More DW Blogs DW.COM

Abenteuer Sport

mit Stefan Nestler

Kaum ein Entrinnen

Kaum ein Entrinnen: Die tödliche Lawine vom Pumori

Kaum ein Entrinnen: Die tödliche Lawine vom Pumori

Das eigentlich Unvorstellbare geschah. Eine riesige Lawine, die sich als Folge des Erdbebens am Pumori gelöst hatte, traf am Samstag das Basislager zu Füßen des Mount Everest mit voller Wucht. Der Siebentausender liegt genau gegenüber dem höchsten Berg der Welt. Aber dass von dort aus eine Lawine den Rand des Khumbu-Eisbruchs erreichen würde, hatte kaum jemand auf der Rechnung. „Ich rannte weg, und dann schmiss es mich hin. Ich versuchte aufzustehen und wurde wieder niedergestreckt. Ich konnte nicht atmen, ich dachte ich wäre tot“, berichtet George Foulsham, ein Bergsteiger, der in Singapur lebt. Der 38 Jahre alte Meeresbiologe hatte Glück und überlebte. Wie viele Bergsteiger genau im Basislager ihr Leben verloren, ist noch immer nicht ganz klar. Ein Vertreter des  nepalesischen Tourismusministerium teilte mit, bisher seien 22 Tote aus der Region um den höchsten Berg der Erde geborgen worden: 17 direkt aus dem Basislager, fünf weitere aus tiefer gelegenen Gebieten. Über 200 Menschen würden noch in dem Gebiet vermisst.

Wie Spielkarten zusammengeknickt

Auch weiter talwärts hat das schwere Erdbeben vom Samstag große Schäden angerichtet. „Kaum ein Haus, das noch bewohnbar ist“, schreibt der Südtiroler Journalist Walther Lücker aus dem 4371 Meter hoch gelegenen Ort Pheriche. „In den Trümmern gruben Menschen nach ihren verbliebenen Habseligkeiten. Wände eingestürzt, Dächer aus Wellblech zusammengeknickt wie Spielkarten, Einrichtungsgegenstände nicht mehr an ihrem Platz, Menschen die verschreckt zwischen den Mauern umherirrten. Und über ihren Köpfen die Hubschrauber, die immer neue Verletzte brachten.“ In Pheriche betreibt die Himalayan Rescue Association seit vielen Jahren eine Krankenstation. Dorthin und nach Lukla wurden die Verletzten aus dem Basislager zunächst gebracht.

Nachbeben auch auf der Nordseite spürbar

Pumori (l.), das Everest-Basislager liegt im Talkessel rechts davon

Pumori (l.), das Everest-Basislager liegt im Talkessel rechts davon

Am Montag werden die Hubschrauber-Rettungsflüge am Everest fortgesetzt. Dann werden auch weitere Bergsteiger aus den Lagern oberhalb des Eisbruchs nach unten geflogen. Heute sorgte ein schweres Nachbeben der Stärke 6,7 auf der Richterskala erneut für Schrecken – diesmal allerdings ohne nennenswerte Folgen. Zu spüren waren die Erdstöße auch auf der tibetischen Nordseite des Mount Everest. „Wir sind fast stärker durchgeschüttelt worden als beim Hauptbeben gestern“, berichtete mir Ralf Dujmovits per Satellitentelefon aus dem Zwischenlager auf 5700 Metern. „Passiert ist hier aber nichts. Die Sherpas erzählen, dass gestern nach dem Beben eine Lawine am Nordsattel abging, ohne dass jemand zu Schaden kam.“ Als ich Ralf die neuesten Opferzahlen aus Nepal weitergebe, sagt er nur: „Furchtbar!“ Der erfolgreichste deutsche Höhenbergsteiger will in diesem Jahr den Everest ohne Flaschensauerstoff besteigen. Die chinesischen Behörden baten die Bergsteiger, ins Basislager zurückzukehren, bis die Nachbeben aufhören. Auch am Achttausender Cho Oyu untersagten sie alle Aktivitäten am Berg.

Flughafen in Kathmandu wieder geöffnet

Aus anderen Regionen Nepals gibt es bisher kaum Informationen. In Pokhara, einer Stadt mit etwa 250.000 Einwohnern, sollen die Schäden deutlich geringer ausgefallen sein als in der Hauptstadt Kathmandu. Das Zentrum des Bebens der Stärke 7,8 am Samstag hatte zwischen beiden Städten gelegen. Auch aus dem nahegelegenen Gebiet um die Achttausender Annapurna, Dhaulagiri und Manaslu gibt es bisher kaum Meldungen. Die wenigen lassen aber hoffen, dass dort nicht allzu viel passiert ist. Ein Vertreter der Umweltschutzbehörde ACAP, die die Permits für die Annapurna-Region vergibt, sagte dem britischen Sender BBC, es gebe keine Berichte über Lawinen oder gestrandete Bergsteiger und Trekkingtouristen.

Der Flughafen von Kathmandu, der zeitweilig gesperrt war, wurde inzwischen wieder geöffnet. In ganz Nepal ist die Zahl der Toten auf über 2500 (Stand 19:00 MESZ) gestiegen. Noch immer geht es in dem Erdbebengebiet darum, Verschüttete zu bergen und möglichst viele Leben zu retten. Solange gehört sich die Frage einfach nicht, ob die Bergsteiger-Saison in Nepal wie schon 2014 vorzeitig endet.

P.S.: Nepal gehört zu den 20 ärmsten Ländern der Welt. Eine Katastrophe wie das Erdbeben vom Samstag ist damit doppelt verhängnisvoll. Für alle, die für die Menschen Nepals spenden wollen, hier zwei Möglichkeiten: 1) Aktion Deutschland Hilft und Bündnis Entwicklung Hilft (ADH & BEH Commerzbank, IBAN DE53 200 400 600 200 400 600, Stichwort ARD: “Erdbeben Nepal”, BIC: COBADEFFXXX 2) Sir Edmund Hillary Stiftung Deutschland (Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, IBAN DE 76 7115 2570 0620 6210 11, BIC: BYLADEM1MIB).

P.P.S.: Mich erreichen immer häufiger konkrete Anfragen nach Personen, die in Nepal zum Zeitpunkt des Bebens unterwegs waren. Ich kann da leider nicht weiterhelfen, so gerne ich es täte. Wendet euch bitte in solchen Fällen an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (https://www.icrc.org/en)! Im Internet gibt es auch Suchaktionen, z.b. https://google.org/personfinder/2015-nepal-earthquake.

Datum

26. April 2015 | 19:17

Teilen