„Wir sind bereit“ in Thulosirubari
„Sie haben ihre Häuser und ihren ganzen Besitz verloren, aber nicht ihre Pläne“, sagt Arjun Gatraj über die Menschen seines Heimatdorfes Thulosirubari. „Sie hoffen weiter.“ Nicht nur auf bessere Zeiten für sich, sondern vor allem für ihre Kinder. „Sie wissen ganz genau, wie wichtig Bildung ist. Deshalb schickten sie ihre Kinder auch sofort wieder in unsere Schule, sobald wir den Unterricht wieder aufgenommen hatten.“ Arjun ist der Vorsitzende des Schulkomitees von Thulosirubari, einem kleinen Bergdorf, gut 70 Kilometer von der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu entfernt. So gut wie jede Familie wurde von dem verheerenden Erdbeben am 25. April 2015 getroffen. „75 Menschen starben, davon acht unserer Schüler“, erzählt mir Arjun bei meinem Besuch in Thulosirubari. „Von rund 1800 Häusern hier in der Gegend blieben nur 30 bis 40 unversehrt.“
Unterricht im Freien
Auch fast elf Monate nach dem Beben sind die Schäden im Distrikt Sindhupalchowk östlich von Kathmandu unübersehbar. Die meisten Menschen, deren Häuser bei dem Beben zusammenbrachen, leben immer noch in Wellblechschuppen. Notdürftig, wenn überhaupt, haben sie die Trümmer beiseite geräumt. Die „Gerlinde-und-Ralf-Schule“ in Thulosirubari war – wie berichtet – so schwer beschädigt worden, dass sie komplett abgerissen werden musste. Die Lehrer unterrichten die rund 700 Kinder und Jugendlichen derzeit in provisorischen Unterrichtsräumen unter Wellblechdächern – oder unter freiem Himmel. Auch heute haben sich die jüngeren Kinder draußen versammelt. Sie trainieren für ein Wissensquiz. In Dreierteam stecken sie über ihren Holzpulten die Köpfe zusammen. Das beste der acht Teams soll die Schule in Kürze bei einem Wettbewerb mit anderen Schulen vertreten. Jede richtig beantwortete Frage wird von großem Applaus des Publikums begleitet.
Kurz vor dem Abheben
„Auch im Winter sind die Lehrer oft nach draußen umgezogen“, erzählt Arjun. „Wir konnten die Schuppen nicht heizen. In der Mittagssonne war es wärmer als drinnen.“ Auch die Lehrerkonferenzen wurden lange unter einem großen Baum auf dem Schulgelände abgehalten. Jetzt steht dafür ein Zelt zur Verfügung. „Wenn der Wind richtig bläst, haben wir das Gefühl, als höbe das Zelt im nächsten Augenblick ab“, sagt der Chef des Schulkomitees und lacht. Die Menschen von Thulosirubari haben ihren Humor nicht verloren und ihren Mut wiedergefunden.
Sprung aus dem Fenster
Unmittelbar nach dem Beben war das anders. Viele Bewohner der Dörfer waren traumatisiert, auch die Kinder. „Ich konnte es in ihren Gesichtern lesen“, erinnert sich Englischlehrerin Shailaja Kasaju. Die 27-Jährige unterrichtet an der Schule in Sangachok, nicht weit entfernt von Thulosirubari. „Vor dem Beben sah ich in lächelnde, glückliche Kinder-Gesichter, danach in traurige. Sie hörten sogar auf, miteinander zu reden.“ Die Kinder seien so traumatisiert gewesen, dass sie bei den ersten Nachbeben häufig aus dem Fenster der provisorischen Schulräume gesprungen seien. Inzwischen hätten sie sich an die Situation gewöhnt, sagt Shailaja: „Sie kennen sich mit Erdbeben aus und wissen, was sie zu ihrer eigenen Sicherheit beitragen können.“ Die Schule in Sangachok musste ebenso wie jene von Thulosirubari komplett abgerissen werden. Beide waren von der „Nepalhilfe Beilngries“ gebaut und getragen worden.
Warten auf den Startschuss
Die deutsche Hilfsorganisation wartet auf die Genehmigung der nepalesischen Regierung für den Wiederaufbau. Das Verfahren ist deutlich bürokratischer geworden. Konnte die „Nepalhilfe“ früher den Bau neuer Schulen direkt mit den Schulkomitees auf den Weg bringen, sind nun weitere Instanzen dazwischen geschaltet worden. „Wir hoffen, dass wir im April loslegen können“, sagt Shyam Pandit, der die Schulprojekte der „Nepalhilfe“ im Land koordiniert. Die Regierung hat neue Vorschriften erlassen, um die Gebäude erdbebensicherer zu machen. So dürfen die Schulen künftig nur noch zweigeschossig gebaut werden.
Laut und stressig
Die Lehrer sehnen die neuen Gebäude herbei. Der Unterricht in den hellhörigen Wellblechschuppen sei „sehr stressig“, sagt Shailaja. „Wenn ich in einer Klasse unterrichte, störe ich die beiden anderen Klassen daneben. Wir müssen so laut reden, wie wir können. Das ermüdet ungeheuer.“ Zudem würden die Schüler häufig abgelenkt, weil die Schuppen nach beiden Seiten offen seien. Und dann sei da auch noch die Verletzungsgefahr, erklärt die Lehrerin: „Die Kinder schneiden sich häufig an den scharfen Kanten des Wellblechs.“
Der Platz für die neue Schule in Thulosirubari ist schon ausgeguckt. Die Holztüren und -fenster der abgerissenen Schule lagern in einem Schuppen. „So können wir Geld sparen“, sagt Arjun Gatraj, der Vorsitzende des Schulkomitees. „Wir sind bereit.“
P.S.: Ich soll euch von den Menschen in Thulosirubari ein ganz herzliches Dankeschön ausrichten. Dank eurer Spenden für unser Hilfsprojekt „School up!“ ist der hoffentlich bald bevorstehende Baubeginn in Thulosirubari überhaupt erst möglich geworden. Gut ein Drittel der nötigen Summe sind bereits zusammengekommen. 🙂 Doch die Preise für Baumaterial in Nepal sind nach dem Erdbeben und der monatelangen Blockade der nepalesisch-indischen Grenze um 50 Prozent gestiegen. Wir sind noch nicht am Ziel. Bitte spendet weiter fleißig für „School up!“ und erzählt anderen von diesem Projekt! Hier noch einmal die Kontodaten:
Nepalhilfe Beilngries
Volksbank Bayern Mitte eG
IBAN: DE05 7216 0818 0004 6227 07
BIC/SWIFT-Code: GENODEF1INP
Verwendungszweck: Gerlinde-und-Ralf-Schule