Versicherungen – Abenteuer Sport https://blogs.dw.com/abenteuersport Blog über Expeditionen und Grenzerfahrungen Wed, 06 Mar 2019 10:38:57 +0000 de-DE hourly 1 Wenn am falschen Ende gespart wird https://blogs.dw.com/abenteuersport/wenn-am-falschen-ende-gespart-wird/ Sat, 19 Dec 2015 21:04:51 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=31547 Piloten im Dauereinsatz

Teure Rettungseinsätze

„Ich bin nicht in der Regierung um abzuwarten“, sagte Ananda Prasad Pokharel Anfang November nach seiner Ernennung zum neuen Tourismusminister Nepals. „Ich bin hier, um Dinge zu verändern.“ Einer seiner ersten Vorstöße zum Bergtourismus zeugt jedoch nicht gerade von Weitblick, sondern wirkt eher wie eine Schnapsidee. Pokharels Ministerium plant, die Versicherungssummen für die nepalesischen Beschäftigten bei Expeditionen zu senken – um bis zu 60 Prozent an Bergen, die niedriger als 6500 Meter sind. Damit solle der Bergtourismus wieder angekurbelt werden, hieß es. Die Besucherzahlen waren nach dem verheerenden Erdbeben im April und zusätzlich wegen der immer noch bestehenden Blockade an der Grenze zu Indien drastisch eingebrochen.
Auch bei vielen Nepalesen löst der Plan der Regierung jedoch eher Kopfschütteln aus. „Als Inhaber des Expeditionsanbieters Dreamers Destination Trek würde ich natürlich jede Kostenreduzierung für Versicherungen begrüßen. Sie wären gut für mein Unternehmen und meine Kunden“, schreibt mir Mingma Gyalje Sherpa. „Aber als Bergsteiger und auch als jemand, der aus einer Bergsteiger-Familie stammt, wünsche ich mir, dass die Versicherungssummen nicht gesenkt, sondern sogar erhöht werden.“

Kaum über die Runden gekommen

Mingma Gyalje Sherpa

Mingma Gyalje Sherpa

Der 29-Jährige, der bereits sieben Achttausender bestiegen hat und zuletzt mit einer schwierigen Erstbegehung am 6685 Meter hohen Chobutse für Furore gesorgt hatte, beschreibt das Schicksal seines Vaters: Der sei als junger Mann auch ein Spitzenbergsteiger gewesen, ehe er 1983 am Mount Everest acht Finger wegen Erfrierung verloren habe. Danach habe sein Vater nie mehr die Chance erhalten, an großen Expeditionen teilzunehmen und gutes Geld zu verdienen. Er sei kaum noch über die Runden gekommen. „Solche Umstände sollten jene Leute berücksichtigen, die Vorschriften erlassen.“

„Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“

Mingma am Chobutse

Mingma am Chobutse

Für viel zu niedrig hält Mingma die Versicherungsummen, die im Todesfall an die Familien der Verunglückten gezahlt werden: bei Expeditionen an Bergen, die höher als 6500 Meter sind, 15.000 US-Dollar für Hochträger und Bergführer sowie 8.000 Dollar für Basislager-Personal. „Das ist doch nichts in der heutigen Zeit“, sagt Mingma. Er plädiert dafür, nicht nur diese Versicherungssummen, sondern auch jene für Hubschrauber-Rettungsaktionen anzuheben, statt sie zu senken. 10.000 Dollar an hohen Bergen reichten bei weitem nicht aus, um im Falle eines Unglücks die Kosten zu decken. So würden bei einem Rettungsflug über 7000 Metern deutlich mehr als 15.000 Dollar fällig. Am Chobutse war Mingma beim Abstieg im schlechten Wetter in Not geraten und hatte sich per Hubschrauber in Sicherheit bringen lassen. „Die Rechnung belief sich auf 15.400 Dollar. Ich werde wohl kaum 10.000 Dollar von der Versicherung kriegen. Und den Rest darf ich dann aus der eigenen Tasche bezahlen.“

2016 entscheidet über die Zukunft

Es gebe deutlich wirksamere Mittel, um den Tourismus in Nepal wieder anzukurbeln, als die Versicherungssummen zu beschneiden, findet der Sherpa. So sollte sich die Regierung lieber darum kümmern, „für eine stabile politische Lage“ zu sorgen, sagt Mingma. Außerdem sei es sinnvoll, die Gültigkeit der Permits (Besteigungsgenehmigungen) von 2015 um zwei bis drei Jahre zu verlängern. „Es gibt Bergsteiger, die 2014 und 2015 nach Nepal gekommen sind, um Everest oder Lhotse zu besteigen. Sie habe in diesen beiden Jahren viel Geld ausgegeben und sind sicher sehr frustriert.“
Das Tourismusministerium solle sich darauf konzentrieren, zu vermitteln, dass Nepal ein in jeder Hinsicht sicheres Reiseland sei, meint Mingma. „Nur wenn es 2016 gut läuft, wird es auch in den folgenden Jahren so sein.“

