Shishapangma-Südwand, die Zweite!
Diese Wand hat ihn gepackt. Das zweite Frühjahr in Folge wird der deutsche Profibergsteiger David Göttler versuchen, eine neue Route durch die Südwand der 8027 Meter hohen Shishapangma in Tibet zu eröffnen. Nach seinem gescheiterten Anlauf 2016 mit dem Schweizer Ueli Steck ist der 38-Jährige diesmal mit Hervé Barmasse unterwegs. Der 39 Jahre alte Italiener ist ein sehr erfahrener Kletterer, der in den letzten Jahren vor allem mit neuen Routen an seinem Hausberg, dem Matterhorn, für Schlagzeilen gesorgt hat. Auch im Karakorum und in Patagonien gelangen Hervé bereits spektakuläre Erstbegehungen. Auf einem Achttausender hat Barmasse bisher noch nicht gestanden. Ich erwische Göttler per Telefon am Tag seiner Abreise in den Himalaya, auf dem Weg zum Flughafen.
David, du bist auf dem Sprung nach Nepal. Mit welchem Gefühl startest du?
Ich bin sehr, sehr positiv gestimmt und total motiviert. Ich glaube, ich habe selten so viel an Zeit, Training und Vorbereitung für eine Expedition investiert. Es könnte eine neue Route an einem Achttausender herausspringen. Ich war im letzten Jahr schon einmal an der Shishapangma-Südwand und weiß, wie es dort aussieht, und dass es absolut möglich ist. Ich empfinde eine ziemliche Anspannung, aber in einem sehr positiven Sinn.
Du hat im Februar mit Hervé Barmasse und Ueli Steck intensiv im Khumbu-Gebiet trainiert. Hat sich dieses Vortraining in Nepal aus deiner Sicht bewährt?
Erst wenn wir jetzt nach zwei Wochen wieder aus dem Khumbu zurückkehren werden, kann ich sagen, ob es sich wirklich so ausgezahlt hat, wie wir uns das erhoffen. Aber wenn ich davon ausgehe, wie es sich zu Hause in den Bergen um Chamonix auf 4000 Metern angefühlt hat, kann ich schon jetzt sagen, dass ich einen sehr positiven Effekt spüre.
Ihr werdet noch gut zwei Wochen in Nepal verbringen, bevor ihr nach Tibet zur Shishapangma weiter reist. Was genau plant ihr, um euch weiter zu akklimatisieren?
Wir wollen nicht so eine trainingsintensive Zeit wie im Februar verbringen, als wir wirklich viel herumgerannt sind, sondern wir wollen diesmal ein bisschen mit den Kräften haushalten. Aber natürlich werden wir uns bewegen. Wir haben unsere Sachen vom Februar in Chukhung [4730 Meter hoch gelegenes Dorf im Khumbu-Gebiet] deponiert. Dort werden wir wieder unser „Basislager“ aufschlagen. Von dort aus werden wir auf jeden Fall wieder den Island Peak [technisch relativ einfacher 6180 Meter hoher Berg] besteigen und die üblichen Pässe überqueren. Aber wir werden nichts wirklich Anspruchsvolles machen. Das heben wir uns für die Shishapangma auf.
Im vergangenen Jahr warst du mit Ueli Steck an der Südwand, jetzt mit Hervé Barmasse. Dasselbe geographische Ziel, auch exakt dasselbe sportliche Ziel?
Ich möchte die Idee aus dem letzten Jahr von der neuen Route durch die Shishapangma-Südwand jetzt mit Hervé realisieren. Das ist unser Ziel. 2016 endete es ja, bedingt durch das instabile Wetter, mit zwei Eintagesversuchen. Ich hoffe, dass wir in diesem Frühjahr in Tibet stabileres Wetter haben und diese neue Route wenigstens mal ernsthaft versuchen können – und hoffentlich auch schaffen.
Ihr wart im letzten Jahr sehr schnell unterwegs. Nehmt ihr euch diesmal mehr Zeit?
Auf der neuen Route können wir nicht so schnell sein. Es ist technisches Gelände, die Schlüsselstelle, die man auf Fotos erkennt, ist ziemlich weit oben. Wir planen, insgesamt etwa drei Tage in der Wand zu sein. Da hat man automatisch nicht mehr diese hohe Geschwindigkeit, weil man Zelt, Schlafsack, Matte, Kocher und Essen braucht. Das ist ein riesiger Klotz am Bein, oder besser gesagt auf dem Rücken, und macht einen langsamer. Es wird nicht realisierbar sein, diese technisch doch anspruchsvolle Route in einem Tag hinaufzuklettern und abzusteigen.
Erwägt ihr, wie Ueli und du im letzten Jahr, im Erfolgsfall eine Überschreitung des Gipfels und den Abstieg über die Nordseite der Shishapangma?
Wir wollen eher über die Südseite absteigen. Auch weil ich jetzt aus dem letzten Jahr zwei Abstiegs-Optionen kenne. Das ist vom Logistischen her deutlich einfacher. Eine Überschreitung haben wir diesmal jedenfalls nicht vordergründig im Sinn.
Glaubst du, dass sich eure Chancen dadurch erhöht haben, dass du im letzten Jahr schon mal dort warst?
Auf alle Fälle. Für solche anspruchsvollen Ziele muss man vielleicht immer zwei, drei Jahre investieren, um die Bedingungen besser kennenzulernen. Ich glaube, ich habe jetzt ein viel besseres Gespür für die Wand. Ich weiß ganz genau, was uns dort erwartet. Das ist zum einen mental ein Vorteil. Zum anderen konnte mich dementsprechend auch anders vorbereiten.
Aber das Wetter könnt ihr nicht beeinflussen.
Natürlich nicht. Ich hadere immer wieder damit, weil ich so viel in die Vorbereitung investiere und versuche, alle Unwägbarkeiten auszuschalten. Aber am Ende lasse ich mich auf ein Spiel ein, bei dem ich viele Komponenten nicht beeinflussen kann, wie das Wetter oder die Verhältnisse. Wenn so etwas passiert wie das Erdbeben 2015, ist man machtlos.
Die Spielregeln haben sich nicht geändert: Egal wie gut oder fit ich bin, am Ende hängt es davon ab, ob wir ein Wetterfenster von drei, vier Tagen bekommen, währenddessen wir einen ordentlichen Versuch machen können. Auf der einen Seite hadere ich damit ein bisschen, auf der anderen Seite ist es das, was das Expeditionsbergsteigen auch ausmacht, dass man eben nicht diese Sicherheit hat.
Du bist nun erstmals mit Hervé auf Expedition? Stimmt die Chemie zwischen euch beiden?
Ja. Es ist einfach immer gut, mit einem Italiener unterwegs zu sein, da hast du immer eine Gaudi. Wir sind etwa gleich alt, wir haben auch viele Gemeinsamkeiten im Leben, so wie wir aufgestellt sind. Wir kennen uns schon länger, haben zusammen trainiert und waren auch schon gemeinsam unterwegs. So etwas Großes haben wir jedoch noch nie zusammen gemacht. Aber ich habe ein super Gefühl. Ich glaube, wir funktionieren sehr gut als Team. Das wird dieses Mal auch sehr wichtig sein. Außer Hervé und mir werden nur noch ein Koch und ein Küchenjunge im Basislager sein. Das wird einsamer als zum Beispiel am Nanga Parbat im Winter. Ich freue mich schon riesig darauf, dieses ungefilterte, pure Expeditions-Feeling in so einem kleinen Team zu erleben.