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Wolfgang: In der Freiheit bestehen

Wolfgang ThielmannLiebe drei,

 unser gemeinsamer Weg geht dem Ziel entgegen. Am Abend des Karsamstags liegt traditionell das Ende der Fastenzeit, wenn Jesus nach alter Tradition in der Hölle seinen Sieg verkündet hat und der Abend vor dem Ostermorgen anbricht. Dann wirft die Freude über die Auferstehung ihr Licht voraus (vom Schatten zu reden wäre wirklich unangebracht …).

Ich selber beende das Fasten, ähnlich wie Klaus, am Ostersonntag mit dem Gottesdienst um fünf Uhr früh und einem Frühstück in der Kirchengemeinde. Und ich freue mich darauf. Die letzten Tage ohne Fleisch, ohne Wein und Süßes sind mir noch einmal schwer gefallen. Eigenartig. Ich habe auch diese letzte Phase gebraucht.

Nein, Stefan, in der Tat: Wir sind keine neuen Menschen geworden. Im Neuen Testament werden die Christen in Ephesus aufgefordert, als es um das Neuwerden in Christus heißt: „Zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Da schwingt etwas mit, was auch in Ihren Resümees zum Ausdruck kam. Wir bleiben wir selbst. Aber wir werden neu eingekleidet. Martin Luther hat es in die dialektische Formel gebracht, der Mensch sein „gerecht und Sünder zugleich“. Bei sich selbst Sünder, bei Gott gerecht. Aber weil wir bei Gott gerecht sind, können wir den neuen Menschen anziehen. Wir können uns entscheiden. Darin liegt unsere Freiheit. Und unsere Berufung. „Ich glaube“, hat Dietrich Bonhoeffer formuliert, „dass Gott kein zeitloses Faktum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“ Das, unser Handeln und das Warten wie auch die Antwort Gottes, lässt uns in unserem Leben Sinn erkennen. Astrid will gute Nachrichten entdecken. Gute Nachricht heißt auf Griechisch, der Grundsprache des Neuen Testaments: Evangelium.

Dietrich Bonhoeffer möchte ich auch ans Ziel des Weges stellen. Auf dem Weg begleitete uns die erste Strophe des Gedichts aus der Haft im Jahr 1944 „Stationen auf dem Weg der Freiheit“. Es ging darum, sich zu beherrschen und Nein zu sagen. Stefan half es, dass wir an seiner Seite standen. Freiheit, die für andere verlässlich bleibt, umfasst auch den Verzicht.

Doch jetzt folgt der nächste Schritt: Lerne handeln. Deshalb habe ich angeregt, ein Resümee zu ziehen. Mit der zweiten Strophe des Gedichts geht unser Weg weiter. Und das Jauchzen am Schluss werden wir gemeinsam ausprobieren, wenn wir das Fastenbrechen miteinander feiern:

 

Tat

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen,

nicht im Möglichen schweben, sondern das Wirkliche tapfer ergreifen,

nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens

nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen,

und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend umfangen.

 

Datum

0 19.04.2014 | 13:11

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