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Jamling Tenzing Norgay: „Mein Vater wäre geschockt“ https://blogs.dw.com/abenteuersport/jamling-tenzing-norgay-mein-vater-waere-geschockt/ Mon, 30 Mar 2015 12:04:02 +0000 http://blogs.dw.com/abenteuersport/?p=28811 Jamling Tenzing Norgay

Jamling Tenzing Norgay

Jamling verdanke ich meine ersten Erfahrungen im Himalaya. Ich lernte den Sohn des Everest-Erstbesteigers Tenzing Norgay 2001 kennen, als er in Deutschland sein Buch „Auf den Spuren meines Vaters“ vorstellte. 1996 hatte er selbst auf dem Gipfel des höchsten Bergs der Erde gestanden. Jamlings Buch war das erste, in dem das Unglück am Mount Everest im Mai 1996 aus Sherpa-Sicht betrachtet wurde. Damals waren zwölf Bergsteiger ums Leben gekommen, die meisten Kunden kommerzieller Expeditionen. Am Ende unseres Treffens sagte Jamling: „Wenn du irgendwann mal nach Nepal kommen willst, sag‘ mir Bescheid! Dann helfe ich dir dabei, die Reise zu organisieren.“ Er hielt Wort. Im folgenden Jahr war es soweit: 2002, im Internationalen Jahr der Berge, wanderte ich zum Basislager auf der nepalesischen Seite des Mount Everest. Heute ist Jamling Tenzing Norgay ein begehrter Vortragsredner. Ich habe den 48-Jährigen gefragt, was er in diesem Jahr am Mount Everest erwartet.

Jamling, wir stehen am Beginn der Frühlingssaison am Everest. Glaubst du, dass es in Nepal „business as usual“ gibt oder dass es wegen der Ereignisse im letzten Jahr ganz anders kommt?

Ich denke, es wird wieder auf die gleiche Weise ablaufen wie in den Jahren zuvor. Ich fürchte, dass in diesem Jahr sogar mehr Leute dort sein werden, weil zu den Neulingen auch noch die Bergsteiger hinzukommen, die im vergangenen Jahr nicht zum Zuge kamen. Der einzige Unterschied im Vergleich zum Vorjahr ist, dass die Sherpas einen besseren Versicherungsschutz haben werden – und dass die kommerziellen Veranstalter und die lokalen Partneragenturen sie hoffentlich in diesem Frühjahr auch besser bezahlen.

Jamling mit Peter Hillary, dem Sohn des anderen Everest-Erstbesteigerns (2013)

Jamling mit Peter Hillary, dem Sohn des anderen Everest-Erstbesteigers (2013)

Hat sich die Stimmung unter den Sherpas nach dem Lawinenunglück des letzten Jahres und dem darauf folgenden vorzeitigen Ende der Klettersaison verändert?

Wir Sherpas sind fröhliche und zufriedene Menschen. Aber natürlich betrauern wir auch den Verlust unserer Sherpa-Brüder, die beim Bergsteigen ums Leben kommen. Nichtsdestotrotz machen wir mit dem weiter, was wir am besten können, und das ist Bergsteigen. Das Risiko nehmen wir bei unserer Arbeit in Kauf.

Was hältst du vom Auftreten der Expeditionsveranstalter? Haben sie aus den Geschehnissen von 2014 gelernt? Oder gab es möglicherweise gar keinen Grund für sie, irgendetwas zu ändern?

Ich finde, das Unglück von 2014 sollte den kommerziellen Veranstaltern und ihren lokalen Agenturen eine Lehre gewesen sein. Das Wichtigste, das jeder im Leben anstrebt, ist Sicherheit. Wir brauchen bessere Lebensversicherungen für die Climbing Sherpas und auch eine bessere Bezahlung.

Am allerwichtigsten ist, dass ihre Familien und Kinder im Falle unvorhersehbarer Ereignisse abgesichert  sind. Die Regierung Nepals sollte einen bestimmten Prozentsatz der Besteigungsgebühren in eine Stiftung einzahlen, die die Familien tödlich verunglückter Sherpas finanziell unterstützt und die Ausbildung der betroffenen Kinder sicherstellt.

Was würde wohl dein Vater sagen, wenn er noch lebte und sähe, was sich am Everest abspielt?

Ich glaube, er wäre geschockt, wenn er sähe, wie kommerzialisiert der Berg geworden ist – und dass der Everest von heute eine Spielwiese für jene ist, die glauben, man könne quasi über Nacht zu richtigen Bergsteigern werden.  

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