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Bildungswege

Fünf Blogger - fünf Länder - ein Dialog

Der Abstieg geht schnell, ein Aufstieg ist kaum möglich im deutschen Schulsystem

Die Grundschule in Weiler, die Simon bis zur vierten Klasse besuchte (Foto: Kathrin Biegner)

Die Grundschule, die Simon bis zur vierten Klasse besuchte

Temperaturen um die 25 Grad und blauer Himmel: Für die meisten Kinder bedeutet das in Deutschland momentan Freibad und sich auf die sechswöchigen Sommerferien freuen, die bald beginnen. Viele verbinden mit dem nahenden Schuljahresende aber auch Ängste. Denn ihre Noten sind nicht gut genug, um in die nächste Klassenstufe versetzt zu werden oder auf ihrer jetzigen Schule bleiben zu können. Von diesen Befürchtungen hat Gaby, die Freundin meiner Mutter gerade erzählt. Ihr Sohn Simon ist momentan in der neunten Klasse eines Gymnasiums in Rheinland-Pfalz.

In Deutschland gibt es je nach Region sehr unterschiedliche Bildungssysteme, da über Bildungspolitik die jeweiligen regionalen Landesparlamente entscheiden (hierüber hat auch Jürgen in seinem Kommentar zu Marías Blog geschrieben). In Rheinland-Pfalz gibt es nach der vierten Klasse der Grundschule generell drei Optionen für den weiteren Bildungsweg:

1. Realschule Plus: 5. bis 10. Klasse, endet mit der mittleren Reife
2. Gymnasium: 5. bis 12./12,5. Klasse, endet mit dem Abitur
3. Gesamtschule: vereint die anderen zwei Schulformen

Simon ging nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium. Seine Noten wurden aber im Laufe der Jahre immer schlechter. „Sein Lateinlehrer meinte, dass er ein sehr großes Defizit hat und mehr als ein Jahr Schulstoff aufholen müsste“, erzählt Gaby bedrückt. Auch in anderen Fächern sind die Noten zu schlecht, um nach den Sommerferien die zehnte Klasse seines Gymnasiums zu besuchen. Was tun? Seine Mutter fühlt sich in der Situation alleine gelassen.

Am liebsten würde sie ihren Sohn auf eine Gesamtschule schicken, die einen sehr guten Ruf hat. Aber die Gesamtschulen sind sehr gefragt und nicht verpflichtet, alle Schüler aufzunehmen. „Schon im letzten Jahr hatte ich Simon dort angemeldet. Er stand auf der Nachrückerliste, falls ein Schüler nicht kommen würde. Aber leider wurde kein Platz frei“, sagt Gaby. Alle Schulbücher hatte sie sicherheitshalber bereits gekauft.

Eines der Gymnasien in Bingen (Foto: Kathrin Biegner)

Eines der Gymnasien in Bingen

Also doch an eine Realschule Plus? Oder sollte er noch einmal die neunte Klasse auf seinem jetzigen Gymnasium wiederholen? Die zweite Option scheidet für Gaby aus, da das Problem mit Latein fortbestehen würde. Simon könnte in den sechs Wochen Sommerferien sein Defizit nicht aufholen, um auf den Stand der momentanen Achtklässler zu kommen.

Fällt die Entscheidung auf die Realschule Plus, könnte Gaby ihren Sohn auch für die neunte Klasse anmelden. Hier bräuchte er auch keine zweite Fremdsprache neben Englisch zu belegen und wäre somit zumindest seine Lateinprobleme los. Doch wird das genügen, damit sich Simon auf die anderen Fächer konzentrieren und seine Schwächen ausgleichen kann, damit er dann nach der 10. Klasse ein gutes Abschlusszeugnis hat?

Diese Situation ist sehr belastend für die Kinder und ihre Eltern. Besonders schwierig ist es für die Kinder, wenn sie von den momentanen Klassenkameraden getrennt werden. In einer neuen Klasse, an einer neuen Schule müssen sie sich dann in eine bestehende Klassengemeinschaft integrieren. Und dann sollen sie ja auch noch intensiv für die Schule lernen. Ich drücke Simon die Daumen, dass er einen guten Platz findet und die Herausforderungen meistert.

Datum

Dienstag, 29.05.2012 | 20:20

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