Gelesen: Der nächste Schritt
Gestern war wieder mal so ein Abend in meiner Heimatstadt Köln. Nebel, keine fünf Meter Sicht, dazu knackig kalt, glatte Straßen. Ein Wetter, wie es herrschte, wenn in den Edgar-Wallace-Filmen meiner Kindheit die Mörder ihr Unwesen trieben. Ein Wetter, bei dem du keinen Hund vor die Tür schicken, geschweige denn einen Fuß vor dieselbe setzen würdest. Ein Wetter, um sich einen Jagertee aufzugießen, sich in den Sessel zu setzen und zu einem guten Buch zu greifen. Wie dem neuen Buch von Ueli Steck, „Der nächste Schritt“, das er in bewährter Zusammenarbeit mit der Autorin Karin Steinbach verfasst hat.
Leben geriet aus dem Ruder
Seit vielen Jahren ist Ueli eine feste Größe im Extrembergsteigen, sei es wegen seiner Speedbegehungen in den Alpen oder seinen großartigen Projekten im Himalaya. Der Schweizer, der Anfang Oktober seinen 40. Geburtstag feierte, gehört unbestritten zu den besten Bergsteigern der Welt. Steck hat viele Glanzlichter gesetzt. Dass ausgerechnet sein bisher wohl größter Erfolg, die Solodurchsteigung der Annapurna-Südwand im Herbst 2013 auf einer im oberen Bereich neuen Route, ihn in eine tiefe persönliche Krise stürzte, dürfte vielen so noch nicht bekannt sein. „Ich hatte Angstzustände“, schreibt Ueli. „Mein Leben geriet aus dem Ruder, für Monate.“
Auge in Auge mit dem Tod
Steck war sich bewusst, dass er die Schraube bei diesem Projekt eigentlich überdreht hatte. Dass er „Auge in Auge mit dem selbst verschuldeten Tod gestanden“ hatte. Wenige Monate zuvor, im Frühjahr 2013, war Ueli im Everest-Hochlager von einem aufgebrachten Sherpa-Mob beinahe gelyncht worden. Auch damals hatte er dem Tod ins Gesicht geblickt, jedoch auf eine andere Art und Weise. Steck beschreibt in seinem Buch offen und ehrlich, wie er sich in extremen Situationen wie diesen gefühlt hat. Und es gab weitere in den vergangenen Jahren.
Der Mensch hinter der „Maschine“
Auch seine alpinen Leistungen kommen in dem Buch nicht zu kurz, etwa wenn Ueli von seinen Besteigungen der 82 Viertausender der Alpen in 61 Tagen berichtet. Der Leser erfährt, wie Steck tickt und kann möglicherweise hinterher auch besser nachvollziehen, dass Ueli schon einige Kletterpartner „verschlissen“ hat, weil sie schlicht seinem Tempo, seinen Fähigkeiten am Berg oder auch seinen hohen Ansprüchen an sich selbst nicht gewachsen waren. Und doch wird ihm nach der Lektüre auch klar geworden sein, dass hinter der „Swiss Machine“, wie Ueli gerne genannt wird, ein sensibler Mensch steckt.