

Auch wenn ich, um ehrlich zu sein, damals nicht darüber nachgedacht haben – ja, ich würde es noch einmal tun, weil ich so viel mehr gewonnen als aufgegeben habe. Indem mich das Unglück zwang, meine Lebensweise zu überprüfen, hat es letztlich meine Ehe gerettet und auch meine Beziehung zu meinen Kindern. Und es hat mir 20 Jahre geschenkt, die die absolute interessantesten und besten Jahre meines Lebens gewesen sind. Ich gab also ein paar Körperteile, aber ich gewann so viel mehr. Also, ich würde es wieder tun, ohne eine Sekunde zu zögern.

Beck Weathers: I would do it again in a heart beat

Verfolgst du immer noch, was am Mount Everest passiert – und wenn ja, mit welchen Gefühlen?

Wenn wirklich etwas passiert und es von Interesse ist, schaue ich wie der Rest der Welt hin, wie im Fall der Lawine, die im Jahr 2014 im Khumbu-Eisbruch 16 Sherpas tötete, oder der Lawine im vergangenen Jahr vom Pumori auf das Basislager. Diese Dinge zwingen mich, noch einmal über den Everest nachzudenken: was dort passiert, auch darüber, was sich über die Jahre geändert hat. Ich habe niemals Traurigkeit empfunden, wenn ich an den Everest zurückdachte. Ich hatte niemals Alpträume, nichts hat mich gequält. Es gehört einfach zu den Dingen, die passiert sind, es ist ein Teil meines Lebens, ich nehme es an. Ich blicke ohne jedes Gefühl des Bedauerns zurück. Ich akzeptiere einfach, was das Leben für mich bereitgehalten hat. Und ich habe es hoffentlich geschafft, ein besserer Mensch zu werden, für die Herausforderung, vor die mich das Leben gestellt hat.

Beck Weathers: No feelings of regret

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Stürmische Zeiten https://blogs.dw.com/abenteuersport/stuermische-zeiten-nanga-parbat/ Sun, 29 Dec 2013 15:44:40 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=24897 Ralf beim ersten Aufstieg

Ralf beim ersten Aufstieg

Schon bevor Ralf das erste Wort ins Satellitentelefon spricht, weiß ich, in welchem Wetter er und Darek stecken. Der Wind rüttelt und zerrt am kleinen Zelt. Ein Hintergrundgeräusch, das niemand vergisst, der es schon einmal erlebt hat. Ralf Dujmovits und Darek Zaluski haben ihr Zelt auf einer Höhe von etwa 4900 Metern aufgeschlagen, unterhalb vom üblichen Lagerplatz eins der Kinshofer-Route, dort wo der Weg auf die Messner-Route abzweigt. „Es war gar nicht so leicht, das Zelt bei diesem Sturm aufzubauen“, sagt Ralf. „Da kam uns unsere Erfahrung aus vielen Expeditionen zugute.“

Fast umgeworfen

Darek am Rand einer Spalte

Darek am Rand einer Spalte

Der 52-Jährige schätzt die Windgeschwindigkeit auf 70 bis 80 Stundenkilometer. „Die Temperatur dürfte bei minus 20 Grad Celsius liegen, dazu der Wind, das tut schon richtig weh.“ Die beiden übernachten an der Stelle, bis zu der sie auch bei ihrem ersten Erkundungstrip aufgestiegen waren. „Unsere Spuren vom Aufstieg waren durch Neuschnee und Windverfrachtungen wieder verschwunden, wir mussten also erneut spuren“, berichtet Ralf. „Nur dort, wo Lawinen abgegangen waren, fanden wir harten Untergrund vor.“ Die Wind-Böen seien teilweise so stark gewesen, „dass sie uns mit den Rucksäcken fast umgeworfen hätten.“

Gemütlich

Darek (mit Weihnachtsgebäck im Basislager)

Darek (mit Weihnachtsgebäck im Basislager)

Kein Wunder, das sich Darek Zaluski im Zelt deutlich wohler fühlt. „Jetzt haben wir es hier richtig gemütlich“, sagt der 54 Jahre alte Pole. Darek hat schon fünf Achttausender bestiegen, darunter den Mount Everest und den K 2. Auch an drei polnischen Winterexpeditionen hat er teilgenommen, eine davon führte ihn vor 16 Jahren zum Nanga Parbat. Er habe sich einigermaßen von seinem Magen-Darm-Infekt erholt, meint Zaluski. „Mal sehen, wie weit ich aufsteigen kann.“ Morgen wollen sich die beiden nach einem ersten Lagerplatz auf der Messner-Route umsehen – vorausgesetzt, der Wind lässt einen weiteren Aufstieg zu. Wenn nicht, werden Ralf und Darek nicht erst am Nachmittag, sondern bereits am Morgen wieder ins Basislager absteigen.

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Nach Sturm, vor (Gipfel-) Sturm https://blogs.dw.com/abenteuersport/nach-sturm-vor-gipfel-sturm/ Mon, 27 Feb 2012 15:56:18 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=13283

Notdürftig geflickt

Die „Mutter aller Winterstürme“ ist am Wochenende über den Karakorum in Pakistan gezogen. Hart erwischt hat der Orkan mit Windgeschwindigkeiten bis zu 120 Stundenkilometer auch die beiden Expeditionen, die sich am Achttausender Gasherbrum I aufhalten. „Ich muss gestehen, so etwas habe ich noch nie erlebt“, schreibt der Österreicher Gerfried Göschl in seinem Blog. „Mit viel Glück und vollem Einsatz der ganzen Mannschaft war es uns möglich, das lebenswichtige Basislager zu halten.“ Drei Zelte stehen auf der Verlustliste, drei weitere wurden schwer beschädigt. 

Salto im Zelt

Auch die von Artur Hajzer geleitete polnische G I-Winterexpedition kämpfte gegen den Sturm. In einem spektakulären Video (siehe unten) ist zu sehen, wie das Zelt von Janusz Golab durch die Gegend gewirbelt wird, Bergsteiger im Schlafsack inklusive. Nach einem klassischen Salto landete das Zelt vier Meter entfernt, Janusz blieb unverletzt. „Das Wrack eines MI 17- Hubschraubers (der pakistanischen Armee) wurde 20 Meter weit weg geweht“, beschreibt Marek Karnecki die Wucht des Sturms.

Gipfelversuch

Die Bergsteiger beider Expeditionen wollen den „Hidden Peak“, wie der Gasherbrum I auch genannt wird, erstmals im Winter besteigen. Göschl hatte bereits vor Jahresfrist versucht, den 8080 Meter hohen Gipfel in der kalten Jahreszeit über eine neue Route zu erreichen, hatte aber wegen eines Sturms aufgeben müssen. Sowohl Gerfrieds als auch das polnische Team sind inzwischen zu einem Gipfelversuch aufgebrochen. Für den morgigen Dienstag hat Wetterfrosch Charly Gabl aus Innsbruck ein kleines Wetterfenster mit erträglichen Windgeschwindigkeiten im Gipfelbereich vorausgesagt.

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